Draco Malfoy und der verlorene Hauspokal
Ich schlenderte lässig zum Gryffindortisch. „Nimmst deine letzte Mahlzeit ein, Potter? Wann fährt der Zug zurück zu den Muggeln?", warf ich ihm an den Kopf.
„Hier unten bist du viel mutiger, und deine kleinen Kumpel hast du auch mitgebracht", antwortete er mir. Seine Anspielungen gefielen mir überhaupt nicht.
„Mit dir würde ich es jederzeit alleine aufnehmen. Heute Nacht, wenn du willst. Zaubererduell. Nur Zauberstäbe, kein Körperkontakt." Alleine der Gedanke auf Körperkontakt – uäh, wie bin ich da eigentlich drauf gekommen? Harry zögerte.
„Was ist los? Noch nie von einem Zaubererduell gehört, was?", meinte ich hämisch. Er wusste ja nie etwas.
Weasley sprang auf. „Natürlich hat er. Ich bin sein Sekundant, wer ist deiner?"
„Crabbe", sagte ich. Vince würde wahrscheinlich eh nicht schlafen können, wenn es so wie in den letzten Nächten weiterging. „Um Mitternacht, klar? Wir treffen uns im Pokalzimmer, das ist immer offen."
Bevor er einen Rückzieher machen konnte, verschwand ich. Gerade rieb ich mir die Hände in Vorfreude, da klatschte Greg mir auf den Rücken.
„Gut gemacht, ihn aus dem Bett zu lotsen. Wenn er erwischt wird...", er ließ den Satz offen. Nahm er etwa an, ich würde nicht gehen? Allerdings, wenn ich es mir recht überlegte... das würde saftigen Punkteabzug geben! Während wir gemütlich in unseren Betten lagen und uns über ihn lustig machten. Ihm eins auswischen konnte ich ja immer noch.
Den Rest des Tages verbrachten wir damit, Hausaufgaben zu machen. Ich fragte mich immer wieder, warum ich meine Zeit opferte und den beiden Dumpfbacken alles verständlich erklärte. Selbst den leichtesten Zauber beherrschten sie nicht. Aber eine gute Seite hatte die ganze Lernsache – sie hielt Pansy auf Abstand. Ich musste sie schon jeden Tag im Unterricht ertragen, und manchmal, so zwischendurch, überlegte ich, mit ihr Schluss zu machen. Sobald sie, wenn wir alt und reif sein würden, Körperkontakt forderte, würde ich das sowieso.
Apropos Körperkontakt. Warum hatte ich das Harry vorhin gegenüber erwähnt? War doch klar, das so etwas in einem Zaubererduell nicht vorkam. Alleine, etwas in der Art anzudeuten, war doch ekelhaft. Aber ich hatte es getan, also war ich wohl ekelhaft. Damit konnte ich zwar leben, aber dennoch... etwas störte mich an dem Gedanken.
Als der Kerker leerer wurde, stand ich auf. „Zeit", fing ich an, aber beendete den Satz anders als vorgehabt, „um ins Bett zu gehen."
Vince und Greg haben mir Recht. Wenn sie es einmal nicht taten, das würde mich sehr verwundern. Hoffentlich kamen wir heute Nacht dem Hauspokal ein bißchen näher.
Am nächsten Morgen konnte ich jedoch kein Zeichen daran entdecken, ob Harry und Weasley überhaupt zu unserer Verabredung erschienen waren. Auch die Gläser mit den Hauspunkten waren unverändert. Da er mich nicht darauf ansprach, beschloss ich, Harry auch zu ignorieren.
Ich hatte sowieso viel um die Ohren. Pansy hatte ein neues Hobby entdeckt. Sie war begeisterte Strickerin, und selbst, als ich ihr sagte, wo etwas machen nur Muggel, ließ sie sich nicht davon abhalten.
„Draco, du kannst nicht alles, was Muggel erfunden haben, verteufeln", sagte sie, „Es gibt so viele tolle Sachen. Warum hast du eigentlich kein Muggelkunde belegt, das würde dir einmal die Augen öffnen. Alleine schon die Teekannen, die ganz ohne Magie pfeifen, wenn der Tee fertig ist..."
