Menschliche und tierische Werwölfe

In diesen Szenen habe ich mich etwas in die Mystik der Werwölfe verrannt und mir vor allem vieles ausgedacht. Alle „Fakten", die ich in der Geschichte über Werwölfe und auch Vampire verwendete, habe ich mir aus einem wissenschaftlichen Buch aus der Universitätsbibliothek erarbeitet (Titel: „Dämonen, Monster, Fabelwesen"). Die Ideen dieser Szenen allerdings stammen von mir. Ich habe diesen Handlungsstrang nicht weiter verfolgt, da die Veränderung in Remus´ Leben zu krass gewesen wäre und wiederum zu sehr ihn und Meta in den Mittelpunkt gerückt hätte. Außerdem hat mir die Idee irgendwann selbst nicht mehr gefallen.

Der Auszug spielt in den ersten Wochen in Hogwarts. Ich bin mir selbst nicht mehr sicher, aber höchstwahrscheinlich spielt der Auszug nach „Ein Brief, alte Geschichten … und kein Liebeskummer!", als Remus Harry wieder ins Schloss hochbringt.

Das Abendessen war vorbei. Wie schon öfter hatte es ohne Harry stattgefunden. Ron und Hermine kamen ihm aufgeregt entgegen zu, als er mit Remus den Aufenthaltsraum betrat: „Oh, Harry! Wo warst du denn überall? Wir haben dich gesucht!"

Hermine umarmte ihn und Ron stupste ihn zaghaft an. Harry hätte sich am liebsten verzogen, doch Remus hielt ihn an den Schultern eisern fest.

„Molly euch Geschenke geschickt."

Remus verteilte schweigend die Sachen und blieb am Eingang stehen: „Ich hole morgen Abend die Karte ab."

„Ist gut!"

„Gute Nacht!" sagte Remus und ging.

Sie nickten ihm hinterher und dann schob Ron Harry zu einem der Sessel am Kamin, damit er sich nicht wieder aus dem Staub machte. Er und Hermine ließen sich ebenfalls nieder.

„Und, wo wart ihr die letzten Tage?" fragte Harry gewollt vorwurfsvoll. Er wollte so schnell wie möglich einen Streit vom Zaun brechen, damit sie ihn freiwillig gehen ließen.

„Ach, Harry!" seufzte Hermine, „Du warst doch immer weg! Oder unansprechbar! Oder unausstehlich! Ach, wir hätten uns doch trotzdem besser um dich kümmern sollen! Wir waren keine guten Freunde!"

Harry zuckte mit den Schultern. Seiner Meinung nach hatten sie gut daran getan, ihn in Ruhe zu lassen.

Ron räusperte sich: „Wir hatten viel zu tun, Harry! Wir haben Bücher gewälzt ohne Ende, weil wir einen Haufen Probleme haben, Mann!

Einen Augenblick war Harry drauf und dran, aggressiv zu fragen, was für schwerwiegende Probleme sie denn schon haben könnten, doch er beherrschte sich und sah Ron nur fragend an.

„Also", begann Hermine, „Professor Lupin braucht dringend Hilfe! Diese monatlichen Verwandlungen und die zahlreichen Verletzungen, die er sich zufügt, zehren an seinem menschlichen Körper! Er wird schließlich auch nicht jünger! Er braucht den Trank, denn sein Körper hat sich an ihn gewöhnt, und er braucht ihn bald, sonst ..."

„Sonst stirbt er, Harry!" vollendete Ron düster.

Harry schloss die Augen. In ihm brach kein Sturm los, stattdessen fiel eine schwere Decke auf alles: auf seine Brust, auf seine Gefühle, auf seinen Bauch, auf seine Tränen. Es war, als würde man ein Grab zuschaufeln.

„Ich habe den Trank bald zusammen!" versicherte Hermine schnell, „Aber etwas anderes wäre eine sehr viel wirksamere und längerfristige Methode!"

„Was?" fragte Harry tonlos und noch immer mit geschlossenen Augen.

