Draco Malfoy und der verlorene Hauspokal

Mein erstes Jahr in Hogwarts verlief nicht ganz nach meinem Geschmack – eigentlich genauso wie die Jahre danach, aber hier geht es um das erste Jahr. Wenn ich ehrlich sein soll, begann der Schlammassel noch vor offiziellem Schulbeginn, als ich mit Vater und Mutter in der Winkelgasse einkaufen war.

Ich hatte es geschafft, meinen Vater alleine zum Buchladen zu schicken und Mutter würde ja sowieso alles für mich tun. Ich sah auch gar nicht ein, warum ich bei der Zauberstabauswahl unbedingt dabei sein musste. Jedenfalls lief mir damals einer meiner neuen Mitschüler über den Weg. Abgesehen von Vincent und Gregory kannte ich noch niemanden, der auch nach Hogwarts gehen würde, obwohl ich natürlich alles über diese Schule wusste.

Hätte ich gewusst, was für Idioten sie aufnehmen, wäre ich noch weniger begeistert gewesen, als ich es eh schon war.

Ich stand gemütlich auf meinem Stuhl, schaute die vorüberziehenden Leute aus dem Fenster heraus an, als ein Stuhl neben mir aufgestellt wurde und ein Junge mit übergroßen Kleidern und einer unmöglichen Frisur dort hinaufkletterte.

„Hallo. Auch Hogwarts?", begrüßte ich ihn knapp angebunden. Wenn ich allerdings knapp angebunden war, was war er dann? Seine Antwort lautete: „Ja."

Mehr nicht! Ich redete weiter auf ihn ein, doch die ganze Zeit blieb er wortkarg. Ich sagte mir, er müsse wohl schüchtern sein. Als ich versucht, ihn aus der Reserve zu locken und auf Hagrid – ich kannte seinen Namen natürlich noch nicht – deutete, wurde er sofort barsch, brach beinahe in Tränen aus, erzählte mir, dass seine Eltern tot seien, blabla. Ich bekam nur noch aus ihm heraus, dass sie wenigstens keine Muggel waren (er freute sich darüber nicht halb so viel wie ich), danach wurde unser Gespräch abrupt abgebrochen (warum beeilte Madam Malkin sich bei ihm eigentlich so, und mich überließ sie den Händen einer minderbemittelten Fachkraft?). Er stieg vom Stuhl und rannte zu seinem Riesen. Ich wusste erst nicht, was ich denken sollte, noch nie hatte mich jemand so abgeblockt, sah man mir denn nicht mein blaues reinblütiges Blut an?

Einen Rennbesen bekam ich an diesem Tag auch nicht. Da half mein ganzes Quengeln nicht. Als ich das schließlich einsah, beschloss ich, im nächsten Jahr eine andere Taktik anzuwenden. Wäre ja gelacht, wenn mir dieser Wunsch verwehrt blieben würde.

Einen Monat später hielt ich auf dem Bahnsteig von Kings Cross Ausschau nach Vince und Greg. Der Bahnsteig war überfüllt von Leuten, die lärmten und schwatzten, ich meinte sogar, hier und dort einen Muggel ausfindig machen zu können. Widerlich. Es war allgemein bekannt, dass Dumbledore auch Muggelstämmige aufnahm, der Grund war mir bis heute verschwiegen worden.

Dann endlich kamen zwei große breite Gestalten auf mich zu. Froh, von meinen Eltern loszukommen, begrüßte ich sie und wies sie an, meine Koffer in den Zug zu packen – wozu sind Freunde denn da? Ich verabschiedete mich flüchtig von meinen Eltern – hoffte, dass es niemand gesehen hatte –, gab meinem Vater das Versprechen, dazu beizutragen, dass Slytherin (unser Familienhaus) den Hauspokal gewinnen würde und stieg endlich in den Zug.

Vince und Greg waren in einem Abteil weiter vorne untergekommen. Ich blickte verachtend auf die anderen Schüler, die sich in dem Abteil befanden, wer konnte schon wissen, in welches Haus sie kommen würden. Zu diesem Zeitpunkt war mir gar nicht bewusst, dass auch Jungens und Mädchen aus den höheren Klassen in diesem Zug mitfuhren. Ich erfuhr es noch früh genug.

