15. Hinterlistige Falle

Ein Monat war jetzt vergangen und zu Haldir kamen immer noch Nachrichten von Überfällen, die in den Wäldern vor der weissen Stadt passiert waren.

Die Kaufleute klagten auf Schadensersatz beim König und liessen ihm keine Ruhe, bevor er ihnen den Schaden und die mitgeführten Waren nicht gänzlich ersetzt hatte.

Haldir verfolgte genüsslich, wie die Ausgeraubten durch die Stadttore herein strömten. Mit Pferden ohne Sättel und Zaumzeug, manchmal auch gar ohne Pferde, Sättel und Zaumzeug selbst tragend. Oder sie zogen ihre Karren selbst, weil sie keine Esel oder Ochsen mehr hatten. Aber nie, niemals sah er welche, dessen Kleider fehlten, wie ihm und das machte ihn noch wütender.

Haldir konnte sich noch zu gut daran erinnern, wie er halbnackt im Regen sass und die Soldaten Gondors ihn so gefunden hatten. Denn die Reisegruppe mit der Königin sollte an jenem Tag noch in Minas Tirith ankommen und als es schon Abend wurde, hatte man sich in der Stadt Sorgen gemacht und der König hatte Männer ausgeschickt, um die ausbleibende Reisegruppe zu suchen und so fanden sie die Reisenden. Gefesselt, manche noch bewusstlos, aber mit verbundenen Wunden an Baumstämme gelehnt.

Doch manche schmunzelten bei dem Anblick den der Elb, der als einziger unter freiem Himmel hockte, ihnen bot.

Natürlich hatte man ihm einen Umhang angeboten und Haldir nahm ihn auch an. Trotzdem er zerrissen und viel zu kurz war und zusätzlich noch stank, denn die Körperwärme der Menschen hatte sich mit dem kalten Regen vermischt und das ergab ein reichlich unangenehmes, warmes aber doch nasses Gefühl auf Haldirs empfindlicher Haut.

Haldir ekelte sich davor, wenn er nur daran dachte, was dieser Mensch schon alles mit diesem Umhang gemacht hatte, wo dieses Stück Stoff überall gelegen hatte. Er hatte bestimmt viel darin geschwitzt, das verriet ihm der eklige Geruch, der ihm in seine absolut feine Nase stieg.

Morgen würde es so weit sein, denn er hatte während des vergangenen Monats oft darüber nachgedacht, wie er der Bande eine Falle stellen konnte.

Und eines Abends kam ihm die glänzende Idee.

Ein paar Männer die in seinem Dienst standen, sollten sich als Händler verkleiden und, unter einer großen Plane versteckt auf einem Wagen durch den Wald fahren. Mit ihnen auf diesem Wagen würde er, Haldir, Hauptmann der Galadhrim warten, mit Bogenstützen aus Gondor. Und wenn es dann so weit war, würden sie die Plane fallen lassen. Dann würde es kein Entkommen mehr geben - nur noch in den Tod.

Haldir hatte alles fein säuberlich geplant, es konnte einfach nichts mehr schief gehen!!!

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Haldir war jetzt schon fünf Tage lang mit seinen Männern unterwegs, immer darauf bedacht, die Bogenschützen und sich selbst versteckt zu halten. Für Haldir war es ein äußerst unangenehmes Unterfangen, mit so vielen Menschen auf so engem Raum zusammengepfercht zu sein.

Obwohl es schon Herbst war, brannte die Sonne heiss auf die Plane herab und dadurch entstand eine kleine Sauna im Innern des Wagens. Haldir hatte da so seine Probleme damit. Aber er ertrug es zähneknirschend, auch wenn er manchmal kurz davor stand, Hals über Kopf aus dem Wagen zu stürzen. Es war ihm doch immer noch wichtiger diese Wegelagerer zu fangen, als aus diesem Wagen raus zu kommen.

