Zuvor... lasst euch mal ALLE ganz fest drücken. Ich bin über eure derart tollen Feedbacks total gerührt, sitze hier mit einem dankbaren Lächeln und kann euch gar nicht beschreiben, wie sehr mich diese weiter anspornen! DANKE !
Reviewantworten:
Tanja
Hallo mein lieber Fan, du warst ja wieder die Erste hier :-). Freut mich total, dass dir die Geschehnisse und Erklärungen im 4. Kapitel gefallen haben. Ryan ist nicht bewusst, ein Elb zu sein, aber er weiß schon länger, dass er kein Mensch sein kann. Freut mich, dass dir die kleine Romanze der beiden gefällt, ein bisschen können sie ja noch in ihrem Glück zusammen sein. Danke dir auch ganz lieb, dass du nochmals hier vorbeigeschaut hast. Ich war echt überrascht und habe mich natürlich sehr darüber gefreut. Das spornt unheimlich an! Ich hoffe, Kapitel 5 gefällt dir auch wieder so gut und du holst danach die Fanflagge wieder hervor. :-)
Nyella
Wow, ich dachte nicht, dass meine Geschichte so eine Wirkung erreichen kann, dass du so richtig darin weiterträumst. Du gibst in deiner Review ein sehr wertvolles Feedback, weil du mir genau beschreibst, welche Abschnitte dich berührt haben. Du magst Einhörner? Das finde ich schön, denn sie sind besonders in Irlands Sagen tief begründet. Alenas Reaktion auf Ryans Aussage zum Einhorn war schon vorhanden, sie wurde aber von den ganzen Geschehnissen abgelenkt. Das Einhorn kommt auch noch einmal ganz kurz vor, aber erst wieder später. Und... diesmal war ich brav und verschone dich von einem Cliffhänger :-)
niah luna
Durch deine letzte Review wurde ich auf die Idee gebracht, hier ein wenig mehr zu erklären. Danke nochmals dafür. Einen Dank aus tiefstem Herzen für dein abermaliges Lob über meine Naturbeschreibungen. Mir scheint es, dass du die Natur auch sehr liebst und somit zählt dieses Lob für mich noch mehr. Diesen Sonnenaufgang hatte ich selbst einmal erlebt, unter fast den gleichen Umständen :-) Ein wenig können die beiden noch ihr Glück genießen, wie du es nun hier im vorliegenden 5. Kapitel lesen kannst. Doch schon geht der Lauf der Dinge weiter und immer noch weiß Ryan zuwenig, um zurückkehren zu können.
Lady Dragonfire
Ich glaube, es ist wohl das höchste Ziel eines Autors, dass seine Leser sich mit seinen Charakteren identifizieren können. Die Einhörner gehören einfach zu Irland und es gibt wirklich noch eines! Ein von den Fesseln befreites Einhorn steht auf einer Klippe im ‚Ring of Kerry'. Leider kann ich hier keinen Link einfügen, aber einfach unter Bilder beim Google "Einhorn+Irland" eingeben und schon sieht man das Bild. Ryan würde dazu übrigens sagen, dass sein Schweif falsch dargestellt wäre, denn sie hätten einen, dem eines Esels gleichend. :-)
darklayka
Als deine Review bei mir eintraf, war sie wahrer Balsam für meine Schreiberseele. Hab' immensen Dank für diese wohlwollenden Worte zur richtigen Stunde! Ich hoffe, du hast noch mehr Lust auf Romantik, denn diesmal gibt es auch noch etwas davon zu lesen. Dheas ist ein‚ ‚Irish Draught Horse', übersetzt würde das ‚Irisches Zugpferd' bedeuten. Diese Rasse wird in letzter Zeit nicht mehr mit so massigem Körperbau, sondern speziell fürs sportliche Reiten gezüchtet. Ich finde diese Pferde sehr schön, wenn sie auch noch etwas stämmiger im Gebäude sind, als normale Warmblütler. Stelle dir Dheas einfach wie einen schönen schwarzen Friesen vor, nur mit weniger langer Mähne und ohne den Behang auf den Fesseln. Und... wie schon oberhalb erwähnt, diesmal habe ich mich bemüht, meiner ‚Cliffhanger-Sucht' nicht zu folgen :-)
Erklärung zu Kapitel 5:
Das vorliegende Kapitel wurde das bis jetzt Längste von allen und ich hoffe, dass ist in eurem Sinne, zumal ich diesmal einfach viel weniger gekürzt habe. Es gab so vieles noch zu erklären und zu geschehen lassen, bevor sich die Geschichte schön langsam einer unausweichlichen Wendung zuneigen wird.
Besonderer Dank geht diesmal auch an meinem ‚Elb', der nicht nur seit den letzten Wochen mit immenser Geduld meinen Schreibwahn toleriert, sondern mir die gelebte Inspiration für Ryan ist.
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NUR EIN TRAUM
Kapitel 5: Im meldin
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Alena vernahm in seinen Augen die sich wandelnden Reaktionen widerspiegelnd, als er das Buch in die Hand nahm und den weiteren Text dazu las.
Mit großen, verwirrt blickenden Augen sah er kurz zu ihr auf um eine Stelle laut zu lesen.
„...Elben gelten als unsterbliche Wesen...", und dann noch die weiteren Beschreibungen gebannt in sich aufnehmend wandte er sich abermals Alena zu.
„Der Name ‚Elben' bewirkt bei mir keine Erinnerung... in mir sind so viele Namen, die ich nicht zuordnen kann... Tawarwaith, Silvan..., noch ist mir bewusst... unsterblich zu sein."
Alena merkte erst jetzt, dass sie schneller atmete und ihre sich im Inneren überstürzenden Gefühle ließen sie leicht erzittern.
Unzählbare Fragen formten sich in ihr, aber sie brachte keine davon zustande, dachte nur daran, wie blind sie in der letzten Woche gewesen war bei den vielen Anzeichen, die er ihr geboten hatte. Und er selbst, wie sehr musste er sich jetzt erst recht verloren und fremd hier fühlen? Ein beklemmendes Gefühl mischte sich in Alenas rasende Gedanken und ihre zitternde Hand griff zögernd nach ihm.
Ihn kaum berührend zuckte sie sogleich zurück, wie vor etwas Fremden, ihr Unbekannten. Wie sollte sie mit dieser Situation umgehen? Konnte sie ihn jemals wieder so sehen wie vorher?
Kopfschüttelnd und die Hände leicht vor ihr Gesicht haltend begann sie leise: „Ich kann es kaum glauben, es kann nicht möglich sein... du... bist kein Mensch? Ryan... du... aber..."
Er stand immer noch regungslos vor ihr, jedoch sein aufgewühltes, mit sich kämpfendes Inneres wurde Alena nur zu sichtbar dargeboten.
Scheinbar vorher vergessen, atmete er nun ruckartig tief ein und mit einem verzweifelten Ausdruck begann er langsam zu erklären.
„Ich habe es die ganze Zeit gefühlt, dass ich nicht wie du bin, konnte es jedoch nicht erklären, kann es im Grunde jetzt noch immer nicht. Aber ich weiß jetzt sicher, dass ich ein... Elb sein muss und vieles wird mir dadurch klarer."
Alena starrte ihn, unfähig einer Regung, immer noch geradewegs an, als er das Buch auf den Tisch zurück legte und sie festen Blickes ansah.
„Ich... ich muss meine Leute finden."
Er wandte sich leicht von Alena ab, zum Fenster hinaus blickend, das jetzt im Dunkeln den dahinter durchschimmernden Wald nur schemenhaft preisgab.
„Irgendwo dort draußen bin ich zu Hause."
Sich wieder Alena zuwendend vernahm sie seinen nun leicht erschöpften Ausdruck.
„Hilfst du mir dabei, Alena? Ich schaffe das nicht alleine."
Bei diesen Worten fielen alle zweifelnden Gedanken, egal worauf sie beruhten, von ihr ab. Getrieben von dem starken Gefühl ihm helfen wollen, entschloss sie sich zu dem für sie entscheidenden Schritt, ihre plötzlich aufgekeimte Scheu vor ihm abzulegen und ging zu ihm, ihn in die Arme nehmend und leise sprechend.
„Ich werde dir helfen dein Zuhause wieder zu finden und werde alles tun, was ich kann. Egal was es erfordert."
Kurz wich er leicht vor ihr zurück, wohl aus dem gleichen Grund verunsichert wie sie zuvor, doch Alena ließ sich nicht beirren, hörte auf ihr inneres Gefühl und zögernd, der neuen Situation noch nicht gewachsen, erwiderte er ihre liebevolle Umarmung und flüsterte nur leise: „Danke, Alena."
Froh darüber, diese scheinbar aufgebaute Barriere sogleich zerstreut zu haben, erkannte sie, wie schrecklich dies gewesen wäre, wenn jetzt etwas zwischen ihnen gestanden hätte und dass er immer noch der Selbe war, wenn auch kein Mensch und jetzt wirklich fremd in ihrer Welt. Er war immer noch der ihr liebgewonnene Ryan und sie würde ihm helfen, wenn dies auch bedeutete, ihn für immer aus ihrem Leben zu verlieren.
Nur kurz blieben sie diesmal so eng beieinander stehen, es gab noch so vieles zu erklären. Sie hatte bereits einiges über Elben in den verschiedensten Sagenbücher gelesen und berichtete ihm nun weiter.
„Die Unsterblichkeit bei Elben bezieht sich nur auf ein natürliches Lebensende. Soweit den Überlieferungen der Geschichten zu trauen ist, können sie sehr wohl gewaltsam getötet werden."
„Das würde einiges erklären."
Er tippte mit der Hand auf seine alte Pfeilwunde, schüttelte danach aber langsam den Kopf und sprach fast schon verzweifelt: „Warum erinnere ich mich immer noch nicht, warum nur an so nebensächliche Dinge, an unkenntliche Orte, ein paar Gesichter, Namen und an leise Stimmen?"