Aber zurück zu Vince und Greg. Sie hatten es sich schon von Kindesbeinen an zur Aufgabe gemacht, mich überall hin zu begleiten. Erst war ich nicht so begeistert, aber ich hatte mich daran gewöhnt. Ich habe auch den Verdacht, dass unsere Väter da ihre Finger im Spiel haben. Ich kann sie ja verstehen, Reinblüter sollten sich nur untereinander anfreunden. Zum Beispiel wollte – als ich fünf war – ein Muggelkind mit mir spielen. Zu meiner Schande muss ich zugeben, dass ich diese Freundschaft sogar erwidert hatte, bis mein Vater mir erzähle, welchen Schmach ich damit meiner Familie zufügen würde. Seitdem hielt ich mich an Vince und Greg, wofür ich von Vater immer in den höchsten Tönen gelobt wurde.

Der Zug rollte aus dem Bahnhof hinaus und gewann an Schnelligkeit. Ich betrachtete meinen Zauberstab. Keine schlechte Wahl von meiner Mutter, lang und edel. Ich wäre enttäuscht gewesen, hätte sie nicht den Besten ausgesucht, was anderes bin ich nicht gewohnt. Ich überlegte, ob der Junge aus der Winkelgasse sich auch so einen tollen Stab leisten konnte – nach seinen Kleidern zu urteilen, wagte ich es zu bezweifeln.

Die Abteiltür glitt auf und zwei riesige Jungen, nicht größer als Vince oder Greg, aber doch sehr groß, steckten ihre Köpfe hinein. Wenn ich nach ihrer Haarfarbe ging, mussten sie Weasleys sein, Kinder von dem Idioten, mit dem Vater auf der Arbeit manchmal Schwierigkeiten hat. Ich wurde vor ihnen gewarnt, aber ich wollte nicht voreilig sein, also hielt ich fürs erste meine Klappe.

„He – Angelina, Katie! Ratet mal, wer dahinten im Abteil sitzt", rief einer der beiden, die ziemlich gleich aussahen, zu den Mädchen, die Vince und Greg gegenüber saßen.

„Euer Bruder vielleicht?", fragte das dunkelhäutige Mädchen, für mich klang sie etwas gelangweilt.

„Falsch. Rate noch einmal", ließ der andere verlauten.

„Hey, ich habe eine Idee! Warum sagt ihr es uns nicht einfach?", sagte die Schwarzhaarige.

Der Junge zog eine Schnute. „Mensch, Katie, immer versaust du uns die Pointe – aber nur, weil ihr es seid: Harry Potter!"

Diese Neuigkeit ließ sogar mich aufhorchen. Wer hatte nicht von Harry Potter gehört, sogar in unseren Kreisen war er hochangesehen, außer der Tatsache natürlich, dass er eigentlich der Feind des Schwarzen Lords war, der irgendwann einmal zurückkehren würde. Ich hatte mir nur nie darüber Gedanken gemacht, dass er auch mal auf eine Schule gehen müsste. Und ich hatte auch nicht gewusst, dass er in meinem Alter war.

„Wollt ihr uns auf den Arm nehmen?", fragte ich vorsichtshalber. Die Jungens bemerkten mich, Vince und Greg jetzt erst. Sie schauten mich an, als hätte ich verkündet, ihnen im nächsten Moment einen Fluch auf den Hals zu jagen. Eine Option, die ich mir für später aufsparte.

„Wir haben nicht mit dir geredet, Malfoy", sagten sie. Ich grinste. Also waren nicht alle Zauberer so dämlich wie der Junge aus der Winkelgasse, sie erkannten mich wenigstens. Auch wenn ich mir ihre Reaktion ein bisschen positiver gewünscht hätte.

„Na, dann verschwindet aus meinem Abteil", sagte ich. Katie und Angelina protestierten zwar, aber die Jungs gingen weiter den Gang hinunter. Anscheinend wollten sie jetzt überall verkünden, dass Harry Potter in diesem Zug war. Ich überlegte, ob ich ihn mir ansehen sollte, oder abwarten, bis ich ihn nachher in der Großen Halle sah. Ich entschied mich für Letzteres. Außerdem waren Vince und Greg gerade damit beschäftigt, die beiden – wahrscheinlich Gryffindor, pfui – Mädchen anzuschmachten.