„Den Werwolf zu töten, der ihn gebissen hat!" sagte Ron schlicht und Harry öffnete die Augen und sah ihn an.

„Damit wären wir beim zweiten Thema: Wie tötet man einen Werwolf und wie findet man einen ganz bestimmten? Das können nur Auroren. Das machen sie schließlich beruflich ... oder jedenfalls haben sie das früher getan, als es nichts Schlimmeres zu jagen gab, als tierische Werwölfe."

„Tierische Werwölfe?" Harry wunderte sich selbst, dass er tatsächlich nachfragte.

„Wir unterscheiden tierische und menschliche Werwölfe. Die tierischen gehen in ihrem Leben als Werwolf ganz auf und werden allmählich für immer zu einem; ohne Rückverwandlung und unter dem Verlust ihrer gesamten menschlichen Seite. Die menschlichen hängen an ihrem menschlichen Körper und Dasein und wehren sich solange gegen die Verwandlungen, bis sie zu kraftlos werden und sterben." Ron klang so sachlich wie ein Buch.

„Remus ist eindeutig ein menschlicher Werwolf. So etwas kristallisiert sich in den ersten Jahren des Werwolf-Daseins heraus und wenn ein Werwolf menschlich ist, kann er dies vielleicht 15 weitere Jahre aushalten, aber irgendwann stirbt er dann."

Harry sah Hermine an, als könnte sie etwas dafür.

Ron beugte sich vor: „Wir haben mit der Recherche bereits begonnen. Der Werwolf, der Remus vor etlichen Jahren gebissen hat, heißt Duncan Kelly, ein Ire."

„Wie habt ihr das herausbekommen?"

„Remus weiß es. Wir haben ihm letztens ein wenig Veritaserum gegeben und gesagt, es wäre vielleicht dieser Wolfsbanntrank. Dann haben wir ihn ausgefragt."

„Und woher habt ihr das Veritaserum?"

„Snape geklaut." sagte Hermine unbeeindruckt.

Harry zog die Augenbrauen hoch: „Da hattet ihr ja echt viel zu tun!"

„Allerdings. Und jetzt geht's in die zweite Phase. Wir müssen diesen Kelly finden. Wenn er sich in Europa aufhält, geht das mit einem etwas komplizierten, doch durchaus machbaren Ortungszauber."

„Und wenn wir ihn gefunden haben, reisen wir zu ihm und töten ihn?" Harry setzte sich aufrecht hin. Er begann, sich für den Plan zu interessieren.

„Genau das."

„Also, wisst ihr, ob dieser Kelly ein tierischer oder ein menschlicher Werwolf ist? Ich meine, es könnte jemand sein wie Remus, der leider einmal in seinem Leben jemanden gebissen hat! Habt ihr darüber mal nachgedacht!"

Hermine zog die Schultern und Ron schürzte die Lippen: „Naja, wir hoffen, dass es ein tierischer Werwolf ist."
„Wir hoffen!" keuchte Harry.

„Höchstwahrscheinlich ist es einer; das finde ich mit einem Spruch heraus." sagte Hermine schnell.

„Wann weißt du es?" fragte Harry.

„Wenn wir vor ihm stehen und er verwandelt ist."

Harry lachte und lehnte sich zurück: „Das ist nicht euer Ernst!"

Ron beugte sich mit finsterem Gesicht vor: „Harry, liegt dir was an Remus oder nicht? Willst du das Risiko für ihn eingehen oder nicht?"

„Nun, vor nicht allzu langer Zeit hat meine Risikobereitschaft jemanden umgebracht." sagte Harry kalt und Hermine und Ron zuckten beide zusammen.

Dann sagte Hermine kleinlaut: „Diesmal bringt vielleicht dein Zögern jemanden um."

„Hermine!" Harry schrie beinahe und sprang aus dem Sessel: „Was wollt ihr eigentlich alle von mir? Mal soll ich stillhalten und mich bloß nicht in Gefahr begeben und ein andermal wird von mir verlangt, quer durch Europa zu reisen, um einen Werwolf zu töten, der vielleicht auch ein ganz normaler Mensch ist, was ich aber erst weiß, wenn ich vor ihm steh; sprich: Wenn es fast zu spät ist! Wie bescheuert ist das eigentlich?"

