Autor: OgaShi

Kapitel: 2 von ?

Disclaimer: Tief in unseren Herzen wissen wir doch alle insgeheim, dass Beyblade den Fans gehört. v.v Nur leider haben meine immer wiederkehrenden Besuche bei der Bank endgültig bestätigt, dass ich auch damit kein Geld verdiene.


Kapitel Zwei

Die Sünden des Sonnenscheins

"Rei ...?"
Eisige Stille waberte wie eine dicke, schwarze Regenwolke durch den Eingang des Dojos.
"Kai ...?"
Zwei mörderische Blicke richteten sich auf den Jungen, der im schmalen Spalt der Schiebetür stand und prompt um einige Zentimeter schrumpfte.

"O-okay, ist gut", stammelte Daichi verlegen. Behutsam schob er die Tür wieder zu ("I-ich sollte nur fragen, ob nicht einer von euch vielleicht Takao ablösen könnte, der ist nämlich schon total ... übermüdet ...", murmelte er kleinlaut) und schloss die unheimliche Geräuschlosigkeit in dem Trainingsraum ein. Bleich legte er sich die Hand aufs Herz und holte tief und erleichtert Luft.

Bei diesem erdrückenden Schweigen, das Kai und Rei derzeit umfangen hatte, stellte er sich ernsthaft die Frage, ob es sich bei ihnen nicht vielleicht nur noch um seelenlose Hüllen handelte - nun, atmen hatte er sie zumindest nicht hören können, und auch diese Blicke ... puh!

"Daichi! Was ist los?", ließ ihn jäh die helle Stimme einer ihm nur allzu bekannten, jungen Frau aufschrecken.
"Hiromi, Kyouju!", rief er aus, als er die beiden durch das Haupttor eilen sah. Es war ein angenehmer Spätsommertag, die Sonne schien wärmend vom Himmel und von sanften Brisen getragene, luftige Zuckerwattewölkchen setzten weiße Akzente ist das unendliche Vergissmeinnichtblau. An solchen Tagen war es bereits zur Selbstverständlichkeit geworden, dass Hiromi und Kyouju im Dojo der Familie Kinomiya aufkreuzten - nur lag es heute vermutlich an den eigenartigen Umständen, die sich vergangene Nacht ergeben hatten.
"Nanu, das hörte sich ja fast erfreut an!", lachte Hiromi und hob zur Begrüßung die Hand.
"Freu dich nicht zu früh, bei Daichi kann man nie wissen", kommentierte Kyouju.
"Oh ja, du hast recht" Hiromi tippte sich an den Kopf und seufzte melodramatisch. "Die liebe Pupertät."
Daichi plusterte die Backen auf, doch Hiromi und Kyouju schienen ihn schon vergessen zu haben.

"Wenn man bedenkt, was für ein Wirbelwind er schon als Dreikäsehoch war ..."
"Dass es noch schlimmer werden könnte, damit habe nicht einmal ich gerechnet."
"Wohl wahr ... und niemand ist vor seinen Gefühlsausbrüchen sicher!"
"Aber laut meiner Bücher wird das wieder vorbeigehen ..."
"Nur wann?"
"Das ist die heiße Frage."
"Waren wir mit fünfzehn genauso, Kyouju?"
"Bei uns bin ich mir da nicht so sicher, aber was Takao angeht ..."
"Let it rip!"

Hiromi kreischte schrill auf und Kyouju machte vor Schreck einen Satz zur Seite. Mit offenstehendem Mund sah er Hiromi dank eines Beyblades, der ihr auf der Stirn klebte, zu Boden gehen, wo sie bewusstlos liegen blieb.


"Es war nicht meine Schuld, Kai!", rief Rei plötzlich aus und konnte einen verzweifelten Unterton nicht verbergen. Anderthalb Stunden Stille hatte er durchgehalten, anderthalb Stunden auf den Knien verharrt; anderthalb Stunden, in denen er Kai zwischen Schuldgefühl und dem Wissen, ungerecht behandelt zu werden, gegenübergesessen war. Niemand anderes als Takao war es gewesen, der sie angewiesen hatte, sich auszusprechen - nun, vielleicht war es nun endlich an der Zeit, dies auch zu tun, wenn das auch hieß, dass er aufgab und die sprichwörtliche Katze aus dem Sack ließ.

