Au weh...! So lange hattet ihr noch nie warten müssen, aber leider hat den Elbendrachen die Sommergrippe ‚dahingerafft' und da war nix mit schreiben... (Drachen sind wohl auch nicht mehr so resistent wie früher ;-) Dafür habe ich den Stoff, der für K7 geplant war unmöglich in ein Kapitel ‚pressen' können und somit auf zwei Kapitel aufteilen müssen. K8 wird somit eine ‚direkte' Fortsetzung der Ereignisse bei den Elben bilden und dann kommt noch K9 ;-)


Reviewantworten:

Tanja
Hallo Tanja, ja (sniff) das vergangene Kapitel war sehr traurig und es ehrt mich als Autorin natürlich sehr, dass du diese Traurigkeit auch wirklich „gespürt" hast. Oh ja, ich werde so weitermachen, wenn auch jetzt der Traurigkeit eine ordentliche Portion Hoffnung weicht! Wäre ja schlimm, wenn die nicht folgen würde. Dein Schlusssatz hat mich echt berührt, dein Vergleich, beim Lesen meiner Geschichte fast die Schmetterlinge fangen zu können. Danke für dieses schöne Lob (sich verneigt)

Darklaya
Liebe Layka – ha was freu' ich mich, dass dir meine Antworten gefallen – ich habe aber auch soviel Freude mit deinen Reviews, da ist es doch das Mindeste, dass ich antworte! Deine Begeisterung reißt mich förmlich mit und ich habe beim Schreiben über die Elben echt an dich denken müssen. Hoffentlich sind sie dir in K7 nicht zu knapp ausgefallen, aber in K8 werden sie uns auch noch begleiten. Ich hoffe, du bist nicht sehr enttäuscht, dass ich so lange brauchte... (blöde Sommergrippe) Ich dank' dir echt überschwänglich für deine so toll lobenden Worte. Es rührt mich total, dass du meine Geschichte so magst. Das hätte ich mir echt nie erträumen lassen. Danke!

seniwallenstein
Liebe Seni, zuerst gleich mal danke, dass du zu meiner Geschichte gestoßen bist. Es ist einfach nur faszinierend zu lesen, dass du dich in meine Welt hast begeben und darin fangen hast lassen... ich hoffe sehr, dass dir der weitere Verlauf der Geschichte auch noch gefallen wird, denn es neigt sich nun bald dem Ende zu. Als ein sehr großes fachliches Lob nehme ich deine Worte über das Thema „Reallife meets Middle-Earth" und über meine ‚geliebten' Recherchen an. Ich mache das wirklich sehr gerne, es kostet sicher einiges an Mühe, doch... wie heißt es in einem meiner Lieblingszitate von Diana Gabaldon ... also solltest du lieben, was du schreibst, oder du wirst nicht weit kommen. ...und ich liebe diese Geschichte sehr!

Enessa
Hallo Enessa, bei deiner Review merkt man auch richtig, dass du mein Kapitel nicht nur einfach gelesen hast, sondern so richtig darin versunken bist. Das ist schon wie ein weiteres Lob für mich :-) Du erfasst die Tragik von Alena wirklich gut. Das Pferd von Ryan taucht in den nächsten beiden Kapiteln wieder auf, aber es wird keine wichtige Rolle spielen und du hast es richtig erfasst, es war kein Einhorn. Das Einhorn ist sehr mit den irischen Sagen verflochten – es musste einfach hier vorkommen. Das Ende – nein, dass kann ich doch jetzt noch nicht verraten :-) Die Elben von Irland leben nicht in der Zwischenwelt. Es gibt diese, für mich schöne Form der Geschichten ebenso, aber in den irischen Sagen leben die ‚Elfen' wirklich noch ‚neben' uns, wenn sie ihre Wohngebiete auch sehr wohl mit Zauber schützen, aber es ist unsere Welt. Wenn es dich näher interessiert habe ich bereits dazu eine genauere Erklärung am Anfang von K4 geschrieben. Also – deine Review ist doch total gut, ich finde keineswegs, dass du nichts ‚sinnvolles' geschrieben hast. Wie am Anfang schon erwähnt, zeigt sie mir, wie sehr du dich darin ‚verirrt' hast – danke dafür!

Sundayshine
Danke dir für deine lobenden Worte. Schön langsam kriege ich ein schlechtes Gewissen, wenn ihr alle heulen musstet... so wollte ich das natürlich nicht, wobei es, wie schon erwähnt, mir natürlich zeigt, dass ich die Stimmung von dort ‚richtig' herübergebracht habe. Das Ende – es gibt vorher noch einiges zu erleben, für die beiden... ich hoffe, du bleibst bis zum Ende mit dabei – danke dir sehr für deine Review!

Lady Dragonfire
Freut mich, dass dir die Ereignisse um Alena und Ryan auch diesmal gefallen haben. Huch... jetzt werde ich aber bald rot, wenn du vom Zauber meiner Sätze sprichst. (wenn man die Fehler ausklinkt...) Auch dir werde ich das Ende noch nicht erzählen, denn das wäre, wie wenn man ein Buch von hinten zu lesen beginne... :-) Oh... ! Du magst mein Sindarin! Hannon le es ist auch ziemlich schwer und ich mache sicher auch noch Fehler, aber es ist sooooo schön! Ich habe mich in diesem Kapitel auch ganz schön bemüht, da mehr davon einzubringen.

Anor
Mae govannen, Anor, ‚Sonne' ist dein gewählter Name und das finde ich sehr schön! Ist die Sonne doch unser ständiger Begleiter und Lebensspender. Die Art, wie du zu meiner Geschichte gefunden hast, fand ich jetzt aber wirklich interessant und hat mich irre gefreut. Du warst somit bereits einmal in Irland und dein Lob nehme ich darum doppelt dankbar an. Die schönen alten Bäume, ja... die haben wirklich etwas magisches an sich. Alles in dieser Geschichte habe ich sicher noch nicht erlebt, da spricht meine Fantasie, jedoch habe ich das ‚Sonnenaufgangsfrühstück' bereits erleben dürfen und ich kann es jeden nur empfehlen. Es ist ein unvergleichliches Erlebnis! Ich hoffe, du ‚verirrst' dich auch zu meinen weiteren Kapiteln – es würde mich sehr freuen.

Nyella
Liebe Nyella, nein – hier lasse ich es sicher nicht so enden, denn das wäre ganz schlimm. Danke für deine Beurteilung meiner ‚Schreibkünste', es freut mich natürlich, dass auch du dich in ihnen fangen lassen hast. Die Hexe, ja, die ist so der typische Mensch, der zuerst mal ‚rüffelt' und dann eigentlich ein gutes Herz hat. Das sind oft die besten Menschen, wobei man das erst auf den 2. Blick sieht. Der Shefrofraigh, ja... der ist wahrlich ein seltenes Exemplar. Ich nehme mir dein Lob nun zu Herzen und hoffe, du bist auch von diesem Kapitel begeistert.


Erklärung zu Kapitel 7:

Die Traurigkeit, die sich wie ein schleichender Schatten über Alena und Ryan gelegt hat, findet zum Glück ein Ende. Mit neu gefundener Hoffnung machen sich beide zu den Elben auf und auf den ersten Blick scheint nun alles überwunden zu sein...

In den Sagen werden Irlands Elfen von einer Königin ‚regiert' und sie feiern zu allen nur möglichen Anlässen ihre Feste in den verschiedensten Gebieten von Irland. Manch' ein Mensch konnte hier schon ihren Gesang und ihre Musik vernehmen, doch gesehen hat sie nur selten wer...
Diesmal habe ich mich auch etwas von Peter Jacksons ‚Zauberkiste' inspirieren lassen, aber das ist bei einer ‚FF' ja zum Glück erlaubt und drückt nur meine Ehrerbietung für ihn aus...


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NUR EIN TRAUM

Kapitel 7: Sternenmond
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Immer noch saß Alena auf der Couch und Ryan war längst schon wieder eingeschlafen. Alena fand keine Ruhe und unentwegt, sich ihren schwermütigen Gedanken hingebend vernahm Alena nicht das gedämpfte Klopfen, nur Giant sprang auf und lief leise knurrend zur Tür. Sie reagierte immer noch nicht, nahm es erst wahr, als es zu einem Pochen anschwoll. Wer auch immer da draußen stand, sollte draußen bleiben und sie und Ryan in Ruhe lassen. Sie versuchte nicht einmal ihn zu verstecken, wenn dies auch vernünftig gewesen wäre. Langsam öffnete sich die Türe und Alena sah gegen das eindringende Licht die Silhouette eines Mannes, der mit einem Regenmantel bekleidet war. Einige Augenblicke verstrichen, ehe sie ihn erkannte. Es war der Elbenfinder, der ‚Shefrofraigh'. Er war gekommen.

Der, im ersten Moment empfundenen Freude, folgte jedoch sofort die Erinnerung an seine Worte und niemanden mehr vertrauend gab sie ihm lediglich ein Zeichen einzutreten und die Türe hinter sich zu schließen. Zögernd kam der Mann ihrer Aufforderung nach, denn er hatte sehr wohl schon den schlafenden Elben bei ihr entdeckt. Sie wollte jedoch unter keinen Umständen Ryan wecken und zuerst anhören, was der Finder zu sagen hatte. Unter den Füßen des hageren Mannes bildete sich bereits eine Wasserpfütze, als er immer noch schweigend im Raum stehend, unentwegt auf Ryan starrte. Alena deutete ihm, sich auf der Couch ihr gegenüber zu setzen, doch er schüttelte darauf energisch den Kopf, wich sogar etwas von ihnen weg. Sie seufzte tief und hob mit aller Vorsicht Ryans Kopf von ihr hoch um ihn behutsam auf ein Kissen zu legen. Er bewegte sich leicht im Schlaf, wurde jedoch zum Glück nicht munter.

Das wäre früher nie passiert, fuhr es schmerzlich in ihre Gedanken, er verliert immer mehr von seinen Wahrnehmungen.

Sich innerlich leer fühlend ging sie mit dem Finder in die Küche, schloss die Türe hinter sich um nicht flüstern zu müssen. Der Finder kam sofort zur Sache.

„Wie viel Geld kannst du aufbringen? Laut deiner Visitenkarte bist du hier angestellt und bei der Nationalparkverwaltung verdienen alle ohnedies zuviel von unseren Steuergeldern!"

Zorn stieg bei diesen Worten in Alena hoch. Würde er jetzt wieder nur herumreden und nichts tun? Sie konnte sich auf keine Spiele mehr einlassen, hatte einfach keine Zeit und keinen Gedanken mehr dafür.

„Weißt du wo die Elben leben?", fragte sie ihn energisch.

„Ich weiß, wo sie sich Morgen aufhalten werden, denn sie feiern auch beim ersten Neumond im Sommer."

„Morgen?... Das ist zu spät! Ich brauche jetzt Hilfe und keine Stunde später! Er ist sehr krank, er muss zu seinen Leuten, gleich... sonst... stirbt er."

Die Miene des Finders veränderte sich kein bisschen. Alena erkannte, dass es ihm egal war, er wollte wirklich nur das Geld.