„Ziemlich bescheuert!" stimmte Ron schlicht zu, „Hilfst du uns also?"

Harry hörte auf, herum zu laufen und sah seinen Freund fest an: „Remus wird das wirklich nicht länger aushalten?"

„Nein!"

„Dann lasst uns mal loslegen!"

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„Hermine, bist du sicher, dass so viele Krötenbeine da rein müssen? Das wird doch kein Zersetzungstrank." Harry protestierte bereits zum dritten Mal, weswegen Hermine leicht genervt reagierte: „Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass es so richtig ist!"

„Harry, hilf mir mal mit diesen Mistviechern!" kam ein erstickter Aufschrei von Ron und Harry kam ihm zu Hilfe. Der Arme plagte sich mit spinnenähnlichen Insekten, die einen Namen trugen, den die drei nicht einmal aussprechen konnten.

„Beine und Köpfe ausrupfen, platt hauen und rein in die Suppe."

„Das ist ja widerlich!"

Eine Weile arbeiteten sie konzentriert und teilweise angeekelt. Wieder einmal saßen sie in Myrtles Toilette und mixten einen für Schüler offiziell verbotenen Trank.

Plötzlich horchte Hermine auf: „Schritte!"

Ron wollte auf- und zur Tür springen, da erhob Harry die Stimme: „Circumdo!"

Augenblicklich legte sich ein bläulicher Schimmer über den Raum. Hermine lachte auf: „Na, da hat jemand in „Zauberkunst" aufgepasst!"

„Nicht direkt. Den Zauber hab´ ich mir von Kingsley abgeguckt."

Ron staunte: „Hätte nicht gedacht, dass dieser Hexenkreis so gut funktioniert. Keiner kann jetzt rein!"

„Die kriegen nicht mal mit, was hier drinnen vor sich geht. Das ist einer der besten Zauber, die ich kenne!" meinte Harry und wandte sich wieder Hermine zu, die den dicken Sud umrührte und die bein- und kopflosen Tierchen untermischte: „Wir sind bald fertig! Ron, klapp schon mal die Karte aus. Wir müssen sie gleich mit dem Zeug hier bestreichen."

„Hoffentlich nicht mit den Fingern!" brummelte Ron und faltete umständlich die Europakarte auf dem Boden aus.

Ein langgezogener Schluchzer ertönte und Myrtles mürrischer Kopf erschien über einer Klotür: „Seid ihr immer noch nicht fertig? Ich brauche meine Ruhe!"

„Hör auf, ständig zu nerven, dann sind wir bald weg!" sagte Hermine und spuckte kurz in den Trank.

„Hermine!"

„Das muss so! Jetzt hebt mal den Kessel und tragt ihn hier rüber!"

Die Jungen keuchten unter der Last des Kessels und verschütteten noch fast alles. Dann kippten sie das dampfenden, zum Glück geruchslose Gebräu über die Karte, während Hermine befahl: „Zeig, wo sich der Werwolf Duncan Kelly befindet!"

Der Sud brodelte und köchelte und floss auf der Karte herum, um dann genau einen Ort frei zu legen. Die drei beugten sich über die Karte.

„Italien!" stieß Ron keuchend hervor.

„Rom!" kam es von Harry.

„Jedenfalls irgendwo in der Nähe davon!" sagte Hermine.

„Das gibt's doch nicht!" Ron richtete sich auf und stemmte die Hände in die Hüften, „Wie sollen wir denn nach Italien kommen?"

„Fliegen?" fragte Harry.

„Mit den Besen? Das geht nicht. Erstens habe ich gar keinen und ..."

„Du könntest bei mir mitfliegen!" sagte Ron hastig und Hermine lächelte, doch winkte ab: „ ... außerdem ist es zu gefährlich. Wir können uns noch nicht desillusionieren und könnten von so ziemlich allem entdeckt werden, das uns finden will."
„Dann brauchen wir einen Portschlüssel."