Lethargisch öffnete Kai seine kalten Augen. "Ich weiß."
Rei klappte die Kinnlade herunter, doch das Wort blieb ihm im Halse stecken. Ich weiß!
"Ich wollte nur wissen, wie lange du brauchst, um es mir zu sagen."
Unfassbar. Zum ersten Mal spielte Rei ernsthaft mit dem Gedanken, Kai zu erwürgen. Doch die Beine waren ihm eingeschlafen, deshalb musste er überlegen, ob er sich nun zu ihm hinziehen und es sofort tun, oder ob er lieber bis zur Nacht warten sollte, um ihm dann einen Strick zu drehen. Natürlich brauchte er auch einen geeigneten Baum ...
"Was soll das heißen! Wir sitzen hier seit anderthalb Stunden, nur weil du - das ist unglaublich!"
"Nein."
In Reis Augen blitzte es auf. "Was soll das heißen, dieses Nein?"
"Das war die Strafe."
"Und wofür?"
"Du wolltest nicht auf mich hören. Wir sind nicht Takaos Taxi, Rei. Und jetzt ist er schrottreif."
"Du glaubst also immer noch, du hättest recht, was?" Rei lehnte sich vor und krabbelte auf allen Vieren zu dem drei Schritte entfernten Kai. Mit einem anzüglichen Grinsen beugte er sich über ihn, stemmte ihn zu Boden und ließ ihn von seinen Lippen kosten. Er wusste genau, wie sehr Kai es liebte, ihn zu ärgern und aufzuheizen, bis die Luft vibrierte und von dem Zorn, der sich in Rei angestaut hatte, konnte er während dem Sex nicht genug bekommen. Sofort spürte Rei seine großen, sanften Hände auf seiner Hüfte; sie tasteten unter sein T-Shirt, erforschten seine Haut, berührten seinen Bauchnabel und entlockten Rei ein Lachen. Sie schienen ihn gerade herab ziehen zu wollen, als Rei den Kuss löste, seinem Freund ein letztes Mal durch das Haar fuhr und ihm ein dämonisches Grinsen schenkte.

"Da fällt mir auch was ein ...", sagte er, sprang auf, rief: "Eine Woche Sexverbot!" und fegte auf wackeligen Knien in Richtung Wohnräume aus dem Dojo. Zurück ließ er einen zur Abwechslung mal zurecht absolut sprachlosen Kai - mit einer Beule in der Hose.


FLASHBACK

"RAAAH! DAS DARF DOCH NICHT WAHR SEIN!", donnerte Reis Schrei durch den kleinen Polo.
Im Seitenspiegel sah Kai das Bild eines Takaos, der sich vor Schreck auf der Rückbank zusammenkauerte. Ein Bild für Götter - ein Foto von diesem Anblick und er wäre ihm für alle Tage gefügig gewesen.
Kalt wandte er seine Augen nach draußen auf die von Nacht umhüllte Straße. Und was sich ihm bot, gab Reis Wutausbruch recht.
"DIESE VERFLUCHTE PIEP!"
Takao schreckte auf. "Wow, Rei!"
"RUHE DA HINTEN! DIESEM AUFGEMOTZEN, KLEINEN ERDNUSSHIRN WIRD' ICH'S ZEIGEN!"
Kai konnte den Chinesen gerade noch rechtzeitig festhalten, ehe er aus dem Auto steigen und draußen weiterwettern konnte. "Ich regle das.", sagte er nur und Rei blieb wie versteinert vor sich hinstarrend sitzen, geschrumpft zu einem kleinen Häufchen Elend im Angesicht des Schreckens, der bei dem Rumms in ihn gefahren war.