Ich überließ Pansy ihrer Schwärmerei. Mich interessierte es nicht, ich trank Tee, wenn ich Tee wollte. Einmal davon abgesehen hatte ein Zauberer im Jahre irgendwas ihn importiert. So. Dafür braucht man keine Muggelkunde.
Vince ging es immer schlechter. Fragt mich nicht, wie, aber er hatte es geschafft, an ein Foto von Katie zu kommen. Nachts starrte er darauf, wenn er glaubte, wir würden alle schlafen. Er wusste ja nicht, dass ich auch manchmal in schweren Grübeleien wachlag, mein Hauptproblem bestand darin, den Hauspokal zu gewinnen. Es sah nicht schlecht aus, aber Gryffindor war knapp hinter uns.
Ich wollte nicht, dass es ihm schlecht ging. Tagsüber an seinem Verhalten hatte sich nichts geändert. Er blieb meistens stumm an meiner Seite. Nur nachts bekam ich sein Unglück mit, wenn er mal schlief, oder einfach nur wachlag.
Auch in dieser Nacht grübelte ich wieder. Wenn ich Gryffindor nur ein paar Punkte wegnehmen konnte... Harry mal so richtig schön eins auswischen, er sollte merken, dass er sich nicht alles erlauben konnte.
„Hach... Katie...", klang es leise, sehr leise, aus dem Bett zu meiner rechten her. Links in dem Bett lag Greg und schlief seelenruhig, was mich annehmen ließ, dass er sein „Problem" mit Pansy schon längst überwunden hatte. Ich setzt mich auf.
„Vince!", sagte ich. Ein Rascheln, ein Schubladenknarren und ein leises „Hm?" folgten.
„Vielleicht gibt es ein Heilmittel für deine Krankheit?", munterte ich ihn auf.
„Und welches, Draco? Kennst du eins?", fragte Vince hoffnungsvoll.
„Nein. Aber es müsste in einem Buch stehen. Oder frag Snape nach einem Trank", schlug ich vor. Vince sog stark Luft ein.
„Niemals. Da verbringe ich lieber das ganze restliche Schuljahr in der Bibliothek", verkündete er. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Das dachte ich mir. Ich schau dann vorbei und bringe dir etwas zu essen, so alle zehn Minuten, okay?", sagte ich. Vince antwortete nicht mehr, ich vermutete, er hat genickt und vergessen, dass ich ihn nicht sehen konnte.
Die nächste Woche hinüber verbrachten wir tatsächlich ein bißchen Zeit in der Bibliothek, nur Pansy meinte, sie hätte keine Zeit und eh Wichtigeres zu tun. Sie hatte nämlich zusammen mit ihren Freundinnen einen Strickclub gegründet, und jetzt versuchte sie, Mitglieder aus anderen Jahrgangsstufen zu gewinnen. Nun, solange das kein häuserübergreifender Quatsch werden würde, störte es mich nicht.
Doch obwohl wir jeder mindestens zwei Bücher durchgeblättert hatten, fanden wir nichts gegen Liebeskummer.
„Und was, wenn wir jemanden fragen, der Erfahrungen mit so etwas hat?", meinte Greg. Ich runzelte die Stirn.
„Na, dann geh mal zu Professor Snape hin und frage ihn, was er gegen Liebeskummer unternimmt."
Gregs Miene verdüsterte sich. „Wieso Snape? Ich denke, wir fragen ein Mädchen. Ein älteres."
„Katie?", fragte Vince.
„Nein. Aus Slytherin."
„Aber das werden sie gegen mich benutzen!"
„Wir könnten eine Hufflepuff austricksen", sagte ich und überlegte, wie man die Sache so drehen konnte, dass sie dabei nebenbei ein paar Punkte verlor.
„Was ist eigentlich, wenn es Katie genauso geht wie Vince?", fragte Greg dümmlich. Vince, der genauso dümmlich war, schien Hoffnung zu schöpfen. „Meinst du?", fragte er.
„Die Möglichkeit besteht doch", antwortete Greg, bevor ich was dazwischen werfen konnte. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ihr Dummköpfe! Sie weiß noch nicht einmal, dass es ihn gibt!"
Greg ließ den Kopf hängen. Aber Liebe und Dummheit waren eine schlechte Kombination, vor allem, da Liebe noch dümmer machte, wie ich gehört hatte. „Dann muss sie es erfahren", sagte Vince.