Keine Antwort auf seine Frage findend formte sich in ihr jedoch eine mit einer großen Tragweite und plötzlich wich sie unwillkürlich doch wieder ein wenig von ihm ab.
„Wie alt bist du, Ryan? Wie lange lebst du schon auf dieser Welt?"
Diese Frage löste in ihm wohl noch größere Verwirrung aus, als alles andere zuvor.
„Ich... weiß es nicht", war seine verzweifelt klingende Antwort und sie hatte keine andere erwartet.
So standen sie sich immer noch gegenüber, mitten im Raum und die Nacht war schon längst weit fortgeschritten. Spürend, dass sie sehr erschöpft war, nahm sie das Sagenbuch vom Tisch, ging zur Couch und ließ sich dort langsam darauf sinken um nochmals die Seite der Elbenbeschreibung aufzuschlagen. Laut las sie vor.
„'Kinder der Sterne', werden sie genannt, denn die Sterne waren es, die sie erblickten, als sie vor langer Zeit zum ersten Mal erwachten."
Ryan war wieder unbemerkt hinter ihr aufgetaucht und sie musste trotz der Ernsthaftigkeit des Abends lächeln.
„Ob hier auch steht, dass ihr das Anschleichen erfunden habt?"
„Wie meinst du das?"
„Na... wie kann man nur so leise gehen?"
Sich unschuldig fühlend merkte er dazu an: „Ich kann nicht anders gehen, zumindest nicht unbewusst."
„Ich meinte es nicht wirklich ernst."
Irgendwie lockerte diese kleine Unterhaltung nun Alenas Stimmung auf und der schockierend unwirklichen Feststellung seiner wahren Herkunft folgte nun anscheinend eine Euphorie.
„Ryan. Du bist ein Elb! Ich fass es einfach nicht. Hier steht, dass Menschen euch nie zu Gesicht bekommen und jetzt bist du hier bei mir?"
Ihre aufkeimende Begeisterung konnte er nicht teilen und als sie dies merkte, fügte sie hinzu: „Ich wünschte, die Umstände wären anders, obwohl ich denke, es wäre so wohl nie geschehen."
Weiter aus dem Buch zitierend beobachtete sie zwischendurch jede seiner Reaktionen. Er verlor nichts von seiner Ausstrahlung, im Gegenteil, ihr wurde bewusst, dass es wohl seine ihm mystisch anhaftende Aura war, die sie von Anfang an so faszinierte. Sein stolzer Blick, seine leisen, fast schwebende Bewegungen, alles machte nun Sinn und hoben ihn von einem menschlichen Mann deutlich ab. Sie war wirklich blind gewesen, doch fassen konnte sie es im Grunde noch immer nicht. Ryan war kein Mensch, er war einer vom längst vergessenen Waldvolk, tief in Irlands Wälder lebend und nun verirrt, in ihre Welt gekommen.
°
In der darauf folgenden Nacht wurde Alena kurz wach und erblickte ihn ganz ruhig am Fenster stehend. Tief in seinen Gedanken versunken, betrachtete er die Sterne und jetzt verstand sie seine Sehnsucht nach diesen Himmelsgefilden, die er in sich verspürte und wie unerträglich musste wohl dieses Gefühl sein als ein Fremder ‚gefangen' in einer total anderen Welt zu leben. Alena war sich sicher, dass Elben Wesen mit vielen Geheimnissen waren, brachte doch dies wohl schon ein solch langes Leben mit sich, aber in ihn hineinversetzen vermochte sie sich nicht. Der Gedanke an Unsterblichkeit ließ jedoch jeden Menschen erzücken und sie gedachte derer Dinge, die ohne Rücksicht auf die Zeit nehmend alle plötzlich ermöglicht wären. Unbegrenztes Wissen könnte man erringen, Forschungen und Arbeiten würden von einem Team begonnen und abgeschlossen. Mit Sicherheit könnten die Menschen viele Fehler vermeiden, denn niemals mehr würden Erfahrungen verloren gehen, es gäbe immer jemanden, der es ‚erlebt' hätte.
Fasziniert über diese erste, ihrerseits empfundene Reaktion auf Unsterblichkeit, vertrieben die weiteren Gedanken um die tiefgreifende Erkenntnis seiner Herkunft den letzten Schlaf aus ihren Augen. Solche Gedankenwege hatte sie noch nie und war auch noch nie in solch einer Situation gewesen. Alles Reale verschwamm plötzlich vor ihr, sie hinterfragte Dinge, die für sie vorher wie in Stein gemeißelt und gefestigt waren. Ihr Weltbild wankte nicht, es war schier zerbrochen, selbst die Biologie war nur mehr ein Gedanke von Menschen, die glaubten alles zu wissen, alles erforscht zu haben und über alles Leben zu entscheiden. Hier bei ihr, stand ein Elb, ein Wesen aus uralter Zeit, eine wahrgewordene Fabel, den es in ihrer nüchternen, modernen Zeit doch gar nicht geben dürfte. Was war dann mit den Erklärungen, dass Einhörner nicht existierten und ihre Hörner nur an den Strand angespülte Stoßzähne männlicher Narwale waren?
Die Alten hatten Recht, an all dies zu glauben, an die Geister der Natur, an Einhörner und an... Drachen, spannte es sich weiter in ihren Gedanken und damit eine brennende Frage formend.
„Ryan?"
Erstaunt drehte er sich zu ihr um.
„Du bist ja wach?"
„Ja, erst seit kurzem. Kann ich dich etwas fragen? Etwas über ‚deine' Welt?"
Ein leichtes Lächeln von ihm vernehmend, sicher wegen ihrer steten Neugierde, setzte er sich zu ihr auf die Bettkante.
„Nur zu! Sofern ich es zu beantworten vermag."
„Da es Einhörner gibt fragte ich mich, wie sieht es mit den Drachen aus?"
„Drachen?", fragte er sichtlich erstaunt.
„Na, diese feuerspuckenden Dinosaurier mit Flügeln."
Sie musste selbst über den Vergleich lächeln, der Ryan jedoch eher verwirrte.
„Drachen kenne ich, aber Dinosaurier sagen mir nun wirklich nichts."
„Aha, somit hattet ihr keinen Unterricht in Paläozoologie?", fragte sie scherzhaft und war angesichts dessen restlos putzmunter geworden.
„Paläo... was?"
„Vergiss es wieder, es war ein Scherz, ein dummer Scherz."
Alena setzte sich im Bett auf, getrieben von der Neugierde auf seine Erklärung über Drachen.
„Gab es jemals Drachen und gibt es sie etwa immer noch? Ich mein, dass wäre ja auch irgendwie schrecklich, denn sie wären doch sehr gefährlich und würden wohl auch nicht vor Menschen von heute zurückschrecken, oder?"
„Wohl auch kaum vor... Elben."
Schön langsam akzeptierte er diese für ihn fremd klingende Bezeichnung seiner selbst, einer besseren noch nicht bewusst geworden.
„Dann beruhige ich dich, es gibt keine Drachen mehr. Würde ich mich an mein ganzes Leben erinnern, könnte ich dir da wohl mehr erzählen, aber ich finde es jedoch schade, denn sie gehörten genauso in die Welt wie alles andere Gute und Böse."
Diese Worte stimmten Alena kurz nachdenklich, doch schon siegte wieder ihre immerwährende Neugierde.
„Und was ist mit Feen und Zauberer? Gibt es diese? Irgendwie vermittelten sie immer den Eindruck, einfach nur Menschen mit besonderen Kräften zu sein."
„Zauberer, im Sinne von weisen Wesen, welche die uns umfließenden Energien für sich nutzen können, gibt es, sind jedoch weder Elben noch Menschen. Feen sagen mir nichts."
„Interessant. Und... gibt es Engel?"
„Engel? Wer soll dies sein? Irgendwie habe ich das Gefühl, deine Sprache so ganz und gar nicht mehr zu können."
Alena lachte bei seinem enttäuschten Blick.
„Okay, die findet man ja auch nicht gerade in einem Sagenbuch und es liegt an mir. Ich denke bei meinen Fragen einfach zu wenig nach. Vergiss die Engel. Aber... das Einhorn, dass lässt mir keine Ruhe. Wie kann man sich das vorstellen? Geht man zu dem einfach hin und sagt ‚Guten Tag, wie geht es dir?'"
Leicht grinsend kam seine Antwort.
„Ich bin mir sicher, es würde sich das nicht gefallen lassen. Es wählt selbst zu wem es kommt, aber auch dann würde es sich nie berühren lassen. Es schützt und belebt seinen Wald und dessen Seelen und jeder kann den Unterschied erkennen, denn sein Wald ist voller Leben, das Grün ist satter, die Laute sind intensiver. Es gibt nichts Vergleichbares zu einem Einhornwald."
Seine fast schon schwärmend vorgetragenen Worte beflügelten Alena weiter.
„Ich möchte ein Einhorn sehen, nur einmal zumindest. Es... es wäre wie ein Traum für mich. Kannst du es nochmals finden?"
„Ein Einhorn verlässt nie seinen Wald, somit sollten wir eine Suche an der gleichen Stelle beginnen, wo ich es letztens sah, doch kann sein Gebiet sehr groß sein und es war reiner Zufall ihm damals zu begegnen. Ich fühle seine Nähe, lange, bevor ich es sehen kann, vielleicht haben wir Glück? Ich will jedoch heute Morgen unbedingt hinaus zum alten großen See, denn dort waren meine Erinnerungen so klar, dass es mich unablässig von diesem Ort träumen lässt."
„Elben haben also auch Träume?"
Erstaunt blickte er ihr mit großen Augen entgegen.
„Warum nicht? Auch ich träume, wenn ich auch anders schlafe als du. Ich... also... wir, legen mehr nur unseren Geist zur Ruhe, müssen dabei die Augen nicht schließen und nicht so lange ruhen wie du... ihr."