Es hatte zugegebenermaßen ziemlich hefig gerummst. Schuld war die Nase einer auf Hochglanz polierten Mercedeslimousine, die ohne Vorwanung aus der Seitenstraße geschossen war. Und obwohl er durch die Prüfung gefallen war, konnte Takao doch ohne Unsicherheit behaupten, dass es sich bei dem, was ihn da von der Straßenecke aus anlächelte, um ein nigelnagelneues Vorfahrtsschild handelte. Rei traf also keine wirkliche Schuld ... sah man mal über die Geschwindigkeit hinweg, mit der er soeben durch die Straßen gejagt war. Welch ein Wunder, dass nur die Blechbüchsen Verletzungen davon getragen hatten.

Der Mercedesfahrer zeigte herzlich wenig Bereitschaft zur Diplomatie. Das Handy hielt er schon in Händen, als er ausstieg, um sein demoliertes Prachtexemplar von einer Luxuskarosse zu begutachten.
"Sie werden meinen ANWALT kennenlernen!", begrüßte er Kai. Dieser verzog keine Miene und überlegte, ob er das Vorfahrtsschild jetzt oder später abmontieren sollte, um es bei der Gerichtsverhandlung mitbringen zu können.

Keine zehn Minuten später befanden sie sich in einem Schlachtfeld hupender Autos, die sich hinter der Unfallstelle stauten, jaulender Polizeiwägen und genervter Beamter von der Nachtschicht, die ihnen hundert Fragen stellten, von denen jede einzelne Rei ein wenig mehr auf die Palme brachte. Vor allem aber der Schlusssatz des Polizisten, "Ich hoffe, sie sind gut versichert", setzte der Torte noch das Sahnehäubchen auf - denn vermutlich nicht ganz zu unrecht glaubte Rei gesehen zu haben, wie der Mercedesfahrer mit den Checks wedelte.

"Er wird sie alle bestechen, einen nach dem anderen, bis zum Richter, und wir werden Schulden abzahlen, BIS WIR ALT UND GRAU SIND!", fauchte Rei und wirkte dabei mehr denn je wie ein jähzorniger Tiger, den selbst Kai nicht mehr bändigen konnte.

Damit hatte das große Schweigen begonnen. Kai war mit zur Polizeileitstelle gefahren, während ihr schnuckeliger Polo, der gerade seinen ersten Geburtstag hinter sich hatte, vor den Augen Reis und Takaos abgeschleppt wurde.
"Rei", meldete sich Takao irgendwann vorsichtig zu Wort, "vielleicht möchtest du ja die Nacht hier auf der Straße verbringen und deinem Auto hinterher trauern - aber ich, ich werde jetzt zum Flughafen fahren, und zwar so schnell wie möglich!"
Es brauchte dennoch fünf weitere Minuten, bis sich Rei von der Stelle bewegte und sich in ein Taxi zerren ließ.
Und wiederum zwanzig Minuten eisiger Stille, bis sich endlich der International Airport vor ihnen aus dem Erboden erhob.

Im paradoxen Kontrast zu Takaos bodenloser Sorge und Reis namenloser Verzweiflung ("Mein Polo, mein schöner Polo", wisperte er unentwegt vor sich hin), kam ihnen schon in der Empfangshalle ein himmelschreiend gut gelaunter Max Mizuhara entgegen geschwebt. Mit nichts weiter als einem Rucksack bewaffnet, hatte er auf einer Bank auf sie gewartet. Lachend drückte er sie an sich.

"Ich wusste, dass ihr kommen würdet, meine Freunde!", strahlte er. "Warum zieht ihr denn solche Gesichter? Freut ihr euch denn gar nicht, dass ich da bin?"
"Doch! Natürlich freuen wir uns!", platzte es aus Takao heraus und schon grinste er wieder. "Wir hatten - Rei hatte einen Unfall, und deshalb ist er momentan nicht wirklich ansprech...bar..."
Weiter kam er nicht, denn jäh schien Max' Maske zu bröckeln.
Plötzlich war das Auto vergessen. Ihnen fiel die ungewöhnliche Blässe im Gesicht des Blondschopfes auf, und ebenso irreal kam ihnen die Finsternis auf, die sich über seine azurblauen Augen legte. Nichts von dem erinnerte mehr an den Sonnenschein vor drei Jahren, den er soeben gemimt hatte. Er schniefte, seine Nase kräuselte sich, seine Lippen verspannte sich, als er erst Rei und dann Takao anblickte.