Ich stöhnte. Wie konnte ich den klarmachen, dass das ein hoffnungsloses Unterfangen war? Sie sollten ihre Energie lieber dafür einsetzen, Punkte zu gewinnen.
Am nächsten Morgen verschluckte ich mich beinahe an meinem Kürbissaft, als die Möglichkeit, Harry eins auszuwischen, vor seiner Nase runtersegelte. Eulen mit einem großen länglichen Paket. Es war nicht schwer zu erraten, was sich da drin befand. Ich wollte mich dennoch selber überzeugen und tippte Vince und Greg an, als Harry mit seinem Freund die Halle verließ. „Geht vor und versperrt ihnen die Treppe", meinte ich unwirsch. Ich war halt ungeduldig.
Sie taten es und ich trat auf Harry zu, riss ihm das Paket aus der Hand. Keine Frage, es war ein Besen.
„Das ist ein Besen", teilte ich ihm mit, für den Fall, dass er es noch nicht bemerkt hatte, während ich ihm das Paket zuwarf. „Diesmal bist du dran, Potter, Erstklässler dürfen keinen haben."
Weasley erklärte mir lang und breit, um welches Modell es sich handelte, ich entgegnete eine ihm passende Beleidigung – es kommt halt immer über mich – und dann stand Flitwick neben mir.
Die Gelegenheit ließ ich mir nicht entgehen. „Potter hat einen Besen geschickt bekommen, Professor", rief ich schnell.
„Ja, das hat seine Richtigkeit. Professor McGonagall hat mir die besonderen Umstände eingehend erläutert, Potter. Und welches Modell ist es?", plapperte er drauf los. Ich konnte es nicht fassen. Ein offener Regelverstoß, und wie nannten sie es? Besondere Umstände, weil unser kleiner Held eine Narbe auf der Stirn hat!
„Ein Nimbus 2000, Sir. Und im Grunde genommen verdanke ich ihn Malfoy hier", sagte Potter, bevor er und sein Freund sich zwischen Vince und Greg hindurchquetschten. Ich war sprachlos vor Wut, jawohl, so war das! Wie konnte Harry jetzt auch noch behaupten, den Besen mir zu verdanken? Dann sollte ich wohl auch dazu beitragen, dass er ihn wieder verlor (zusammen mit ein paar Punkten), oder etwa nicht?
Greg tippte mich an und riss mich aus meiner Starre, in der ich Harry hinterhergeblickt habe. „Wir müssen zum Unterricht", teilte er mir mit. „Ach ja?", blaffte ich ihn an.
Heute fiel es mir außerordentlich schwer, mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Ständig schwebte Harrys hämisch grinsendes Gesicht vor meinen Augen herum. So wütend hatte er mich noch nie gemacht, ja doch, ich fand es lustig, ihn auszulachen und in Schwierigkeiten zu bringen, aber wütend? Auf den? Pah.
Ich beschloss ein weiteres Mal, ihn zu ignorieren. Was nicht schwer war, da ich ihn in den folgenden Wochen kaum zu Gesicht bekam.
„Draci!", hörte ich eines Tages eine Stimme hinter mir rufen. Selbst wenn ich die Stimme nicht erkannt hätte, gab es nur eine Person in ganz Hogwarts, die es wagte, mir lächerliche Spitznamen zu verpassen. Wobei Draci noch eine harmlose Variante war. Ungelogen.
„Panso!", rief ich beim Umdrehen. Das brachte sie zum Stehen, da sie gerade im Begriff gewesen war, in meine Arme zu springen.
„Seit wann nennst du mich so?", fragte sie. „Seit gerade eben", meinte ich. „Ist es wichtig? Ich bin gerade auf dem Weg, na, du weißt schon."
„Ja! Es ist wichtig! Kannst du mir verraten, wo der Gryffindor Gemeinschaftsraum ist?", fragte sie unverschämt. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, dieses Weib hatte sie nicht mehr alle! So etwas fragt man nicht als Slytherin, und dann noch einen anderen Slytherin, jetzt mal ehrlich, woher sollte ICH das wissen?
„Nein", war meine Antwort, ehe ich mich wieder umdrehte. Plötzlich spürte Arme um meinen Hals, warum musste Pansy auch diese drei Zentimeter größer sein als ich? Ich nahm mir vor, in den nächsten Jahren mehr zu wachsen.
