14. Tom Riddle

„Das Buch lebt!"

„Wie bitte!"

„Na gut, das Buch lebt nicht, aber Tom Riddle lebt in dem Buch!" Das klang zugegebener Maßen etwas dämlich. Harriet erzählte Hermine und Ron was sich zugetragen hatte. „Tom Riddle kann uns sicher sagen, was damals mit der Kammer des Schreckens war", schloss sie, „Wir müssen ihn nur fragen."

„Ich halte das für keine gute Idee", meinte Hermine und Ron nickte zustimmend. „Fremden Tagebüchern soll man nicht trauen. Das könnte irgendwer sein, der nur so tut als wäre er Tom Riddle", belehrte er Harriet. „Aber er..." Hermine sah Harriet streng an. „Harry, versprich mir eins. Was immer du tust: Öffne das Tagebuch nicht noch einmal." Harriet zog eine Grimasse. „Okay", versprach sie, doch sie wusste, dass sie sich vermutlich nicht daran halten würde.

Es stimmte doch. Wenn etwas verboten war, wurde es dadurch nur noch reizvoller. Tom Riddles Tagebuch übte einen unbeschreiblichen Zauber auf Harriet aus. Sie wollte es öffnen, sie wollte Tom nach der Kammer des Schreckens fragen, doch sie wusste, sie durfte es nicht. Sie verstand Hermines und Rons Ängste. Ihr Verstand riet ihr davon ab erneut mit Tom Riddle Kontakt aufzunehmen. Sie wusste sie hätte das Buch Dumbledore überreichen müssen. Doch sie tat es nicht. Es juckte sie.

Schließlich hielt sie es nicht mehr aus, schlug das Buch auf und starrte auf die leeren Seiten. Gut, wenn meine Neugierde mich umbringen sollte: So sei es! Sie nahm die Feder und schrieb: Tom?

Die Antwort erschien prompt. Ja? Harriet dachte nach. Es tut mir leid, dass ich das Buch einfach zugeklappt habe, ich bin erschrocken. Wie kannst du dort drinnen sein? Toms Antwort ließ nicht auf sich warten. Das bin nicht wirklich ich. Es sind meine Erinnerungen mit Tinte festgehalten. Aber du hast meine letzte Frage nie beantwortet, Harriet. Wie kommst du an mein Tagebuch?

Jemand hat versucht es im Klo zu versenken.

Ich wusste immer, dass es einige Leute gibt, die nicht wollen, dass meine Erinnerung ans Tageslicht gelangt.

Harriet schluckte. Wegen der Dinge die du weißt? Ja. Schweigen folgte. Harriet brachte es beinahe nicht über sich die entscheidende Frage zu stellen. Dann tat sie es doch.

Würdest du mir erzählen, was du über die Kammer des Schreckens weißt?

Warum nicht? Zu meiner Zeit hielten sie alle für eine Legende. Aber sie wurde geöffnet. Mehrere Schüler wurden von dem Monster, das in der Kammer lebt angegriffen und ein Mädchen sogar getötet. Ich habe die Person erwischt, die die Kammer geöffnet hat und sie wurde der Schule verwiesen. Ich erhielt eine Medaille. Doch man entschloss sich zu lügen, die Wahrheit zu leugnen. Das Mädchen sei angeblich bei einem Unfall umgekommen. Die Kammer gäbe es nicht. Doch ich wusste immer, dass der Schrecken eines Tages zurückkehren würde.

Deswegen hast du dein Tagebuch hinterlassen, vermutete Harriet. Ja.

Wer war es, Tom? Wer hat die Kammer beim letzten Mal geöffnet? Ihr Herz schlug schneller. Tom ließ sich mit seiner Antwort Zeit. Ich kann es dir zeigen. Harriet starrte auf die Buchstaben auf der leeren Seite. Die Warnungen ihrer Freunde fielen ihr wieder ein. Ich kann dir zeigen, was in jener Nacht, als ich den Täter stellte, passiert ist. Harriet schluckte. Wie ein Pakt mit dem Teufel. Am liebsten hätte sie das Buch wieder zugeklappt. Aber sie musste es einfach wissen. Möglicherweise hing das Leben von Hermine und etlichen anderen Muggelgeborenen von der Antwort ab. Na gut. Leg los. Erschrick nicht.