"Max", wagte Takao vorsichtig zu fragen, "was ist los?"

Und damit brach es in Sturzbächen aus Max heraus. Eine schwere Last schien von ihm abzufallen, so heftig verschafften sich seine unterdrückten Schluchzer Luft; Takao nahm ihn in die Arme und drückte ihn an sich, und vielleicht hätte er mitgeweint, wäre ihm nicht genauso wie Rei diese kleine, unauffällige Seltsamkeit an Max aufgefallen.

Die Tatsache, dass Max ganz in schwarz gekleidet war.

FLASHBACK ENDE


Takao taumelte gerade schlaftrunken durch den Flur, als Rei die Schiebetür hinter sich zuschlug. Aschfahl im Gesicht und mit dunklen Augenringen, blieb er stehen und funkelte Rei an.
"Takao", lachte dieser auf, "was ist denn mit dir geschehen, du siehst aus, als hättest du die Nacht durch-"
"Ich HAB dich Nacht durchgemacht!", brüllte der andere auf, stolperte, und fiel hin. "Ich kann nicht mehr ...", nuschelte er in die Tatami.
"Aber wir haben knapp Mittag! Komm, ich helfe dir ..."

Er lehnte Takao behutsam mit dem Rücken an die Wand. "Du brauchst Schlaf", entschied er, "aber, hey! Nicht hier!"
Mit größten Mühen versuchte Takao, die Augen offen zuhalten. "Max hatte Fieber als er ankam ... da kann ich doch nicht seelenruhig schlafen, immerhin ist er einer meiner besten Freunde", murmelte er mit gesenktem Kopf.
"Wo ist Max denn jetzt?"
"Er schläf...chrrr...zzz..."
"Takao, wach auf!"
"Hm ...?"
"Komm schon, ich trag' dich ..." Er legte Takaos Arm um seine Schulter, hievte ihn auf die Beine und schleppte sich mit ihm den Gang zurück in sein Zimmer. Vermutlich hatte er die lange Reise angetreten, um ihn oder Kai zu holen - Momentchen, war nicht erst kürzlich Daichi im Dojo gestanden, um ... Rei beendete den Gedanken nicht, denn in diesem Augenblick standen sie wieder im Türrahmen des Zimmers.

Sein Blick schweifte über eine Ansammlung von Blumentöpfen, die sich in allen Größenordnungen in seinem Zimmer breit machten. Jeder einzelne von ihnen war Brutstätte einer abstrakten Pflanze mit großen, kleinen, herzförmigen, länglichen, aufgefächerten und runden Blättern, die emporrankten, von der Decke hingen, aufrecht standen oder einfach in die Breite wuchsen. Sie waren schuld an dem erfrischenden Klima, das in Takaos Zimmer herrschte.

Trotz der Vielfalt an Zimmerpflanzen auf kleinem Raum, konnte Rei Takaos Futonbett nicht übersehen. Und ebenso wenig übersah er die aufgewühlte Bettdecke auf ihm, der man ansah, dass sie vor Sekunden noch von einem Körper warmgehalten worden war.
"Takao."
"Hm?"
"Max ist nicht da."
Max - ein Name, der die Lebensgeister weckt. Takao schreckte hoch, und obwohl er noch ein wenig taumelte, fegte er ins Zimmer und hatte in wenigen Atemzügen sämtliche Ecken inspiziert. "Max!", rief er, "Wo bist du!" - und dann fiel sein Blick auf das offene Fenster über dem leicht chaotischen Schreibtisch.