„Warum willst du das wissen?", fragte ich vorsichtig und befreite mich von diesen Tentakeln.
„Och, ich habe gehört, Katie Bell ist sehr am Stricken interessiert, und ich brauche einfach Mitglieder!"
Ich prustete los. Als ich mich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, sagte ich: „So, so, und wer hat dir das erzählt? Nicht zufällig Vince, oder?"
„Nein, Greg meinte, er hätte Gesprächsfetzen aufgeschnappt", meinte sie leicht beleidigt.
„Ah ja. Und warum denkst du, ich weiß, wo ihr Raum ist, hm?" Ich wartete gespannt die Antwort ab.
„Du hast doch öfter Duelle und so mit Harry Potter", zischte sie, „Und vielleicht habt ihr danach ja noch einen Tee bei ihm getrunken."
Ich runzelte die Stirn. Und überlegte. Hatte ich sie in letzter Zeit mehr, oder offener beleidigt als normalerweise? Ich kam einfach nicht darauf, warum sie sauer auf mich sein konnte.
„Was meinst du?", fragte ich deshalb.
„Harry Potter, klingelt da etwas bei dir?"
Ich lauschte – aber Glocken hörte ich nicht. „Rede nicht von dem, das macht mich ganz irre", sagte ich, ich war in der Tat noch wütend auf den. „Das kannst doch alles nicht ernst meinen! Frag doch deinen geliebten Potter, wenn du zu seinem Raum möchtest! Ich gehe jetzt auf jeden Fall. Tschüss."
Warum verabschiedete ich mich überhaupt noch? Zu viel der Mühe. Ich ließ sie stehen und traf kurz darauf Vince und Greg in der Bibliothek.
„Na, in letzter Zeit ein paar Gryffindor Gespräche belauscht?", fragte ich, noch leicht säuerlich wegen Pansy.
Vince und Greg kicherten. „War das eine Idee, oder nicht?", sagte Greg. „Oh, eine Idee war es sicherlich. Wird sich noch herausstellen, ob eine gute oder eine schlechte", machte ich weiter. Ich hatte heute keine Lust, in Bücher zu schauen. „Aber ich muss zugeben, schlau. Zu schlau für euch."
Ich schaute sie misstrauisch an. „Habt ihr noch jemanden eingeweiht?"
Dass die beiden nun herumdrucksten, beantwortete meine Frage von allein. „Wen?", fragte ich, alarmiert.
„Hm...", machte Vince.
„Blaise Zabini", sagte Greg. Ich überlegte, Blaise Zabini... „Dieser große, ruhige? Von dem ich gesagt habe, er sollte lieber nach Hufflepuff gehen?"
Sie nickten. „Ja, genau der."
„Na toll, ganz toll. Woher wisst ihr, ob wir ihm vertrauen können?"
„Was regst du dich darüber auf? Du hast nichts zu verlieren", meinte Greg, und er hatte Recht. Aber ich steckte schon zu tief in der Sache drin. „Wenn er Vince verarscht, wird er es mit mir zu tun bekommen, dass könnt ihr mir glauben", knurrte ich. Ich meinte, über Vince' Gesicht ein Lächeln huschen zu sehen, aber ich war mir nicht so sicher, ob er überhaupt lächeln konnte.
„Sollen wir die Bücher heute nicht einmal sausen lassen?", schlug ich vor. Die beiden schüttelten den Kopf. Gab es eigentlich etwas, was sie nicht synchron taten?
„Geht nicht, Blaise kommt gleich."
Ich saß sofort kerzengerade. „Na, dann braucht ihr mich ja nicht", sagte ich beleidigt, fragte mich dabei, wieso ich deswegen beleidigt war, aber an der Tatsache konnte ich nichts ändern.
„Ich glaube, ich werde mich jetzt Pansys Strickclub anschließen", sagte ich noch, stand auf und lief nach draußen. Ich stromerte im Schloss umher, überlegte, wie ich in der Punkte- Sache weiterkommen konnte. Bald waren Weihnachtsferien, dann musste ich Zuhause Bericht ablegen. Und der sollte gefälligst positiv ausfallen.
