4. Dezember


WWW (Wein - Wünsche - Weihnachten)

von Kira Gmork

"Isch will jetz sofort ma Ihr Dings seh'n," nuschelte sie energisch. Snape hielt die junge Frau mit ausgestrecktem Arm von sich weg. "Nu stelll'n Sie sisch nich so an. Alle ham schon davon gehört - un nu, will ich's auch ma seh'n. Jetz lasssen Sie misch doch endlich rein!"

Severus Snape hatte gar nicht gewusst wie ihm geschah. Es war Heiligabend und er hatte es sich - so wie alle Jahre wieder - in seinem Sessel bequem gemacht und den Brockhaus Band 25 auf seinem Schoß liegen, um, darin lesend, ein wenig Entspannung zu finden, als es plötzlich an seiner Tür geklopft hatte. Nein, geklopft war der falsche Ausdruck - es hatte an seine Tür gehämmert. Laut und unüberhörbar - obwohl er eigentlich ganz gut unliebsame Dinge überhören konnte.

Zum Beispiel hatte er Dumbledores Einladung für heute Abend überhört. Ein nettes Beisammensein der Lehrer im Büro des Direktors war nicht gerade das, was er unter einem friedvollen Abend verstand. Allerdings war der Abend nun ohnehin alles andere als friedvoll und er überlegte sich, was der gütige Dumbledore ihm diesmal für einen fiesen Streich spielte.

Manchmal glaubte er, er sei der einzige der wusste, dass in dem alten Ich-bin-freundlich-und-nett-Dumbledore ein heimlicher Sadist steckte. Für Snape hätte er mit dieser Eigenschaft eigentlich schon fast wieder sympathisch sein müssen - wenn er nicht oft genug selbst das Opfer dieser heimlichen Neigung des Direktors gewesen wäre.

Aber sollte es wirklich möglich sein, dass Dumbledore ihm diese Frau geschickt hatte? Er versuchte weiterhin sie auf Abstand zu halten, während er eine Hand von ihrer Schulter löste, um nach seinem Zauberstab zu greifen. "Nein, nich den Staaab - Ihr anderes Ding will isch seh'n. Sie wisssen schon - dasss was Parry Hotter...oder so ähnlisch...geseh'n hat."

Er wusste immer noch nicht wovon sie sprach, aber es war definitiv nicht das, woran er gedacht hatte - hoffte er zumindest. Seine Verblüffung, und damit verbundene kurze Ablenkung, nutzte sie aus und bückte sich flugs, um rechts an seinen Beinen vorbei ins Innere seiner Behausung zu schlüpfen.

Dort drehte sie sich mit siegreichem Lächeln zu ihm um, was jedoch durch ein Hicksen nicht mehr ganz so souverän wirkte. Er verdrehte die Augen, folgte ihr und warf die Tür hinter sich wütend ins Schloss. "Also, jetzt erklären Sie mir was Sie hier wollen, bevor ich Sie hochkant rausschmeiße."

Die junge Frau zog einen Schmollmund. "Heut is das Fescht der Liiiebe...Sie woll'n doch gar nich ssso gemein und eklisch sssein, oda?"

Snape schien nicht gewillt darauf zu antworten und funkelte die Frau böse an. "Ahso...woll'n Sie doch", stellte diese trocken fest und nickte dann anerkennend, "Dasss könn Sie guuut - bös gucken, mein isch. Aber isch kann auch bös gucken - gucken Sie mal!"

Damit demonstrierte sie ihm ihren bösen Blick, der allerdings nach ein paar Sekunden in ein unkoordiniertes Schielen überging.

Snape hob nun demonstrativ seinen Zauberstab und sagte mehr zu sich selbst: "Ein Anti-Alkoholspruch sollte wohl wenigstens etwas Aufklärung in diesen Irrsinn bringen." Damit schwang er den Stab und nuschelte einen Zauberspruch, worauf die junge Frau schnell versuchte sich hinter seiner Couch in Sicherheit zu bringen. Als sie auf dem Boden aufprallte war sie jedoch schon entalkoholisiert und ein spitzer Schrei entfuhr ihr.