„Menschen meinst du. Es fällt mir selbst noch schwer, dies so zu trennen, eine Grenze zu ziehen, dass du ein Elb, und ich ein Mensch bin. Noch dazu bist du zwar anders, aber doch auch wiederum nicht so sehr."
Nachdenklich antwortete er auf ihre Worte.
„Das liegt wohl auch an meinen momentan fehlenden Erinnerungen. Vielleicht prägen diese das eigene Innere stärker als man denkt? Ich weiß es nicht, hoffe, es wird nun bald ein Ende finden."
Diese letzten Worte gaben ihr einen leichten Stich, obwohl sie ahnte, dass er sie nicht auf sie beide bezog. Sie hoffte dies zumindest sehr, aber sie wagte es nicht, dieses Thema jetzt anzusprechen. Wichtig war alleinig nur, dass er sein Volk bald wiederfinden würde. Alles andere musste sie nun hinten anstellen, auch sich selbst und ihre Gefühle für ihn.
Ein Blick auf die Uhr verriet erst drei Uhr morgens.
„Hm... noch viel zu früh um aufzustehen, aber ich bin schon total wach. Warst du schon schlafen... ähm... ruhen? Wie soll ich das nun nennen?"
„Nenne es ruhig schlafen, es ist doch vergleichbar. Nein, war ich noch nicht und ich fühle mich nicht danach dies heute noch zu tun. Ich warte nur mehr auf die Dämmerung, ich will endlich hinaus."
Tiefe Sehnsucht begleiteten seine Worte, die Alena nur zu gut verstand.
„Ich komme mit. Wir nehmen Dheas und Giant braucht auch endlich mal wieder eine Abwechslung und beim See habe ich ohnedies etwas zu erledigen."
°
Erfolglos dem herrlichen See den Rücken kehrend, überschattete die daraus resultierende Enttäuschung die Stimmung der Suchenden, auf ihrem weiteren Weg zurück durch den tiefen, dunklen Wald. Ryan, der sich weitere Erinnerungen oder einen abermals erkannten Platz erhoffte, folgte müde wirkend hinter Dheas, auf dem nun nadelbedeckten Waldweg.
Alena wandte sich im Sattel um und ihn mit leicht hängenden Schultern erblickend, vermied sie die in sie gedrängte Frage, als sie abermals das Waldstück mit den hohen Kiefernbäumen betraten. An die hier ausgesprochenen Worte über das Flüstern der Bäume erinnernd, stieg in ihr ein beschämendes Gefühl hoch, ihm damals absolut nicht geglaubt zu haben. Doch war dies eine andere Zeit gewesen, eine Zeit, die ihr nun so unwirklich vorkam, genauso wie der immer noch unrealistische Gedanke, dass hinter ihr ein echter Elb ging. Nur Giant empfand große Freude über ihren weiten Spaziergang und schnupperte aufgeregt in alle Richtungen, die der geruchsbedeckte Boden für ihn mit sich brachte.
Nach einer Weile bogen sie wieder in den altbekannten, lichtdurchfluteten Mischwald, der am Boden dicht mit dunkelgrünen Farnen und halbhohen Sträuchern bewachsen war und sie für eine weitere Stunde begleitete, die sie gemeinsam in geteilter Stille verbrachten. Jäh aufgeschreckt sprang eine Hirschkuh, gefolgt von ihrem ein paar Wochen alten Kalb, vor ihnen auf und verschwand sogleich weiter im grünen Dickicht, das den schmalen Weg am Rande säumte.
In einiger Entfernung blieb der Irish Wolfhound stehen, bellte kurz und wedelte danach in die weiter vor ihnen liegende Wegrichtung. Alena erkannte dort zwischen den Baumreihen zwei Menschen, zu ihnen rasch entgegen kommend. Grellbunt gekleidet, sowie laut sprechend stampften sie durch ihren Wald und anhand dessen war ihr sogleich bewusst, dass diese keine ihrer Kollegen sein konnten.
Sie wohl jetzt ebenso erblickend winkten und riefen sie aufgeregt in ihre Richtung. Dheas leicht anspornend ritt sie ihnen entgegen, den in sich aufkeimenden Zorn über den Verstoß gegen das diesem Gebiet auferlegte Betretungsverbot, im Zaum haltend. Sie erklärte ihnen auf eine bestimmte, jedoch freundliche Art, den rechten Weg, den sie zurückgehen müssten um wieder zu den beschilderten Besucherpfaden zu gelangen.
Die Beiden schlugen schweigend den befohlenen Weg ein und Alena blickte sich nach Ryan um, denn sie hatte ihn in der Aufregung total vergessen, doch war er scheinbar wie in Luft aufgelöst.
Sie stieg von Dheas ab und fragte leise: „Ryan? Wo auch immer du bist, sie sind jetzt weg."
Leicht raschelte es im Gebüsch und Ryan stand sogleich neben ihr.
Er hatte keine Furcht in seinen Augen, eher Stolz kennzeichnete seinen Blick, als er die Richtung der beiden Touristen verfolgte, sie scheinbar immer noch erkennen könnend. Schwermütig dachte sie an die Worte in den Sagenbüchern, die jetzt noch lebenden Elben würden sich den Menschen niemals zeigen. Keine weiteren Worte zu diesem befremdenden Ereignis findend stieg Alena wieder auf Dheas, doch ließ sie dieser Gedanke noch nicht los.
Ryan ging wieder etwas hinter ihr, wohl immer noch in der eigenen, heute betrübenden Gedankenwelt versunken und vor ihr malte sich ein Bild, wie es wohl wäre, wenn er nie mehr zurückkehren würde, nie mehr konnte? Würde er in der Welt der Menschen überhaupt bestehen können oder vielmehr, glücklich werden? Er müsste sich an die moderne Welt anpassen, an die Stadt, an Autos, Lärm, an die Menschen selbst, wo er doch anscheinend tief in ihm verwurzelt das Bedrängen verspürte, sie niemals direkt anzutreffen. Er würde dies wohl schaffen, aber würde er dann auch glücklich werden? Alena kam zu keinem Schluss, war nur froh, ihn niemals in die Stadt mitgenommen zu haben und schwor sich, es auch nie zu versuchen. Trotzdem hinterließ dieser Vorfall einen bitteren Geschmack in Alenas Herzen, denn heimlich träumte sie noch weiter ihren Traum. Für diesen stillen Traum von einem gemeinsamen Fortbestehen ihrer beiden Herzen, wenn auch durch Welten getrennt, müsste doch irgendwie ein Weg zu finden sein, um diesen zarten Bund nicht jetzt bereits brechen zu lassen.
°
In glänzend goldenes Licht der Sonne getaucht, zeigte sich der nächste Morgen, damit einen wunderschönen warmen Sommertag ankündigend. Den mit Düften von wilden Wiesenkräutern mit sich führenden Wind sanft auf ihrer zarten Haut erfühlend fand sie Ryan im Garten, nahe der Koppel, mit seinem Bogen auf einen großen Ballen aus Stroh zielend, das dort immer für die Einstreu der Stallungen bereit stand.
Spielend leicht wirkte bei ihm das Spannen des Bogens, wenn er seinen Körper streckte um die geballte Energie in den Pfeil zu übertragen. Ein leise surrendes Geräusch verursachte dabei jeder Schuss, der die Pfeile mit hoher Geschwindigkeit in das goldgelbe Stroh einfahren ließen. Zu ihr hinüberblickend, als sie sich näherte, deutete sie ihm weiterzumachen, denn sie fand es interessant, ihn dabei zu beobachten. Hatte sie sich zuvor noch nie mit Bogenschießen beschäftigt, so juckte sie es fast schon es selbst einmal zu versuchen, wobei sie wohl nie seine Präzision erreichen könnte, denn ein Pfeil steckte im Zentrum des Ballens nur knapp neben dem anderen. Die zehn angefertigten Pfeile bereits verschossen, löste er sie wieder aus dem Zielobjekt.
„Du scheinst das wirklich sehr gut zu beherrschen und es wirkt so schnell und fließend leicht bei dir."
Irgendwie scheute sie sich davor ihn direkt zu fragen, aber vielleicht konnte sie ihn dazu bewegen, es ihr von sich aus zu zeigen?
„Es sieht einfach aus und fällt mir zugegeben leicht, aber das war es gewiss nicht zu Anbeginn. Ich erinnere mich an einige Begebenheiten..."
„Erinnern!", unterbrach ihn Alena erstaunt, sich erst wieder zu spät ihrer unhöflichen Art bewusst werdend, doch er lächelte.
„Ja, erinnern. Jedenfalls scheint es so, als hätte ich einiges angestellt, denn bis ich halbwegs getroffen hatte, war vorher noch mein Lehrer ein paar mal im Weg gewesen."
Schelmisch grinsend legte er den nächsten Pfeil auf die Sehne.
„Der arme Lehrer! Wie warst du wohl als Kind? Auch schon so eigensinnig?"
Dies missbilligend vernommen, ließ er eben einen Pfeil los, der nun nur am Rande des Ballens einschlug.
Ein fast schon böser Blick streifte Alena, aber sie war ungewillt ihm ihre Aussage zu erklären, noch dazu wo er nicht weiter nachfragte und so lächelte sie nur stolz und ignorierte seinen leicht missstimmigen Ausdruck.
Bei Elben muss man anscheinend immer aus der Mimik lesen, dachte sie und er war doch auf eine gewisse, liebliche Weise stur, das stand für sie fest.
Ryan legte ihre ihm unverständliche Aussage beiseite und konzentrierte sich auf den neu angelegten Pfeil, der danach wieder genau die Mitte des Ballens traf.
Der nächste war bereits auf das Ziel ausgerichtet, als er ein leichtes Beben der auf seinem Handrücken ruhenden Pfeilspitze bemerkte. Dann erst vernahm er das stärker werdende Zittern seiner rechten Hand, blickte irritiert auf Alena, nahe neben ihm stehend, lockerte sogleich den Griff um den Bogen und überreichte ihr kurzerhand diesen samt dem Pfeil.