„Ich gebe dir, was du willst. Aber erst nachdem du uns hingeführt hast."

„Hinführen? Von Hinführen war nie die Rede!"

Zornig blickte Alena ihm jetzt entgegen.

„Und doch wirst du das tun und zwar sofort! Sonst gibt es überhaupt kein Geld!"

Der Shefrofraigh blickte ihr für einige Zeit in die Augen und Alena sprühte ihn mit ihrem Blick förmlich ihre ganze Wut entgegen.

Soll er nur sehen, wie ernst ich es meine!, dachte Alena und war innerlich derart angespannt, dass sie für ihn unmerklich zu zittern begann.

„Gut, ich mache es. Aber zieh' dich warm an, der Regen ist kalt!"

Er ging zur Küchentüre, öffnete sie und deutete auf den schlafenden Ryan, „und halte mir ‚ihn' vom Leib, ich will ihn nicht neben mir haben."

Alena schüttelte voller Ärger den Kopf.

„Er kann dir ja gar nichts mehr tun."

„Das kann man nie wissen", schnauzte er zurück und ging weiter durch die Haustüre in den Regen hinaus.

Alena versuchte ihre innere Aufregung zu verdrängen. Es war soweit. Endlich war Hilfe gekommen, wenn es auch einer der unmöglichsten Menschen war, die sie je getroffen hatte.

Sie suchte alle benötigten Dinge für die Reise hervor. Ihre eigene gute Regenjacke mit dem Emblem des Nationalparks, zwei Taschenlampen, etwas Wasser und ein paar Brote. Sie wusste ja nicht einmal, wie lange sie unterwegs sein würden. Als sie Ryans Umhang in die Hände nahm, drückte sie ihn fest an sich, vergrub kurz ihr Gesicht darin und nahm seinen Geruch wahr.

Nein!, stieß es in ihre Gedanken, sie durfte sich jetzt keinen sehnsüchtigen Gefühlen hingeben, nur dem ihm zu helfen.

Schnell waren alle Dinge zusammengerichtet, das Futter für Joy und Giant brachte sie in den geöffneten Schuppen, denn sie wollte beide Tiere draußen frei laufen lassen und nicht einsperren. Danach zäumte sie Dheas auf, denn diesmal würde Ryan reiten. Die Reise würde für ihn sicher sehr anstrengend werden und der Sattel bot besseren Halt. Dheas blickte sie mit seinen großen Augen eigenartig an, als sie ihn aus dem Stall führte. Ihr kam es so vor, als würden alle Tiere wissen um was es ging, selbst Giant kam wieder nur winselnd aus seiner Ecke gekrochen.

„Macht es mir doch nicht so schwer", flüsterte sie, wieder im Wohnzimmer neben Ryan stehend.

Behutsam versuchte sie ihn zu wecken.

„Ryan, wach auf, wir bringen dich jetzt heim."

Er rührte sich nicht.

„Ryan... wach auf!"

Unwillkürlich griff sie an seinen Hals um den Puls zu fühlen, den sie schwach wahrnahm. Vorsichtig drückte sie seinen Arm und er schlug langsam die Augen auf.

„Ryan, wir bringen dich jetzt nach Hause. Der Elbenfinder ist hier, er weiß wo deine Leute sind."

Es schien eine Weile zu dauern, bis die Worte in Ryans Bewusstsein drangen. Dann wurden seine Augen groß, fast schon klar, wie früher.

„Er weiß wo sie sind?"

Alena nickte und kämpfte im nächsten Moment wieder mit den Tränen, diesmal jedoch erfolgreich.

Ryan setzte sich mühsam auf, getrieben von dieser Nachricht brachte er noch einige Kraft in sich hervor und durchs Zimmer blickend fragte er fast schon aufgeregt: „Wo ist er?"

„Draußen und er hat fürchterliche Angst vor dir. Versuche ihn nicht zu sehr zu erschrecken", sagte sie lächelnd, denn es war Irrsinn in ihren Augen, sich vor einem Elben zu fürchten.

„Aha", war seine einzige Reaktion darauf.

Alena legte ihm seinen Umhang an und geleitete ihn hinaus.

Ihre Hilfe auch weiter nicht verweigernd begaben sie sich zu Dheas, der bereits im leicht tröpfelnden Regen auf sie wartete. Direkt neben ihm trat der Shefrofraigh aus dem Schatten, schrak jedoch zurück, als sie sich ihm weiter näherten. Ryan blickte zu ihm, sagte kein Wort und Alena sah nur seine sich verfinsternde Miene. Er mochte ihn also auch nicht. Aber das war jetzt unwichtig. Der Elbenfinder sprach kein Wort, stapfte nur los, als Ryan auf Dheas saß und sich mit einer Hand am Sattel festhielt. Neben den Satteltaschen befestigte Alena noch Ryans ungespannten Bogen und die Pfeile. Dheas' Wanderreitsattel war praktisch und ließ mit zahlreichen Schnallen aufwarten. Danach ergriff sie Ryans Hand, der sie sogleich anblickte.

„Meinst du, du schaffst es so? Ist dir kalt? Soll ich dir noch eine Jacke bringen?"

Er lächelte.

„Nein, es geht mir gut genug und ich schaffe das schon. Danke, Alena."

Er nahm ihre Hand in seine und drückte sie sanft und blickte ihr weiter in die Augen. Alena hielt diesem Blick nicht lange stand, denn sie wusste, dass sie gleich zu weinen beginnen würde.

„Mein Handy! Ich muss mein Handy mitnehmen", brach es aus ihr heraus und rasch lief sie noch einmal ins Haus.

Die Rufe des Elbenfinders ignorierte sie einfach. Nur verschwommen sah sie das Handy an ihrem Platz liegen, so schnell hatten die Tränen sich ihren Weg gebahnt. Kurz blieb sie vor der Türe stehen, wischte das Gesicht mit dem Pullover am Arm ab und trat wieder in die regnerische Nachtluft. Der Finder war ziemlich aufgelöst, denn es wäre schon sehr spät geworden, maulte er beim Vorbeigehen. Sie ignorierte ihn abermals, ging zu Ryan und holte für ihn eine Taschenlampe hervor.

„Nein! Die wirst du auf keinen Fall benützen!", schrie der Finder von weiter weg zu ihnen herüber.

„Und warum nicht?", rief sie zurück.

Es war immer noch lächerlich, dass er sich nicht näher an Ryan heran kommen traute.

„Weil sie uns so entdecken werden."

Er hielt etwas in die Höhe. Es war einer Sturmlaterne nicht unähnlich, jedoch viel schöner und zarter gefertigt. Ihr Licht strahlte in einem zarten, hellen Blau und von der Ferne wirkte sie jedoch sehr schwach.

„Das täuscht nur", erklärte der Finder, anscheinend ihre Gedanken erahnend.

Sie ging ein Stück zu ihm und merkte, dass das Licht zu einer unglaublichen Intensität anschwoll.

„Was ist das?"

„Das ist eine ihrer Leuchten", sagte er tonlos, drehte sich nach diesen Worten um und schlug den Weg in nördlicher Richtung ein.

Zu Ryan zurückkehrend erklärte ihr dieser: „Das ist eine Lampe, die mein Volk benützt. Man sieht ihren Schein nur aus unmittelbarer Nähe. In der Entfernung nimmt man sie kaum noch wahr. Es ist gut, so eine bei uns zu haben."

Seine Worte beruhigten Alena und mit einem weitern, sorgenvollen Blick auf ihn gingen sie los um die schnellen Schritte des Finders aufzuholen.

°

Die Dunkelheit umfing sie, als sie in den Wald hinein traten. Der Shefrofraigh schien sich etwas an Ryans Anwesenheit zu gewöhnen, denn er blickte nicht mehr regelmäßig auf ihn zurück. Alena ging dicht an Dheas' und Ryans Seite und sah immer wieder zu ihm auf.

Er hält sich tapfer, dachte sie und blickte wieder weiter in die gespenstisch erscheinende Dunkelheit.

„Wo genau führst du uns hin?", fragte sie ihren Führer.

Nervös blickte sich dieser um und antwortete mit gedämpfter Stimme: „Das erkläre ich dir jetzt nicht, lass uns nur schnell weiterkommen und sei leise!"

Er ging etwas schneller voran.

Der leise tröpfelnde Regen ließ sie ihre Kapuzen dicht in die Gesichter ziehen, denn trotz des teilweise hier sehr dichten Blätterdaches, fanden vereinzelt Regentropfen ihren Weg hindurch. Zu kühl zeigte sich diese Sommernacht und auch die Tiere schienen sich zu verkriechen, verwährten ihnen ihre sonst so vertrauten, nächtlichen Laute. Innerlich noch immer aufgeregt, dachte Alena an die kommenden Ereignisse, die ihnen heute noch bevor standen. Elben! Sie würde auf weitere Elben treffen, sie würde Ryans Familie kennen lernen, wo er lebte... wie er lebte. Es war aufregend und zugleich auch schmerzlich, denn es würde den Abschied bedeuten.

„Wo genau bringst du uns hin?", fragte sie den Finder nochmals nach einer Weile, diesmal mit etwas energischerem Tonfall.

Wieder ignorierte er ihre Frage. Schweigend und dem bläulichweißen Lichtschein vor ihr folgend ging sie weiter an Dheas' und Ryan Seite und versuchte ihre steigende Nervosität in den Griff zu bekommen. Ryan hielt sich gut, angesichts des Zustandes, indem er sich befand.

Der Finder schwenkte mit der Laterne auf und ab, deutete ihr damit an zu ihm nach vor zu kommen. Alena wollte darauf nicht reagieren, denn sie respektierte seine Angst vor Ryan immer noch nicht und so war er zum Warten gezwungen.

„Was kommst du denn nicht?", zischte er sie an.

Reaktionslos ging sie neben ihm weiter, als er sich nah an sie drückte und nervös flüsterte: „Wir müssen vorsichtig sein. Böses ist im Umlauf."

Er machte dabei so sonderlich große Augen und im hellen Lichtschein der Laterne wirkte er dadurch noch unsympathischer auf Alena.

„Das Gleichgewicht wurde gestört, ich höre Stimmen, ich sehe Zeichen... so weit drangen sie noch nie vor... die Bösen gebären sich auf..."

Alena wusste von Steltael, dass er etwas eigen war, fragte aber jetzt interessiert nach: „Meinst du damit Orks?"

„Sei ruhig!"

Er fuchtelte aufgeregt mit den Händen in der Luft herum, sodass die Elbenlampe durchgeschüttelt wurde und flackerte. Sich zu ihr beugend, mit den Augen jedoch um sich blickend flüsterte er: „Sie können dich hören und das viel besser als Menschen!"

Alena blickte sich unwillkürlich ebenfalls um und konnte gegen das in ihr hochsteigende mulmige Gefühl nicht weiter ankämpfen.

„Aber sie hören nicht so gut wie Elben", bekundete sich Ryan leise aus dem Hintergrund.

Der Finder brach fast zusammen, als er diesen Namen und seine Stimme vernahm. Abwehrend hielt er die Hände gegen Ryan, drehte sich danach schnell um und ging eiligen Schrittes mit einigem Respektsabstand am Weg vorne weiter.