Rei schaltete sofort und war mit einem Satz am Fenster. Er krabbelte auf den Schreibtisch, begrub einen mehrseitigen Brief an Max unter seinen Knien, den Takao wohl verfasst hatte, ehe er den Anruf von Max erhalten hatte, und lehnte sich aus dem Fenster. Und er musste auch gar nicht lang suchen, da fand er Max' bewusstlosen Körper neben dem knienden Daichi, der sich verlegen am Kopf kratzte und Max unsicher anstuppste.

"ARGH!", schrie jemand hinter ihnen auf. Synchron drehten sie sich herum. "Das hat er vorhin auch schon bei mir gemacht! Dass er nicht einmal den armen Max damit verschonen kann - wirklich unmöglich, dieses Kind!"
"Aber nein, Hiromi", strahlte Rei das Mädchen an, "er hat Max gerade mit Bravour an einem Fluchtversuch gehindert!" Damit sprang er vom Schreibtisch und rannte mit Takao nach draußen. So bekamen sie nicht mehr mit, wie sich Daichi flink aus dem Staub machte.


"Nun, was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen, Max Mizuhara?"

Kurze Zeit und einige energische Aufweckversuche später, fand sich die gesamte Truppe - ausgenommen Kai, der seinerseits die Flucht ergriffen hatte - im Dojo ein. Im Halbkreis saßen sie um Max herum, der geknickt den Kopf hängen ließ.
"Sprich' mit uns, Max!", forderte Rei.
"Nimm ihm doch wenigstens die Fesseln ab!", bat Hiromi mitleidig.
"Nein! Glaubst du, Takao macht die Nacht wegen dir durch, damit du anschließend wortlos wieder abhauen kannst!"
"S-so war das nicht gemeint", verteidigte sich Max halblaut.
"Is' schon gut, Rei ...", nuschelte Takao halb in Schlaf versunken aus dem Hintergrund, doch Rei schnalzte mit der Zunge.
"Nichts ist gut!" Mit einem mörderischen Funkeln in den Augen beugte er sich im Schneidersitz vor. "Mein Auto ist bei deiner Rettung auf dem Schrottplatz gelandet! Ich habe ein Eigentumsrecht auf dich, bis du deine Schuld beglichen hast."
"Das klingt ja pervers!", flüsterte Kyouju Hiromi zu und die nickte mit leuchtenden Augen.

Für einen kurzen Moment herrschte Stille - nicht einmal Takao schnarchte - ehe jäh alle durcheinander zu reden begannen.

"Wolltest du zurück nach Amerika fliegen?"
"Wie denn, ohne Gepäck?"
"Hasst du uns?"
"Warum bist du so hergekommen, wenn du gleich wieder gehen wolltest?"
"Oder er wollte einfach nur einmal ums Haus rennen!"
"Das ist doch ein Missverständnis, oder?"
"Oder mit Daichi reden!"
"Was ist los mit dir?"
"Wolltest du shoppen gehen?"
"So ein Unsinn, Hiromi!"
"Oder vielleicht einfach nur mal kurz nach Hause schauen?", rief Max ins Getümmel und die anderen Vier verstummten.

"Aber ... das hättest du uns doch sagen können!", ergriff Rei nach einer Weile wieder das Wort. Erwartungsvolle Blicke wechselten von Rei zu Max und blieben auf ihm haften.
"K-kannst du mir nicht erst diese Fesseln abnehmen, Rei?"
"Wirst du es wieder versuchen?"
"Nie wieder! Ich verspreche es, hoch und heilig! Willst du es noch auf Englisch hören? - Oh!"
"Ich bin's nur, Max"

Takao hatte sich aufrappeln können und fummelte am Hakama-Gürtel herum, mit dem sie ihm die Hände auf den Rücken gebunden hatten. "Was ist denn das für ein Knoten, Rei!", beschwerte er sich.

"Ein spezieller, chinesischer Wunderknoten, der sich erst öffnet, wenn Max all seine Sünden abbezahlt hat."
Max wurde blass um die Nasenspitze. "Verdammt, Rei!", rief er. "Ich wollte nur etwas holen gehen!"
Wieder machte sich ein Schweigen breit, das mit den vorhergegangenen nicht mehr verglichen werden konnte. Takao ließ von dem Knoten ab, richtete sich auf und blickte Max mit einer Mischung aus Misstrauen und Verwunderung an, die hervorragend zu den großen Fragezeichen über den Köpfen der anderen passte.