„Willst du es einmal probieren?", fragte er und blickte forschend in ihre Augen, ob sie etwas mitbekommen hatte, doch diese leuchteten nun total begeistert auf.
„Ich darf wirklich? Du musst es mir jedoch von Grund auf erklären."
Das zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht und sie übernahm Bogen und Pfeil.
„Bist du rechtshändig?"
Alena nickte.
„Dann umgreife ihn mit deiner linken Hand, genau in der Mitte."
Total aufgeregt und aufmerksam folgte Alena seinen ruhigen Anweisungen.
„Warte noch", stoppte er ihren Ehrgeiz und ging zu Dheas, der neugierig am nahen Koppelzaun stand.
„Pado, Dheas! Ego!", (Geh, Dheas! Fort!) und dieser trottete etwas lustlos davon. Von ihr abgewandt schüttelte er besorgt seine zitternde Hand, versucht damit, diese ihm unerklärbare Schwäche zu vertreiben.
Rückkehrend, maulte Alena ihm ein bisschen entgegen.
„War das wirklich notwendig? Vielleicht stelle ich mich gar nicht so schlecht an?"
„Wir wollen es trotzdem nicht riskieren. Ich weiß wovon ich spreche", war seine klare Antwort, wobei er sich sicher ein Grinsen verhalten hatte, dachte Alena trotzig.
Ich werde ihm jetzt zeigen, was ich kann, nahm sie sich fest vor und blickte total konzentriert auf den ihr zugewandten Bogenrücken.
„Stelle deinen linken Fuß etwas vor, sodass dein Gewicht auf dem hinteren ruht, denn dies ist wichtig für die Balance beim Schießen. Der linke Arm am Bogen ist durchgestreckt und du richtest ihn und deine Schulter gerade zum Ziel aus, sodass dein Oberkörper seitlich dazu zeigt. Dieser, Arm und Schulter sind in einer Linie."
Neben ihr stehend zeigte er ihr die korrekte Haltung vor. Alena stellte sich gar nicht so ungeschickt an und freute sich über sein anerkennendes Nicken.
„Als nächstes legst du den Pfeil auf die Sehne, links neben dem Bogenholz vorbeilaufend. Neige dabei den Bogen etwas zur Seite, dann bekommst du ihn besser hinüber und später vor allem schneller an die richtige Stelle. Ich halte ihn meist immer leicht schräg nach rechts gerichtet."
Er rückte nun ganz nah an sie heran um ihr die weitere Haltung des Schussarms zu erklären. In sich hineinlächelnd erkannte sie, dass er immer noch, auch jetzt als Elb, wenn nicht sogar besonders jetzt als Elb, sie mit seiner verführerischen Nähe absolut machtlos machen konnte. Seine unbewusst zarten Berührungen lenkten sie unwillkürlich ab und brachten aufwühlende Gefühle in ihr hoch. Kurz den Kopf schüttelnd konzentrierte sie sich wieder auf seine Worte.
„Der Pfeil darf nicht festgehalten werden, auch nicht vom Daumen. Er wird nur leicht zwischen Zeige- und Mittelfinger geführt. So kannst du den Pfeil dann besser loslassen."
Er nahm ihre, das Bogenholz umgreifende, linke Hand und korrigierte deren Stellung.
„Der Pfeil liegt vorne auf deinem Handrücken auf, denn Finger oder Daumen würden seinen Flug zu sehr ablenken."
„Das ist aber schon eine ungewohnte Haltung."
Irgendwie kam sich Alena wie eine hingestellte Tanzpuppe vor, aber sie war immer noch sehr aufgeregt und wollte eigentlich viel schneller voran kommen.
„Achte darauf, dass immer zwei, der drei Federenden schräg am Bogen entlang laufen. Eine einzeln streifende Feder würde den Pfeil vom Bogen zu stark ablenken."
Alena hielt den Pfeil vorsichtig zwischen den Fingern, als er kontrollierenden Blickes auf der anderen Seite auftauchte und ihre, die Sehne fast komplett umschlossene Hand, davon wegnahm.
Für ihn unmerklich, lief ihr bei seiner Berührung ein leichter Schauer durch den Körper. Ganz kurz dachte sie daran, den Bogen fallen zu lassen und ihn einfach zu küssen, doch diese Gedanken wurden jäh von seinen weiteren Erklärungen unterbrochen.
„Die Sehne spannst du nur mit diesen drei Fingern."
Er zeigte ihr Zeige-, Mittel- und Ringfinger.
„Und nur mit den ersten Fingergliedern haltend und sei gewarnt, es wird ein ziemlicher Kraftaufwand für dich, zumal ich den Bogen genau auf mich abgestimmt habe."
Sie blickte ihn verwirrt an.
„Ich dachte Bögen unterscheiden sich nur in verschiedenen Typen, oder nicht?"
„Jeder gute Bogen ist unabhängig vom Typ individuell für seinen Schützen gefertigt und das Zuggewicht von meinem ist sicher zu hoch für dich."
„Hältst du mich für einen Schwächling?"
Alena senkte den Bogen und war jetzt wirklich etwas enttäuscht.
„Nein, das halte ich nicht, aber höre mir doch erst einmal zu. Es ist kein Zeichen von Können, wenn man einen Bogen mit dem höchsten Zuggewicht beherrschen kann. Jeder Schütze braucht seinen auf ihn abgestimmten, der bei jedem in Größe und Zugkraft variiert und ein leichter Bogenschütze vermag oft eine bessere Leistung zu vollbringen, als ein kräftiger Mann." Schnell fügte er noch lächelnd hinzu: „Oder eine Frau."
Beruhigt nahm Alena wieder beides auf und versuchte die Sehne, wie beschrieben, zu spannen.
„Au, das tut ja weh."
Sie lockerte ihren Griff.
„Warte, du musst noch etwas beachten. Die Zugkraft kommt nicht aus der Hand oder dem Arm, sie kommt aus deiner Schulter. Du musst dir deinen Arm als die Verlängerung des Pfeils vorstellen. Deine Hand ruht ganz nah am Gesicht, etwa in der Höhe deines Kinns."
Kräftig zog sie an der Sehne und spürte nun deutlich, wie schwer es war.
Einen Schritt zurücktretend korrigierte er sie nochmals.
„Richte deinen linken Fuß wieder etwas nach vorne und halte deine rechte Schulter mehr nach hinten gerichtet."
„Das ist doch total kompliziert!", rief Alena resignierend aus.
Sich eine Bemerkung dazu verkneifend korrigierte er weiter ihren Schussarm, mit dem sie zwar nicht mit vollem Zug, aber trotzdem noch immer tapfer den Bogen spannte.
„Dein rechter Ellenbogen muss höher sein, immer eine Linie mit dem Pfeil bildend."
Bald einen Krampf in ihren Armen bekommend biss sie die Zähne zusammen, denn jetzt konnte sie sich keine Blöße erlauben.
„Bei dieser Entfernung visierst du dein Ziel einfach direkt an. Bei weiteren Entfernungen zielst du höher und vor allem bei Wind, sieht die ganze Sache schon wieder anders aus."
Alena wollte gar nicht nachfragen, was es da sonst noch für Regeln gab, war dies schon eindeutig zuviel für den Anfang.
„Denke nicht darüber nach, sondern konzentriere einfach deine ganze Energie auf den Pfeil."
Ihre Muskeln begannen mit einem leichten Zittern zu rebellieren.
Zwischen den Zähnen quetschte sie flehend hervor: „Ryan, darf ich jetzt loslassen?"
Vernahm sie da etwa ein Kichern? Sie wollte den Blick nicht abwenden, weil sie ihr Ziel so schön ausgerichtet glaubte, aber falls dies so war, dann würde er jetzt danach etwas erleben, nahm sie sich vor.
„Lass los, bevor du mir noch umfällst!"
Er kicherte wirklich, wenn auch nur ganz leicht. Zischend schoss der Pfeil von der Sehne und ging nur knapp neben dem Strohballen vorbei.
Enttäuscht senkte Alena den Bogen und drehte sich zu ihm um, aber er meinte: „So schlecht war das gar nicht für den Anfang. Er hätte ja auch einfach nur von der Sehne fallen können."
Er lachte sie schon wieder leise aus.
„Na warte... du! Du... das ist so gemein, du kannst alles besser als ich!"
Spielend ging sie auf ihn los und boxte ihn leicht in seinen Bauch.
„Au!"
Innehaltend grinste sie.
„Seid ihr Elben denn so empfindlich, dass euch ein Schlag von einer Frau gleich einen Schrei entlockt?"
Keck sah sie ihn an, doch so schnell konnte sie gar nicht reagieren, fand sie sich schon im nächsten Moment auf dem Rücken im sommerlichen Gras liegend. Er hielt ihre Arme leicht auf den Boden gedrückt und sein Gesicht direkt über ihrem. Ernst war sein Blick und so konzentriert, dass Alena für den Bruchteil einer Sekunde unsicher wurde, ob sie ihn vielleicht jetzt erzürnt hatte. Sein danach folgender Kuss, zerstreute diese Gedanken jedoch sofort und Alena fühlte nur mehr seine sanften Lippen, seine unmittelbare Nähe, die sie all ihrer Sinne beraubte. Sein nun weicher, wilder Blick forschte in ihren Augen, durchdrang sie förmlich und sich diesem zauberhaften Moment entgültig hilflos ergebend, verlor sie sich, wie schon so oft, in dem tiefen Meeresblau, ertrank beinah darin, scheinbar ohne Rettung. Der nächste Kuss war unbeschreiblich, hob sie empor zu den verborgenen Regionen, die sich nur liebenden Herzen offenbarten und keiner von beiden gedachte mehr der Unterschiede ihrer selbst oder deren Welten. Die Herzen schlugen im gleichsanften Rhythmus, ob Mensch oder Elb, die Gefühle waren bereits zu weit gegangen, zu mächtig, um es hier durch Vernunft enden zu lassen, die nur mehr, wie ein zartes Flüstern, zwischen ihnen stand.