Die Blätter des Tagebuchs begannen zu flattern und Mitte Juni wurde aufgeschlagen. Ein kleines Fenster öffnete sich auf dem Blatt und ehe Harriet es sich versah wurde sie in das Buch gesogen. Zur Hölle mit meiner schrecklichen Neugier!, dachte sie noch.

Dann befand sie sich plötzlich wieder in Hogwarts, in Dumbledores Büro, nur, dass dort nicht Dumbledore hinter seinen Schreibtisch saß, sondern ein Zauberer, den Harriet nicht kannte. Sie musste sich in Riddles Schulzeit befinden. Der Zauberer schien sie nicht zu bemerken. Harriet wedelte mit ihrer Hand vor seinem Gesicht herum, aber das schien ihn auch nicht zu stören. Gut so.

Es klopfte und ein recht hübscher dunkelhaariger Junge zwischen fünfzehn und siebzehn mit Vertrauensschülerabzeichen kam herein.

„Ah, Riddle!", begrüßte ihn der Zauberer. Also war der junge Tom.

„Sie wollte mich sprechen, Professor Dippet?", sagt Tom nervös.

„Setzen Sie sich. Ich habe soeben Ihren Brief gelesen."

„Oh." Tom sah noch nervöser aus und klammerte seine Hände zusammen. Harriet hatte Mitleid mit ihm.

Dippet sprach sehr freundlich mit Tom und erinnerte Harriet an einen netten Onkel, der leider nicht noch mehr Geld abdrücken konnte. „Mein lieber Junge, ich kann Sie unmöglich den Sommer über hier in der Schule lassen. Gewiss möchten Sie in den Ferien nach Hause?" Harriet warf Tom einen überraschten Blick zu. Es stellte sich heraus, dass Tom in einen Waisenhaus unter lauter Muggeln leben musste. Tom war Halbblüter. Seine Mutter war eine Hexe gewesen, die kurz nach seiner Geburt gestorben war. Tom war nach seinem Vater Tom und nach seinem Großvater Vorlost benannt worden.

Der Junge tat Harriet leid. Sein Vater wurde in dem Gespräch nicht erwähnt. Dann kam Dippet auf die Kammer des Schreckens zu sprechen (Nun, er nannte das ganze „die gegenwärtigen Umstände"). Dippet konnte Tom aufgrund der Angriffe nicht erlauben den Sommer über in Hogwarts zu bleiben. Vor allem der Tod des Mädchens schien ihn zu belasten. Und er gab auch zu, keine Ahnung zu haben, wer hinter den Angriffen steckte.

„Sir, wenn diese Person gefangen würde – wenn alles aufhören würde-". Das machte Dippet misstrauisch, doch Tom beteuerte nichts über die Vorfälle zu wissen. (Was, wie Harriet vermutete eine Lüge war).

Tom verließ das Zimmer und Harriet stolperte ihm hinterher. Harriet beobachtete wie Tom mit sich rang und angestrengt nachzudenken schien. Plötzlich tauchte ein anderer großer Zauberer mit kastanienbraunem Haar auf, und Harriet traf fast der Schlag als sie in diesen einen deutlich jüngeren Dumbledore erkannte.

„Was streunen Sie so spät hier herum, Tom?"

„Der Schulleiter wollte mich sprechen, Sir", erklärte Tom. „Gut, nun aber rasch ins Bett. Jetzt sollte man lieber nicht in den Gängen herumwandern. Nicht seit..." Dumbledore seufzte tief, wünschte Tom eine gute Nacht und schritt davon. Merkwürdig. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie denken, dass Dumbledore etwas gegen Tom hatte. Andrerseits, vielleicht war Dumbledore schon immer merkwürdig gewesen.