"Hast du gerade verdammt gesagt?", wollte er wissen und Rei lachte auf.
"Takao, er wollte uns gerade erzählen, was er vorhatte!"
"Hä! Aber Max hat nie -"
"Ein Paket!", fuhr ihm Max dazwischen. "Ja, verdammt, ich wollte ein Paket holen gehen, dass ich zu mein Vater nach Hause geschickt hatte, und Nein, ich wollte nicht, dass ihr etwas davon mitbekommt! Es tut mir ja leid!"
Mutlos ließ er den Kopf hängen, sodass sein blonder Pony seine Augen verbarg und nur Takao sehen konnte, dass er mit den Tränen kämpfte.
"Okay, das reicht jetzt!", entschied er. "Wer diesen Dojo nicht in den nächsten zehn Sekunden in Richtung Esszimmer verlassen hat, auf den hetze ich Daichi!"
Das genügte um zumindest Hiromi Feuer unterm Hintern zu machen ("Ich besorg' mir einen Baseballschläger - dann zeig' ich diesem Daichi mal, was 'ne Finte ist!", murrte sie). Wütend vor sich hinplappernd zerrte sie Kyouju hinter sich her - nur Rei bewegte sich nicht nach draußen, sondern hinter Max, wo er ihn mit wenigen Griffen von dem Gürtel befreit hatte.

Max murmelte ein Danke, doch die erwartungsvollen Blicke seiner beiden Freunde entgingen ihm nicht. Er wartete einige Atemzüge ab, und als sich nichts tat, holte er tief Luft, um sich eine Erklärung aus den Fingern zu saugen - da scharrten die Schiebetüren des Dojos und das Trio hob die Köpfe.
"Nein", kam ihm Kais ruhige Stimme dazwischen, "es ist seine Sache."
"Kai!", rief Takao auf. Der einstige Teamchef schritt gemächlich in den Raum und blieb vor Max stehen.
"Was machst du noch hier? Geh endlich holen, was du holen wolltest."
Es war, als hätte jemand ein Licht hinter Max' Augen angeknipst; das gewohnte Strahlen kehrte auf sein Gesicht zurück, als er sich auf die Füße erhob und sich streckte.

"Danke, Kai!" Höflich verbeugte er sich vor dem Älteren. "Aber ich möchte, dass Takao mitkommt."
"Ich?", fragte Takao schläfrig, und ehe er sich versah, hatte Max schon seine Handgelenke gepackt, ihn nach oben gezogen und war mit ihm aus dem Dojo gestürmt.
Zurück blieb ein reichlich verdatterter Rei, der Kai in diesem Moment mit einem bitterbösen Blick strafte.
"Warum funkst du mir in meine Erziehungsmethoden?"
Kais linke Augenbraue zuckte. "Wolltest du nicht wissen, was in diesem Päckchen ist?"
"Ja, eben, und deshalb -"
"Wenn er dieses Päckchen nicht holen geht, findest du es nie heraus."

Das leuchtete selbst Rei ein. Grimmig beobachtete er, wie sich Kai vor ihm im Schneidersitz niederließ.
"Was soll das!", fragte er.
Kais Augen blitzten ihn schelmisch an - eine Gemütsregung, die nur Rei zu deuten wusste. Jeder andere hätte keine Veränderung in seinem versteinerten Gesicht entdecken können. "Ich weiß noch mehr."
Rei hielt den Atem an. "Das ist nicht fair, Kai! Woher?"
"Von seiner Mutter."
Verbissen grinsend verschränkte Rei die Arme. Und wieder umfing sie das große Schweigen, der Kampf um die hartnäckigste Hartnäckigkeit, das Warten auf den Moment, an dem der erste nachgab. Aus dem Esszimmer drang Hiromis hysterisches Gemecker - vermutlich war Daichi aufgetaucht -, Dizzys sarkastischer Kommentar und das Klappern von Teegeschirr.