°
Seiner im Inneren laut rufenden Stimme folgend war Ryan nachmittags alleine in den Wald aufgebrochen um zu suchen und hoffend auch zu finden. Alena hatte wichtige Arbeiten zu erledigen, konnte deshalb nicht mitkommen und als er mit ihr darüber sprach, hatte sie das leise Gefühl, es verlangte ihn ein wenig nach stiller Einsamkeit, nach all den tiefgreifenden Ereignissen wohl auch brauchend und so ließ sie ihn alleine ziehen.
Vor dem Computer sitzend, über ihren, jetzt langweilig erscheinenden Auswertungen brütend und der leider auch bereits fehlenden Statistik der Corncrake Population, merkte sie, dass ihr Kopf zur Zeit kaum frei war für Dinge dieser Art. Doch musste sie morgen der Arbeit unbedingt nachgehen, denn die Brutzeit war im vollem Gange. Mit all dem notwendigen Tun abgeschlossen, verblieb sie noch kurz im Internet, suchte nach weiteren Informationen über die dargebotene Sagenwelt der Elben, war aber bald herb enttäuscht. Scheinbar richtete selbst in Irland nur mehr eine Randschicht ihr Augenmerk auf die alten Mythen. Eine bestimmte Vorschau einer Seite fiel ihr jedoch ins Auge, einer Frau, welche sich selbst ‚Irlands Expertin für Elben' nannte und versprach, jeden in deren mystische Welt eintauchen zu lassen. Neugierig klickte sie auf die dargebotenen Informationen, doch wurde sie alsbald nochmals enttäuscht, denn sie schien auch Wahrsagerei zu betreiben, bezeichnete sich auch als Hexe und das war Alena, selbst jetzt noch, restlos suspekt.
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Die kraftvolle Sommersonne sandte ihre Strahlen an diesem späten Nachmittag unbarmherzig auf Alena und Ryan nieder, als sie zwischen den Wiesen- und Feldrändern des Nationalparkrandes nach Spuren von Corncrakes, auch Wachtelkönige genannt, suchten. Dieser auf der roten Liste der bedrohten Arten stehende Zugvogel hatte hier einige Brutgebiete besetzt und deren Bestand musste von Alena kontinuierlich überprüft werden.
Diesmal ohne Dheas unterwegs, ginge beide die gerade verlaufenden Feldwege in Richtung Waldrand ab und nach weiteren zwei Stunden waren sie bereits sehr erfolgreich. Ryan blieb plötzlich stehen und lauschte in Richtung der kleinen Baumgruppe in ihrer Nähe.
„Hörst du diesen Vogel singen? Manchmal singt er auch am Tage. Wie nennt ihr den in eurer Sprache?"
Alena lauschte kurz auf die für sie sehr leise vernehmende Stimme, erkannte sie jedoch sehr schnell.
„Wir nennen sie ‚Nachtigal' und ich freue mich immer ihren fast schon traurig wirkenden Gesang zu vernehmen, zumal sie auch bei uns schon selten anzutreffen ist."
„Wir nennen sie merilin."
„Das klingt schön. Was ich bis jetzt von deiner Sprache hörte, gefällt mir total gut. Sie wirkt auf mich so einfühlsam, so weich."
Alena fiel auf, dass er in letzter Zeit immer mehr von ‚wir' über sich sprach. Er schien sich bereits als Elb zu identifizieren und an viel mehr zu erinnern, als er preisgab. Sie nahm sich vor jetzt noch viel neugieriger zu sein, was ihr sichtlich nicht schwer fiel.
Laut rufend gesellte sich nahe über ihnen ein Turmfalke hinzu, um kurz darauf im stehenden Rüttelflug seine Beute zu erspähen. Dieses Schauspiel dauerte nur Sekunden, denn der kleine Greifvogel stürzte sich danach mit einem schier todesverachtenden Flug auf den Boden des Weizenfeldes um dort seine beobachtete Beute zu schlagen. Grausig wirkte dieses Gesetz der Natur, doch war es noch in uns allen drinnen, von frühem Anbeginn der Zeit an herrschte das Recht des Stärkeren und Schnellern.
Alena blickte weiter am Weg entlang. Der schattenspendende Waldrand lag jedoch noch in einiger Entfernung und immer noch an seine Sprache denkend begann Alena: „Ich würde gerne etwas davon lernen."
„Es freut mich sehr, dass dich meine Sprache interessiert. Dann fangen wir gleich mit deiner ersten Lektion an."
Seine erfreute Reaktion spornte sie an und erwartungsvoll blickte sie ihm entgegen, während sie weiter den erst frisch gemähten Feldrand entlang gingen.
„Gut. Mit was kann ich beginnen? Ah, ich weiß es."
Ein feines Lächeln umspielten seine jugendhaften Züge.
„'Mein Name ist Alena', heißt Alena eneth nîn. Kannst du dich an diesen Satz noch erinnern?"
Wissenden Blickes grinste sie ihm daraufhin entgegen.
„Den werde ich wohl nie mehr vergessen. War ja echt eine verrückte Situation, damals. Du, ein Fremder, verletzt auf meiner Couch, kein Wort verstehend und ich plapperte da so ein verrücktes Zeug herum, von wegen aus Schweden kommend und so."
Bilder des damaligen Morgens umspielten sich vor Alenas Innerem um ihn dann neugierig zu fragen: „Hattest du mich damals eigentlich von Anfang an verstanden?"
Fast schon, wie bei etwas ertappt auf sie wirkend blickte er auf den Boden und drückte ein wenig herum, bis er ihr erklärte: „Ich habe dich verstanden, ja, aber... wirklich nur einige Wörter und ich war damals derart durcheinander und verunsichert durch die ganze Situation."
Ein Lächeln erschien wieder auf seinen Zügen.
„Ich erinnere mich noch genau an das erste, das ich damals vernahm."
„Was denn?"
Fasziniert, etwas aus seinen damaligen Empfindungen zu erfahren, kam Alenas Ungeduld zum Vorschein, doch Ryan ließ sich davon nicht mehr irritieren.
„Eine große, dicke Hundenase blickte mir entgegen und dann wurde mir bewusst, dass ich mich an absolut nichts erinnern konnte, spürte nur den Schmerz meiner mir unbekannten Verletzung und wenn ich ehrlich bin, habe ich nur gedacht - lauf, lauf weg."
Alena merkte, dass ihm das jetzt fast ein bisschen peinlich war, aber schon erzählte er weiter.
„Ich habe dann bald erkennen müssen, dass aus dem Laufen jedoch nichts wurde, angesichts meines Zustandes. Dich habe ich dann im Bett bemerkt..."
„Boah... du bist also doch durchs Haus geschlichen und ich habe nichts davon mitbekommen."
Spielerisch erschrocken verteidigte sie ihre unhöfliche Unterbrechung.
Schulterzuckend erklärte er: „Du weißt ja mittlerweile, dass man Elben nicht hört, wenn sie es nicht wollen."
„Ja, ja... gib nur an mit deinen Fähigkeiten. Ich werde bald herausfinden, was Menschen können und Elben nicht!"
Diese kleinen, verspielten Zänkereien fingen Alena immer mehr zu gefallen an, noch dazu wo er sich anscheinend jetzt auch darauf einließ.
„Es ist schwer dir etwas zu erzählen, du bist so ungeduldig!"
Kurz streifte ihn ein böser Blick, diesen jedoch ignorierend fuhr er fort: „Ich ging danach nach draußen, ziellos schlug ich den ersten Weg ein, der mich instinktiv tiefer in den Wald brachte. Bald merkte ich, es nicht zu schaffen und kurz darauf hörte ich dich hinter mir auftauchen."
Sein lächelnder Blick streifte über Alena.
„Im ersten Moment wollte ich weglaufen, aber... das hatten wir ja schon, es ging ja nicht... ich wollte nicht auf dich treffen, dann jedoch lächelte mir diese bezaubernd schöne Frau so vertrauensvoll entgegen und schon hast du mich wieder ins Haus geschleppt und... na den Rest kennst du ja."
Lächelnd griff er nach ihrer Hand und sie grinste schelmisch, stellte sich auf ihre Zehenspitzen und gab ihm einen leichten Kuss auf seine Lippen.
„Sind alle Elben solche begnadete Schmeichler?"
Er kniff spielerisch die Augen zusammen.
„Was heißt hier Schmeichler... wir betören unsere Frauen, bis sie sich willenlos ergeben."
Kurz dachte Alena nach, dann schlussfolgerte sie: „Ich denke, dass glaube ich dir jetzt sogar."
„Das würde ich dir auch raten", meinte er stolz, aber nicht ganz ernst, begann jedoch gleich wieder, ihr einige Dinge in seiner Sprache zu benennen.
„Die ‚Sonne' nennen wir Anor und den ‚Mond' Ithil."
Gebannt lauschte sie weiter seinen Erklärungen.
„'Freund' bedeutet mellon, ‚Freundin' meldis und wenn ein Mann eine Frau zu lieben beginnt, dann wird sie seine melethril, seine ‚geliebte Freundin'."
Der Blick, den er Alena dabei zuwarf, verwirrte sie etwas. Sie wagte kaum, jetzt auch nur einen Gedanken weiter zu denken, doch fragte sie neugierig: „Und wie nennt ihr die ‚Liebe'?"
In seiner Antwort vermutete Alena nun eine gespielte Überraschung, auch wenn sie prompt kam.
„Wir nennen sie meleth."
„Klingt wunderschön für mich, so richtig romantisch."
Schweigend gingen sie für eine Weile nebeneinander weiter, dem dunklen Waldrand nun immer näher kommend.
„Was denkst du, bedeutet im meldin?"
Er war stehen geblieben und blickte Alena auf eine sonderbar, fast schon nachdenkliche Weise an.
Ich liebe dich, schoss es als erste Reaktion durch Alenas Gedanken, doch wagte sie es nicht dies auszusprechen, war sich der Bedeutung zu unsicher.