Alena deutete mit der Hand am Kopf eine unmissverständliche Geste zu Ryan, der daraufhin lächeln musste. Sie drückte sich wieder nah an ihn heran, so gut es neben Dheas ging und griff nach seiner Hand. Kurz streiften sich ihre Blicke und Alena wollte ihm noch soviel sagen, ihn noch so vieles fragen. Sie konnte jedoch nicht, wie zugeschnürt war ihre Kehle, befangen von den sich überstürzenden Ereignissen, empfand sie letztendlich zur Zeit nur Freude über die endlich erfolgende Hilfe und Ryans Rettung.

°

Eine Stunde lang folgten sie bereits dem Elbenfinder, der unentwegt, die sonderbare Lampe haltend seinen aufgezwungenen Respektsabstand einhielt. Alenas Gedanken waren rückblickend in die vergangenen Tage abgeschweift, als ihr leicht zu frösteln begann. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als bald auf die Elben treffen.

Neben ihr richtete sich Ryan mit dem Blick nach vorne im Sattel auf, wo der Finder im gleichen Moment wie erstarrt stehen blieb. Das sie umgebende Schweigen des Waldes wurde ihr eben deutlich bewusst, doch nun breitete sich eine fast greifbar bedrückende Stille aus. Nur leise vernahmen sie das eintönige Klatschen vereinzelter Regentropfen, die sich unaufhaltsam am Boden zu kleinen Lachen zusammen fügten. Alena blickte Ryan fragend an, der weiter konzentriert nach vorne blickte.

„Was ist los?"

Im nächsten Moment stürmte der Finder panisch zu ihnen und flüsterte atemlos: „Ich gehe nicht mehr weiter! Dort sind sie, ein ‚Phooka' und die ‚Banshee' hab' ich auch rufen gehört."

Ryans Nähe dürfte ihm angesichts dieser neuen Furcht nichts mehr ausmachen, denn er drückte sich zwischen Alena und dem mächtigen Dheas.

„'Die'... Banshee? Ryan, was ist los?", verwirrt und hilfesuchend blickte sie zu ihm hoch, doch der Finder drehte nun entgültig durch, packte sie an den Schultern und schrie mit angsterfüllter Stimme: „Der Deal ist geplatzt, ich gehe keinen Schritt mehr weiter! Lauft um euer Leben!"

Alena starrte ihn mit entsetzten Augen an, entriss sich jedoch seinem harten Griff.

„Beruhig dich wieder!"

Doch er war wie von Sinnen.

„Ihr könnte euch umbringen lassen, aber ohne mich", und stürmte den dunklen Weg zurück.

„Halt! Bleib' hier!"

Verzweifelt lief sie ihm nach.

„Sag' uns doch zumindest wo die Elben zu finden sind!"

Zu schnell war der Mann im Dickicht verschwunden, Alena hatte in der bedrückenden Dunkelheit keine Chance und kehrte zu Ryan zurück.

„Wir gehen weiter, denn ich denke mir schon seit einer Weile, dass er uns zum See führen will", verkündete sie ihm.

Sie wollte dieses ohnmächtige Gefühl der Verzweiflung auf keinen Fall in ihr hochkommen lassen, nervös war sie auch so schon genug.

Ohne etwas zu erwidern glitt Ryan langsam von Dheas herunter, schlug die Kapuze des Umhangs zurück und griff nach seinem Bogen. Er holte die Sehne hervor, fixierte mit einem Fuß den Bogen und spannte sie mit geübten Griffen auf. Alenas Unsicherheit wuchs dadurch immer mehr und sie spürte ein schleichendes Angstgefühl alles in ihr übernehmen.

„Werden wir verfolgt?", flüsterte sie ganz nah bei Ryan, der sich jetzt an Dheas Schulter abstütze.

Die hier umfangene Dunkelheit ließ fast nichts erkennen, doch sie wusste, um die bessere Sehfähigkeit von Elben gegenüber Menschen.

„Nein... wir werden bereits gejagt."

Fast schon knisternd konnte man die Anspannung erfühlen und Alenas Angst wurde immer realer in ihr Bewusstsein gedrängt.

Beinah geräuschlos spannte er langsam seinen Bogen, zielte auf das dicht neben ihnen wachsende Buschwerk und flüsterte, ohne den Blick abzuwenden: „Bleib ganz nah bei mir und Dheas."

Alena kämpfte gegen die aufkommende Erstarrung, drückte sich, wie geheißen, zwischen die beiden und horchte auf jedes vernehmbare Geräusch. Immer noch leise platschend fielen vereinzelt Regentropfen von den oberen Blättern der hohen Bäume herab, trafen kalt in ihr Gesicht und ließen sie erschaudern. Rasend schlug jetzt ihr Herz in der Brust und vergeblich versuchte sie ihre, in diesem Moment zu laut erscheinende, schnelle Atmung zu zügeln. Dheas blieb bis jetzt ruhig stehen, schnaubte nur leicht und zuckte mit einigen Muskeln, als würde er imaginäre Fliegen verjagen.

Ryans, bis aufs Äußerste gespannter Bogen, verfolgte ein unsichtbares Ziel, als er sich langsam weiter drehte und Alena sich seinem ebenso schnelleren Atem und die Anstrengung im Gesicht bewusst wurde. Gänzlich windstill war es zu dieser späten Stunde und die angesammelte Feuchtigkeit kroch kalt unter ihrer Kleidung am Körper hoch, während sie sich vergeblich abmühte, etwas in dem nur vom Sternenlicht schwach glänzenden Blätterwald zu erkennen. Ein kaum vernehmbares, verräterisches Knacken drang zu ihnen durch und im nächsten Moment flog Ryans Pfeil zischend von der Sehne.

Unwillkürlich drückte er Alena noch enger an Dheas, als sie im nächsten Moment ihren Verfolgern gegenüberstanden. Entsetzt, über diese nie mehr erhoffte Begegnung, schrie Alena kurz auf, während Ryans nächster Pfeil bereits erfolgreich sein Ziel getroffen hatte.

Dheas stieg hoch, blieb jedoch bei ihnen. Leblos lagen zwei kaum erkennbare dunkle Gestalten unweit vor ihnen und die folgende scheinbare Ruhe machte die Situation nur noch unerträglicher.

Ihr Denken war vollkommen ausgeschaltet, sie reagierte nur mehr instinktiv und bewegte sich geduckt zu einem der toten Orks. Ryans leise warnende Worte ignorierend griff sie nach dem auf den Boden gefallenen Schwert des dunklen Gegners. Ihr einziges Ziel galt sich eine Waffe anzueignen, denn Ryans Kräfte würden nicht lange währen und sie wollte diesem Grauen nie mehr hilflos gegenüber stehen. Ruckartig wurde sie von ihm zurückgezogen, bevor sie die Waffe erreichen konnte.

„Bleib bei mir...!"

Schnell wie ein Schatten, tauchte vor ihnen ein weiterer Ork auf, riss beide mit großer Wucht zu Boden und Alena landete hart auf ihrem Rücken, sodass ihr kurz die Luft wegblieb.

Ryan rollte sich ab, stand schnell wieder auf und stürzte sich auf den Ork, der sein Schwert bedrohlich über Alena zum Schlag erhob. Gemeinsam schlugen sie abermals hart am Boden auf. Rasch sprang der Ork mit seinem Schwert wieder hoch und nur knapp verfehlte der erste Hieb Ryan. Seine schlechte Verfassung machte sich nun deutlich bemerkbar und ohne Waffe hatte er in diesem Zustand nur wenig Chancen auf eine erfolgreiche Gegenwehr.

Alena griff nach dem Schwert des ersten Gegners und ohne weiter zu denken, schlug sie auf den finsteren Feind ein, der Ryan mit seinen mörderischen Hieben immer weiter den Weg hinab drängte. Brüllend drehte sich dieser um und den unterschätzten Gegner mit seinen bedrohlich gelben Augen ins Visier nehmend. Abermals schlug Alena auf ihn ein, dunkles Blut spritze ihr entgegen, doch spürte sie im nächsten Moment einen brennenden Schmerz in ihrem Arm, wo das Schwert des Orks sie getroffen hatte, ohne es zu realisieren.

Ego!", (Fort!) schreiend prallte Ryan mit aller Kraft auf den Rücken des Gegners, ihn damit zu Fall bringend und von Alena ablenkend.

Nochmals rafften sich die Feinde auf und nun, beide unbewaffnet, stürmte der Ork kreischend auf Ryan los, der ihn jedoch geschickt mit einem Schulterwurf abblockte, damit auf den Boden zurück beförderte und danach selbst strauchelte. Schwer atmend ergriff er am Boden das dort liegende Schwert, stand auf und drehte sich zu dem wieder kampfbereiten Ork.

„Ryan!", schallte Alenas Warnung.

Mächtig groß gebar sich ein weiterer Gegner hinter Ryan auf, packte ihn und schleuderte ihn hart gegen den nebenstehenden Baumstamm.

In voller Panik stürmte Dheas nun entgültig in die Finsternis davon und Alena wusste, dass sie nun keine Chance mehr hatten, denn Ryan war bewegungslos liegen geblieben und der andere Ork beugte sich sogleich über ihn.

In dieser auswegslosen Situation fand sie einen nie gekannten Mut, griff am Boden nach ihrem Schwert und dabei jeden Schmerz ignorierend, ging Alena schreiend auf den neuen Gegner los und rammte ihm die Waffe tief in den Arm.

Das dunkle Wesen zuckte, blickte ihr starr in die Augen, bewegte sich nicht mehr und zischend flogen wie aus dem Nichts kommende Pfeile auf sie nieder. Lautlos umringten weitere hochgewachsene Gestalten den schmalen Pfad. Der Ork vor Alena sank zu Boden und einer der neuen tötete mit zwei Kurzschwertern blitzschnell den, der Ryan bedrohte und half ihm danach auf.

Kaum zu Atem gekommen, sah Alena im nächsten Moment eine Pfeilspitze auf sich gerichtet und wich langsam bis an den hinter ihr stehenden Baumstamm zurück. Unter einer dunklen Kapuze blickten ihr zu allem entschlossene kalte Augen entgegen.

Avgaro! E meldis!" (Tue es nicht! Sie ist eine Freundin!)

Ryan drängte sich zwischen den drohenden Pfeil und Alena, die Hände abwehrend dem Schützen entgegen haltend. Der Bogen senkte sich und erstaunt flüsterte der Fremde: „Hanan Ithildin!"

Der zweite der Neuen, der ebenso mit einem wie Ryans Umhang gekleidet war, riss den Kopf hoch und trat sogleich zu ihnen und streifte seine Kapuze ab.

Muindor nîn?"

Dunkles langes Haar kam darunter zum Vorschein. Ryan ließ die Hände sinken und fragte kaum vernehmend: „Giliath?"

Naman ´ar na ta?", (Wie kann das sein?) fragte der Fremde.

Ryan umarmte den sichtlich überraschten Elb, der vorerst noch zögernd stehen blieb, ihm es jedoch dann gleich tat. Wieder von einander abgelassen, sah der Dunkelhaarige ihn besorgt von oben bis unten an und sagte danach.