"DAS ist ja noch unerträglicher, als damals mit der Reisegruppe von Lady Arwen!"dachte er naserümpfend und missbilligende Blicke austeilend bei sich, „da konnte ich wenigstens noch ein bisschen Abstand hallten, aber so.... das ist doch die reinste Zumutung!!!!! Er wandte sich wieder der Plane zu, die mit kleinen Ausgucklöchern versehen war und sah sich die Gegend mal genauer an, oder zumindest das, was er durch das kleine Loch sehen konnte.

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"AIS!!!", rief Aldaran mit tiefer Stimme von der Plattform herunter, die sich weit oben in einem sehr hohen Baum befand.

"DAS MUSST DU DIR ANSEHEN, WIR HABEN DIE GRÖSSTE GLÜCKSSTRÄHNE!", schrie Aldaran nochmals und beugte sich über den Rand der Plattform, um nach unten zu schauen.

"WENN WIR SO WEITER MACHEN KÖNNEN WIR UNS BALD WIEDER EINE KLEINE RUHEPAUSE GÖNNEN!"

Ais kletterte mühelos die Strickleiter nach oben und krabbelte auf die Plattform. Sie stellte sich wieder aufrecht hin, klopfte den Schmutz von ihren Hosen, denn das Aufstiegsloch, das auf die Plattform führte, war reichlich verschmutzt mit Schlamm und anderem Dreck, den die Stiefel der Männer herauftrugen.

Aldaran zog sie zu sich und deutete mit den Finger in den Wald hinunter.

"Da sieh, noch mehr Kaufleute, das nenn ich Glück!", sagte er gutgelaunt.

"Ich sehe sie. Wie weit mögen sie den noch entfernt sein? Vier, fünf Meilen?", Ais schirmte ihre Augen gegen die Strahlen der Sonne ab.

"In etwa. Sieh dir nur diesen grossen Planwagen an, dort muss unsäglich viel Beute drin sein!", sagte Aldaran fröhlich. „Soll ich den anderen Befehl zum Aufbruch geben??, fragte er und schritt zum Abstiegsloch hin.

"Ja mach das. Ich schätze, wir werden sie nicht aus dem Hinterhalt angreifen, sondern direkt aus dem Unterholz auf sie losreiten. Wir werden alle Pferde brauchen, um die Beute fort zu schaffen, denn sie haben keine Packpferde dabei", sagte Ais und ging ebenfalls zur Strickleiter.

Als Ais unten war, trommelte Aldaran die Männer zusammen und erklärte ihnen, wie Ais es sich gedacht hatte wie sie die Kaufleute überfallen wollten.

Innerhalb weniger Minuten waren die Pferde gesattelt, die Waffen gegürtet und Seile parat. Ais schritt aus ihrem Zelt heraus, an ihrer Seite baumelte das Schwert ihres Vaters, daneben hing ein Dolch. Auf dem Rücken hatte sie einen langen Bogen und einen vollen Köcher geschnallt. Sie gab die letzten Anweissungen, dabei schnürte sie ihre schwarzen Armschienen zu. Dann schwang sie sich aufs Pferd und gab den Befehl zum Losreiten.

Ais suchte einen Weg durch die dicht nebeneinander stehenden Bäume, als sie die Hand hob und die Männer hinter ihr anhielten.

"Wir sind nicht mehr weit von der Strasse entfernt. Ich hoffe, dass wir sie nicht verfehlt haben. Also, ihr alle wisst, was ich jetzt sagen werde – nämlich das selbe wie jedes Mal vor einem Angriff". Ais drehte sich zu ihren Männern um. „Kein Blutvergiessen. Nur, aber auch NUR wenn es wirklich notwendig ist. Wenn es um Leben und Tod geht, dann nehmt keine Rücksicht auf den Feind, denn auch euch wird kein Erbarmen zuteil werden. Jeder passt auf sich selbst auf und sieht zu, dass er jederzeit abhauen kann, denkt an den alten Kodex!"

"Und jetzt zur Angriffstrategie. Markos, mit dir gehen Garrys, Alaric, Haleth und Falon. Ihr greift von hinten an."

