4. Einkaufen in der Winkelgasse
Das Leben bei den Weasleys war für Harriet einfach nur wundervoll. Zwar erschrak sie zu Tode als der Spiegel sie zum ersten Mal anschrie, sie solle sich gefälligst frisieren, und gab es bald auf Mr. Weasley das Telefon erklären zu wollen, aber dafür spielten sie mit den anderen Quidditch, bekam endlich genug zu Essen und sah endlich wenigstens Ron wieder jeden Tag.
Dann kamen ihre Bücherlisten fürs neue Schuljahr mit der Eulenpost. Fast alle neuen Bücher waren von Gilderoy Lockhart verfasst worden. Es wurde beschlossen sich mit Hermine zum Einkaufen in der Winkelgasse zu treffen.
Die Reise dorthin sollte mit Flohpulver vor sich gehen. „Floh-was!" „Flohpulver. Oh, bist du etwa noch nie mit Flohpulver gereist? Das macht nichts, Schätzchen, es ist ganz einfach", meinte Molly Weasley aufbauend und erklärte Harriet die Prozedur. Eigentlich war es wirklich ganz einfach. Sie musste sich nur in den Kamin stellen, das Pulver werfen und laut und deutlich seinen Bestimmungsort artikulieren. Es konnte also nicht viel schief gehen. Natürlich schaffte es Harriet diese Theorie zu widerlegen.
Sie landete nicht in der Winkelgasse (sondern an irgendeinen anderen unheimlichen Ort). Alles war sehr dunkel. Eine gläserne Vitrine nicht weit von dem Kamin entfernt eine halb verfaulte Hand auf einem Kissen, einen blutbespritzten Pack Spielkarten und ein starres Glasauge. Die Wände waren übersät mit unheimlichen Masken, Knochen (hoffentlich keine Menschenknochen!) lagen auf einem Ladentisch und spitze Eisendinger hingen von der Decke. Dieser Laden war auf jeden Fall kein Ort an dem Harriet lange bleiben wollte.
Gerade als sie ihn verlassen wollte, sah sie durch die verdreckten Schaufenster zwei Gestalten, die sich der Türe näherten. Die kleinere war eindeutig Draco Malfoy. An welchen Ort sie sich auch immer befand, es war der letzte an dem sie Draco Malfoy (oder sonst irgendwem) begegnen wollte! Harriet entdeckte einen großen schwarzen Schrank und schlüpfte hinein.
Keinen Moment zu früh, denn wenige Sekunden später betraten Draco und sein Begleiter mit den Klingen der Türglocke den Laden. Dracos Begleiter war offensichtlich dessen Vater. Die Familienähnlichkeit war verblüffend, obwohl Mr. Malfoy nicht so blass wie sein Sohn war und eine aristokratische Ausstrahlung besaß, die Harriet erschaudern ließ. Mr. Malfoy ging zum Ladentisch und befahl Draco kalt: „Rühr nichts an." „Ich dachte, du wolltest mir etwas schenken", erwiderte Draco, der gerade die Hand nach dem Glasauge ausstreckte. „Ich sagte, ich würde dir einen Rennbesen kaufen", antwortete Mr. Malfoy und trommelte ungeduldig am Ladentisch herum.
„Was nützt es schon, wenn ich in der Hausmannschaft bin", maulte Draco, „Harriet Potter halt letztes Jahr einen Nimbus 2000 bekommen. Sondergenehmigung von Dumbledore, dabei ist sie gar nicht so gut. Aber sie wird nun mal ständig bevorzugt. Und das alles nur, weil sie eine Narbe auf der Stirn hat..." Harriet verzog das Gesicht. Aus irgendeinem Grund war es ihr nicht recht, dass Draco so über sie dachte. „Dabei wäre sie ja ganz nett, wenn sie nicht ständig mit Weasley und dieser Granger herum hängen würde", fuhr Draco fort und begutachtete weiterhin die Dinge in den Regalen und näherte sich dabei immer mehr Harriets Position an.
„Das hast du mir schon mindestens ein Dutzend Mal erzählt", unterbrach Mr. Malfoy seinen Sohn ungeduldig, „Ah. Mr Borgin." Bei Mr. Borgin handelte es sich um einen buckligen Mann mit fettigen Haaren, und Harriet hätte sich bei seinem Anblick am liebsten hinter Mr. Malfoy versteckt (obwohl ihr dieser eigentlich nicht unbedingt viel sympathischer war).