Ich piekste Greg, der neben mir saß, mit meinem Zauberstab in den Arm um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Es half nicht. Also starrte ich nach draußen und aß dabei ein paar Süßigkeiten.

Ich musste wohl eingeschlafen sein, denn als Greg mich wachrüttelte, hatte die Dämmerung schon eingesetzt. Vernommen schaute ich mich um, bis mir klar wurde, wo ich war.

„Wir sollten unsere Umhänge anziehen, Draco", sagte Vince, der schon genau damit beschäftig war. Ich nickte, zog einen meiner Umhänge aus dem Koffer und knöpfte ihn zu. Greg starrte mich an.

„Was ist?", fragte ich. Er druckste herum, so dass Vince das Wort übernahm.

„Alle sagen, im vorletzten Abteil säße Harry Potter", sagte er. Innerlich verdreht ich die Augen.

„Und ihr wollt ihn begaffen? Obwohl er für seine Heldentat nichts kann? Na, meinetwegen", sagte ich. Wir hatten eh noch Zeit bis wir ankamen, denn es war noch nicht richtig dunkel.

Ich ging voraus, den hell erleuchteten Gang hinunter. Draußen waren nur noch Umrisse zu erkennen. Während ich mir meinen Weg an ein paar Schülern vorbei bahnte, hielt ich die Augen nach dem Jungen aus der Winkelgasse geöffnet. Doch ich entdeckte ihn nicht, vielleicht hatte er sich umentschieden und wollte nicht nach Hogwarts gehen. Oder er hatte mich angelogen. So unsicher, wie der gewesen war, hatte er mir wahrscheinlich einfach nur zugestimmt, ohne mir zuzuhören. Idiot.

Vince hinter mir räusperte sich. „Du bist daran vorbeigegangen, Draco", stellte er fest. Ich sah ins Abteil, dort saß ein Weasley und – die Erkenntnis, die mich überkam, war so schockierend und gleichzeitig so interessant wie schon lange nichts mehr. Der Junge aus der Winkelgasse, der selten dämliche Idiot – das musste Harry Potter sein. Ich riss die Türe auf und wandte den Blick nicht von ihm ab. Mal sehen, ob er immer noch so komisch drauf war.

„Stimmt es? Im ganzen Zug sagen sie, dass Harry Potter in diesem Abteil ist. Also bist du es?", fragte ich neugierig. Und was sagte er? „Ja." Mehr nicht. Er blickte etwas ängstlich auf Vince und Greg. Ich beschloss ein weiteres Mal, ihm entgegen zu kommen, da er seinen Mund anscheinend nicht aufbekam.

„Oh, das ist Crabbe und das ist Goyle", stellte ich die beiden mit Nachnamen vor. Dann fiel mir ein, dass er meinen Namen noch nicht kannte.

„Und mein Name ist Malfoy. Draco Malfoy", hängte ich an. Der Rotschopf lachte mich aus. Wie kann man über diesen Namen lachen? Müsste es nicht umgekehrt sein?

„Meinst wohl, mein Name ist komisch, was? Wer du bist, muss man ja nicht erst fragen. Mein Vater hat mir gesagt, alle Weasleys haben rotes Haar, Sommersprossen und mehr Kinder, als sie es sich leisten können." Damit hatte ich es ihm zurückgezahlt. Harry hatte bestimmt keine Ahnung davon, mit wem er sich abgegeben hatte. Er ließ sich ja allzu leicht bequatschen, dass wusste ich aus Erfahrung.

„Du wirst bald feststellen, dass einige Zaubererfamilien viel besser sind als andere, Potter. Und du wirst dich doch nicht etwa mit der falschen Sorte abgeben. Ich könnte dir behilflich sein", bot ich ihm an. Ja, ich reichte ihm sogar meine Hand, auch wenn er Harry Potter war und so, er schien mir ziemlich nett zu sein. Auf den ersten Eindruck, muss ich zu meiner Verteidigung sagen, bis dahin hatte ich ja noch nicht sehr viel aus seinem Mund gehört. Doch mein Eindruck, er wäre nett, erwies sich im nächsten Moment als falsch, genauso wie der Eindruck, er wäre ein Idiot, sich als richtig herausstellte.