Thirech ´aer." (Du siehst furchtbar aus.)

Ryans Haar hing ihm vom Regen durchtränkt strähnig ins Gesicht, sein Atem ging schwer, aber diese Worte rangen ihm ein leichtes Lächeln ab. Entkräftet wankte er, Giliath fing ihn schnell auf und ließ ihn zu Boden, wo er sich ins Gras setzte und kurz die Augen schloss.

„Ryan!"

Besorgt wandte sich Alena zu ihm und ließ sich auch von den verwunderten Blicken der anderen Elben nicht abhalten.

Stockend sagte er: „Es... geht gleich wieder... ich fühle mich gleich besser."

So wirklich konnte sie ihm das nicht glauben, aber jetzt hatten sie endlich Hilfe gefunden. Alena blickte in die Gesichter der drei, die jetzt alle ihre Kapuzen abgestreift hatten und sich sorgenvoll um Ryan drängten. In der Dunkelheit konnte sie keine genauen Details erkennen, aber der Elb, der Ryan vor dem Ork rettete, hatte blondes Haar. Den er zuvor Giliath nannte und der weitere, der sie mit dem Pfeil bedroht hatte, waren dunkelhaarig und trugen ähnliche Kleidung wie Ryan.

„Aeldirdhron bent cenn gen ´wannech", (Aeldirdhron sagte, er sah dich sterben.) flüsterte Giliath zu Ryan, „adelliem hí ar apagam an eraid tâd in yrch ar mathen hí ú-'wann ech." (wir kamen hier her zurück und suchen seit zwei Tagen nach den Orks und ich fühlte hier, dass du nicht tot bist.)

Ryan, der sich langsam wieder fing, erklärte ihnen: „I sinnaen anand." (Das ist eine längere Geschichte.)

Vorsichtig stand er wieder auf und nahm dabei die angebotene Hilfe von Giliath bereitwillig an.

„Ich wusste nicht mehr, wer ich bin und woher ich kam", sagte er nun auf Englisch. „Alena hat mich gerettet und mir bis hier her geholfen. Sie wird uns weiter begleiten."

Verwundert blickten sich die drei Elben gegenseitig an und dann zu Alena. Wieder an sie gewandt, betrachtete Ryan nun ihren verletzten Arm genauer.

„Zieh' bitte deine Jacke aus."

Blut quoll immer noch aus der Wunde, wenn auch nicht viel, aber Ryan deutete dem blonden Elben, ihr zu helfen.

Dieser entzündete eine der ihr bereits bekannten elbischen Lampen, die Ryan danach übernahm. Hell erleuchtete das bläulichsilbrige Licht alles rund um sie und schmerzvoll biss Alena die Zähne zusammen, als er etwas aus dem mitgeführten Beutel holte. Er säuberte damit ihre Schnittwunde und begann einen Verband anzulegen. Sie wollte ihn dabei nicht zu offensichtlich beobachten, fühlte jedoch, wie behutsam er mit ihr umging und dachte daran, dass diese nun heilenden Hände vorhin noch blitzschnell zwei tödliche Schwerter führten, die jetzt in einer Halterung auf seinem Rücken steckten.

Der ‚Shefrofraigh' wäre jetzt wohl vor Angst gestorben, dachte sie schmunzelnd um sich etwas abzulenken.

„Du bist tapfer", flüsterte Ryan an ihrer Seite.

„Geht es dir wirklich besser?", fragte sie besorgt, als sie im Lichtschein sein müdes Gesicht wieder genauer erkennen konnte.

Er nickte nur.

Einer der anderen Elben trat eben grinsend mit Dheas aus der Dunkelheit heraus und fast so lautlos wie er selbst, folgten ihm noch drei weitere, helle Pferde. Beinah wäre Alena vor Freude aufgesprungen, aber ihr Verband war noch nicht fertig angelegt.

„Dheas!", rief sie ihm erfreut entgegen.

Leicht nervös tänzelte der Rappe an der Hand des ihm fremden Elben.

I roch vain."

Ryan wandte sich an Alena.

„Elmaethor sagt, dass er dein Pferd schön findet. Das ist ein großes Lob von ihm, denn er kennt sich mit diesen Tieren aus, wie kein anderer von uns."

„Danke", sagte Alena in Elmaethors Richtung, der ihr anerkennend zunickte.

„Den, der dich eben versorgt, nennen wir Ellas."

Mae govannen, Alena", (Willkommen, Alena) sagte der Genannte leise neben ihr und nochmals die Festigkeit des Verbandes prüfend, fügte er hinzu: „Es sollte bald heilen."

„Danke", entgegnete sie und erkannte den gleichen Akzent wie von Ryan, an dessen Seite sie sich nun drückte, denn sie zitterte immer noch leicht am ganzen Körper, wusste nicht, ob dies vom Schock des Kampfes oder von der Verletzung herrührte.

Jedoch spürte sie, dass ihr bei den Elben keine Gefahr drohte. Vorhin, mit dem ‚Shefrofraigh' gehend dachte sie pausenlos darüber nach, wie sie auf die erste Begegnung mit weiteren Elben reagieren würde oder diese auf sie, denn sie trafen ungern auf Menschen. Doch jetzt war alles anders gekommen und sie fühlte sich bei ihnen sicher.

Die beiden dunkelhaarigen Elben waren nochmals weg gewesen und Alena wollte gar nicht genau wissen, was sie erledigt hatten, denn sie bemerkte jetzt, dass die toten Orks verschwunden waren.

Eine jähe Aufbruchsstimmung machte sich breit und schon saßen Elmaethor und Ellas auf ihren ungezäumten und sattellosen Pferden. Alena wartete, bis Ryan auf Dheas saß, setzte sich danach hinter ihn und legte ihre Arme um seinen Körper. Hoffnungsvoll drückte sie ihn an sich, als wolle sie ihn nie wieder los lassen, und langsam fiel der Schrecken von ihr ab und sie atmete tief durch.

Giliath führte vor ihnen den kleinen Trupp an, trug auch die Lampe und der Weg war vorerst noch sehr schmal und von dichten Büschen umringt, sodass sie Pferde fast schon hindurchschlüpfen mussten. Sicheren Schrittes führten sie ihre Reiter immer tiefer in den nächtlichen Wald.

Längere Zeit sprach keiner ein Wort, Müdigkeit breitete sich in Alena aus und der Schmerz ihrer Wunde wurde stärker. Besorgt blickte sie auf Ryan. Wie würde es ihm wohl ergehen, jetzt, wo die ganze Anspannung abfiel? Er wirkte sehr müde, doch irgendwie schien es ihm tatsächlich bereits etwas besser zu gehen. Zufrieden über diesen Verlauf folgte sie gedankenverloren dem angenehm schimmernden Licht in Giliaths Hand.

Langsam kamen sie wieder auf ihr bekannte Wege in Richtung des großen alten Sees. Ryan unterbrach die Stille, drehte den Kopf leicht zu ihr nach hinten und sprach leise: „Dieser Elb dort vorne, Giliath, ist mein kleiner Bruder."

Erstaunt blickte sie ihn mit großen Augen an, als er lächelnd hinzufügte: „Ich... war auch etwas überrascht, also wundere dich nicht. Ellas ist mein bester Freund. Wir gingen schon gemeinsam durch dick und dünn."

Nach einer Weile fragte Alena etwas, dass sie nun sehr beschäftigte.

„Kannst du dich jetzt an deine gesamte Familie erinnern? Bist du eigentlich so was wie verheiratet, sofern es das bei euch gibt?"

In dem schwachen Licht, konnte sie seine Reaktion darauf nicht erkennen.

„Du kannst dich an diese Dinge nicht mehr erinnern, hanan Ithildin?", unterbrach Ellas sie neugierig, der hinter ihnen aufgeholt hatte.

„Die Erinnerung an meine Verletzung ist wie ausgelöscht", sagte Ryan zu ihm gewandt, „aber sonst bin ich wieder euer selbe hanan wie vorher", meinte er noch mit einem Lächeln behaftet.

„Die Orks griffen unser Lager zwei Tage vor dem Mittsommerfest an, gleich nachdem wir hier eintrafen. Es war von den Abtrünnigen sicher schon lange geplant gewesen", erklärte Ellas weiter.

Ryan drehte sich mit einem entsetzten Ausdruck abermals zu ihm um.

„Aber die alten Friedensverträge?"

Ellas zuckte mit den Schultern.

„Dies heute waren die letzten Orks, die den Frieden gebrochen hatten. Das versicherte uns zumindest der Führer der Orks. Es ging ganz schön rund bei uns", erklärte Ellas weiter und Ryan bemerkte traurig: „Ich kann mich an diesen Tag absolut nicht mehr erinnern, aber an drei Orks die unseren Weg kreuzten erinnern wir uns leider sehr genau."

Alena senkte betroffen ihren Blick. Diese Nacht um Peters Tod würde sie nie mehr in ihrem Leben vergessen.

„Giliath wurde unser hanan, als du weg warst. Er hat dich würdig vertreten."

Dieser hatte am Weg gewartet und nun auf sie stoßend sagte er in leicht befehlendem Ton: „Ellas, wir wollen jetzt nicht über alle Details dieses dunklen Tages sprechen."

„Ja, hanan."

Er nickte und ließ sich sogleich zurückfallen.

Etwas über die Handlung seines Bruders irritiert, wollte Ryan ihn deshalb zur Rede stellen, doch er war sehr müde und würde noch früh genug alles darüber erfahren.

„Du hast dem Sohn der Königin das Leben gerettet", berichtete ihm Giliath weiter, ehe er sein Pferd antrabte und wieder den Platz an der Spitze des Zuges einnahm.

Ryan erwiderte darauf nichts, wusste mit den genannten Ereignissen nichts anzufangen und zu viele Gedanken jagten eben durch seinen Kopf.

Alena blickte auf Ellas, der nochmals an ihrer rechten Seite aufgetaucht war und grinsend flüsterte: „Ithildin, Aeldirdhron ú-moetha edaved cen", um danach wieder zu Elmaethor zurückzufallen.

Nun wieder alleine, schüttelte Ryan den Kopf und atmete tief durch.

Alena blickte zu ihm.

„Was hat er gesagt?"

„Er meinte, Aeldirdhron würde mir das nie verzeihen."

Auf Alenas fragenden Blick erklärte er weiter.

„Wir mögen uns nicht besonders..."

„Oh!"

Nach einer Weile wurde Alena nochmals neugierig.

„Dein Name, Ryan,... ist Ithildin?"

Lächelnd erwiderte er: „Er ist ungewohnt für dich, aber auch noch immer für mich."

„Er klingt sehr schön. Und warum nennen sie dich auch hanan?"

Hanan bedeutet soviel wie der ‚Herr der Verteidigung', ich kenne euren Namen dafür nicht. Das ist jedenfalls ein Teil meiner Männer."

„Kein Wunder, dass du so gut kämpfen kannst und sie scheinen dich sehr zu mögen. Ich denke, man würde dich bei uns als ‚Hauptmann' bezeichnen."