„Ich weiß nicht, was im bedeutet, bei meldin kann ich mir schon etwas denken."
„Sag' mir, was du dir denkst", forderte er sie neugierig auf.
Zögernd begann sie: „Hat es etwas mit ‚Liebe' zu tun?"
Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen und noch immer neben ihr stehend, sagte er: „Ich liebe dich."
Ihren Blick noch einmal mit seinem, ihr nicht ganz erklärbaren, streifend ging er weiter.
Alena spürte ihre in sich aufwühlenden Gefühle, ihr Herz begann schneller zu pochen und sie lief ihm nach, nahm seinen Arm und drehte ihn zu sich herum. Mit großen, forschenden Augen suchte sie in seinen und fand dort noch immer diesen, ihr neuen Ausdruck. Voller Klarheit, sanft und wie mit einem tiefen Wissen angehaftet sah er sie lange an und schier in diesem Moment gefangen, zuckten beide zusammen, als ohne Vorwarnung in ihrer Nähe ein Blitz einfuhr. Ohne vorangegangenen Wind und Donner hatte sich über dem nahen Waldrand ein Gewitter aufgebaut und schien seine unbändige Kraft nun niederzulassen. Große, warme Regentropfen fielen aus dem noch immer teilweise sonnendurchflutenden Himmel und ließen beide die restlich verbliebene Strecke zum schützenden Wald hin laufen.
Ein weiterer Blitz entlud sich in ihrer Nähe, weit genug entfernt, um keine Gefahr darzustellen, spornte er sie jedoch zu einem schnelleren Lauf an. Der kräftige Regen hatte alsbald ihre Haare und Kleidung durchnässt und lachend stolperten sie zwischen die ersten dünnen Baumreihen und schüttelten so gut wie es ging das Wasser aus ihren Haaren. Der Regen war so kräftig, dass die Bäume nur geringen Schutz boten und sie drückten sich unter eine alte Buche, deren Blätterdach dicht genug war um den größten Teil der Tropfen abzufangen. Der Regen fiel vereinzelt in ihre Gesichter und beide mussten nochmals herzhaft lachen, als sie sich nass bis auf die Haut hier im Wald stehend ansahen, während draußen der leise, warme Sommerregen weiter seiner zugedachten Bestimmung, die Natur zu tränken, folgte.
Dicht nebeneinander stehend blickten beide durch die Baumreihen hindurch und ihnen bot sich jäh ein unvergleichliches Schauspiel, fern über der freien Wiese vor dem Wald. Nur hier kurz von dieser Gewitterwolke unterbrochen, schien die Sonne dort immer noch unaufhaltsam und ließ einen wunderbaren Regenbogen den Horizont überspannen. In all seiner Pracht leuchtete er vom blauen Himmel herab, mit der Fülle der naturgegebenen Farben dieser Erde, konnte sich niemand diesem seltenen Anblick entziehen. Berauschend wirkte sein Wechselspiel in Kraft und Farbe, schien noch einmal seine ganze Energie zu konzentrieren, bis der Regen entgültig verschwand und er im nun wieder vollständig wiederkehrenden Sonnenlicht langsam und in aller Stille zu verblassen begann.
Alena fragte Ryan, ohne ihn anzusehen: „Wie nennst du den Regenbogen?"
„Ninniach", sagte er schlicht, noch immer von diesem Schauspiel ergriffen.
°
„Du hast es dir also in den Kopf gesetzt, wie Elben zu reiten."
Ernst dreinblickend und fast schon wie ein Lehrer richtete er sich vor ihr auf.
„Gut. Zuerst musst du wissen, dass wir Pferde ersuchen uns reiten zu lassen. Wir befehlen es ihnen nicht, sie erweisen uns ihre Dienste freiwillig."
In der Koppel etwas entfernt von Dheas stehend, der sie noch genüsslich fressend ignorierte, bekam Alena am heutigen dunstigen Morgen ihre erste Lektion um ihr Pferd ohne Zaum und Sattel zu reiten.
„Sie sind unsere Freunde und so wollen sie auch behandelt werden. Gib ihm immer das Gefühl, etwas Besonderes zu sein und nenne ihn auch so."
Zu Dheas wendend: „Boe ennin i dulu lîn, Dheas." (Ich benötige deine Hilfe, Dheas.)
Kurz schnaubend hob er sofort den Kopf und trottete zu Ryan, ihn dann freudig anbrummelnd. Mit einer Handbewegung deutete er Alena, nun zu beginnen. Leicht verunsichert streichelte sie seinen Hals und sprach in sanften Worten.
„Braver Dheas, bist ein gutes Pferd und lässt du mich jetzt auf dir reiten?"
Ryan anblickend wartete sie auf Bestätigung ihrer Tat, doch der blickte eher skeptisch.
„Für den Anfang war das gerade noch zu akzeptieren."
„Wie soll ich ihn nennen? Hoheit?", fragte sie sarkastisch.
„Wie wäre es mit ‚mein Freund', denn er ist sicher deiner."
„Aber, ein Pferd kann doch keine Worte verstehen, wenn doch nur deren Stimmlagen."
Bekräftigend schüttelte sie ihren Kopf, als er erwiderte: „Bist du dir da so sicher?"
An Dheas wendend: „Togo din dad, Dheas!" (Stoße sie um, Dheas!)
Kurz gab Dheas ein verspielt klingendes Wiehern von sich und schuppste seine dicke Nase an Alena, und ohne darauf gefasst zu sein, landete sie rücklings im Gras.
„Ihr... ihr beiden, das... das war echt nicht nett."
Aufstehend rieb sie die leicht schmerzende Stelle und würde sie es nicht besser wissen, so hätte sie jetzt Stein und Bein geschworen, dass sie beide grinsend anblickten. Zumindest wackelte Dheas mit seinen Ohren und das kannte sie nur zu gut von seinen Spielereien. Trotzigen Blickes musste sie jedoch eingestehen, dass es weiter noch vieles gab, das sie trotz ihrer guten Ausbildung nicht wusste.
„Medlir nîn", wandte sie sich an Dheas, aber Ryan unterbrach sie.
„Er versteht auch sicher deine Sprache, denn es ist die Bedeutung und die gesprochene Weise, nicht die Worte machen es aus. Probiere es!"
Während Alena Dheas mit guten, ehrlichen Worten um die Gunst ihn reiten zu dürfen fragte, schwoll der heute dominierende Morgendunst, der sich seit den ersten Sonnenstrahlen über das Grundstück stob, noch stärker an. Beinahe grau wirkte die Sonne, deren nur schwächlich durchscheinende Himmelsscheibe, sich fast wie durch einen Schleicher betrachtet zeigte. Gänzlich unterbunden war die Sicht in die Ferne und alle Konturen zerflossen dort in dem Grüngrau der Landschaft zu einem wässrig wirkendem Bild. Drückend warmfeucht gebar sich die Nebelluft, die ohne jeglichen Windhauch zwischen den alten Bäumen und hohen Gräsern des Koppelrandes zu verhängen schien. Immer noch befanden sich einzelne Tautropfen an den Ähren der Gräserspitzen, sich matt im dahinschwelgendem Licht reflektierend und um diese drückend feuchte Mischung noch zusätzlich zu nähren.
Schweißperlen bildeten sich auf Alenas Stirn, als sie sich, nun ohne Steigbügel, auf Dheas Rücken schwang und die Peinlichkeit über ihren fast schon hinaufgezogenen Aufstieg, trieb ihr noch mehr Wärme in die Wangen. Unsicher gab sie Dheas das Kommando loszugehen und vorerst wollte sie nicht mehr als ‚Schritt' wagen.
„Soll ich dir beschreiben, wie du oben sitzt?", fragte er mit einem Anflug von leichtem Spott.
Bösen Blickes verneinte sie dies.
„Versuche einfach lockerer zu sitzen und reite ihn jetzt schneller."
„Das traue ich mich nicht, ich weiß nicht, wie ich das alles ohne Zügel und Sattel schaffen soll."
„Sprich mit ihm und setze dein Gewicht ein, er wird dem allen folgen."
Langsam zweifelte Alena an ihren bis jetzt vorhanden geglaubten Reitkünsten. Anscheinend hatte sie es doch nicht so gut gelernt.
„Zeige es mir doch bitte nochmals. Ich lerne gut aus Beobachtungen", flehte sie, ihm ein süßes Lächeln zuwerfend.
„Nein, du wirst jetzt noch ein wenig üben, bis du lockerer sitzt und versuche gerade zu sitzen, wie du es auch immer so gekonnt im Sattel zeigtest."
Das war ein verstecktes Lob, dachte Alena und bemühte sich gleich stärker.
Es trotzdem nicht schaffend bettelte sie nochmals um Hilfe und Ryan ließ sich schließlich erfolgreich überreden.
Den richtigen Einsatz der Gewichtshilfen zeigend lenkte er Dheas vor ihr auf und ab und ihr wurde klar, dass ein Pferd im Grunde des Reiters Gewichtsverlagerung mitkorrigierend, immer dessen angestrebte Richtung freiwillig hin folgte. Es schien so einfach zu sein und alle Regeln ihrer bisher nur spärlich gelernten Reiterei gingen in Zweifel unter.
An ihr vorbei trabend brachte dieses schwüle, belastende Wetter nun auch auf Ryans Stirn leichte Schweißperlen, doch parierte er Dheas sogleich für sie unmerklich in den Galopp und stob mit ihm, sichtlich erfreut, durch die großzügig angelegte Koppel. Ein stolzes Gefühl kam in Alena hoch, als sie ‚ihren' Elb spielend leicht mit dem muskelbepackten Rappen umgehen sah. Geballte Kraft und Anmut, eine vollendende Harmonie bildend, war ihr treffender Vergleich, als sie danach den nun noch höher hinaufziehenden Nebel bemerkte, fast schon an einen verregneten Tag erinnernd.
Nur kurz von der verschleierten Sonne abgelenkt, vernahm sie erschrocken den mit dem Kopf tief nach unten und über Ryan gebeugten Dheas.