Mr. Borgin begrüßte die Malfoys schmeichlerisch, wurde dann aber schnell von Mr. Malfoy unterbrochen der ankündigte er würde nicht kaufen, sondern verkaufen. Harriet lehnte sich interessiert weiter vor um besser zu sehen.
„Ihnen ist natürlich zu Ohren gekommen, dass das Ministerium verstärkt Hausdurchsuchungen durchführt. Ich habe ein paar – ähm- Gegenstände in meinem Haus, die mich in eine Lage bringen könnten, wenn die Leute des Ministeriums kämen..." Er zog eine Pergamentrolle aus seiner Tasche und wickelte sie für Borgin auf. Die Malfoys sind also doch Schwarzmagier! Harriet stand jetzt schon am Rande des Kastens und lehnte sich zunehmend gegen die Tür, während sie bei dem Schlitz hinauslugte.
„Das Ministerium würde sich doch nicht anmaßen Sie zu stören, Sir?" Draco stand inzwischen direkt vor Harriets Kasten und sah sich missmutig um. Da quiekte es plötzlich hinter Harriet, was sie von Mr. Malfoys Antwort ablenkte und dazu brachte zusammen zu zucken, gegen die Tür zu stolpern und aus dem Kasten direkt auf Draco zu fallen. „...Arthur Weasley..." Harriets Schreckensschrei während dem Sturz unterbrach Mr. Malfoy und Mr. Borgin.
Harriet war so geschockt, dass sie in den ersten Sekunden gar nicht mitbekam, dass sie auf Draco oben lag, und er unter ihr. Dann kam ihr in den Sinn, dass er nach Ron schon der zweite Junge war auf dem sie oben lag und, dass Onkel Vernon gar nicht erfreut darüber wäre. Sie sprang wie von der Tarantel gestochen auf und starrte Draco an, der sie seinerseits mit offenem Mund angaffte wie das achte Weltwunder.
„Potter", sagte er langsam, „Was machst du hier?" „Ich, äh, bin beim falschen Kamin herausgekommen", erklärte Harriet unsicher und erzitterte unter Mr. Borgins wütendem Blick. Dracos Vater stand plötzlich vor ihr, freundlich lächelnd als wäre es ihm gar nicht peinlich beim Verkaufen in diesem Geschäft erwischt zu werden. „Miss Potter! Mein Sohn hat mir schon so viel von Ihnen erzählt! Es freut mich Sie endlich kennen zu lernen!" Er schüttelte ihr noch immer lächelnd die Hand. „Ich bin sicher, dass sagt man Ihnen öfter, aber Sie sehen genauso aus wie Ihre Mutter in diesem Alter."
Harriet nickte benommen und beschloss zu fliehen, bevor Mr. Malfoy sie noch um ein Autogramm bat. „Ich, äh, muss jetzt gehen. Die anderen werden sich schon Sorgen machen. War nett Sie kennen zu lernen, Mr. Malfoy. Draco, wir sehen uns", murmelte sie und düste zum Ausgang.
Draußen wimmelte es nur so von unheimlichen Gestalten und Harriet geriet schon fast in Panik als sie plötzlich in jemanden rannte, der erstaunt: „HARRY!" rief. Es war Hagrid. „Hagrid! Bin ich froh dich zu sehen!" Harriet umarmte den Riesen erleichtert. Jetzt würde alles gut werden. „Harry, was machst du denn in der Nokturngasse?", erstaunte sich Hagrid, während er sie schützend abschirmte und vor sich her trieb. „Hab mich verirrt; Flohpulver. Es war schrecklich!"
„Du siehst auch vollkommen aufgelöst aus. Weißt du eigentlich, wer hier so aller aus und ein geht? Dir hätte was Schlimmes zu stoßen können."
„Ich bin ja nicht absichtlich hier und außerdem..." Sie unterbrach sich. „Moment mal. Was machst du denn in der Nokturm-Noktirn-Wie auch immer Gasse?", fiel ihr auf. „Ich habe fleischfressende Schneckenschutz gesucht", erwiderte Hagrid und Harriet bereute es schon wieder gefragt zu haben. „Ich war mit den Weasleys unterwegs", sagte die junge Hexe als sie die Winkelgasse erreichten, „Wir sollten sie suchen." Hagrid nickte und während sie suchten erzählte ihm Harriet von den Erlebnissen in den Ferien. („Diese blöden Muggels. Wenn ich das gewusst hätte", schnaubte Hagrid).