Das Wetter schlug um, der November wurde grau und verregnet. Ich erkannte, dass die besonderen Umstände, die Harry einen Besen erlaubten, doch nicht seine Narbe war – nein, aber der wahre Grund war auch nicht besser. Er war in die Quidditchmannschaft aufgenommen worden (und das wahrscheinlich doch wegen seiner Narbe). Das verstärkte meine Wut auf ihn nur noch. Mit Genugtuung sah ich zu, wie er sich in dem ersten Spiel kaum auf dem Besen halten konnte. Welcher Idiot hatte gedacht, Harry würde einen guten Sucher abgeben? Leider fing er den Schnatz dann doch noch, ausgerechnet gegen Slytherin. Hmpf. Wenn ich in dem Team gewesen wäre, wäre es nicht so weit gekommen, und außerdem dürfte ich dann auch einen Besen haben... ich würde mit Vater darüber sprechen müssen.
Pansy schaffte es, ein paar Gryffindor Mädchen zu ihrem Strickclub hinzuzufügen, aber soweit ich weiß, war Katie Bell, eine begeisterte Quidditchspielerin, nicht darunter. Vince war sehr enttäuscht, Greg zoffte sich mit Blaise darüber und so schnell die Zusammenarbeit angefangen hatte, so schnell war sie beendet. Fürs erste. Ich hoffte, das Thema Katie wäre damit gegessen. Punkte hatte ich auch sammeln können, meistens in Zaubertränke, was mich aber nicht zufrieden stimmte. Ich meine, gut, Punkte waren Punkte, und je mehr Snape uns zukommen ließ und Gryffindor abzog, umso besser, aber ich hatte das Gefühl, die Punkte aus Zaubertränke waren keine verdienten Punkte.
„Es tut mir ja so leid, für all die Leute, die über Weihnachten in Hogwarts bleiben müssen, weil sie daheim nicht erwünscht sind", verkündete ich kurz vor den Ferien im Unterricht, sobald ich Harry sah. Ihn zu ignorieren brachte nichts, meinte Witze über ihn als schlechten Sucher kamen nicht wirklich an, also drückte ich ihm hier und da einen Spruch. Bald würde er schon schnallen, dass ich sauer war. Auch wenn mir der Grund im Moment entfallen war.
Als die Stunde zuende war, stand plötzlich eine Tanne im Weg. Eine Tanne, hier unten? Ich sah Füße unten hervorlugen und zählte zwei und zwei zusammen.
„Würden Sie mir bitte aus dem Weg gehen?", sagte ich höflich zu Hagrid, obwohl Höflichkeit sicher das letzte war, das dieser Riesentrottel verdient hatte. Dann sah ich Harry und Weasley. Eine weitere Gelegenheit, es ihnen zurückzuzahlen.
„Willst dir wohl ein wenig Taschengeld dazu verdienen, Weasley? Hoffst wohl, selber Wildhüter zu werden, wenn du mit Hogwarts fertig bist – diese Hütte von Hagrid muss dir wie ein Palast vorkommen im Vergleich zu dem, was du von deiner Familie gewöhnt bist."
Er stürzte sich auf mich, Blödmann, doch zum Glück kam Snape hinzu und verbot ihn, mit seinen schmutzigen Händen meinen sauberen Umhang zu betatschen. Harry war ruhig geblieben, warum bloß, sonst verteidigte er seine Freunde doch auch immer? Snape zog Gryffindor noch ein paar Punkte ab, was meine Laune ein wenig aufbesserte, und ich quetschte mich an der blöden Tanne vorbei, Vince und Greg hinter mir.
Am letzten Abend vor den Ferien heulte Pansy sich die Augen aus. „Oh, Draci, wir werden uns zwei Wochen lang nicht sehen", schluchzte sie. Ich konnte nichts gegen sie unternehmen, sie saß auf meinem Schoß im Gemeinschaftsraum und ruinierte mein Hemd. Vince und Greg waren abgezogen, dachten wahrscheinlich, ich will mit ihr alleine sein. Vince' Blick war schon noch etwas melancholisch gewesen, aber Gregs Blick hatte ich nicht entschlüsseln können.
„Äh, ja, kann ich jetzt weiter packen gehen?", fragte ich.
„Ich dachte, damit wärst du schon seit gestern fertig?"
„Äh – die letzten Kleinigkeiten", murmelte ich. Ich stieß sie weg und flüchtete in den Schlafsaal. „Weiß gar nicht, was das soll", sagte ich zu mir selber.