Ihr Ryan war somit ein wichtiges Mitglied seiner Sippe, hatte sogar den Königssohn gerettet und wurde von diesen Männern hier geachtet. Stolz drückte sie sich wieder fester an ihn. Nur ein Gedanke ließ sie nicht mehr los. Er hatte nicht mehr gewusst, dass er einen Bruder hatte. Was, wenn er wirklich eine Frau hatte und sich an sie einfach auch nicht mehr erinnern konnte?

Aber was hast du erwartet, schimpfte sie sich selbst.

Steltael hatte ihr gesagt, er lebte bereits schon sehr lange. Dachte sie, er wäre die ganze Zeit alleine geblieben? Verbissen verdrängte sie diesen Gedanken wieder, freute sich, dass ihm nun bald geholfen wurde und dann würde wieder alles gut werden. Wieder zu einem leichten inneren Lächeln gefunden fühlte sie sich fast schon aufgeregt vor den noch bevorstehenden Ereignissen.

Wie sie wohl aussieht, seine Frau?, drängte sich unaufhaltsam doch nochmals der Gedanke in ihr auf und abermals schalt sie sich dafür.

Fast geräuschlos schritten die Pferde immer weiter auf dem nach Norden führenden Weg. Der Regen hatte bereits aufgehört und die Wolken verblassten langsam am nächtlichen Himmel. Der Wald lichtete sich immer weiter, die hohen Kieferbäume wirkten wie ihnen freundlich gesinnte Weggefährten, am Rande begleitend und nach oben blickend entdeckte Alena zwischen den Baumspitzen die funkelnde Pracht der Sterne hindurchschimmern und zum ersten Mal fühlte sie sich hier, wie in eine andere Welt versetzt, denn sie ritt im Wald mit Elben, mit den sagenumwobenen Wesen vom alten ‚Volk der Sterne'.

°

Nach einiger Zeit ließ sich Giliath zu ihnen zurückfallen und deutete Ryan mit einem Kopfnicken, dass sie sich ihrem Ziel näherten. In der Ferne schimmerte zwischen den hohen Bäumen bereits das schwache Glitzern des großen Sees. Alena wollte hier immer schon einmal nachts bei Mondschein herkommen. Derzeit war jedoch Neumond und die Sterne schienen umso klarer hoch am Firmament und reflektierten ihre Lichter, wie in zarten Wogen auf der Oberfläche des dunklen Wassers.

Leise beschlich Alena nun doch ein nervöses Gefühl. Wie würden sie die Elben empfangen und würde sie nun gleich wieder zurückkehren müssen? Unwillkürlich drückte sie sich noch fester an Ryan und ein drohendes Gefühl von beginnender Panik stieg in ihr hoch. Sie würde ihn bald nicht mehr so in ihren Armen halten können.

Nein, denke nicht weiter, Alena! Es ist noch nicht vorbei, denn jede Minute zählt, beruhigte sie sich selbst.

„Alles in Ordnung mit dir?", fragte Ryan leise, der ihre Aufregung bemerkt hatte.

Schnell entgegnete sie: „Ja, alles wieder in Ordnung. Ich bin nur aufgeregt."

Leicht neigte er den Kopf zu ihr nach hinten und lächelte.

„Ich ebenso."

Dann brachen sie durch die letzten Baumreihen hindurch und verschreckt stoben einige Hirschkühe mit ihren Kälbern von den zarten Grasflächen am Seeufer in den schützenden Wald zurück. Der nun sanft spürbare Wind spielte kräuselnd mit der Wasseroberfläche, wie dem zarten Zupfen auf einer Harfe gleich und dumpf drangen im Hintergrund die rhythmischen Laute der nachtaktiven Waldfrösche zu ihnen durch. Trotz der Dunkelheit spürte Alena den Zauber, den dieser Ort auch jetzt in der Nacht ausstrahlte. Jeden Augenblick erwartete sie weitere Elben, doch schlugen sie den westlichen Weg, der den See umrundete, ein.

Vor ihnen ragte eine steile Felswand empor, gefolgt von dem sich von hier an erstreckenden, unwegsamem Hügelgelände, das Alena immer als die Grenze ihres Reviers ansah. Ryan betrachtete die hohe Wand, schien die Augen gar nicht mehr von ihr abzuwenden und Alena spürte, wie sich seine Muskeln anspannten.

Leise flüsterte sie zu ihm: „Wie geht es dir?"

„Besser", gab er zurück und Alena meinte noch, fast mehr zu sich selbst: „Wären wir doch damals nur ein Stück weitergegangen."

Er nickte nur.

„Erkennst du das jetzt wieder?", bohrte Alena weiter nach.

„Ja", erwiderte er schlicht, wohl zur Zeit nicht zu einer ausgiebigeren Konversation aufgelegt.

Giliath, der nur knapp vor ihnen ritt, erklärte: „Wir kommen nur für bestimmte Anlässe hier her. Morgen ist das ‚Sommer-Sternenfest', welches wir immer beim ersten Neumond dieser Jahreszeit feiern, denn dann sind die Sterne viel klarer sichtbar. Angesichts der traurigen Geschehnisse, hätte es diesen Sommer zum ersten Mal an einem anderen Ort stattfinden sollen, doch ich wollte ungedingt so bald wie möglich hier her zurückkehren, um die verbliebenen Orks zu jagen und konnte die anderen überzeugen."

Zu Ryan gewandt sprach er weiter: „Wir fanden Ellesûl erst einen Tag nach Mittsommer im Wald. Er war verwirrt und verschreckt und von Wunden übersäht, doch war es fast wie eine Bestätigung für mich, dich verloren zu haben. Jetzt wird mir einiges klar, denn da du nicht mehr wusstest, wer du warst, hat dein Innerstes alles blockiert und ich konnte nichts von dir wahrnehmen. Bei unserer Rückkehr hier her war dies anders, ich fühlte etwas von dir, konnte es aber nicht glauben."

Ryan schien ihm gar nicht zugehört zu haben, starrte immer noch auf die neben ihnen hochragende Felswand.

„Ithildin?", fragte er besorgt und Ryan drehte sich zu ihm und nickte.

„Ja, so wird es sicher zu erklären sein."

Alena kannte ihn bereits gut genug, dass sie die kaum wahrnehmbare Traurigkeit in seiner Stimme bemerkte, doch sie wollte jetzt nicht weiter fragen. Der heutige Tag und die Nacht waren schwer genug für ihn gewesen. Beruhigend plätscherte der, an der Steilwand herunterfließende, schmale Wasserfall, an dem sie eben vorbeiritten. Am Ende der Wand angelangt, bog Giliath fast wie ins dichtlaubige Nichts in nördlicher Richtung ein. Sein Pferd folgte diesem für Alena unsichtbaren Pfadbeginn, doch Dheas verweigerte die für ihn unüberwindbare Barriere.

Estelio nin, Dheas", (Vertraue mir, Dheas) beruhigte ihn Ryan mit sanfter Stimme.

Ellas schritt mit seinem Pferd an ihnen vorbei und Dheas glitt danach durch die Blätterwand, die sich wie aus Zauberhand, kaum vernehmbar zur Seite rückte und hinter ihnen wieder verschloss.

Mae carnen, meldir nîn", (Gut gemacht, mein Freund) lobte ihn Ryan.

Alena staunte nicht schlecht, welche Pfade sich hier im Verborgenen hielten, denn nun zeigte sich ein Weg auf den Hügel hinauf, den sie so sicher nie entdeckt hätte.

Ein paar Schritte weiter vernahm sie den Ruf eines Waldkauzes, nichts Ungewöhnliches für die Biologin, aber dies schien ein Zeichen gewesen zu sein. Staunend betrachtete sie die beiden Elben, die nun aus dem sprichwörtlichen Nichts traten und die Gruppe freudig begrüßten. Sogleich wurden weitere Lampen entzündet und alles erstrahlte in hellem Licht. Ihre Gewänder ähnelten dem von Giliaths Truppe nur gering. Sie trugen weite, langärmelige Tuniken, knielang mit hohen seitlichen Schlitzen und waren zudem in braungraue Schulterumhänge gekleidet, auf denen ihre fast offen getragenen, blonden Haare elegant herabfielen. Jeder von ihnen hatte einen Bogen und einen reich verzierten Köcher mit Pfeilen auf dem Rücken. Alena sah in ihren Gesichtern die Überraschung, die sie empfanden, als sie Ryan und danach Alena erblickten. Sie musste innerlich lachen ob sie sich wohl über sein oder ihr Auftauchen mehr erstaunten? Von den weiteren Gesprächen verstand sie kein Wort, es wurde aufgeregt hin und her gesprochen. Ryan, so schien ihr, hielt sich trotzdem sonderbar zurück, was sie jedoch hauptsächlich auf seinen derzeitigen Zustand zurückführte.

Der Weg wurde hier wieder etwas breiter, aber immer noch war er sehr steil und die beiden Wachen waren zu Fuß fast schneller als sie auf ihren Pferden. Zwei weitere Elben stießen hinzu und Alenas Lächeln erstarb gar nicht mehr, denn nachdem ihnen die anderen die Umstände erklärten, wurde sie mit Ryan herzlichst willkommen geheißen.

„Was heißt ‚danke'? Ich weiß es nicht mehr", fragte sie verlegen.

Hannon le", kam es mit einem Grinsen von Ryan zurück, der ihre Neugierde wieder besonders süß fand.

Eine weitere Blätterwand im dicht gewachsenem Buschwerk tat sich vor ihnen auf und wieder erkannte Alena nicht genau, wie sich diese grüne Barriere zur Seite neigte, um sich sogleich wieder zu verschießen. Steltaels Worte gingen ihr durch den Kopf, dass die Elben die Pflanzen nach ihren Gutdünken formen lassen konnten. Dieses Tor durchschritten, gab der silbrigblaue Lichtschein einen Blick auf eine märchenhafte Welt frei.

Auf dem Hügel erstreckte sich ein weites Plateau, auf denen einige auffallend große und alte Eichen emporragten. Zwischen ihnen umspannte sich ein Meer von weißen Waldhyazinthen, die immer wieder von violetten Glockennesselblumen verstreut unterbrochen wurden. Der aufdringlich süße Blütenduft stieg Alena in die Nase und in der Ferne tanzten winzige Lichter, die von weiteren Elbenlampen herrührten. Immer mehr leuchteten von diesen auf, wurden in ihrer Intensität stärker und fast tagesähnlich tauchte alles in silbrigblaues Licht. Einschmeichelnd vernahm sie leisen Gesang aus der Ferne, von hellen klaren Stimmen, dessen Art sie noch nie vernommen hatte, jedoch an die keltischen Lieder erinnerte. Alena kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als das Licht über die, wie mit einem Schleier aus Waldreben, bewachsenen Bäume streifte und ihr alles wie im Märchen erscheinen ließ. Üppige Flechten hingen von den Ästen herab und ließen die Bäume dadurch sehr alt und fast schon weise wirken.

Der Trupp näherte sich einer kleinen Gabelung, wo sie auf weitere Pferde trafen. Alena erkannte deren helle Farben, zarte Brauntöne sowie auch einige Isabellen und deren Schecken. Allen war ein zarter Körperbau zu eigen und sie schienen bereits zu ruhen, so still standen sie locker in einer Herde zusammen. Dheas schnaubte aufgeregt, aber sie beachteten ihn nicht.