Dann fanden sie Hermine vor Gringotts. Harriet rannte auf sie zu und umarmte sie. „Heh! Du siehst ja vielleicht schrecklich aus! Wo sind Ron und die anderen?" (Harriet fiel erst jetzt auf, dass sie sich noch über und über voll Staub und Dreck war). „Ich hab gehofft, du wüsstest es, ich bin mit Flohpulver gereist und..."
„Harry!" Ron, Fred, George, Percy und Mr. Weasley kamen angerannt. Sie bestürmten sie mit Fragen. „Molly ist ganz außer sich..." „Du siehst schlimm aus." „Wo bist du raus gekommen?" „Nokturngasse", antwortete Harriet. „Phantastisch!", riefen Fred und George wie aus einem Mund. „Wir dürfen da nie hin", meinte Ron.
„Glaubt mir, dort wollt ihr auch gar nicht hin. Es war echt unheimlich. Und Malfoy und sein Vater waren auch dort. Bei diesem Mr. Borgin." „Hat Lucius Malfoy etwas gekauft?", erkundigte sich Mr. Weasley beiläufig. „Nein, verkauft." „Gut, das bedeutet er macht sich Sorgen", meinte Rons Vater mit grimmiger Befriedigung während sie sich auf den Weg zu Mrs. Weasley und Ginny machten. Nicht zum ersten Mal fragte sich Harriet was da eigentlich zwischen den Weasleys und den Malfoys war, und nicht zum ersten Mal entschied sie sich es eigentlich auch gar nicht wissen zu wollen. Manche Geheimnisse der Zaubererwelt waren auch ihr zu hoch.
Mrs. Weasley war überglücklich Harriet gesund wieder zu sehen, und Mr. Weasley war beigeistert von Hermines Eltern, die ja Muggeln waren, und bestürmte sie mit Fragen.
Bei Flourish & Blotts war der Teufel los. Bald stellte sich auch der Grund heraus. Gilderoy Lockhart signierte seine Autobiographie ZAUBERISCHES ICH. „Wir können ihn hier treffen!", jubelte Hermine. Ron verdrehte die Augen und Harriet runzelte die Stirn. „Sag bloß, du bist auch ein Fan von ihm", wunderte sie sich. Hermine errötete. „Nun ja, er ist eben einfach toll. Findest du nicht?", meinte sie. „Du wirst schon Recht haben."
Je näher sie Gilderoy Lockhart kamen, desto nervöser wurde Molly Weasley, die ständig an ihrer Frisur herumzupfte, während Ginny zu hüpfen begann um ihn besser sehen zu können. Harriet beschloss, dass es nicht schaden konnte ein Blick auf das Original zu werfen, wenn selbst Hermine begeistert von Gilderoy Lockhart war. Ein Reporter des Tagespropheten hetzte an Ron vorbei und trampelte ihn dabei fast nieder.
Gilderoy Lockhart (genauso blond, langhaarig und auffallend angezogen wie auf den Fotos, und immer noch nicht so besonders gut aussehend wie Harriet fand) sah in ihre Richtung und zu spät erinnerte sich Harriet ihre Narbe zu verdecken. „Das ist doch nicht etwa Harriet Potter?", entfuhr es Lockhart, woraufhin sich die Menge teilte und Harriet frei gab.
Lockhart stürmte auf sie zu, packte sie und zog sie mit sich nach vorne. „He! Lassen Sie das!", beschwerte sich Harriet. „Immer schön lächeln, Harriet. Gemeinsam schaffen wir es auf die Titelseite", erklärte Lockhart leise. Das nenn ich ein wahres Sommerloch, wenn es über nichts Spannenderes als Harriet Potter bei einer Signierstunde von Gilderoy Lockhart zu berichten gibt. Endlich ließ Lockhart sie los.