„Ich denke, ich kann sehr gut selber entscheiden, wer zur falschen Sorte gehört", sagte er. Ich schaute ihn erbost an. Er schlug meine Hand aus und implizierte, ich gehörte zur falschen Sorte? Ich hatte das Gefühl, dass er damit sein Schicksal besiegelt hatte. So oft, wie ich ihm entgegengekommen war, nun hatte ich keine Lust mehr. Erst recht nicht, wenn er so gemein war. Dann begann jetzt wohl der Feldzug.

„An deiner Stelle würde ich mich vorsehen, Potter. Wenn du nicht ein wenig höflicher bist, wird es dir genauso ergehen, wie deinen Eltern. Die wussten auch nicht, was gut für sie war. Wenn du dich mit Gesindel wie den Weasleys und diesem Hagrid abgibst, wird das auf dich abfärben."

Diese meine Worte überzeugten ihn nicht, sich auf meine Seite zu schlagen. Stattdessen sprangen er und sein „Freund" Weasley auf, sein Kopf genauso rot wie seine Haare.

„Sag das noch mal", verlangte er.

„Oh, wollt ihr euch etwa mit uns schlagen?", höhnte ich. Vince und Greg waren für so etwas die besten Kumpel, sie schlugen eine Prügelei nie aus.

„Außer, ihr verschwindet sofort", sagte Harry. Was hatte ich ihm eigentlich getan? War er von Natur aus so boshaft?

„Aber uns ist überhaupt nicht nach Gehen zumute, oder, Jungs? Wir haben alles aufgefuttert, was wir hatten, und bei euch gibt's offenbar noch etwas."

Greg sah, was ich meinte, und auch wenn er recht wortkarg war, geizte er nicht mit Taten (mit Gedanken dafür sehr wohl) und griff rasch nach einem Schokofrosch. Weasley wollte Greg anspringen, doch mit einem Schrei sprang Greg zurück. An seinem Finger baumelte – äh, was auch immer, ein graues Staubknäuel? Er fing an, damit weit auszuholen, und ich trat einen Schritt zur Seite. Das Etwas, es war glaube ich eine Ratte, klatschte gegen das Fenster und ich beschloss, dass es Zeit war, zu gehen.

„Mein Finger, mein Finger", jammerte Greg. Schnellen Schrittes ging ich in unser Abteil. Vince heuchelte etwas Mitleid, vielleicht hatte er es sogar wirklich, den beiden würde ich alles zutrauen. Dann hatte ich genug von diesem Trauerspiel.

„Jetzt reiß dich zusammen! Es blutet noch nicht einmal! Hilf mir lieber mit meinen Koffern", forderte ich ihn auf. Das würde ihn ablenken. Meine Art, ihm meine Anteilnahme zu zeigen.

Der Rest des Tages ist Geschichte. Glorreich kam ich nach Slytherin, genau wie Vince und Greg. Überraschung, Überraschung. Es gab ein Festessen, wir wurden in den Kerker geführt, wo sich unser Gemeinschaftsraum befand. Ich schlief mit dem Vorhaben ein, so viele Punkte wie möglich zu verdienen. Unser Hauslehrer, Snape, schien mich zu mögen, ich habe keine Ahnung, warum, aber ich würde es ausnutzen. Der einzige Wehrmutstropfen war vielleicht, dass der Junge aus der Winkelgasse sich als Harry Potter herausgestellt hatte. Ich fragte mich, was, wenn er ein anderer Junge gewesen wäre? Sicher wäre er dann nicht so biestig (weil er sich für etwas Besseres hielt) gewesen, und wir hätten uns angefreundet. Aber das war jetzt auch egal.

In der ersten Woche gewöhnte ich mich schnell ein. Es war ein leichtes, Punkte zu verdienen, vor allem bei Snape. Ich sah mich schon auf dem sogenannten Siegertreppchen. Wer konnte mich schon aufhalten, abgesehen davon, dass eh niemand so dumm war, es zu versuchen.

In der zweiten Woche geschah etwas, was mir zu denken gab. Nun ja, zumindest dachte ich gezwungenermaßen länger darüber nach als sonst. Normalerweise gaben Vince, Greg und ich uns nicht viel mit den anderen ab, noch nicht einmal mit den Slytherins. Zu ihnen war ich nur weniger gemein als zu anderen Häusern. Aber ein anscheinend dummes, dafür aber hartnäckiges Mädchen hatte wohl Gefallen an mir gefunden, jedenfalls belästigte sie mich seit einem Vorfall die ganze Zeit. Folgernder Weise spielte es sich ab:

Ich saß mit Vince und Greg, genau, was für ein Wunder, unter einer Buche. Das Wetter war noch sehr warm, eine leichte Brise strich mir durch die Haare, blabla, so war das also. Nichts Ungewöhnliches. Doch dann – ein Aufschrei.