"Aua", wiederholte sie dann nochmal, bevor sie schließlich langsam um die Ecke der Couch spähte. "Das war ja gar kein Traum", entfuhr es ihr diesmal völlig nüchtern. Dann wurde sie, zumindest für Snapes Gehörgänge, völlig hysterisch. "Oh mein Gott! Was mache ich hier? Wie komme ich hierhin...ich meine, zu Ihnen? Was haben Sie gemacht...mit mir, meine ich."

Snape steckte den Zauberstab in aller Seelenruhe ein und sah sie dann düster an. "Sie fragen mich, was ich mit Ihnen gemacht habe? Die Frage ist ja wohl eher, was Sie mit mir machen wollen!" Der jungen Frau fiel gerade siedendheiß ein, was sie zumindest in ihren Träumen immer mit ihm zu tun pflegte, doch das schien ihr nicht gerade eine passende Antwort auf seine Frage zu sein. Es sei denn dies war immer noch ein Traum. Sie musste es testen.

"Ich möchte Sie nackt sehen", versuchte sie es probehalber. Außer einer nach oben schnellenden Augenbraue hatte ihr Wunsch auf ihn keine Auswirkung. Sie kam zu dem Schluss, dass dies wohl wirklich kein Traum von ihr sein konnte, sonst würde er sie mit Sicherheit nicht immer noch kühl ansehen, sondern wäre dabei ihr Blut in Wallung zu bringen.

"War nur um zu sehen ob Sie echt sind", sagte sie leise nuschelnd. Er schüttelte genervt den Kopf. "Was halten Sie davon, wenn ich jetzt mal prüfe ob Sie echt sind", sagte er drohend. Sie überlegte noch was er damit meinte, als er sie auch schon anblaffte: "Wer hat Sie geschickt? Was soll das für ein alberner Weihnachtsscherz sein? Mussten Sie sich erst Mut antrinken um hier aufzukreuzen? Wer sind Sie überhaupt? Los - reden Sie!"

Sie war irritiert. Seit wann sprach dieser Mann so viele Sätze hintereinander? Und warum wollte er solch merkwürdige Dinge von ihr wissen? Und was hatte er jetzt noch gleich alles gefragt? Ratlos stand sie da und schüttelte den Kopf.

Snape schnaubte ungehalten. "Fangen wir mit Ihrem Namen an - wie heißen Sie?" Seine Stimme klang immer noch wütend aber nicht mehr ganz so laut wie vorhin.

Sie versuchte sich zu sammeln. "Morticia", antwortete sie dann knapp.

"Wie kommen Sie hierher?", fragte er ruhig. Sie sah sich einen Moment kurz um. "Ich weiß nicht genau. Also, ich habe Weihnachten gefeiert - mit ein paar Freundinnen. Wir sprachen über...ähm...ist ja egal. Jedenfalls haben wir Glühwein getrunken. Der Weihnachtsbraten dauerte irgendwie länger als wir geglaubt hatten - also haben wir noch etwas Glühwein getrunken und weiter über Sie geredet", augenblicklich schlug sie sich die Hand vor den Mund.

Er nahm es mit einem verwirrten Blick zur Kenntnis und forderte sie dann zum Weitersprechen auf. "Naja, jedenfalls stand ich plötzlich vor Ihrer Tür und dachte es sei nur ein Traum, weswegen ich auch den Mut hatte zu klopfen. Das hätte ich nie getan wenn ich gewusst hätte, dass das hier echt ist."

"Und was hätten Sie getan?", fragte er mit tiefer Stimme.

"Ich..ich...weiß nicht", stotterte sie und versank in den dunklen Augen, die sie fixierten.

"Was war es, dass Sie sehen wollten? Von welchem Ding haben Sie gesprochen?"

Sie spürte wie sie errötete. "Ding? Ich habe von einem Ding gesprochen?" fragte sie entsetzt nach.