Das Gefolge stieg ab und Alena drückte sich unwillkürlich näher an Ryan. Sie war voller Aufregung, doch fühlte sie in jeden entgegengeworfenem Blick, wie fremd sie hier war und merkte, dass einige vor ihr fast zurückschreckten, sich jedoch über Ryans Auftauchen freuten und aufgeregt tuschelten.

Mit ebensolcher Neugierde betrachtete sie die Elben, als sie weiter zu der Lichtung schritten, wo in der Ferne viele kleine Lichtpunkte erstrahlten. Die Kleidung der Elben variierte, doch allen war ein wallendes, weites Aussehen zu eigen. Bei den Haarfarben dominierte ein dunkles Braun, zu dem sich verstreut einige blonde Schöpfe mischte. Zu viele Eindrücke stürzten auf sie ein, doch erkannte sie in jedem der elbischen Gesichter schöne und alterlose Züge. Ryan und Giliath wirkten fast schon groß und kräftig gegenüber manchen hier, die eher wie Ellas, der jetzt neben Ryan und ihr ging, etwas zarter gebaut waren.

Eine dominierende Stimme erhob sich plötzlich aus der Menge.

„Ithildin! Mas deri e?" (Ithildin! Wo ist er?)

Alena schluckte, als sich eine großgewachsene Elbe vor ihnen in den Weg stellte und sich unübersehbar von allen anderen abhob. Ihr langes weißes Gewand fiel wie aus schwerer Seide von ihr herab und ihr goldenes Haar war einzigartig hier zu sehen, denn die Länge ihrer wallenden Locken reichte weit über ihre Hüften.

Ryan ging einige Schritte auf die Elbe zu und Alena wurde von Giliath aufgehalten, denn sie merkte nicht, dass alle anderen stehen blieben.

„Aeleniëll, heryn nîn." (Aeleniëll, meine Herrin)

„Ithildin!"

Der erstaunte und ungläubige Ausspruch seines Namens und ihre strahlenden Augen drückten eindeutig ihre empfundene Freude über seine Rückkehr aus.

Im meren, oh adceni gen." (Ich freue mich, dich wiederzusehen.)

Plötzlich stürmte ein kleiner Junge herbei, lief mit offenen Armen auf Ryan zu, der sich sogleich zu ihm hinunterbeugte.

„Ithildin, Ithildin", und fast schon schmiss er den großen Hauptmann um, so sehr ließ er sich schwungvoll in seine Arme fallen. Ein Raunen ging durch die Menge und Ryan freute sich sichtlich über diesen stürmischen Empfang des Prinzen.

Mas pannannech? Le abdollen", (Wo bist du gewesen? Du kommst spät.) sagte der kleine Elb mit trotziger Stimme, dann sah er Alena und erschrocken wich er hinter Ryan, um sich zu verstecken.

Ú-moe gostach gen, Tinnu. E meldis nîn."(Du brauchst dich nicht zu fürchten, Tinnu. Sie ist eine Freundin von mir.)

Die Elbenherrin trat nun vor und betrachtete die Fremde genauer. Giliath hatte Alena bis jetzt alles übersetzt, so war sie im Bilde, wer nun vor ihr stand. Ryan erklärte Aeleniëll, dass er seine Rettung Alena zu verdanken hatte.

Die Königin trat noch näher und sprach: „Hannon le, adandî." (Danke, Menschenfrau.)

Alena nickte mit dem Kopf und war immer noch von ihrem strahlenden Äußeren fasziniert. Ihre großen Augen waren von einem intensiven Blau, dass in dem silbrigblauen Licht noch stärker betont wurde und sie wirkten sehr tiefgründig, sehr weise. Auch ihr Gesicht zeigte keine Spur eines Alters, dass für eine Königin angemessen wäre.

Die Aufmerksamkeit der Herrin wurde von einem sehr großen, dunkelhaarigen Elb abgelenkt, der eben Ryan begrüßte. Noch immer den kleinen Prinzen auf dem Arm, schenkte ihm dieser jedoch nur eine knappe höfliche Form des Dankes.

Ellas flüsterte belustigt an Alenas Seite: „Das ist Aeldirdhron, der Leibwächter des Prinzen."

„Oh", meinte Alena, die jetzt den Zusammenhang mit ihm verstand.

Die Königin richtete sich an den großen Elb.

Man pennich men? Ú-adcennich ellon maewain nan!" (Was hast du uns erzählt? Ich hätte fast meinen besten Mann verloren!)

Der Angesprochene senkte den Blick und als die Königin sich wieder Ryan zuwandte, verschwand er in der Dunkelheit.

Ryan hob Tinnu wieder auf den Boden und die aus rund zwanzig Elben bestehende Menge, lockerte sich nun auf und Alena kam in Begleitung von Ellas zu ihnen, der ihr die Worte der Königin weiter übersetzte. So erfuhr sie auch von ihrer Weigerung die Englische Sprache zu sprechen seit sich die Menschen vom spirituellen Weg abwandten. Nach weiteren Worten entfernte sich die Königin langsam mit ihrem Sohn.

Alena drückte ihre Hand auf die schmerzende Wunde am Arm und spürte, dass sie sich bald nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Ryan bemerkte dies, zog sie sanft zu sich und nahm dabei ihre Hand in seine.

„Giliath!", rief er zu dem, bei ein paar Elbinnen entfernt stehenden Bruder, der sogleich zu ihnen kam.

Zu Alena gewandt flüsterte er: „Wir beide sollten jetzt ruhen. Ich fühle mich auch nicht mehr so gut."

Ryan spürte bereits wie ihm leicht schwindlig wurde.

„Pass mir auf Alena auf!", sagte er und ergriff Halt suchend den Arm seines Bruders.

„Giliath, bring' mich bitte weg", sagte er leise und blickte im nächsten Moment in die Augen der Königin, die nochmals zu ihnen zurückgekehrt war.

Anno gen vi laisgar, si!", (Bringt ihn in ein laisgar, sofort!) befahl sie mit kräftiger Stimme.

Lhaew ech, Ithildin", (Du bist krank, Ithildin) sagte sie nun sanft und Alena spürte, dass seine Hand in ihrer leicht zitterte, doch er ließ ihre nicht los.

Sie führten Ryan und die anderen zum Rande der Lichtung und hielten vor einigen, stark mit Waldreben überwucherten, Föhren. Die Herrin bewegte mit ihrer Hand das dichte Blattwerk zur Seite, ohne es zu berühren.

Noch mehr staunte Alena, als sie nach innen traten. Hinter dieser elbischen Blättertüre verbarg sich etwas für sie total Unerwartetes. Sie standen in einem verhältnismäßig großen Raum, in dem sich glänzend seidene Stoffe und Vorhänge ausgebreiteten. Schummrig warmes Licht drang aus den Ecken hervor und am Ende stand eine gemütliche Bettstatt eingerichtet.

Alena nahm dies nur am Rande wahr, denn ihre Sorge galt ausnahmslos Ryan, der sich schwer auf dieses Bett fallen ließ, die Augen schloss und fast unbemerkt nochmals Alenas Hand ergriff. So sehr hatte sie gehofft, dass dies nun vorbei war. Die Königin trennte beide sanft und sprach zu ihm, legte eine Hand auf seine Brust beim Herzen und die andere auf seine Stirn. Ryan zuckte einmal leicht und Giliath übersetzte nun nichts mehr, sah nur sorgenvoll auf seinen Bruder und flüsterte Alena zu: „Er war zu lange von uns getrennt. Wir haben das schon einmal erlebt."

Nach einem scheinbar langen Moment spürte Alena seine Hand auf ihrer und blickte erschrocken auf. Giliath zog sie sanft von beiden weg und sein Ausdruck war nun beruhigter.

„Die Herrin kann ihm helfen, mach' dir keine Sorgen mehr. Komm, ich führe dich zu deinem Schlafplatz."

Ungläubig sah ihn Alena an.

„Komm, es geht ihm gut und glaube mir, er wird uns schon bald wieder herumkommandieren. Das konnte er schon immer gut", fügte er schmunzelnd hinzu.

Alena wusste nicht, ob sie nun weinen oder lachen sollte. Sie drückte dankbar Giliaths Hand und blickte sich nochmals nach Ryan um, der jedoch die Augen geschlossen hielt.

Die Königin sprach weiter leise Worte, während beide das laisgar verließen und dem draußen wartenden Ellas berichteten.

„Du hast dich verändert, Ithildin. Ich kann es spüren", flüsterte die Königin. „Du wirst dich noch weiter ändern, mein hanan. Aber jetzt schlafe und möge Elbereth dir einen schönen Traum schenken."

Mit diesen Worten trat nun auch die Königin aus dem laisgar und rauschte mit wehendem Gewand an ihnen vorbei, ohne sie anzusehen.

Alena wollte nochmals zu Ryan zurück, doch Giliath hielt sie auf.

„Nein, er ruht jetzt sicher schon. Es geht ihm gut. Vertraue mir, Alena."

Sie nickte und bemerkte, dass inzwischen nur mehr wenige der silbrigblauen Lichter leuchteten und fast keine Elben mehr zu sehen waren.

„Wo sind alle hin?"

„Sie sind zum See, doch ich empfehle dir, jetzt zu ruhen. Die Müdigkeit steht schon allzu deutlich in deinem Gesicht zu lesen. Bei euch Menschen sieht man das immer so genau", meinte er lächelnd.

Alena hatte noch nie darüber nachgedacht, wie sich Elben die Menschen vorstellten, aber anscheinend kannte Giliath andere ihrer Art. Sie würde da wohl noch einige neugierige Fragen stellen müssen und freute sich jetzt auf den nächsten Morgen.

Giliath flüsterte vor dem nebengelegenen laisgar kaum zu vernehmende Worte und erklärte danach: „Berühre einfach ein Blatt, es wird nun auch auf dich hören."

Alena probierte es sogleich und der Vorhang aus zarten Zweigen und dichten Blättern schwang lautlos zur Seite. Von außen würde man es nie als eine Art Behausung erkennen.

„Wasser und etwas zu Essen findest du im inneren. Wie geht es deiner Wunde?"

Er kontrollierte den Verband.

„Es tut etwas weh, aber sonst geht es mir gut."

Prüfend sah er ihr in die Augen.

Er hat die gleichen strahlenden Augen, wie Ryan, bemerkte sie dabei zum ersten Mal.

„Wenn du etwas benötigst, dann brauchst du hier nur meinen Namen zu sprechen, ich bin in deiner Nähe und werde sofort kommen. Ruhe wohl, Alena, Freundin von Ithildin. Mögen dir schöne Träume zuteil werden."

Hannon le, Giliath, Bruder von Ithildin."

Sie winkte ihm noch kurz, als er sich noch einmal zu ihr umdrehte.

Das warme, gedämpfte Licht im Inneren ließ sie noch müder werden und nach ein paar Schluck Wasser, welches in einem, mit zartgeschwungenen Linien verzierten Krug und Becher auf einer Truhe stand, ließ sie sich auf dem Bettlager nieder. Sie legte den feuchten Pullover und die ebenso vom Regen nass gewordene Jeans ab und spürte dabei, dass die Hosentasche leer war.