„Ryan!"
Die doch nicht unbeträchtliche Entfernung durch die gesamte Koppel erschien ihr wie eine nie enden wollende Strecke.
Mit der Nase stupsend, rollte ihn Dheas auf den Rücken, ihn scheinbar damit zum Aufstehen bewegen wollend. Kurz nachdem Alena bei ihm ankam, sich über ihn beugte, öffnete er langsam die Augen und fragte, um sich blickend mit matter Stimme: „Was ist passiert?"
Besorgt strich sie ihm über sein Gesicht.
„Ich habe nur kurz weggeschaut und dann sah ich dich am Boden liegen."
Er machte keine Anstalten aufzustehen und Alena war sehr besorgt.
„Hast du dich verletzt? Wie geht es dir?"
Suchend blickte sie über seinen Körper.
„Ich glaube nicht, dass ich verletzt bin, mir wurde schwindlig und..."
Alena wollte ihm aufhelfen, aber er verneinte.
„Warte, lass mich kurz noch, ich fühle mich noch nicht so gut."
Ihre Hände legten sich auf seine Brust.
„Du zitterst ja am ganzen Körper!"
Besorgt sah sie in seine Augen, die ihr erschöpft entgegenblickten und nahm seine Hände in die ihren.
„Deine Hände sind ganz kalt. Bist du krank?"
Kurz schloss er nochmals die Augen.
„Ryan", rief sie nervös, „was ist mit dir?"
Sie wieder öffnend meinte er leise: „Es geht mir gleich wieder besser."
„Das ist wohl dieses dunstige Wetter heute, da ist jede Anstrengung zu viel. Wir hätten gar nicht beginnen sollen", bekräftigte Alena den möglichen Grund für seine Schwäche, wenn sie auch selbst kaum daran glaubte.
Er atmete noch leicht schneller, als er nun ihre Hilfe zum Aufstehen annahm, wankte einmal leicht, ging aber dann zielstrebig aus der Koppel. Alena folgte direkt hinter ihm und bei den Bänken der Terrasse angekommen, fragte sie ahnungsvoll: „Wie lange geht das bereits?"
Überrascht blickte er sie an, erwiderte dann jedoch ehrlich: „Seit fünf Tagen, als mir damals das Glas aus der Hand fiel."
Sein Blick war müde und seinen Kopf in der Hand und den Arm auf dem Tisch abstützend, schloss er noch einmal kurz die Augen.
„Ich erinnere mich... du bist wahrscheinlich einfach nur erschöpft, die ganze Aufregung und..."
Sie hielt inne.
„Können Elben denn überhaupt krank werden?"
Mit noch geschlossenen Augen murmelte er müde: „Ich denke schon, aber wie immer... ich weiß es nicht genau."
°
Die Dämmerung graute bereits am Himmel, als Alena von Ryans unruhigem Schlaf im Wohnzimmer aufgeweckt wurde. Sie fand ihn dort auf der Couch sitzend, sichtlich von einem Alptraum hochgerissen und seine Hände an den Körper gepresst. Sorgenvoll setzte sie sich neben ihm, legte schweigend ihre Arme um ihn und vernahm wieder dieses unerklärliche, leichte Zittern, dass nun seinen ganzen Körper durchdrang. Bald war es vorüber, aber die Sorgen waren nur noch größer geworden.
„Komm mit mir", flüsterte Alena, als sie aufstand und ihm ihre Hand entgegen hielt.
In der Dunkelheit konnte sie seinen Blick nur schwach erkennen, aber er stand schweigend auf und ging mit ihr.
Neben ihm liegend, schmiegte sich Alena an seinen Rücken und es kam ihr so vor, als würde diesmal sie ihn vor den Träumen beschützen, die ihn leidvoll zu verfolgen schienen. Zu einem Arzt konnte sie ihn nicht bringen, das war ihr seit Peters Aussage über seine Blutwerte klar, aber sie musste etwas unternehmen, denn es ging ihm eindeutig immer schlechter.
Alena vernahm bald seine gleichmäßigen Atemzüge und war beruhigt, dass er wieder eingeschlafen war. Weitere Gedanken formten sich in Alena, bevor sie selbst wieder vom Schlaf übermannt wurde. Am Morgen würde sie diese ‚Hexe' aufzusuchen, die ihnen vielleicht mit ihrem Wissen über Elben helfen konnte.
°
Alena startete nach dem Frühstück zum Haus der sogenannten ‚Hexe'. Sorgenvoll blickte sie Ryan noch nach, als dieser abermals alleine in den Wald aufbrach, seinen Bogen und Pfeile mitführend. Sie wusste nur allzu gut, dass er sich verteidigen konnte, aber er war auch sichtlich müde und erschien oft abgelenkt, mit den Gedanken irgendwo in weiter Ferne schweifend. Durch seine bestätigte Existenz, rückte nun auch die der Feinde wieder in ein fassbares, schreckliches Licht und sie konnte diese nicht mehr hinter logischen Erklärungen verdecken, begann sich auszumalen, wie schrecklich es wäre, würde er nochmals auf sie treffen.
Diesen Gedanken abschüttelnd, denn ihr war klar, Ryan konnte auf sich aufpassen, lenkte sie das Auto zielstrebig aus dem Park hinaus. Mit Dheas im Trab wäre die Strecke wohl leicht in einer halben Stunde zu bewältigen gewesen, aber sie wollte danach auch noch einkaufen, nahm deshalb das moderne Gefährt. Die angegebene Adresse lag unmittelbar am Nationalparkrand, ziemlich einsam am Ende des dort befindlichen Dorfes gelegen. Die befestigte Straße fand bald ein Ende und ab hier ging es holprig über einen steinigen, wenn auch passierbaren Weg nahe beim Wald weiter.
Sie musste nochmals einbiegen, als dann endlich vor ihr ein kleines, gedrungenes Holzhaus zum Vorschein kam. Rundum zogen sich dunkle hohe Tannen, die im bestärkten Wind nun spielerisch rauschten, als sie endlich aus dem Auto stieg. Sie liebte diese urbanen Töne der Natur und manchmal dachte sie, dieses rauschende Spiel des Windes klang in Tannen ungeschlagen am schönsten. Südlich gelegen, zeigten sich ihr sonnengeflutete Blumenwiesen, die auf sanfthügeligem Gelände noch ungemäht, Wogen von tanzenden Schmetterlingen und bunten Käfern anlockten. Zartplätschernd nahm sie einem kleinen gurgelnden Bachlauf wahr, der sich zwischen hängenden Schilfähren, einen verspielt glitzernden Weg durch das satte Grün bahnte.
Unwillkürlich atmete Alena tief ein und war wie benommen von diesem süßlich blütengetränkten Duft, der ihrer vollkommen Herr wurde. Wie aus einem Zauber erwachend schüttelte sie den Kopf um sich scheinbar von diesem zu befreien.
Was ist das hier?, dachte sie beklommen, etwa schon ein Zauber?
In den letzten Tagen konnte sie mit der Realität nur schwer umgehen, sah die Welt nun mit anderen Augen, die immer schon empfänglich für die Natur waren, aber alles weitere, das noch dahinter steckte, war ihr bis jetzt im Verborgenen geblieben. Sich von diesem herrlichen Anblick endlich abwendend klopfte sie an der Türe, wie auf dem darauf befindlichen Schild geheißen.
Quietschend wurde sie nach einer Weile geöffnet und ein ziemlich zerzaustes und müde dreinblickendes Gesicht sah ihr entgegen.
„Was um alles in der Welt gibt es so Wichtiges, mich um diese Tageszeit zu stören?"
Forsch und rau klang die Stimme der Frau, die sie mit braungrünen Augen von oben bis unten musterte und keine Anstalten machte, die Türe auch nur einen Spalt weiter zu öffnen. Alena ließ sich nicht beirren, sah sie doch in jedem zuerst einmal etwas Gutes.
„Ich komme anhand ihrer Internetseite. Sie bieten Beratungen an?"
Die Frau blickte nun leicht verärgert und zog die Türe noch ein wenig weiter zu.
„Dort steht aber auch groß und deutlich, dass ich das nur gegen Terminvoranmeldung mache und wenn du das Schild an der Türe genauer gelesen hättest, wüsstest du auch meine Öffnungszeiten. Gute Nacht!"
Krachend fiel die Türe in den Rahmen und ließ Alena etwas zurückweichen.
Die benannten Öffnungszeiten waren schon etwas verwittert und konnten gerade noch als 18:00 bis 24:00 Uhr erkannt werden. Das förderte jedoch nur ihren eigenen Zorn und sie fühlte ihn in sich hochkommend.
„He sie! Frau! Hexe... oder wie auch immer sie hießen mögen! Ich komme extra den Weg hier her und ich habe ein sehr dringendes Problem!"
Sie polterte unaufhörlich gegen die Türe, stoppte erst, als sie wieder leicht geöffnet wurde.
„Steltael."
„Wie bitte?"
„Mein Name ist, Steltael."
„Aha, gut. Aber... ich brauche sie wirklich dringend!"
Die Frau hatte inzwischen anderes, dunkel durchscheinendes Gewand angelegt, überlegte noch kurz, warf ihr einen noch grimmigeren Blick zu und öffnete schließlich die Türe, gerade soweit, dass Alena eintreten konnte.
„Und wehe du brauchst jetzt nur einen Liebestrank, dann flipp' ich aus", murmelte sie und bewegte sich zielstrebig in den nächsten Raum, Alena einfach stehen lassend.