Jetzt ist es nicht so, als würde ich mich darum reißen, den Held zu spielen. Aber neugierig bin ich schon, deswegen blickte ich mich um. Und sah ein Mädchen aus meinem Haus sich mit einer anderen streiten. Diese andere war ein Schlammblut, und ich war wütend auf Parkinson, so hieß das Mädchen aus meinem Haus, dass sie überhaupt mit so einer sprach. Schnell stand ich auf und ging dazwischen.

„Was ist hier los?", fragte ich. Die beiden verstummten, hoffentlich aus Angst vor mir. Schlammblut stierte Parkinson noch einmal an und stapfte dann davon. Ich öffnete meinen Mund, um Parkinson anzuschnauzen – da warf sie sich mir um den Hals. Verständlicher Weise war ich zu überrascht, um mich zu wehren. Ich setzte meine Hoffnungen auf Vince und Greg, die jedoch kicherten und sich abseits hielten. Hallo, was spielte sich hier ab?

Endlich ließ Pansy, ich erinnerte mich plötzlich an ihren Vornamen, von mir ab. „Danke, Draco, danke, dass du mich vor dieser Schnepfe verteidigt hast! Hätte ich zwar nicht nötig gehabt, aber alleine der Gedanke zählt!"

Und sie klebte an meinen Fersen. Greg und Vince sagten andauernd, sie würden keine Mädchen schlagen, wenn ich es ihnen befahl. Selber brachte ich es auch nicht über mich.

Also blieb mir nichts anderes übrig, als abzuwarten. Das stellte sich im Nachhinein als Fehler heraus, denn ich wurde Pansy Parkinson meine gesamte Schulzeit über nicht mehr los. Okay, manchmal hatte es auch gute Seiten, wenn es auf einen Ball ging, zum Beispiel, musste ich mir nie Gedanken über meine Begleitung machen.

Vince und Greg hatten da schon mehr Probleme, was die Mädchen betraf. Vince gestand mir bald, sich in Katie Bell, eine Drittklässlerin aus Gryffindor, verliebt zu haben. Ich sagte ihm von Anfang an, dass er sich das abschminken konnte. Gryffindor, pfui, alleine das Wort schon, und dann auch noch das Haus, in das Harry Potter einsortiert worden war.

Greg verhielt sich mir gegenüber anders als sonst, ich hatte den Verdacht, dass er in Pansy verliebt war. Aber sie war nun einmal meine Freundin, und was einmal mir gehörte, gab ich nicht so schnell her, auch, wenn es im Grunde zum Vorteil meiner Nerven gewesen wäre. Nun, ich schätze mal, ich war in sie verliebt, auch wenn ich ihr mehr negative Gefühle entgegenbrachte als meinen Freunden. Schließlich war ich erst elf, und hatte keine Ahnung von dem Ganzen.

Als verkündet wurde, dass es Flugstunden gab, freute ich mich darauf. Ich konnte schon fliegen, und dabei vielleicht den ein oder anderen in Verlegenheit bringen. Ich ließ es mir nicht nehmen, Vince und Greg und allen, die es sonst noch hören wollten, von meinen Flugabenteuern zu erzählen.

„Zu blöd, dass Erstklässler nie in die Hausmannschaften aufgenommen werden. Ich wäre gut genug. Das habe ich letztens erst wieder bewiesen, in den Sommerferien, als ich mit meinem Besen auf einem Rundflug war. Es war oben viel angenehmer als auf dem Boden, luftiger, wenn ihr versteht. Dann kam ein Windzug auf, und ich merkte, dass ein Hubschrauber, eine lächerliche Erfindung der Muggel, um fliegen zu können, auf mich zuraste. Ich habe noch haarscharf die Kurve gekriegt, aber glaubt mir, wenn ich nicht so viel Übung gehabt hätte, wäre ich dabei draufgegangen."