"Ja, irgendetwas das auch Harry Potter gesehen hat", erläuterte er schließlich. Morticia erkannte, dass er längst Klarheit darüber hatte, dass sie in seine Welt eingeweiht war.

"Ach so", ließ sie sich erleichtert vernehmen. "Das Denkarium", erklärte sie dann.

"Morticia", sein Blick nagelte sie nun fest, "mein Denkarium steht in meinem Büro, nicht hier. Dies sind meine Privaträume."

Sie warf abermals einen hastigen Blick durch den Raum. "Woher hätte ich wissen sollen, dass dies die Tür zu Ihren Privaträumen ist? Ich bin schließlich zum ersten mal hier, nicht wahr?"

Er wischte ihre Bemerkung mit einer ungeduldigen Handbewegung fort. "Also, Sie tranken Wein - viel Wein Ihrem Zustand bei Ihrer Ankunft nach zu deuten. Und Sie redeten mit ein paar Freundinnen über...mich?" Er sah sie fragend an und wartete offensichtlich auf ihre Bestätigung.

Morticia nickte hektisch und sah dann betreten zu Boden.

"Was war das noch gleich für ein Wein?"

Sie schien einen Moment zu stutzen über seinen Themenwechsel, dann sagte sie trotzig: "Glühwein - hab ich doch schon gesagt. Eigentlich haben wir gar nicht so viel davon getrunken. Ich versteh auch nicht warum der mir derart zugesetzt hat. Eigentlich versteh ich ehrlichgesagt gar nichts mehr."

Fasziniert und nervös gleichermaßen beobachtete sie, wie sich ein Mundwinkel, des sonst so übellaunigen Mannes in die Höhe zog. Naja, direkt fröhlich sah er dennoch nicht aus. "Ich denke, dass ich es verstehe...wo haben Sie den Wein her?"

Sie konnte kaum den Blick von ihrem Gegenüber nehmen. So oft hatte sie ihn im Geiste vor sich gesehen, doch ihn nun so hautnah zu erleben war überwältigend. Dennoch hatte die ganze Situation etwas Irreales. Am liebsten hätte sie eine Hand nach ihm ausgestreckt, doch sie war sich völlig darüber im Klaren, wie unangemessen dies gewesen wäre.

"Ähm, wir waren auf einem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt. Da war ein älterer Mann mit einem langen Bart, der hat den Glühwein verkauft. Ein kauziger Typ - sagte, wir würden viel Freude an dem Wein haben. Naja, wir hatten ja auch Spaß - bis..."

"Bis Sie bei mir auftauchten."

Sie biss sich auf die Zunge. Sie wollte es ja nun nicht so direkt als Spaß bezeichnen, ihrem wahrgewordenen Traum so plötzlich gegenüber zu stehen. Dazu schien ihr dies alles immer noch zu überwältigend zu sein, aber wie sollte sie ihm das bloß erklären? Doch Snape sprach ohnehin schon weiter.

"Dieser kindische und gleichzeitig senile alte Knochen wird es wohl nie müde, uns von einer Katastrophe in die nächste zu stürzen. Man sollte ihn zur Weihnachtszeit fesseln, knebeln und in seinem Büro einsperren, damit er nicht immer wieder auf solch dämlichen Blödsinn kommt."

Morticia starrte Snape mit großen Augen an. Sie hatte längst begriffen von wem er sprach und auch der Grund, warum Snape so aufgebracht war sickerte langsam in ihr Bewusstsein. Dennoch musste sie auch den letzten Zweifel ausräumen. "Der alte Kauz auf dem Weihnachtsmarkt..."

"War Dumbledore - Ja!"

Sie zuckte ein wenig zurück über seine harsche Antwort.

"Der gute Direktor hat sich in den Kopf gesetzt zu Weihnachten einigen Muggeln ihre sehnlichsten Wünsche zu erfüllen. Dazu hat er diesen Wein benutzt. Ein wenig davon genügt schon und man schwebt gedanklich in anderen Spähren. Das Erfüllen der Wünsche erfolgt einige Zeit darauf. In Ihrem Fall war der Wunsch wohl besonders stark, dass Sie so unmittelbar danach vor meiner Tür standen."