"Gwynn, Eother, Erdan und Galdor, ihr kommt von vorne und der Rest kommt mit mir. Wir greifen sie von der Seite an. Und wartet auf mein Zeichen!", fügte Ais hinzu.

Sie teilten sich in die Gruppen auf, die von hinten Angreifenden ritten etwas südwärts den Wald hinunter und die von vorne angreifende Gruppe ritt nordwärts den Wald hinauf.

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Der Wagen kam knarrend den Weg hinaufgerattert, von vier starken, braunen Pferde gezogen, die von einem Mann auf dem Kutschbock gezügelt wurden.

Des weiteren ritten noch sieben gutgekleidete Kaufleute neben dem Wagen her.

In dem Moment, als der Wagen an Ais vorbeifuhr, stieg in ihrem Körper ein Unbehagen auf und ihre Nackenhaare kräuselten sich gespenstig.

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Haldir wurde mit jeder Minute unruhiger, er spürte, dass da draussen was im Gange war, aber er wusste nicht genau was. Er konnte es sich nur denken....

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„Was ist den bloss mit mir los? Wieso krieg ich denn so ein komisches Angstgefühl, dass hat ich doch noch nie! Aber jetzt gibt's kein Zurück mehr, die Männer sind schon auf ihren Positionen und warten auf mein Zeichen. Na los Ais, JETZT!"

Trotz ihrer Angst, dass diesmal etwas schief gehen könnte, gab sie das Zeichen zum Angriff.

"MÄNNER, JETZT!!!!", schrie sie aus voller Kehle.

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Ehe sich die Kaufleute versahen, waren sie auch schon umzingelt von den berittenen Räubern und von ihren Bögen ins Visier genommen.

"Was haben wir den da? Elf Pferde, acht Männer und einen grossen Planwagen. Was habt ihr den darin versteckt? Hmm?", fragte Ais und stieg von ihrem Pferd ab.

"Am besten, wir schauen Mal nach- oder gibt es irgendwelche plausible Einwände von eurer Seite, meine Herren? Ach und noch was: Wollt ihr nicht absitzen? So lange auf einem Pferd zu sitzen strengt das Hinterteil von so noblen Leute sicherlich gewaltig an", meinte Ais ironisch. Dabei tätschelte Duath den Hals um ihn zu beruhigen, denn aus irgendeinem Grund wurde er immer unruhiger.

Die Kaufleute machten , was ihnen befohlen wurde und Aislinns Männer taten es ihrem Hauptmann gleich und sassen auch ab, ohne die Händler aus dem Visier ihres Bogens zu lassen.

Duath, den Ais an der Zügel hielt, tänzelte unruhig herum.

"Männer, seht euch mal den Wagen an", befahl Ais und hielt Duath eisern am Zügel fest.

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"MÄNNER, JETZT!!!!"

Haldir schäumte fast über vor Wut, als er den jungen Hauptmann sah, wie er auf seinem pechschwarzen Pferd angeritten kam. In seinem Hemd, das ihm viel zu gross war. Haldir wollte gar nicht wissen, was mit seiner edlen Tunika geschehen war und wo sie sich jetzt gerade befand.

Alles verlief nach Plan, die acht Soldaten, die sich als reiche Kaufleute verkleidet hatten, leisteten keine Gegenwehr und die Räuber waren alle von ihren Pferden gestiegen und bewegten sich langsam auf den Wagen zu.

Haldir deutete den Männern, die mit ihm im Wagen sassen, die Plane von den Holzbogen zu lösen, die sich über den Wagen wölbten.

"Und vergesst nicht, den Hauptmann will ich unversehrt. Ach was, ich will einfach, dass er noch lebt. Ich gebe euch dann ein Zeichen, wenn ihr die Plane runterreissen sollt!", flüsterte Haldir den Soldaten im Wagen zu.

"Heute wirst du nicht mehr so viel Glück haben wie das letzte Mal, als wir uns trafen", dachte Haldir schadenfroh und schaute ein letztes Mal durch das kleine Ausgucksloch in der Wagenplane, bevor er das Zeichen gab.