16. Blöd gelaufen.....

Ais versuchte Duath zu beruhigen, was ihr auch einigermaßen gelang- bis hinter ihr ein Rascheln zu vernehmen war. Duath bäumte sich auf und versuchte sich aus Ais' festem Griff zu befreien.

Diese stemmt ihre Füße in den Boden und hielt Duaths Zügel mit aller Kraft die sie aufbringen konnte, fest. Dabei schaute sie über ihre rechte Schulter zurück um zu sehen, vor was genau sich ihr Pferd eigentlich fürchtete.

Der Räuberhauptmann erstarrte. Denn was er sah erschreckte ihn zu tiefst. Die weiße, schwere Plane die den Wagen zuvor bedeckt hatte, lag nun am Boden und zum Vorschein kamen ein Dutzend bewaffneter Soldaten.

Sie und ihre Bande waren in eine Falle getappt, man hatte sie ausgetrickst!

Aislinn erwachte aus ihrer Starre, denn sie musste irgendetwas tun. Sie musste handeln. Aber was war zu tun? Ihre Gedanken arbeiteten auf Hochtouren.

"Rückzug Männer! Zieht euch in den Wald zurück!" schrie es wie von selbst aus Ais heraus.

Sie musste ein paar Mal das selbe schreien bis es zu allen ihren ins Gefecht vertieften Räubern durchdrang.

"Rückzug in den Wald!"

Haldir stand auf dem Wagen, sein Blick schweifte umher bis ihm das, was er suchte, ins Auge stach.

Der kleine Bastard von einem Räuberhauptmann stand nur ein paar Meter von ihm entfernt und war damit beschäftigt, sein Pferd zu beruhigen. Er sah dabei nach hinten und erstarrte.

"Hat er mich gesehen, dass er so stocksteif dasteht und glotzt?", dachte Haldir, sprang mit seinem Bogen in der Hand vom Wagen und lief schnurgerade auf den Räuber zu. Doch es war sehr schwierig, durch das Gedrängel und die gekreuzten Klingen hindurch zu kommen.

"Rückzug Männer!"

Der Räuber befahl der Truppe den Rückzug in den Wald.

"Na ja - so dumm ist er gar nicht mal. Im Wald können sie uns viel besser entkommen und er wird sicher bemerkt haben, dass wir zu wenig Pferde haben, um sie alle damit zu jagen. Aber du wirst mir nicht entwischen- dieses Mal nicht....", dachte der Elb wütend und schnappte sich ein Pferd von seinen verkleideten Kaufleuten, das verwirrt umherirre. Damit sprengte er den Flüchtenden hinterher.

Einige Soldaten folgten ihnen zu Fuß und schossen Pfeile ab.

"Nehmt Euch Pferde und folgt ihnen in den Wald! Zu Fuß habt ihr sowieso keine Chance, sie einzuholen! Und - bei Eru!- hört auf, eure Pfeile zu vergeuden! Glaubt ihr ernsthaft, ihr Menschen könntet sie treffen?? Dazu braucht es mehr als einen Bogen mit Pfeilen! Geschick sollte man auch noch haben!"

Ihre Männer zogen sich aus dem Gefecht mit den Soldaten zurück und flüchteten auf ihren Pferden.

Sie preschten zusammen mit ihrem Hauptmann davon in den Wald.

Ein paar Pfeile, welche die Verfolger abschossen hatten, landeten surrend zwischen den Flüchtenden zu Boden. Alle verfehlten ihr Ziel. Bis auf einen- ein reiner Zufallstreffer. Der Pfeil bohrte sich in die Hinterhand von Garrys Pferd.

Das Tier ging durch und warf den Jungen ab.

Ais die bemerkte, dass Garrys abgeworfen worden war, zügelte Ais Pferd und kehrte um.

Zum Glück waren ihre Verfolger weit hinten ab, denn sie waren zu Fuß unterwegs- bis auf einer. Und der holte in seinem scharfen Galopp erschreckend schnell auf.

Als Ais bei Garrys ankam, reichte sie ihm ihre Hand und zog ihn vor sich auf ihr Pferd.

"Ist mit dir alles in Ordnung Garrys?", fragte sie, während sie das Pferd wendete. Dabei sah sie nach hinten.

"Ja mir geht's gut. Danke!", antwortete der Jüngling.

"Na, dann mal los!" Ais gab ihrem Pferd die Sporen, „ab in den Wald, sonst erwischen sie uns zwei noch!"

Haldir ritt alleine, seine Soldaten weit hinter sich lassend, im scharfen Galopp, seinem armen Pferd alles abverlangend, dem Räuber hinterher. Wenn er erst Mal im Wald war, bestand wenig Hoffnung, dass der Elb ihn noch einmal einholen und stellen konnte.Haldir musste ihn vorher zu Fall bringen. Er musste einfach. Denn noch einmal würde er ihn nicht mehr zu unbescholten davonkommen lassen wie zuvor in Minas Tirith.

Haldir nahm den Bogen von seinem Rücken und zog einen Pfeil aus seinem Köcher.

Er Spannte, zielte.....

Der Pfeil streifte Ais rechte Schulter.

Durch den brennenden Schmerz glitten Ais die Zügel aus der Hand. Kaum einen Atemzug später bohrte sich ein weiterer Pfeil von hinten in Aislinns linken Schenkel.

Reflexartig fasste sich Ais an die schmerzende Stelle. Doch das war ein Fehler. Sie verlor den Halt auf ihrem rennenden Pferd und kippte nach links weg. Ihr Stiefel blieb im Steigbügel hängen und das Pferd schleifte sie mit.