„Wir können ja mal das Ministerium fragen." spottete Hermine.

Ron stöhnte: „Sie haben die Vorschrift noch nicht geändert. Was soviel heißt, wie wir dürfen noch nicht apparieren, selbst wenn wir es uns beibringen könnten."

Harry lehnte sich an die Wand und zog die Knie an. Hermine betrachtete ihn.

„Und jetzt?" fragte Ron mutlos, „Wie und wann kommen wir nach Italien?"

Hermine richtete sich auf: „In den Weihnachtsferien. Mit dem Zug."

„Mit dem Zug?"

„Leute! Wir fahren mit einem ganz normalen Zug. Als Zauberer kommen wir nicht dorthin, doch als Muggel können wir es schaffen."

„Mit welchem Geld? Ich habe noch nie Muggelgeld in der Hand gehabt. Mein Dad hat welches im Ministerium, doch da kommen wir nicht ran. Und ich glaube nicht, dass Harry jemals Taschengeld bekommen hat."

Harry lachte kurz auf: „Die Dursleys lassen mich doch am ausgestreckten Arm verhungern."

„Ich habe Geld!" sagte Hermine bestimmt, „Ich habe es hier und ich glaube, es reicht, um drei Leute mit dem Zug hin und wieder zurück zu schaffen."

Erst wollten die Jungen protestieren, doch dann nickten sie: „Das ist wohl die beste Lösung."

„Sollten wir irgendjemandem Bescheid sagen? Ginny? Oder vielleicht Meta?" fragte Harry.

Hermine nickte: „Das wäre vielleicht nicht schlecht. Ich habe gelesen, dass der Werwolf, dessen Erschaffer getötet wird, das ganz schön zu spüren bekommt. Es wäre außerdem eine Vollmondnacht und jemand muss sich um Remus kümmern, wenn wir nicht da sind."

„Dann wäre Meta wohl wirklich am besten. Schließlich steht sie auf ihn und so hat sie Gelegenheit, ihm ein bisschen näher zu kommen." meinte Ron trocken und stand ebenfalls auf.

„Ron, wir wissen doch mittlerweile, wie arg kompliziert das ist." schalt Hermine.

„Du hast dich doch letztens mit ihr unterhalten. Worüber habt ihr denn gesprochen?" wollte Ron wissen.
Hermine schüttelte hektisch den Kopf: „Nichts Wichtiges!"

„Ich find´s gut, dass ihr euch so gut versteht!" sagte Harry, „Aber du weißt schon, dass sie keine gleichaltrige Freundin sein kann, oder?"

„Ja, natürlich!" sagte Hermine, „Also weihen wir Meta ein? Sie ist zwar älter als wir, sollte dementsprechend klüger sein, aber wenn es um Remus geht, ist sie tatsächlich etwas närrisch. Sie wird uns sicher helfen und vor allem auch Stillschweigen bewahren. Denn je weniger Leute davon wissen, desto weniger bekommen Ärger, wenn uns ... wenn wir ..."

„Wenn uns etwas passiert und wir nicht wieder zurückkommen?" vollendete Ron. Er seufzte: „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass mal wieder alles an uns hängen bleibt und Dumbledore Remus so im Stich lässt!"

„Er hat viel zu tun im Ministerium. Ich habe gehört, dass Fudge abgehauen ist. Stellt euch mal das Chaos vor!"

Harry nickte: „Das ist klar, aber trotzdem haben sie hier eindeutig die falschen Schwerpunkte gesetzt. Wir brauchen Remus als Lehrer und als Kämpfer auf unserer Seite."

„Na, dann, Jungs!" Hermine schlug sich auf die Beine und stand auf, „Ratzeputz!" Das Gebräu verschwand und der Boden blitzte. „Lasst uns ins Bett gehen. Wir müssen morgen anfangen, heraus zu finden, wie man einen Werwolf tötet."