Ein lautes Klingeln riss Gil aus seinem Schlaf. Er sah auf die Uhr, er hatte grad mal drei Stunden geschlafen. Dann ein Blick auf das Handy. Er kannte die Nummer nicht, überlegte ob er überhaupt abnehmen sollte. Aber es könnte ja wichtig sein.
„Grissom"
„Er war noch da. Hat einfach geschossen. Verdammt er hat Warrick erwischt."
Gil kannte die Stimme. Es war Nick. Er war völlig aufgelöst und was hatte er grade gesagt: geschossen, Warrick. In Gil kam plötzlich ein sehr ungutes Gefühl hoch. Was war bloß passiert.
„Nick beruhige dich, was ist passiert. Was ist mit Warrick?"
„Ein Schuss direkt in die Brust. Wir sind im State Hospital. Komm her."
Mehr hörte Gil nicht. Nick konnte offensichtliche nicht mehr. Er beendete das Gespräch. Gil war klar, dass es sehr ernst sein musste. Nick wäre sonst nicht so von der Rolle gewesen. Er hievte sich also aus dem Bett und saß schon 10 Minuten später in seinem Wagen. Die gesamte Fahrt über grübelte er was wohl passiert sei. Es dauerte über 45 Minuten bis er endlich im Krankenhaus war. Der Verkehr war die reinste Katastrophe, und seine Nerven waren am zerreißen. Er hatte von unterwegs Catherine und Sara angerufen und Bescheid gegeben, dass sie ins Krankenhaus kommen sollten. Die beiden waren natürlich ebenso geschockt, wollten näheres wissen, aber er konnte ihnen nichts sagen. Er wusste ja selbst nichts.
Als Gil in der Notaufnahme ankam, wollte er eine Schwester nach Warrick fragen, doch da kam ihm Nick schon entgegen. Er war voller blut und mit den Nerven völlig am Ende. Gil versuchte ihn zu beruhigen und zu erfahren, was denn eigentlich passiert sei. Aus Nick war jedoch vorerst nichts rauszukriegen. Eine Schwester, die die beiden beobachtet hatte, kam auf sie zu. Genau in diesem Moment kamen auch Catherine und Sara. Als sie Nick sahen, war ihnen schlagartig bewusst, dass nur was Schlimmes passiert sein konnte. Die Schwester die dazugekommen war, musste offensichtlich über den Fall Bescheid. Sie führte die 4 in einen Aufenthaltsraum und verließ mit den Worten:
„Die OP wird bestimmt noch einige Zeit dauern" den Aufenthaltsraum und ließ sie alleine.
„Nick was ist passiert0?"
Nick setzte sich, die anderen taten es ihm gleich. Dann erzählte er:
„Vincent konnte aufgrund der DNA- Analyse unseren Casino-Mörder überführen. Wir hatten eine Adresse, Brass besorgte den Durchsuchungsbefehl. Als wir am Haus ankamen schien keiner da zu sein. Das Haus wurde gesichert, dann begannen wir mit der Durchsuchung. Plötzlich war der Kerl da und schoss. Er traf Warrick in die Brust. Ich konnte nichts machen, außer dastehen und zusehen."
Nick weinte. Er konnte nicht mehr weitererzählen. Mehr wollten die anderen für den Moment auch nicht wissen. Banges warten setzte ein.
Ich hätte nie nachhause fahren dürfen. Ich bin doch normalerweise der, der in unserem Team das Büro als letztes verlässt. Wie konnte ich mich von den beiden nur dazu überreden lassen, nachhause zu fahren, und sie alleine weiterarbeiten zu lassen. Ich hätte da sein sollen, das ganze hätte nicht passieren dürfen. Warum haben sie mich nicht angerufen, als sie den Durchsuchungsbefehl hatte. Ich hätte dabei sein sollen, hätte es verhindern müssen. Grissoms Gedanken überschlugen sich. Er konnte nicht glauben, dass er gemütlich in seinem Bett schlief, während einer aus seinem Team, ein Freund, eine Kugel abbekommt.
Er darf nicht sterben. Ich würde es mir nicht verzeihen, wenn er sterben würde. Wie soll es nur weitergehen. Nein er darf nicht sterben. Wie konnte das geschehen. Wir haben das Haus doch durchsucht. Es war keiner da, wo also kam der Typ plötzlich her. Ich hätte schneller reagieren müssen, hätte vor ihm schießen müssen. Es hätte nicht so weit kommen dürfen. Warum ist das alles nur passiert. Er darf nicht sterben. Nick spürte völlig in Gedanken versunken, plötzlich eine Hand auf seiner Schulter. Er sah hoch. Es war Sara. Sie sagte nichts, sondern war einfach nur da.
Wie kann ein Mensch nur so kaltblütig sein und einfach einen Menschen erschießen. Er hätte flüchten können, immerhin konnte er sich bei der Absicherung des Hauses erfolgreich verstecken. Warum ist er nicht geflüchtet, warum musste er schießen. Warrick darf einfach nicht sterben. Ich möchte was tun, möchte helfen. Er hat mir damals auch so viel geholfen, als ich jemanden für Lindsey brauchte. Er muss leben. Er darf nicht sterben. Catherine konnte sich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Warum sollte sie aber auch. Jeder zeigte im Moment Gefühle, immerhin war Warrick ein Freund. Ein sehr guter Freund.