Mist! Ich habe mein Handy verloren, dachte sie etwas deprimiert.

Sie wollte es morgen gleich suchen, wobei es wohl beim Kampf verloren ging. Sie schlüpfte unter die Decke. Ein Stoff wie aus Seide umhüllte sie, fühlte sich angenehm warm und zugleich kühl an und eigentlich wollte sie noch die Deckenkonstruktion genauer betrachten, denn es schien ihr, als bestünde diese ebenso aus dicht aneinandergereihten Blättern.

Es hat uns keine Frau von ihm begrüßt, vielleicht gibt es doch keine?, dachte sie noch und weiter kam sie nicht mehr mit ihren Gedanken, glitt sofort in einen erholsamen Schlaf hinüber.

°

Irgendwo in der Ferne sang ein Vogel.

Ist das eine Walddrossel oder doch eher ein...?

Alena schlug langsam die Augen auf, verwarf ihren biologischen Forscherdrang sogleich wieder und blickte auf die grüne Blätterdecke, die sich im schwach eindringenden Licht nur schemenhaft abzeichnete.

Es roch hier so gut.

Ein wunderbarer, süßer Duft stieg in ihre Nase und sie drehte suchend den Kopf nach der ausströmenden Quelle und wurde sogleich fündig.

„Wilder Honigklee!", flüsterte sie zu sich selbst, als sie einen kleinen Buschen davon an der Wand hängen sah.

Das austretende Melilotosid bewirkte bei der Trocknung diesen unverwechselbar süßlichen Cumaringeruch, der wie frisches Wiesenheu und Waldmeister roch, den Alena so sehr liebte.

Langsam setzte sie sich auf dem bequemen Bettlager auf. Der seidene Stoff umschmiegte sie noch immer wärmend und ihre Finger strichen über ihn, versucht dabei den Ursprung des verwendeten Materials zu erkennen.

„Hast du gut geschlafen, meine kleine Alena?"

Sie erkannte seine Stimme sofort, erschrak jedoch trotzdem ein wenig. Es war Ryan, der regungslos auf dem mit dunklem Stoff ausgelegten Boden saß, die Arme um die Knie gelegt und sie aus der dort noch herrschenden Dunkelheit heraus anblickte.

„Wie lange bist du schon hier?", fragte sie leise und zog die Decke etwas über ihren nur spärlich bekleideten Oberkörper.

„Seit der Morgendämmerung."

In seiner Stimme lag ein fast lauernder Tonfall.

„Wie spät ist es?"

Leicht lächelnd antwortete er: „Wir benützen keine Uhren wie ihr, aber es ist kurz nach Sonnenaufgang."

Alena wurde unter seinem beobachtenden Blick unsicher.

„Ah, noch so früh. Wie geht es dir heute?"

„Gut", sagte er leise, stand dabei langsam auf und setzte sich zu ihr und vorsichtig ihren verletzten Arm in die Hand nehmend fragte er: „Tut es sehr weh?"

„Nein, ich spüre es noch kaum", wunderte sich Alena selbst.

„Es wird heute sicher bald wieder schmerzen. Wir werden nochmals Heilsalbe auftragen."

Sein Gesicht war dem ihren nun sehr nahe, aber sie konnte nicht aus seinem Ausdruck lesen. Er sah unentwegt in ihre Augen, mit einem Blick, den sie von ihm wenige Male vernommen hatte. Durch das schwach eindringende Morgenlicht erschienen seine Augen sehr dunkel und das neue Gewand, das einer aus samtartig blaugräulichem Stoff gefertigten Robe glich, bewirkte einen edlen, fast fremdartigen Eindruck von ihm. Alena fühlte, wie sie bei diesem Blick nahezu hilflos wurde.

Was hat er denn vor, fragte sie sich noch, ehe sie seine Hände auf der Haut ihrer Arme spürte und sich danach seinem sanften Kuss ergab.

„Ryan", hauchte sie, doch ließ er keine Unterbrechung zu, zog sie ganz nah an sich heran und sie spürte eine nie erkannte Leidenschaft in seinen weiteren Berührungen.

Nochmals drang sein dunkler Blick tief in ihre Augen und ohne ein Wort zu verlieren küsste er die zarte Haut auf ihrem Hals, ließ sie dabei hilflos erschaudern um dann abermals ihre Lippen zu vereinen.

Alena verfiel dem Zauber dieses Moments und vergaß wo sie war, fühlte nur ihr wild pochendes Herz, vernahm die sich ihr aufdrängende Wärme seiner Nähe und den betörenden Duft. Unter seinen fordernden Küssen strich sie mit ihren Fingern an den Verschlüssen seines Gewandes entlang, wollte ihn sehnsüchtig berühren, seine Haut mit ihren Händen erfühlen und seinen Duft völlig in sich aufnehmen. Erfolgreich öffnete sie die seitlich angebrachten Bindungen, streifte den weichen Stoff zurück und wurde von ihm mit sanftem Druck aufgehalten.

Wortlos stand er auf um sich der Robe ganz zu entledigen, sie dabei nie aus den Augen lassend. Sein darunter getragenes, seidenes Hemd umschmeichelte halboffen seinen muskulösen Oberkörper. Alena ließ sich auf das Lager zurückfallen, streckte die Arme nach Ryan aus, der sich zu ihr hinabbeugte und diese wunderbaren, hauchzarten Küsse über ihr Gesicht und ihren Hals verteilte, die sie wie Flügelschläge von Schmetterlingen berührten.

„Alena, melethril", flüsterte er und sie fühlte seinen heißen Atem und seine Hände über ihren Körper entlang gleiten.

Alles um sie vergessend vernahm sie keine der aufgeregten Stimmen, die von draußen hereindrangen. Ryan hob den Kopf, horchte auf die Worte und Alena wurde nun auf den Lärm aufmerksam und fragte neugierig: „Was ist da draußen los?"

Sich wieder völlig ihr widmend sagte er, zwischen zwei Küssen: „Ein Hund... irgendwer sagte etwas... von einem Hund."

Seine Finger glitten spielerisch über die Ränder ihres kurzen Tops, berührten immer leicht die darunter empfindsame Haut. Die Geräusche draußen wurden lauter und Alena blickte ihn fragend an.

Hanan!", hörte man es nun deutlich rufen.

Ryan blinzelte, sah sie resignierend an und rollte sich seufzend neben Alena auf den Rücken.

„He, mein hanan, man ruft nach dir", sagte sie lächelnd und stupste ihn verspielt in die Seite.

„Ithildin!", schallte es nun aus direkter Nähe kommend.

„Das ist Giliath", flüsterte Ryan und schnell war er aufgestanden und horchte am Eingang ob dieser näher kam.

Alena setzte sich auf und musste schmunzeln, da er anscheinend ein kleines Versteckspiel hier bei ihr machte und nicht gesehen werden wollte. Ob Elben hohe moralische Vorstellungen hatten? Sie fand es irgendwie lustig.

„Alena?", fragte jemand leise vor dem Eingang.

Ryan drückte sich in die Dunkelheit des Raumes und deutete ihr ein flehendes ‚nein' zu. Schnell versteckte sie seine bei ihr liegende Robe unter der Decke.

Nach einer Weile huschte er zum Ausgang, warf ihr noch einen gehauchten Kuss zu und verschwand durch die sich öffnende Blätterwand.

Er hatte in der Eile seine Robe vergessen und Alena zog diese unter der Decke hervor. Sie fühlte sich noch warm an und Alena hob sie an ihr Gesicht, nahm seinen darin anhaftenden Geruch war und spürte noch immer seine kaum verblassenden Küsse und die zarten Berührungen auf ihrer Haut, die ihren gesamten Körper auf sinnlichste Weise erschaudern ließen. Alena rollte sich mit seiner Robe in den Armen auf die Seite, schloss die Augen und wollte nur noch ein wenig auf den Pfaden ihrer sehnsüchtigsten Tagträume verweilen.

°

Ryan trat aus dem Dickicht neben seinem laisgar hervor, als ihm Giliath gerade entgegen kam.

„Da bist du ja! Wir haben dich schon gesucht."

„Warum?", fragte er scheinbar völlig ahnungslos.

„Es ist ein Hund am See aufgetaucht und du sagtest mir, dass Alena einen großen, struppigen Hund hat."

Ryan horchte auf. Könnte es tatsächlich möglich sein, dass Giant ihnen gefolgt war? Giliath erklärte weiter.

„Ich war auch schon bei Alena, wollte sie jedoch noch nicht wecken. Beeile dich, denn man befürchtet, dass ihm Menschen folgen könnten. Ellas ist bereits auf der Klippe."

Giliath folgte Ryan, der mit schnellen Schritten zum Ende der Lichtung ging, den dahinter liegenden Platz der Pferde passierte und die geringe Entfernung zur Klippe des steilen Hanges lief. Ellas und zwei weitere Elben standen mit bereiten Bögen vor dem Abgrund und deuteten auf das dunkelgraue Tier, dass sich am von hier oben erkennbaren Seeufer entlang bewegte. Ryan trat näher an den Felsrand um ihn deutlicher sehen zu können.

„Das ist Giant, Alenas Hund", rief er leise aus.

Ellas kam zu ihm und fragte: „Sollen wir ihn holen? Dort unten lockt er vielleicht noch Menschen an, die glauben er hätte sich verirrt."

„Ja, ich komme mit, denn... er... kennt..."

Ellas blickte auf Ryan, der plötzlich eigenartig langsam sprach und jetzt scheinbar erstarrt auf den Abgrund der Steilwand hinab blickte. Er atmete schneller und griff im nächsten Moment nach Ellas' Hand.

Giliath trat neben sie.

„Bring ihn weg, Ellas!"

Dieser versuchte ihn sogleich fortzuziehen, doch Ryan sträubte sich, blickte nur entsetzt in seine Augen.

„Ithildin, lass' uns zu dem Hund gehen", sagte dieser mit beruhigender Stimme und Ryan blinzelte, sah um sich, wie aus einem Traum aufgewacht.

„Ja, gehen wir. Ich hole nur schnell meinen Umhang", war seine einzige Reaktion.

Sie sahen ihn in Richtung Lager verschwinden und Giliath wandte sich an Ellas.

„Wir müssen mit ihm reden, so kann es nicht weiter gehen. Es kann ihm ohnedies niemand abnehmen."

„Ja, aber ich bin dafür, ihm noch etwas Zeit zu lassen. Er hat genug durchgemacht", antwortete Ellas nachdenklich und beide folgten ihrem hanan und gemeinsam gingen danach sie zum See um der Suche des Hundes ein Ende zu setzen.

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Der Blättervorhang des laisgar schwang zur Seite und ehe Alena reagieren konnte stürmte Giant auf sie zu.

„Giant", rief sie überrascht aus und konnte sich der überschwänglich freudigen Begrüßung des Irish Wolfhounds kaum erwähren.

„Ja, ist ja schon gut", rief sie unter Lachen.

Giants Rute schlug wild hin und her, seine Hundeaugen strahlten und er sprang auch nochmals an Ryan hoch, der neben dem, nun wieder verschlossenen, Eingang stand und Alena erklärte: „Er ist uns tatsächlich nachgelaufen. Wollte wohl nicht ohne sein Frauchen sein? Zum Glück haben meine Männer ihn entdeckt."