Morticia schluckte. Na toll, jetzt war er also völlig im Bilde. Sie hatte sich so sehr gewünscht ihn kennenzulernen, dass sie 'schwupps' auch schon vor seiner Tür erschienen war. Das war jetzt schon irgendwie etwas peinlich.

Er hob eine Augenbraue, als er ihren verlegenen Blick sah. "Ist ja nicht Ihre Schuld, Miss Morticia. Wenn es ihr größter Wunsch ist, das Denkarium zu sehen, dann kommen Sie mit. Danach werden Sie aber schleunigst wieder in Ihre Welt verschwinden, ist das klar?"

Sie verstand nun gar nichts mehr. Erst während sie ihm über den kalten Gang zu seinem Büro folgte wurde ihr klar, dass er keine Ahnung hatte. Er hatte nicht begriffen, dass er selbst das Ziel ihrer Träume gewesen war - nicht das dämliche Denkarium, das sie doch nur vorgeschoben hatte damit er sie in seine Räume ließ. Irgendetwas sagte ihr, dass es besser sei ihn in diesem Glauben zu lassen.

Nachdem sie das steinerne Becken mit geheucheltem Interesse begutachtet hatte, schob er sie wieder hinaus auf den Gang. Dort, im Halbschatten der Kerzen sah sie ihm noch einmal in die dunklen Augen. Nie wollte sie diesen Anblick vergessen. Als er den Zauberstab hob, um sie in ihre eigene Welt zurück zu zaubern, streckte sie im letzten Moment, bevor die Welt begann um sie zu schwinden, die Hand nach seinem Haar aus. Nur einmal wollte sie fühlen ob es seidenweich, oder doch eher fettig war. Sie sah noch wie er sie verwundert ansah, dann war er endgültig verschwunden und sie fand sich zu hause wieder, wo die weihnachtliche Dekoration und der gedeckte Tisch sie in die Wirklichkeit zurückholten.

Hektisch sah sie sich um. Die Becher, in denen der Glühwein sich befunden hatte, waren nur halb ausgetrunken. Immer noch völlig von den Geschehnissen gefangen, sickerte langsam in ihren Geist was hier ganz und gar nicht stimmte. Sie war allein. Wo waren ihre Freundinnen? Dann plötzlich wusste sie, dass es nur einen Ort geben konnte, an dem sie nun waren. Mit einem leisen Kichern kippte sie den Rest des Glühweins vorsichtshalber in den Ausguss und stellte den Backofen aus, in dem der Braten inzwischen braun geschmort war. Nun hieß es warten. Und Morticia wartete. Dabei sah sie immer wieder auf ihre Finger die sein Haar berührt hatten. Sie wusste nun wie es sich anfühlte. Doch sie würde diese Erfahrung nur mit den anderen Eingeweihten teilen.

ooooooooooooo

Unterdessen sprang in Hogwarts ein völlig entnervter Snape aus seinem Sessel, als es gegen seine Tür donnerte als verlange eine ganze Horde Elefanten Einlass.

Nachdem er die Tür einen spaltbreit geöffnet hatte, wurde sie kurzerhand von einer Gruppe junger Frauen aufgestoßen, die lallend über ihn herfielen. Er konnte aus dem wirren Durcheinander kaum etwas Zusammenhängendes aufschnappen. Lediglich Wörter wie: Internet, Fanfiction, Forum, Schreiberlinge, drang zu ihm durch und er hatte keine Ahnung von was diese durchgeknallten, nach Glühwein riechenden Weiber eigentlich sprachen. Ein einziges Wort kam - in einer Lautstärke die die Mauern von Hogwarts erzittern ließen - über seine Lippen: "D U M B L E D O R E !"

Lasst Euch den Glühwein schmecken - auch wenn er keine Wünsche erfüllt ;)

Ganz liebe Grüße an Morticia!