Zauberer kamen selten in diese Verlegenheit und Narzissa benötigte einen Moment, um zu erkennen, was zu tun war. Sie griff nach ihrem Zauberstab. "Accio", kam die Waschschüssel geflogen, die ihre Großmutter schon für ihre Morgentoilette genutzt hatte.
Gleichzeitig glitt Narzissa aus dem Bett, half Lucius sich aufzusetzen, die Beine über die Bettkante hängend, die Schüssel strategisch günstig auf seinen Schoß schiebend. Gerade noch rechtzeitig fiel Narzissa ein, ihm die Haare aus dem Gesicht zu halten, als er sich auch schon übergab.
Lucius Gesicht war schneeweiß und Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Seine Hände umklammerten die Waschschüssel auf seinen Knien als wäre sie ein Rettungsring auf stürmischer See. Er japste nach Luft, als der erste Brechreiz nachgelassen hatte.
Narzissa nahm dies alles mitleidig zur Kenntnis. Sie hatte sich noch nie übergeben, und auch niemanden gesehen, der es tat (schließlich gab es Magie gegen solche Dinge) aber Lucius sah erbärmlich aus und jammervoll.
Nachdem er sich mehrmals übergeben hatte, begann Lucius' Körper zu zittern. Erst ganz leicht, dann stärker. Doch als sie ihm die Schüssel wegnehmen und ihn sich hinlegen lassen wollte, verstärkte er nur den Griff um die Schüssel. "Nicht", flüsterte er jämmerlich. "Bitte."
Narzissa senkte die Hand. Ihr wurde klar, dass er noch lange nicht wieder halbwegs bei klarem Verstand war, sonst hätte er solche Worte nicht benutzt. Der große Lucius Malfoy bat nie um irgend etwas. Sie konnte sich nicht erinnern, dass das Wort schon einmal über seine Lippen gekommen war.
Tröstend streichelte sie ihm über den Rücken und lehnte sich vorsichtig an ihn, bis das Zittern nachließ. Als er nach einer Weile sprach, bekam Narzissa fast einen Schreck, so unvermittelt traten seine Wort in die Stille. "Es tut mir so leid", formten seine Lippen leise. "Ich bin so ein Feigling."
Narzissa richtete sich auf. Nicht im Traum hätte sie geglaubt einmal ihren hochmütigen Mann solche Worte sprechen zu hören. An ihn gelehnt spürte sie ein erneutes Zittern durch seinen Körper laufen und wusste sofort, dass er weinte.
Liebevoll strich sie ihm die Haare aus dem Gesicht und legte von hinten ihre Arme um seine Brust, ihn fest an sich drückend. "Es ist doch alles gut", murmelte sie mitfühlend und genoss das sanfte Prickeln, das sein leises Aufschluchzen in ihr erzeugte.
"Er wird mich bestrafen, früher oder später", wimmerte Lucius, "und wenn sie es erfahren, werden sie mich nach Askaban bringen. Die Dementoren werden...Sie werden..." Die weiteren Worte wurden von einem Weinkrampf verschluckt.
Narzissa streichelte ihn sacht, während ihre Arme ihn festhielten, als könnten sie ihn vor allem auf der Welt schützen.
"Ich habe Angst", brachte er nach einer Weile mühsam hervor. Als sie sich ein wenig nach vorne lehnte, lösten sich seine Hände von der Schüssel und umschlossen ihre, die ihn liebevoll an sich gedrückt hielten. "Lass mich nicht alleine, Zizza", wimmerte er. "Bitte. Lass sie mich nicht holen."
Narzissa verstärkte versichernd ihren Griff um Lucius. "Hab keine Angst", flüsterte sie ihm sanft ins Ohr. "Ich werde immer da sein, Lucius."
Er schluchzte noch einmal auf. "Es tut mir so leid", murmelte er kaum hörbar. "Ich wünschte, es wäre alles nie passiert. Wäre ich nur nie dorthin gegangen." Ein halbes Schluchzen lief durch seinen Körper und Narzissa streichelte ihn beruhigend.
Eine Weile saßen sie so da. Narzissa spürte die Kälte in sich hinauf kriechen und konnte die Nacht um sie herum fast spüren, so müde wurde sie auf einmal. Als Lucius mehrmals am Einschlafen gewesen war und sein Kopf einmal fast in die Waschschüssel gekippt wäre, hätte Narzissa ihn nicht festgehalten, löste sie ihren Griff um ihn und glitt neben ihn.
Sie stellte die Schüssel beiseite und brachte Lucius behutsam dazu, sich wieder hinzulegen. Dieses Mal unternahm er keinen Versuch, sie daran zu hindern. Allerdings legte er ihr dabei die Arme um den Hals und gab ein verängstigtes Wimmern von sich, als sich Narzissa aus seiner Umarmung lösen wollte.
Sie sank mit ihm in die Kissen, seine Arme um ihren Hals geschlungen, seinen Kopf auf ihrem Schlüsselbein, so dass seine Haare sie ein wenig am Hals kitzelten. Aber sie ließ ihn gewähren und schloss ihn fest in die Arme. Er schlief schnell wieder ein, sicher und geborgen in ihren Armen.