Alena sprang auf, schlüpfte in ihr restliches Gewand und gab Ryan einen Kuss.

Hannon le", hauchte sie und nahm sein daraufhin sanftes Lächeln freudig entgegen.

„Hast du Hunger? Ich werde uns etwas besorgen. Die schönsten Momente des Tages sind bereits vorbei und ich will dir noch Ellesûl vorstellen. Komm, gehen wir schnell vorher noch zu den Pferden."

Beide verließen mit dem vor Freude herumhüpfenden Giant Alenas laisgar und schlugen den Weg zu den Pferden ein. Die ihnen begegneten Elben reagierten auf Giant alle freudig und manch einer streichelte sogar über seinen Kopf.

Sie haben einen tiefen Bezug zur Natur, dachte Alena und diese Tatsache erwärmte ihr Herz über die Elben mehr den je.

Welch' außerordentliche Wesen sie doch sind, dachte sie noch weiter und beobachtete Ryan, wie er den anderen etwas über Giant berichtete.

Sie verstand nichts davon, aber er deutete immer wieder auf ihren Hund und dabei befand sich ein sanftes Lächeln in seinen Augen.

Giliath trat zu ihnen herbei und nach einigen gewechselten Worten, meinte Ryan zu ihr: „Giliath will mit mir noch schnell etwas besprechen. Du kannst ja derweilen bei Dheas auf mich warten, den Weg kennst du sicher noch."

„Ja, das war nicht schwer, so viele Abzweigungen habe ich hier noch nicht entdeckt", antwortete Alena und marschierte mit Giant los.

Ryan folgte Giliath zu einem ruhigen Platz am östlichen Rande des Festlagers. Giliath holte etwas aus seiner Tasche und überreichte dies Ryan mit den Worten: „Aeldirdhron hat es an der Stelle gefunden, wo dich die Orks angriffen. Ich wollte es dir gestern bereits zurückgeben."

Ryan blickte auf das Schmuckstück in seiner Hand und dann auf Giliath.

„Ich dachte schon, ich hätte es für immer verloren."

„Das dachte ich auch über dich. Der Gedanke war einfach nur schrecklich."

Sein Tonfall wurde immer bedrückender und Ryan wunderte sich ein wenig, angesichts dessen, dass er nun wieder heil vor ihm stand.

„He, Brüderchen. Du würdest es auch ohne mich schaffen. Denk an die kleine Éleg, die ihren Papa doch so liebt. Wo sind übrigens Tawariel und Éleg? Ich hab' sie noch nicht gesehen."

„Sie kommen bald zurück, sie sind mit Lostithenniel unterwegs um Kräuter zu sammeln, die nur hier wachsen."

„Gut, dann... danke ich dir nochmals. Ich muss jetzt schnell weiter. Alena wartet bereits bei den Pferden, denn ich will ihr Ellesûl zeigen."

Kopfschüttelnd und nun etwas verzweifelt hielt Giliath seinen Bruder auf.

„Warte! Da ist noch etwas, dass du erfahren musst."

Ryan sah ihn fragend an.

„Es ist noch etwas passiert an diesem Tag und du scheinst es komplett aus deiner Erinnerung verloren zu haben."

Für ihn fast unbemerkt zuckte Ryan leicht zusammen.

„Bei dem Angriff der rebellierenden Orks wurde noch jemand..."

Ryan unterbrach ihn jäh mit einer Handbewegung.

„Ich werde mir das ein anderes Mal anhören. Ich muss jetzt zu Alena."

Hastig ging er zum Weg, der aus dem Lager führte. Giliath lief ihm nach, ergriff schnell seinen Arm, sodass Ryan stehen bleiben musste. Der ihm entgegengeworfene finstere Blick seines älteren Bruders ließ ihn zurückschrecken.

„Ich sagte, ich werde jetzt gehen!", entgegnete Ryan in einem ungewohnt drohenden Tonfall und löste sich aus Giliaths Griff.

„Ithildin, du weißt es doch schon längst und lässt es nur nicht zu!", rief er ihm noch nach, doch Ryan war bereits zu weit fortgelaufen.

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Alena streichelte Dheas, der genau wie alle anderen ungezäumt auf der kleinen Lichtung stand, die extra für die Pferde reserviert war. Er schien sich hier sehr wohl zu fühlen, denn bei ihrer Ankunft hatte er sie kaum beachtet. Er fraß genüsslich von dem vor ihnen ausgebreitetem Futter, welches nur von saftigen Wiesen vom Waldrand stammen konnte, denn hier im Wald wuchsen eher spärliche Arten. Sie betrachtete die bunten Wiesenblumen, die sich darin befanden, als Ryan lautlos hinter ihr auftauchte. Er drückte sie sogleich fest an sich, fast, als wollte er sie nie mehr loslassen. Alena kam es vor, als würde er ‚halt mich fest' damit zu ihr sagen wollen und sie genoss diese Zärtlichkeit, war aber auch leicht verwundert, denn sonst machte er dies nie so intensiv und war in diesen Dingen bis jetzt eher zurückhaltend gewesen.

„Ryan, sieh mich an, du hast doch etwas? Was ist los?", fragte sie, als sie voneinander abließen.

Er sah ihr direkt in die Augen. Das an diesem romantischen Platz einfallende Sonnenlicht ließ seine strahlenden blauen Augen noch intensiver erscheinen. Alena kannte seinen Blick bereits sehr gut und vermochte darin einiges zu lesen.

„Ryan... ich glaube du solltest mit jemanden hier über den Hergang deiner Verletzung sprechen. Weißt du denn schon wie es damals geschah?"

Sein Ausdruck wirkte kurz sehr überrascht, wich danach einer Art von Überschwänglichkeit.

„Nein, ich will keine Minute von unserer Zeit mehr verschwenden. Ich muss dir noch etwas geben."

Und schon strahlte Alena wieder sein umwerfendes Lächeln entgegen.

„Öffne deine Hand", sagte er leise, während er etwas aus seinem dunklen Umhang hervorholte.

Mit einem derart liebevollen Blick, der Alena einfach alle vorherigen Gedanken vergessen ließ, legte er ihr etwas in ihre Hand, verschloss sie danach mit sanftem Druck und wartete mit lächelnden Augen auf ihre Reaktion.

Die Hand öffnend erblickte Alena ein kleines zartes Schmuckstück, welches einen weißsilbrig glänzenden Halbmond auf einer zartgliedrigen Kette hängend darstellte. Alenas Augen wurden immer größer.

„Das ist wunderschön."

„Es wurde aus Silber und ithildin, einer alten Form der Metalllegierung gefertigt, die heutzutage nicht mehr hergestellt werden kann. Wenn du es bei Mondschein oder Sternenlicht trägst, spiegelt sich dieses in einem kleinen Stern in der Mitte des Mondes wider."

Alena war wie verzaubert über dieses Geschenk. Er nahm die Kette von ihrer Hand, schritt hinter sie, strich dabei sanft ihr blondes Haar zur Seite und legte sie um ihren Hals.

„Es heißt, eine mächtige Elbenkönigin aus längst vergangenen Zeiten hätte es mit einem Zauber belegt und würde dadurch seinen Träger vor jeglicher Art von Magie beschützen. Es soll aber vor allem ein Teil von mir für dich sein."

Alena war total gerührt, berührte es mit ihren Fingern und fühlte in der Mondsichel ein zartes Reliefmuster.

„Es ist bezaubernd und es ist ein wunderschöner Gedanke für mich, dass es von dir stammt."

„Es ist schon sehr alt, ich kenne die wahre Herkunft selbst nicht genauer."

„Schade, dass es jetzt noch hell ist, ich würde diesen Stern schon so gerne sehen", erwiderte sie ergriffen und drehte sich dann fragend zu ihm um, „Moment... du trägst den Namen einer Metalllegierung?"

Das folgende Grinsen konnte sie sich unmöglich verhalten. Ryans Miene wurde leicht schmollend.

„Wieso wusste ich genau, dass du das lustig finden würdest?"

Spielerisch sah er sie trotzig an.

„Na ja, für Menschen sind solche Namen eben ungewöhnlich, wenn sie auch für uns wunderschön klingen", brachte sie verteidigend vor.

„Alle unsere Namen werden nach einer bestimmten Bedeutung ausgewählt. Angeblich haben meine Augen als Baby immer gestrahlt, als ich den Mond erblickte. Wenn die Sterne hoch am Himmel sehr hell leuchten, dann wird dies in einer unserer alten Sprache ‚eleyna' genannt, was bei euch soviel wie ‚sternig' bedeutet. Das wäre wohl dem Klang nach die Bedeutung deines Namens."

Darüber erstaunt erwiderte sie: „Alena bedeutet ‚Licht' und eure finde ich jetzt wunderschön, noch dazu liegen die Ursprünge von ‚Licht' und ‚Stern' doch sehr eng beieinander." Lächelnd fügte sie noch hinzu: „Noch dazu liebst du die Sterne ja so sehr."

Jetzt nahm er sie ein weiteres Mal zärtlich in seine Arme.

„Das ist wohl eine urelbische Eigenart, aber ich denke, ich habe nun den schönsten und hellsten Stern für mich gefunden."

Alena nahm seine Worte tief in sich auf und spürte wieder, wie sehr sie seine Nähe brauchte... ‚ihn' brauchte.

„Wie würde man ‚Ithildin' in meine Sprache übersetzen?"

Er deutete auf den silbrigglänzenden Mond auf ihrer Brust. „Es bedeutet ‚Sternenmond'".

„Sternenmond", wiederholte sie, „das ist ein guter Name für dich. Der Mond und die Sterne, die dich immer verbunden begleiten."

Plötzlich schoss ihr ein Gedanken in den Kopf.

„Ryan! Das Märchen!"

Verwundert sah er sie an.

„Welches Märchen?"

Alena zögerte mit ihrer Erklärung.

Die Geschichte, die sie ihm erzählt hatte und als Kind schon so sehr liebte.

Plötzlich erkannte sie, dass sie das Mädchen darin war, denn sie griff wie dieses, seit den letzten Wochen unerreichbar nach den ‚Sternen' und dem ‚Mond'.


Namensbedeutungen
Ithildin – Sternenmond
Giliath – Sternenschar
Ellas – Sternenblatt
Elmaethor – Sternenkrieger
Ellesûl - Sternenwind
Aeleniëll – Tochter vom See
Aeldirdhron – Seenwächter
Tinnu – Sternendämmerung
Lostithenniel – Kleine Blume
Tawariel – Frau des Waldes
Elarinya „Éleg" – Morgenstern „Sternchen"
(wortwörtlich; nicht mit Eärendil zu verwechseln)

im Text nicht übersetzt bzw. weitere Anmerkungen
Muindor nîn? - Mein Bruder?
laisgar - Blätterhaus
melethril - geliebte Freundin
hanan ist ‚Quenya' für Hauptmann
eleyna ist ‚Quenya' für „sternig"

nur, wem's interessiert: ... ‚th' und ‚dh' werden im Sindarin wie im Englischen ausgesprochen