Ich freute mich über die großen Augen, die Vince und Greg machten. Es war ja nicht so, als hätten sie diese Geschichte noch nie gehört. Während ich weiteraß, spähte ich zu Harry hinüber. Er war das Ekel, das er im Zug gewesen war, geblieben, und ich hatte einfach dort weitergemacht, wo ich im Zug aufgehört hatte: ich ritt darauf herum, dass er keine Eltern mehr hatte. Was sonst hätte ich ihm an den Hals werfen können?

Ein Gryffindor in seiner Nähe empfing gerade ein Packet. Er packte eine Kugel aus, die sofort anfing, rot zu leuchten. Neugierig, wie ich bin, entschloss ich, mir es mal näher anzusehen.

Sobald ich es mir geschnappt hatte, sprangen Harry und sein Weasley Freund auf. Ich kann die Vornamen des ganzen Weasley- Clans nicht auseinander halten, ich vermute, das ist eh unwichtig.

Doch McGonagall durchkreuzte meine Pläne. Wütend ließ ich das Ding wieder auf den Tisch fallen und ging zurück, wobei ich schwor, es mir bei der nächsten Gelegenheit unter den Nagel zu reißen. Am Tisch waren Vince und Greg nicht mehr da, und als ich mich umdrehte, sah ich, dass sie mir gefolgt waren.

„Was hattet ihr vor?", fragte ich, „Denkt ihr, ich kann mich nicht gegen ein paar Gryffindors wehren?" Ich war zornig. Sie zuckten mit den Schultern.

Die nächste Gelegenheit, das Erinnermich von dem Jungen zu stehlen, ergab sich glücklicherweise am Nachmittag. Neville, so hieß der Junge, veranstaltete irgendeinen Mist mit seinem Besen, so dass Hooch ihn in den Krankenflügel bringen musste. Sie ermahnte uns, nicht auf die Besen zu steigen.

Zuerst merkte ich nicht, dass er es fallen gelassen hatte. Ich war zu sehr damit beschäftigt, mir das Lachen zu verkneifen. Als die Lehrerin dann weg war, hielt ich es nicht mehr aus.

„Habt ihr das Gesicht von diesem Riesentrampel gesehen?", fragte ich prustend Vince und Greg.

Ein Gryffindor Mädchen fuhr mich an, ich solle den Mund halten, woraufhin Pansy mich sofort verteidigte. Wie gesagt, auch sie hat manchmal ihre guten Seiten. So musste ich mich nicht darum kümmern und sah etwas im Gras liegen. Mit einem Satz war ich da und hob es auf.

„Schaut mal. Das blöde Ding, das die Oma vom Lahmarsch ihm geschickt hat." Ich bin immer bestens informiert, wer welche Post bekommt. Doch anstatt mich dafür zu loben, oder die schönen Funkeln, die es im Sonnenlicht, in das ich es hielt, ausstrahlte, sagte Harry: „Gib es her, Malfoy."

Und ich weiß nicht, warum, aber mit einem Male war die Aufmerksamkeit nur noch auf uns beide gerichtet. In diesem Moment wurde mir klar, dass er mich herausforderte, boshaft, wie er war. Ich fragte mich, warum er nicht nach Slytherin gekommen war. Aber wenn er Streit wollte, sollte er ihn bekommen.

„Ich glaube, ich steck es irgendwohin, damit Lahmarsch es sich abholen kann – wie wär's mit – oben auf einem Baum?" Ich wusste, dass Harry nicht fliegen konnte. Hatte er es mir doch selber erzählt, dieser Idiot.

„Gib es her!", schrie Harry mich nun an. Als ob ich mir so etwas gefallen lassen würde! Schon war ich auf meinem Besen und flog nach oben. „Komm und hol's dir doch, Potter", rief ich hinunter. Ich sah, wie Harry sich auf seinen Besen schwang, die Einrufe von Schlammblut ignorierte, und plötzlich auf gleicher Höhe mit mir war. Nun, damit hatte ich wahrhaftig nicht gerechnet. Im ersten Moment wollte ich ihn fragen, woher er fliegen konnte und warum er mich angelogen hatte.

„Gib es her oder ich werfe dich von deinem Besen herunter!", unterbrach er meine Gedanken. Ich setzte ein selbstsicheres Grinsen auf, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob er es wagen würde oder nicht.