Ais versuchte sich zu befreien, indem sie probierte, sich am Riemen, an dem der Steigbügel angemacht war, hochzuziehen. Aber ihre schmerzende Schulter und ihr verletztes Bein ließen das nicht zu. Der Riemen entwischte ihr und sie knallte wieder hart auf dem Boden auf.

"Garrys! Schneid den Riemen durch und reite alleine weiter!", schrie Ais mit schmerzverzerrtem Gesicht, da ihr gerade ein Stein quer über den Rücken schrammte.

"TU ES, BEI ALLEN GÖTTERN !!"

Garrys fasste seinen Dolch und fing an, an dem Lederriemen herum zu säbeln. Der Junge machte es nur mit Wiederwillen.

Der letzte noch nicht durchgeschnittene Zentimeter des Riemens riss durch und Ais blieb an Ort und Stelle liegen. Alles an ihrem Körper schmerzte.

Der Boden vibrierte.

Ais, die immer noch am Boden lag, presste ihr Ohr gegen den Boden und hörte donnernde Pferdehufen näher kommen. Sie hob ihren Kopf etwas an und sah vier lange, weiße Pferdebeine im scharfem Tempo herankommen.

"Oh nein. Heiliger Ork!"

Ais rappelte sich hoch und rannte -oder bessergesagt: humpelte so schnell sie konnte auf den Waldrand zu, ihre Hände fest gegen ihr verwundetes Bein gepresst.

"Meinst du etwa, du kannst mir mit deinem Gehumpel entkommen? Das ist ja so lächerlich!" dachte Haldir ärgerlich und ritt noch schneller auf denHauptmann zu.
Kaum hatte Ais den Waldrand erreicht, hatte der Elb sie auch schon eingeholt. Er bremste sein Pferd ab und ritt provozierend neben dem hinkenden Jungen her.

"Einen starken Willen hast du, Mensch. Aber wie willst du mir SO entkommen? Bist du wirklich einfältig genug zu denken, dass du -ein Mensch- MIR entkommen könntest?", lachte Haldir arrogant und sah den Hauptmann dabei nicht einmal an.
.........

Aislinn schleppte sich tapfer mit zusammengebissenen Zähnen weiter als sie bemerkte, dass der sie verfolgende Reiter sein Pferd zügelte und neben ihr herritt.

Und dann diese Stimme. So tief und so klangvoll.

Ais wurde langsamer. Endlich blieb sie schwer atmend stehen, der Reiter tat es ihr gleich.

Aislinn drehte langsam ihren Kopf, um ihrem Peiniger endlich ins Gesicht zu sehen. Dabei wusste sie schon längst, wer da neben ihr auf dem weißen Pferd saß.
"Der Elb!", dachte sie, ein klein wenig überrascht. Insgeheim hatte sie noch immer gehofft, sich die Stimme über ihr bloß einzubilden.

Er sah angewidert und siegessicher auf sie hinab, mit seinen unvergesslichen, wunderschönen, eiskalten, blauen Augen.

Aber so leicht würde Aislinn es ihm nicht machen. Sie war stolz- sie würde sich nicht so einfach töten oder gefangen nehmen lassen.
Haldir sah in das dreckige Gesicht mit den grossen grünen Augen, die ihn selbstbewusst anfunkelten, hinab. Er sah die schlanke, sogar zierliche Gestalt des Jünglings vor sich stehen, in seiner blutverschmierten und heruntergekommenen Kleidung. Er sah den Jungen, der ihn vor zwei Jahren so gedemütigt hatte.

Haldir wartete voller Schadenfreude ab, wie sich der Räuber verhalten würde.

Und plötzlich rannte der er einfach davon. Er flüchtete so schnell er konnte und es seine Verletzungen zuließen.
"Ich muss hier weg!", dachte Ais panisch und lief, stolperte und hinkte weiter in den Wald hinein- obwohl sie wusste , dass es kein Entkommen für sie gab.

Sie hörte auch sogleich ein höhnisches Lachen hinter sich und wurde durch etwas Schweres zu Boden geworfen.

Das Ding blieb einfach auf ihr liegen und drückte sie fest gegen den schmutzigen Waldboden.

Einen Moment später begriff sie, dass es nicht ETWAS sondern JEMAND war nämlich der Elb. Er bewegte sich nicht. Sie konnte es nicht.

Sie wartete hilflos ab. Doch nichts passierte und nach einigen weiteren Sekunden drückte das Gewicht des Elben ihr den Atem ab.

Ais stieß mit aller Kraft die sie noch aufbringen konnte den schweren Elben von sich runter. Dieser rollte zur Seite und blieb regungslos liegen.

Sie blieb eine Sekunde so liegen wie sie gefallen war und atmete tief durch.

Dann drehte sie sich auf den Rücken und tastete erstmals ihr verletztes Bein ab. Der Pfeil der in ihrem Bein steckte war nach ihrem Sturz vom Pferd dicht bei der Wunde abgebrochen, so dass sie ihn nicht fassen und entfernen konnte.

Neben sich hörte sie flaches Atmen. Sie blickte zur Seite und sah den blonden Elb neben sich regungslos liegen. Erst jetzt bemerkte sie, dass er an der Stirn eine klaffende Wunde hatte.

Sie kniete sich behutsam neben ihn hin, die Schmerzen in ihrem Bein für einen Moment vergessend. Seine Augen waren geschlossen, sein Gesicht blutüberströmt und schmutzig. Sogar seine Haare waren blutverklebt.

Aislinn schaute sich verwirrt um. Woran hatte der Mann sich verletzt? Sie tastete an sich runter, sah aber nichts woran er sich hätte verletzen können.

Dann entdeckte sie die „Waffe": ein spitzer, blutbefleckter Stein ganz in der Nähe von der Stelle, an der sie gelegen hatte.