„Meine Damen und Herren", begann Lockhart eine Ansprache, „ Dies ist genau der richtige Moment um eine Ankündigung zu machen, die ich schon lange vor hatte. Als die junge Miss Harriet Potter heute hier her kam um meine Autobiographie zu kaufen – die ich ihr natürlich gerne schenke – da hatte sie noch keine Ahnung, dass sie in Kürze viel mehr als mein Buch Zauberisches Ich bekommen würde." (Toll, dachte Harriet, was denn noch?) „Sie und ihre Mitschüler werden nämlich mein wirklich zauberisches Ich bekommen." (Harriet schwante Übles). „Ja, meine Damen und Herren, mit ausgesprochenem Vergnügen und Stolzkann ich ankündigen, dass ich diesen September die Stelle des Lehrers für Verteidigung gegen die Dunklen Künste an der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei antreten werde." (Harriet hatte es ja geahnt).
Die Menge tobte. Hermine und Ginny strahlten vor Glück und Harriet sah sich plötzlich mit sämtlichen Werken des Gilderoy Lockhart beschenkt. Harriet überreichte Ginny ihre Bücher. „Meine kaufe ich selber", erklärte sie und Ginny strahlte noch mehr und drückte Lockharts Autobiographie an sich.
„Die berühmte Harriet Potter, kann nicht einmal in eine Buchhandlung gehen, ohne auf die Titelseite einer Zeitung zu kommen", ertönte Draco Malfoys schneidende Stimmer hinter ihr. Harriet drehte sich zu ihm um. „Ich hab das alles nicht gewollt. Und das weißt du auch", meinte sie leise und erinnerte sich errötend an ihre letzte erste ein paar Stunden zurückliegende Begegnung mit Draco. Der starrte sie an. „Du bist ja wirklich pressegeil, Potter", sagte er. Ron baute sich vor ihm auf. „Lass sie in Ruhe, Malfoy", befahl er streng. „Ach? Bist du ihr Leibwächter? Oder ihr spezieller Freund?" Rons Ohren wurden rot und Harriet ahnte Böses, weshalb sie sich schnell zwischen die beiden Jungen stellte.
„Jungs, seid bitte friedlich", bat sie. „Hört auf Harriet, Kinder", mischte sich Arthur Weasley ein. Da erklang auch schon Lucius Malfoys Stimme hinter ihnen. „Schön, schön, schön – Arthur Weasley." Er umrundete die Gruppe und legte seine Hand auf Dracos Schulter. „Malfoy", erwiderte Mr. Weasley kühl.
„Viel Arbeit im Ministerium wie ich höre. Diese ganzen Hausdurchsuchungen...Bezahlt man ihnen die ganzen Überstunden?" Er steckte die Hand in Ginnys Kessel und zog ein sehr ramponiertes Buch hervor. „Offensichtlich nicht. Meine Güte, was nutzt es eine Schande für die ganze Zaubererschaft zu sein, wenn man nicht einmal dafür bezahlt wird?" Mr. Weasley wurde hochrot und Harriet hielt erschrocken die Luft an. Draco war wohl eindeutig der Sohn seines Vaters. „Wir haben sehr unterschiedliche Vorstellungen davon was eine Schande für die Zaubererschaft ist, Malfoy", meinte Mr. Weasley erstaunlich ruhig. „Eindeutig." Lucius Malfoy sah zu den Grangers hinüber. „Mit solchen Leuten geben Sie sich ab, Weasley. Und ich hatte gedacht, ihre Familie könnte nicht noch tiefer sinken..."
Dann ging alles sehr schnell. Mr. Weasley stürzte sich auf Dracos Vater. Stimmen riefen durcheinander und erst Hagrid gelang es die beiden Streitenden voneinander zu trennen. Mit Todesverachtung warf Mr. Malfoy Ginny ihr Buch zu. „Hier Mädchen, nimm dein Buch. Es ist alles was dein Vater dir bieten kann." Mit diesen Worten rauschte er mit Draco im Schlepptau ab.
Während Hagrid und Mrs. Weasley Arthur Weasley belehrten, er hätte sich nicht provozieren lassen sollen, machten sich die Weasleys auf den Weg zurück nach Hause. Mit Flohpulver natürlich. Harriet wusste eines mit Sicherheit: diese Art zu reisen, verabscheute sie bereits jetzt zutiefst.
Ginny ist scharf auf Lockhart, weil sie ihn toll findet. Ist so eine Art Heldenverehrung, wie halt von dem meisten anderen Mädchen auch.
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