„Was du nicht sagst?" Noch bevor ich zuende geredet hatte, kam er auf mich zugeschossen. Also meinte er es ernst? Würde er wirklich so weit gehen? In letzter Sekunde wich ich aus, spürte noch den Luftzug, mit dem er vorüberflog.

„Kein Crabbe und kein Goyle hier oben, um dich rauszuhauen", meinte er gehässig. Ja und, was störte mich das? Aber plötzlich verging mir wieder die Lust an diesem kleinen Spiel.

„Dann fang's doch, wenn du kannst", rief ich, warf das Ding in die Luft und kam Sekunden später auf dem Boden auf, rechtzeitig, um Harrys Sturzflug mit zu erleben. Er hätte sich dabei sehr leicht etwas brechen können, aber das schien ihm egal zu sein. Als McGonagall ankam und ihn mitnahm, musste ich grinsen. Hoffentlich gab das eine Strafarbeit für ihn. Rausschmeißen würden sie ihn nicht, ihren Helden. Aber ich kann ja so tun, als wäre sein Rausschmiss etwas, was ich mir dringender als alles andere wünschte. Warum das nicht wirklich so war, weiß ich nicht. Ehrlich gesagt wäre es schade, keinen mehr zum Streiten zu haben, auch wenn er mir mit seiner Feindseligkeit manchmal auf den Geist ging.

Pansy fand meine Aktion ganz toll, was sie mir oft genug sagte.

„Draco, du hast es geschafft, jetzt fliegt Potter", sagte sie, wobei sie aufgeregt um mich herumtänzelte. „Ich hoffe, du meinst von der Schule", erwiderte ich brummig. Sie ließ sich von meiner schlechten Laune nicht aufhalten. Während sie in Tagträume verstrickt war, was Harry wohl zustoßen würde, steuerte ich die Bibliothek an. Ich wollte unbedingt wissen, was es mit diesen Wellhornschnecken, die Snape uns letztens hat verwenden lassen, auf sich hatte. Sicher, er hatte mich vor der ganzen Klasse gelobt, wie gut ich sie schmoren lassen konnte, aber das war mir nicht genug. Was nützte es, wenn ich sie schmoren lassen konnte, aber nicht wusste, welche Wirkung sie hatten? Gar nichts, wie jeder zugeben musste.

„Draco, was willst du denn hier?", kreischte Pansy.

„Sag bloß, du warst hier noch nie hier?", fragte ich ungläubig. Obwohl, bei diesem Mädchen konnte man nie wissen, sie verwendete viel zu viel Zeit für irgendwelche Tratschereien. Pansy zuckte mit den Schultern. „Sollte ich?"

Ich verdrehte die Augen und machte mich auf die Suche. Schnell fand ich, was ich suchte, las den Abschnitt nach und schloss das Buch mit einem Grinsen.

„Und?", fragte Pansy, die nervös neben mir saß.

„Bin fertig", verkündete ich.

„Ja?"

„Ja! Jetzt lass uns zum Abendessen gehen!" Ich stand auf. Wenn Slytherin den Hauspokal gewinnen sollte, musste ich mehr, als nur bestens informiert sein. Ich musste irgendetwas Großartiges vollbringen. Alleine. Damit alle wussten, wem der Ruhm zustand.

Vince starrte apathisch zum Gryffindor Tisch und aß einen ganzen Teller weniger als sonst. Ich folgte seinem Blick und stöhnte auf.

„Komm schon, du hängst doch nicht immer noch an der?", fragte ich. Es sollte aufmunternd klingen, aber Vince sah mich sehr mitgenommen an.

„Du hast ja keine Ahnung, wie es ist, Liebeskummer zu haben; du hast schließlich eine Freundin", sagte er. Er hatte Recht, ich hatte keine Ahnung. Aber selbst, wenn Pansy etwas mit Greg anfangen würde, ich wäre zwar wütend, aber nicht gekränkt oder so. Ich konnte Vince überhaupt nicht verstehen. Mein Blick fiel auf Harry.

„Komm Vince, wir ärgern Potty ein bißchen, das bringt dich auf andere Gedanken", schlug ich vor. Vince reagierte freudiger, als ich dachte, er nickte heftig mit dem Kopf.

„Und wir sind am Gryffindor Tisch", meinte er. Ich verdrehte nur die Augen und nickte Greg, mitzukommen.