„Was?", fragte Greg, den ich ganz übersehen hatte. „Wieso ging das so schnell?"
Vielleicht sollte ich es ihm sagen. Okay, ich befand, er hatte ein Recht, es zu erfahren. „Pansy. Kann ziemlich nerven, verstehst du?", fragte ich. Er schüttelte den Kopf.
„Ich weiß auch gar nicht, wieso wir zusammen sind, irgendwann hat sie das behauptet und ich habe nicht widersprochen. Wenn ich es mir so überlege, sie bringt mehr Nachteile als Vorteile ein", schloss ich.
Greg sprang auf. „Nachteile und Vorteile? Du benutzt sie, Draco!"
Ich zuckte mit den Schultern. Das Greg so etwas bemerkte... Wunder gibt es immer wieder. „Kann schon sein."
„Das ist nicht richtig! Auch wenn du in Slytherin bist, gerade hier sollte man untereinander zusammen halten", kam Greg mit seiner undenkbaren Theorie daher.
„Wie?", fragte ich verblüfft.
„Na, weißt du nicht mehr das Lied des Hutes? In Slytherin weiß man List und Tücke zu verbinden, doch dafür wirst du hier noch echte Freunde finden!"
Ich starrte ihn an. Er wusste den Teil des Liedes über Slytherin auswendig? Ich kam mir ziemlich baff vor, als ich diese Seite an Greg entdeckte. Und das nach all den Jahren... Ich öffnete den Mund, bekam aber nichts heraus.
„Also? Wer sagt es ihr, du oder ich?", forderte Greg. Ich bekam richtig Angst vor ihm, wie er sich so vor mir aufbaute. Greg wollte ich niemals zum Feind haben.
„Ich. Gleich nach den Ferien. Ich will ihr Weihnachten nicht verderben", sagte ich. Greg gab sich damit zufrieden.
Gut. Das gab mir Zeit, darüber nachzudenken. Jetzt, wo ich dazu gezwungen wurde, weigerte ich mich strikt, sie aufzugeben. Sie war mein Eigentum, und nur weil Greg eifersüchtig war, hieß das noch lange nicht, dass ich sie gut behandeln musste.
Zuhause lief alles unkompliziert ab. Ich bekam jede Menge Geschenke, wahrscheinlich im Gegensatz zu Harry, und viel Essen. Meine ganzen Verwandten waren hier, und auch Freunde meines Vaters sowie deren Familien. Unser Haus war ziemlich groß. Das hieß, zusätzlich zu Vince und Greg durfte ich Weihnachten noch mit Theodore, einem weiteren Jungen aus meinem Jahrgang, verbringen.
„He, Malfoy", sagte er bei seiner Ankunft und klatschte mir auf den Rücken. Ich fragte mich, warum er mich mit Nachnamen ansprach, immerhin waren wir in einem Haus und so.
„Nott", nickte ich ihm zu, „ich finde, zu Weihnachten sollten wir uns mit Vornamen ansprechen."
Er schien verwirrt. „Wie lautet denn dein Vorname?"
Ich verdrehte die Augen. „Mensch, wir sind in einer Klasse, und du kennst meinen Vornamen nicht?"
Er lächelte entschuldigend.
„Draco", sagte ich.
„Theodore", sagte er.
„Ich weiß", sagte ich.
Über die Tage verstanden wir uns aber gut, zusammen mit Vince und Greg vertrieben wir uns die Zeit, wenn unsere Mütter einen Kaffeeklatsch abhielten, und unsere Väter alte Todessergeschichten ausgruben. Dann kam mir eine Idee.
„He, Leute, entschuldigt mich kurz, aber ich will Mutter nach Strickmustern für Pansy fragen", sagte ich in die Runde und grinste. Greg schien als einziger verdutzt. „Was? Wieso?", brachte er heraus.
„Na, ich kann meine Freundin doch nicht ohne Geschenk lassen. Erst letztens ist mir klargeworden, was sie mir bedeutet", grinste ich noch immer. Theo nickte. Vince zwinkerte. Greg zog seine Augenbrauen zusammen. „Ach?", sagte er dabei.
Ich bekam mein Strickmuster, auch wenn ich einiges dafür ertragen musste.
„Oh, natürlich Draco. Willst du mir noch etwas mitteilen?", sagte Mutter, während ihre Freundinnen in ihre Tassen kicherten. Auf dem Herd sah ich eine Muggel- Teekanne stehen und rümpfte die Nase.