Tom ging aber nicht in sein Zimmer, sondern in den Kerker hinunter. Harriet folgte ihm und unterdrückte ein Schaudern. Dort wartete Tom auf irgendetwas oder jemanden. Etwas bewegte sich, schlich den Gang entlang. Tom und Harriet verfolgten es.

Eine Stimme flüsterte: „Komm...ich muss dich hier rausbringen... komm jetzt...in die Kiste..." Die Stimme kam Harriet irgendwie vertraut vor. Nein, nicht die Stimme selbst, sondern ein Unterton. Harriet erkannte die riesigen Umrisse eines Jungen, der vor einer Türe kauerte, neben ihm eine große Kiste.

„Schönen Abend, Rubeus." Harriet zuckte bei dem ungewohnt harten Klang von Toms Stimme unweigerlich zusammen. „Was machst du denn hier, Tom?" „Es ist aus. Ich muss dich anzeigen, Rubeus. Man spricht schon darüber Hogwarts zu schließen, wenn die Angriffe nicht aufhören."

In der nächsten Sekunde erkannte Harriet den Jungen. Sie bekam nur am Rande mit wie Tom meinte, Rubeus hätte sicherlich niemanden verletzten wollen, doch Monster würden sich nicht als Haustiere eignen, und wie Rubeus beteuerte sein Tier würde nie jemanden etwas antun. Sie erhaschte auch nur einen kurzen Blick auf das Monster. Alles verschwamm vor ihren Augen und sie saß wieder vor dem Tagebuch. Sie schlug es zu. Hagrid hatte vor fünfzig Jahren die Kammer des Schreckens geöffnet!

„Es war Hagrid. Er hat vor fünfzig Jahren die Kammer des Schreckens geöffnet. Deswegen wurde er rausgeworfen", berichtet sie Hermine und Ron später. Hermine runzelte die Stirn. „Woher weißt du das...Du hast Tom Riddles Tagebuch benutzt, richtig? Oh, Harry! Wieso hörst du nie auf andere!"

Ron schüttelte den Kopf. „Hagrid? Tut mir leid, aber das kann ich mir nicht vorstellen!", meinte er. Harriet berichtete genau was sich zugetragen hatte. „Ich glaube", meinte Harriet schwach, „dass Tom den Falschen erwischt hat. Ich glaube, Hagrid hatte einfach ein anders harmloseres Monster bei sich. Ihr kennt ihn doch. Hat ein Herz für Monster, und denkt sie können keiner Fliege was zu Leide tun... Ich will einfach glauben, dass es ein Missverständnis war." Doch was wenn nicht?

In den Osterferien sollten sich die Zweitklässler über ihre Zukunft Gedanken machen. Harriet hatte keine Vorstellung von ihrer Zukunft und auch Percy und Penelope konnten ihr da nicht weiter helfen. „Überleg worin du gut bist!" Harriet war eigentlich nur in Quidditch wirklich gut. Und darin in Schwierigkeiten zu geraten.

Sie vertraute Tom ihre Zweifel und Sorgen an.

Denkst du wirklich, dass es nicht Hagrid war, der die Kammer geöffnet hat? Die Angriffe haben nach seinen Rauswurf aufgehört.

Das Monster aus der Kammer des Schreckens, muss anders aussehen als das spinnenartige Ding aus Hagrids Kiste.

Wieso?

Harriet gab ihm keine Antwort. Wusstest du mit zwölf was du werden willst? Wusstest du es mit fünfzehn?

Ich wusste es schon immer.

Harriet klappte seufzend das Buch zu und bemerkte nur am Rande wie Ginny sie, aus welchen Gründen auch immer, erschrocken anstarrte. Es wunderte sie nicht, dass Tom nicht glauben wollte, dass er den Falschen geschnappt hatte. Aber sie brachte es nicht über sich zu Hagrid zu gehen und ihn zu fragen. Etwas das sie schon bald bereuen würde.

Reviews?