"Ich brauche deine Hilfe, Takao", wandte sich Max an seinen Freund, als sie bereits die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten. Unter ihnen rauschte im Flussbett das Wasser, ungezähmte, lange Grashalme schaukelten in der warmen Sommerbrise, und mit der Luft atmete der erste Hauch von Herbst, ein süßlicher Duft, vermischt mit Flieder und Honig.

"Ehrensache, Max, was soll ich tun?"
Max lächelte und hielt die Nase in den Wind. "Ich war schon so lange nicht mehr hier ... und nichts hat sich verändert.", flüsterte er.
"Sag schon!"
"Wie lange darf ich bei dir bleiben, Takao?"
Takao runzelte fragend die Stirn. "So lange du willst, natürlich ..."
"Hör zu, Takao" Der Blondschopf ergriff Takaos Hand und hielt sie fest, als wolle er ihn am Weglaufen hindern. Weshalb nur wiederholte er immer wieder seinen Namen? "Mein Vater darf nichts von mir oder dem Paket mitbekommen."
"Deshalb brauchst du meine Hilfe?"
"Genau. Es müsste heute Mittag ankommen, und wir müssen das Päckchen möglichst unauffällig in die Finger bekommen, am besten so, dass er von dem Päckchen nichs mitkriegt. Es ist an mich adressiert, musst du wissen"
Allmählich breitete sich ein diebisches Grinsen auf Takaos Gesicht aus. "Und so wie ich dich kenne, hast du schon eine Idee!"
"Vielleicht, Ja. Bist du dabei?"

Hoffnungsvoll sah Max ihn an.
Takao legte die Hand ans Kinn.
Max hielt die Luft an.
Takao hob die rechte Augenbraue.
Max ließ die Schultern hängen.
Takao verschränkte die Arme und legte den Kopf schief.

"N-nein?", fragte Max vorsichtig - da holte Takao weit aus und versetzte ihm eine heftige Backpfeife, die Max prompt aus dem Gleichgewicht brachte und bäuchlings ins Gras warf. Entsetzt drehte er sich auf den Rücken und sah ängstlich zu Takao auf.
"NATÜRLICH BIN ICH DABEI!", schrie dieser mit Tränen in den Augen, "ABER VERSPRICH MIR, DASS DU MIR NIE WIEDER SO ETWAS ANTUST! VERSPRICH MIR, DASS DU NIE WIEDER EINFACH ABHAUST!"
Dann begann er zu weinen wie ein kleines Kind, so heftig, wie er zuletzt bei dem unverhofften Wiedertreffen mit seinem Bruder Hitoshi geweint hatte und war unendlich froh, dass es nur Max war, der ihn in diesem äußerst peinlichen Moment sah.

"Also gut, ich hebe das Verbot wieder auf!", seufzte Rei und schielte auf seine Armbanduhr. Eine halbe Stunde hatte er mit seiner Neugierde gekämpft. Immerhin etwas.
Kai aber ließ sich das nicht zweimal sagen; blitzschnell war er bei Rei und ehe sich dieser versah, lag er bereits auf dem Rücken, zwei gierige Lippen auf dem Mund. Sie küssten sich wie ein frisch verliebtes Paar, dass einen Monat getrennt war, bis Kai sein Gesicht zu Reis Ohr wandern ließ ...

... und flüsternd zu erzählen begann.


Maah, wie ätzend. Dieses dämliche Skript auf pflegt regelmäßig Ausrufe- und Frage-, sowie diverse andere Zeichen zu verschlucken ... also bitte wundert euch nicht. -.-"

PS: Bitte kritisiert in euren Kommentaren nicht die Rechtschreibfehler und den Schreibstil, es sei denn, ihr habt Atlantis gelesen. Stille Wasser sind tief ist zu diesem Zeitpunkt noch eine Pausen-FF gewesen. Danke!