„Nein, nicht das ich wüsste", meinte ich gleichgültig.
„Was für Muster willst du denn? Pullover? Schal?" Mutter wühlte in ihrem Nähkästchen.
„Kannst du denn auch häkeln, Draco? Für wen wird es denn, verrätst du uns seinen Namen?", fragte Tante Bellatrix. Ich starrte sie an, während ich überlegte, was sie meinte.
„Den Namen von wem?", fragte ich, während wieder Harry Potters hämisches Gesicht auftauchte. Pansy könnte ja einen Schal für den berühmten Jungen stricken, mit dem ich ihn dann erwürgen konnte. Ich machte also gerade meinen Mund auf, und wollte „Harry Potter" sagen, da unterbrach Mutter meine Gedankengänge und hielt mir Papier hin. Verwirrt nahm ich es.
„Danke. Pansy wird sich freuen", sagte ich. Mutter quietschte. „Pansy? Also ist es doch kein er?" Sie stand auf und drückte mich fast zu Tode. Erst da kapierte ich, was Tante Bellatrix und sie von mir gewollt hatten.
„Bah! Ihr! Wie könnt ihr so was von mir denken!", rief ich und rannte aus der Küche. Den anderen erzählte ich nichts davon.
Als wir wieder in Hogwarts waren, verkrochen sich Greg und Vince wieder in der Bibliothek und ich fragte mich, warum Greg diesen Unsinn noch mitmachte. Wahrscheinlich wollte er mir aus dem Weg gehen, oder besser gesagt, mir und Pansy, denn seit ich sie mit den Strickmustern überrascht hatte, war sie nicht mehr von meiner Seite loszueisen. Ich bekam Zweifel, ob ich nicht doch besser auf Greg gehört hätte. Aber dann würde er gewinnen, das konnte ich nicht zulassen.
Zum Glück hatte sie jetzt aber wieder Ansporn für ihren Strickclub, von dem ich immer noch glaubte, diese Phase würde bald vergehen. Wenn ich sie gar nicht anders losbekam, sagte ich, ich müsste zu Vince und Greg in die Bibliothek, dann kam sie nicht mit.
Dort herrschte allerdings nie ausgelassene Stimmung. Manchmal leistete Theo uns Gesellschaft, manchmal auch wieder Blaise, wie ich erstaunt feststellte. Ich glaube, sie brauchten alle ein Mittel gegen Liebeskummer und ich wunderte mich, warum ich anscheinende immun dagegen war. Lag es doch an Pansy? Konnte man nicht an der Liebe leiden, solange man eine Freundin hatte?
In den Sitzungen, in denen die Verzweifelten nach ihrer letzten Rettung suchten, übte ich Flüche. Irgendwann wollte ich es Harry heimzahlen, meine Wut wuchs, je öfter ich ihn sah. Und je angestrengter ich über den Grund nachdachte, desto mehr fielen mir ein. Nicht nur der Besen, oder seine Gehässigkeit mir gegenüber, einfach alles an ihm störte mich. Und das er einen Weasley mir vorzog – lächerlich.
„Es ist zum Mäusemelken", stöhnte Blaise. Ich sah ihn schief an. „Wie bitte?"
„Ist ein Muggelsprichwort", meinte er achselzuckend.
„Was habt ihr bloß alle mit euren dämlichen Muggeln", fragte ich. „Ich wünsche euch noch viel Spaß auf der Suche nach etwas, was es nicht gibt", sagte ich und ging raus.
Unglücklicherweise für ihn und mich lief mir Lahmarsch über den Weg. Für mich, weil er meine Laune noch mehr runterdrückte, und für ihn, weil er mich auf eine Idee brachte. Ich hob meinen Zauberstab.
„Ich muss diesen Fluch an jemanden ausprobieren.", meinte ich erklärend, obwohl ich ihm keine Erklärung schuldig war. „Locomotor Mortis", hetzte ich den Beinklammerfluch auf ihn und lachte über sein Gewinsel.
„Warum bist du überhaupt in Gryffindor? Deinem Mut nach zu urteilen müsstest du in Hufflepuff sein", warf ich ihm noch an den Kopf, bevor ich weiterging. Stimmte doch.