Gil stand auf und ging zu Catherine. Er legte seinen Arm um ihre Schulter. Es wurde kein Wort gewechselt, jeder war für sich alleine in seinen Gedanken versunken.
Wie wird er sich jetzt fühlen. Was geht ihm durch den Kopf. Er wird sich Schuldgefühle einreden. Wird sich selbst die Schuld dafür geben. Wird die Möglichkeiten abwägen, sich wünschen anders gehandelt zu haben. Es getan zu haben. Den Mann aufhalten. Er wird sich einreden, er hätte es verhindern können, verhindern müssen. Es hätte nicht passieren dürfen. Warrick muss leben. Er darf auch keinen Fall sterben, Nick würde daran zerbrechen. Er würde sich selbst den Tod wünschen. Würde sich wünschen an Warricks Stelle zu sein. Warrick durfte einfach nicht sterben. Saras Gedanken überschlugen sich. Sie machten sich unglaubliche Sorgen um Nick. Sie konnte ihn sehr gut leidern, hatte viel Spaß mit ihm. Sie weinte und Nick nahm ihre Hand. Sie trösteten sich gegenseitig. Sie waren alle füreinander da.
Nick starrte auf die Uhr. Schon seit geraumer Zeit betrachtete er die Zeiger, die sich kaum zu bewegen schienen. Wie viel Zeit war vergangen. Wie lange war Warrick nun schon im OP. Er hatte keine Ahnung, das Gefühl für Zeit hatte ihn völlig verlassen und obwohl er schon seit geraumer Zeit die Uhr fixierte, hätte er nicht sagen können wie spät es ist. Kein Wort war gewechselt worden, seit Nick den anderen geschildert hatte, was passiert war. Es schien um sie herum völlig still zu sein. Von der Hektik im Krankenhaus, die außerhalb des Aufenthaltsraumes herrschte, war nichts zu spüren. Für Nick wurde diese Stille schon fast unerträglich. Wie lange würden sie noch so paralysiert da sitzen. Er wollte was tun, diese sinnlose Warterei machte ihn verrückt. Er wollte aufstehen, schreien, Dinge an die Wand werfen. Eine unbeschreibbare Wut stieg in Nick hoch.
„Warum? Warum musste das geschehen?"
Seine Worte hallten im Raum wider, schienen von den Wänden abzuprallen. Jeder stellte sich die Frage, aber keiner kannte die Antwort. Plötzlich wurde die Tür des Aufenthaltsraumes geöffnet. Die vier wurden blitzartig in die Realität zurückgeholt. Der Lärm und die Hektik die hier im Krankenhaus herrschte, war nun von allen zu spüren. Nick sprang auf, als er sah, dass der Arzt, der Warrick behandelt hatte, den Aufenthaltsraum betrat. Die anderen standen ebenfalls auf. Der Arzt schloss die Tür hinter sich und bat sie sich wieder hinzusetzten. Das war kein gutes Zeichen. War er wirklich gestorben. Nein das durfte nicht passiert sein. Die Gedanken jedes einzelnen überschlugen sich und wie in Trance setzten sie sich wieder hin. Vor allem Nick war wie hypnotisiert. Er hörte kaum die Worte des Arztes, nahm kaum war, was dieser sagte. Er wollt es eigentlich nicht hören, er wollte weiter hoffen und daran glauben, dass Warrick lebte. Dann vernahm er plötzlich die Worte:
„Er wird es schaffen!"
Blitzartig holte es ihn in die Realität zurück. Hatte er richtig gehört, oder hatte er geträumt. Er sah den Arzt fragend an, dieser schien seine Gedanken zu lesen und sagte erneut.
„Ihr Freund hatte unglaubliches Glück, die Kugel verfehlte sein Herz nur um wenige Zentimeter, aber die OP ist sehr gute verlaufen und sollten nicht irgendwelche unvorhergesehenen Probleme auftreten, kann ich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass er es schaffen wird.
Keiner von den vieren konnte irgendwas sagen. Sie sahen sich an und sie weinten, sogar Gil konnte sich die Tränen nicht völlig zurückhalten. Sie bedankten sich beim Arzt. Dieser verließ den Aufenthaltsraum und ließ vier glückliche Menschen zurück, die erst mal versuchen mussten, dass ganze zu realisieren. Wieder machte sich Schweigen in diesem Raum breit, was dieses mal durch eine Schwester unterbrochen wurde.
„Wollen sie ihren Freund kurz sehen, dann kommen sie bitte mit. Ich kann sie zwar vorerst nicht direkt zu ihm lassen, aber sie können ihn im Aufwachraum kurz sehen, bevor er dann rauf auf die Intensivstation kommt."
Und welche Frage, klar wollten die vier in sehen. Sie folgten also der Schwester und konnten so Warrick kurz sehen. Die Freude unter den vieren war ganz deutlich zu spüren. Eine Stimme von hinten unterbrach sie in ihrer Freude. Es war noch einmal der Arzt von Warrick. Er trug ein kleines Plastiktütchen in der rechten Hand. Er hielt es hoch und sagte:
„Dies möchten sie doch bestimmt haben, oder?"