Der erste Raum war noch von Dunkelheit umgeben, beinah schwarze Vorhänge verhüllten die Fenster und nur wenig schummriges Licht drang aus einer tiefen Nische einer Ecke hervor. Fremdartig bissige Gerüche stiegen zu Alena hoch und raubten ihr im ersten Augenblick fast den Atem. Der langgestreckte Raum wurde von dunkelroter und braungrüner Farbe dominiert, zeigte fast keinen freien Platz an der Wand, denn überall waren schwere Regale und Kästen verteilt, voller Bücher, die der Last kaum noch standzuhalten vermochten. Zwischendurch befanden sich kunstvoll verarbeitete Glockenspiele, hauptsächlich aus Spiegelbruch und anderen glitzernden Materialien gefertigt, welche durch den kaum wahrnehmbaren Luftzug, der den Raum leicht umspielte, leise zu klingen anfingen. Noch immer alleine gelassen, schritt Alena langsam an der Wand entlang, entdeckte noch weitere Gegenstände, teils sehr unwirklich und undefinierbar wirkend. Zeichnungen von Fabelwesen lagen verstreut auf dem dunklen Eichentisch und Stapel von Büchern, so dass sich Alena an ihren eigenen erinnert fühlte. Eine Katze umstrich ihre Beine, fast darüber erschrocken, streichelte sie danach ihr schwarzglänzendes Fell, doch die Katze miaute nur und sprang auf das danebenstehende Sofa.
Wieso überrascht es mich jetzt nicht, hier eine schwarze Katze anzutreffen, dachte Alena belustigt und blickte sich weiter um.
Von ihrer immer präsenten Neugierde getrieben, schob sie einige der Bilder zur Seite und stieß, fast wie erwartet, auf das Bild eines Elbes, nein, es musste eine Elbe sein. Ihr langes Haar umfloss in langen, dunklen Wogen ihr elfenbeinfarbenes Gesicht und der Ausdruck ihrer Augen war unbeschreiblich weich. An das hatte Alena noch gar nicht gedacht. Elbenfrauen müssten magisch schön sein, wenn die Elbenmänner dies schon waren.
„Das seh' ich schon gerne, wenn gleich geschnüffelt wird!"
Das Bild wurde ihr jäh aus den Händen gerissen und Steltael klappte noch weitere, danebenliegenden Bücher zu.
„Was ist denn jetzt so dringend?"
Sie deutete Alena sich zu setzen. Ihr auf einem kleinen runden Tisch gegenübersitzend schielte Alena argwöhnisch auf die Glaskugel und irgendwie behagte ihr das ganz und gar nicht mehr. Sie glaubte nicht im geringsten daran, dass sie eine Hexe sei, aber das mit den Elben, da musste sie einfach nachhaken.
„Sie sind Expertin für Elben?"
Ihr Gegenüber machte ein entsetztes Gesicht, welches jedoch dann in einer sehr stupiden Grimmasse unterging.
„Ja... geht's auch ein bisschen schneller und sprechen wir jetzt von mir oder von dir?"
Schön langsam reichte es Alena mit der Alten, oder zumindest war sie um einiges älter als sie. Das gab ihr trotzdem keinen Grund, sie immer mit ‚du' anzusprechen oder gar so unfreundlich zu sein.
Ein fragend gelangweilter Blick beschleunigte ihre nächsten Worte.
„Sind sie nun eine Elbenexpertin, oder nur eine Wahrsagerin?"
„Was willst du über Elben wissen? Weißt du, jeder fünfte Tourist kommt hier bei mir vorbei und fragt mich, wo er denn die Elben finden könnte? Ich kann dir nicht sagen, wie sehr mich dass jetzt schon nervt, noch bevor die Saison so richtig losgeht."
Sie stand auf und kam mit einem Glas Wasser wieder zurück, ohne auch nur Anstalten zu machen, ihr auch etwas anzubieten.
„Ich warte immer noch, es wird bis jetzt schon ziemlich teuer für dich, ich meine es nur gut."
Gut, dachte Alena, dann werde ich mich beeilen und es direkt machen.
„Was halten sie davon, wenn ich ihnen sage, dass ich einen Elb bei mir zu Hause habe?"
Die Luft anhaltend verfolgte sie die Reaktion in dem von Falten gezeichnetem Gesicht.
Die Hexe holte Luft, sagte dann sehr ernst: „Also, das hat mir noch kein Tourist gesagt."
Dann fing sie lauthals zu lachen an, ein eher unangenehm krächzendes Lachen, stand auf und ging zur Türe um sie zu öffnen.
„Du verstehst, ich habe für solche Scherze keine Zeit und vor allem nicht zu so einer frühen Stunde. Auf Wiedersehen!"
Ihr Blick war jetzt ernst und auffordernd.
Alena bewegte sich nicht, musste es nun wohl doch etwas genauer erklären.
„Sie verstehen nicht, es ist wirklich ein Elb bei mir und er findet nicht mehr zurück. Wo leben die Elben hier?"
Plötzlich spürte Alena eine Hand auf ihrem Arm, wurde auch schon hochgezerrt und zur Türe geschubst und mit begleitenden Worten unsanft aus dem Haus befördert.
„Komm, Schätzchen, wenn der Elb heute auch noch da ist, dann komm am Abend wieder aber sonst, hab' ich für so einen Blödsinn echt keine Zeit."
Sie schüttelte kichernd den Kopf.
„Hat einen Elb zu Hause... Ha! Den Witz kannte ich echt noch nicht."
Ohne weiter zu lachen, sagte sie nun ernst: „Verschwinde, Mädchen und träume von einem anderen Prinzen!"
Abermals laut krachend fiel die Türe vor Alena zu. Drinnen hörte sie die unfreundliche Frau noch vor sich hinfluchen und ein beklemmendes Gefühl stieg in Alena hoch.
Einerseits war sie total wütend wegen dieser rüden Behandlung, die ihr hier widerfuhr, andererseits wusste sie keinen Ausweg und eine warnende Stimme flüsterte unaufhaltsam in ihr, dass sie Ryan unbedingt helfen musste, dass ihr bald keine Zeit mehr dafür blieb. Sie hämmerte wieder an die Türe.
„Er findet nicht mehr zurück, so hören sie mir doch zu. Er kann sich an nichts mehr erinnern, oder warum glauben sie, dass er überhaupt bei mir ist?"
Lauschend stoppte sie kurz mit dem Lärmen. Nichts, sie reagierte nicht darauf.
„Du... du blöde Hexe du, bist ja eh keine echte Hexe, Scharlatanin, Quacksalberin, Betrügerin!"
Was auch immer noch an Schimpfwörtern möglich waren, die man einer vermeintlichen Hexe an den Kopf werfen könnte, drangen aus Alena hinaus. Alles nütze nichts, sie musste wieder gehen. Die rauschenden Tannen hatten ihren Glanz verloren, als Alena verärgert und enttäuscht ins Auto stieg und in Richtung zur Stadt einbog.
°
Alena beobachtete ihn fortwährend für den Rest des Tages, machte sich weiter Sorgen, ohne ihn damit dauernd zu konfrontieren und nachdem er einige Zeit in der Hängematte verbracht hatte, schien er die gewohnte Vitalität zurückgefunden zu haben.
Der laue Sommerabend schrie förmlich nach Gegrilltem, und beide packten mit an, zauberten in aller Ruhe ein wunderbares Abendessen, dass sie wie gewohnt danach auf der Terrasse genossen. Eine Flasche Rotwein rundete das Menü ab und Alena war überrascht, dass er so etwas kannte, zumal sie ihn damals mit Schokolade so richtig beeindruckt hatte und nie mehr in ihrem Leben seine entzückende Reaktion vergessen würde. Seither war er richtig süchtig nach dem braunen Zeugs. Diese Gedanken ließen sie eben lächeln, als sie seinen auf ihr ruhenden Blick erhaschte. Die Dämmerung brach bereits herein und nur die zahlreich aufgereihten Kerzen erhellten den kleinen Platz um den Tisch unter den alten Bäumen.
Windstill war die Luft, behielt so die Tageswärme länger und die ungewohnte Fülle der nächtlichen Stimmen im Wald, deutete darauf hin, dass selbst die Tiere diesen außergewöhnlichen Abend noch intensiv nutzten. Furchtlose Nachtfalter stürzten sich nahe an das flackernde Kerzenlicht, doch meist flatterten sie nach kurzer Benommenheit wieder davon.
Eine wohltuende Ruhe breitete sich nach dem genossenen Abendmahl auf beide aus und Ryan rückte näher zu Alena, zog sie mit ihrem Rücken an sich und kuschelte seine Arme um ihren Bauch. Sanft legte er den Kopf auf ihre Schulter, küsste leicht ihren Nacken und ließ damit Alena erschaudern.
„Hat dir schon jemand gesagt, dass du wunderschönes Haar hast? Es ist dem einer Elbe ebenbürtig."
Wie benommen nahm sie dieses wunderschöne Kompliment von ihm entgegen, wusste jetzt auch über deren Schönheit Bescheid und hatte er ihr bis jetzt doch nur spärlich welche gemacht. Er vergrub sein Gesicht in ihren blonden Locken und Alena spürte, wie sie ihre Augen schloss und an nichts mehr dachte, nur mehr seine Nähe fühlte, die sich wie eine süße Droge in ihr auszubreiten begann. Schön langsam wurde ihr bewusst, dass es für sie kein Zurück mehr gab, kein Leben ohne Ryan, je in ihrem Inneren möglich wäre. So von seinen Armen fest umschlungen, verblieben sie einige Zeit im romantischen Kerzenlicht und dieser wunderbare Augenblick schien zu einer Ewigkeit zu werden.
Es war diesmal an Ryan, sich tiefere Gedanken über den weiteren Verlauf zu machen. Hier, in der ihm noch immer fremd wirkenden Welt, war diese bezaubernde Frau an seiner Seite, die ihm bereits so oft geholfen hatte und ihn allmählich, aber unaufhaltsam vollkommen in ihren Bann zog. Doch in Wahrheit trennten sie Welten voneinander, konnten gar nicht zusammen sein... durften es nicht? Die ganze Tragweite wurde ihm langsam bewusst und wühlte sein Innerstes noch tiefer auf, neben dem unstillbaren Drang sein Volk endlich wiederzufinden.
Doch... sie war sterblich und er wurde nicht geboren, um zu sterben.
