Tür 13

Er war beeindruckt, das musste er zugeben. Er hatte nicht erwartet, dass sie in so einem Haus wohnt, in so einer Nachbarschaft. Dies war alles andere als ein kleines Landhäuschen. Natürlich war es immer noch auf dem Land, nahe einem Wald, aber offensichtlich kein armes Städtchen. Und was noch wichtiger war: Es war kein Muggledorf.

Angelinas Zuhause war ein ziemlich großes, weißes Haus. Ein Kiesweg, mit Rasen zu beiden Seiten, führte von dem Tor im Zaun zur Haustür.

Angelina klopfte an die Tür, leise fluchend weil sie nicht daran gedacht hatte ihre Schlüssel mitzunehmen, als sie zu Montague gezogen war. Montague blickte gelangweilt durch die Gegend, darauf wartend, diesen Tag so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.

Als sich die Tür öffnete und Angelina ins Haus gezogen wurde, richtete er seinen Blick auf den Mann, der Angelina in seine Umarmung gezogen hatte. Montague konnte sich nicht zurückhalten seine Augenbrauen hochzuziehen.

Dieser Mann sah nicht annähernd aus wie ein Holzfäller. Natürlich war er groß, das hatte er ganz richtig vorausgesehen. Er war sogar größer als er gedacht hatte und überragte Montague um einen Kopf. Doch da hörten seine Vorausahnungen auch schon auf sich zu bewahrheiten.

Michael Johnson war glatt rasiert – gegenteilig zu dem was Montague erwartet hatte – und er schien tatsächlich Stil und Geschmack zu haben. Seine Kleidung war nicht im Geringsten billig oder altmodisch. Sie sahen eher aus wie etwas, dass Montague in seinem eigenen Kleiderschrank hätte finden können.

„Also sie müssen Montague sein!" Die tiefe Stimme von Angelinas Vater riss Montague aus seinen Gedanken und er schüttelte die Hand des Mannes. Nachdem Angelinas Vater noch Samuel und Emily begrüßt hatte, ließ er die vier eintreten und ging voraus in Richtung Küche.

„Angelina!" Die Frau die aus der Küche auf sie zukam, war das genaue Gegenteil von der Vorstellung die Montague von Angelinas Mutter hatte. Sie war genau so groß wie ihre Tochter und sah auch nicht viel älter aus als diese. Der einzige Unterschied war ihre Art sich zu kleiden.

Leila Johnson trug, genau wie ihr Mann, legere aber elegante Kleidung. Als sie ihre Gäste begrüßte, fragte Montague sich woher Angelina ihren merkwürdigen Geschmack hatte, da ihre Eltern doch anscheinend genau wussten, wie man sich gut kleidete.

„Gibt es irgendwelche besonderen Plätzchen die ihr backen wollt?" fragte Leila und lächelte dabei Emily an. Das Mädchen nahm ihre Umgebung mit großen Augen war. Wie sich dieses Haus doch von Montagues Haus unterschied. Alles war hell und warm und das ganze Haus war für die Feiertage geschmückt. Angelinas Kindheit musste wundervoll gewesen sein.

Angelinas Eltern erinnerten sie an ihre eigenen Eltern – zumindest soweit sie sich erinnern konnte. Sie waren freundlich und liebevoll und so ganz anders als Miss Robert. Emily schob diesen Gedanken wieder beiseite. Heute war kein geeigneter Tag um an Miss Robert zu denken. Sie folgte Leila mit Angelina und Samuel in die Küche.

„Sie wollen ihnen bei den Keksen helfen?" Montague drehte sich um, um Michael anzuschauen. Er wusste nicht ganz was er antworten sollte. Aus irgendeinem Grund wollte er nicht eine seiner üblichen Antworten geben.

„Wenn nicht könnte ich draußen etwas Hilfe mit dem Baum gebrauchen. Ich muss die unteren Äste etwas kürzen."

Montague beschloss lieber ‚richtige Männerarbeit' zu erledigen, anstatt Plätzchen zu backen. Wenigstens dieses Mal sollte Angelina nicht ihren Willen bekommen.

„Ihre Eltern sind über die Feiertage nicht zu Hause?" fragte Michael während sie sich hinter dem Haus mit dem Baum beschäftigten.

„Nein um diese Jahreszeit reisen sie immer durch Europa."

„Immer der Sonne hinterher?"

„Kommt drauf an." ‚Kommt drauf an wie viele Länder sie zwischen sich haben können' fügte er in Gedanken hinzu. Es war nicht gelogen, dass sich seine Eltern in Europa befanden. Seine Mutter war in Griechenland und sein Vater in Island.


Samuel stand in der Tür und sah den Frauen zu, wie sie den Teig für die Plätzchen vorbereiteten. Seine Hände waren in den Hosentaschen vergraben und seine Lippen bildeten eine schmale Linie. Er sollte nicht hier sein, in der Küche, das war nicht der richtige Platz für einen Mann. Das hatte Miss Robert ihm im Heim immer wieder erklärt.

Angelina sah zu ihm hin und legte ihren Kopf auf die Seite.

„Willst du nicht helfen?" fragte sie ermunternd. Samuel schüttelte den Kopf und machte sich auf den Weg nach draußen. Angelina wollte grade losgehen um ihm zu folgen, doch ihre Mutter hielt sie zurück und schüttelte den Kopf.

„Schau her." sagte sie und wies mit dem Kopf zum Küchenfenster. Sie konnten sehen wie Samuel auf die beiden Männer zuging, die noch immer mit dem Baum beschäftigt waren.


„Hey willst du denn nicht mit den Plätzchen helfen?" fragte Montague als er Samuel auf sich und Michael zugehen sah. Der Junge schüttelte den Kopf und vergrub seine Hände noch tiefer in seinen Hosentaschen.

„Das ist keine Arbeit für einen Mann. Wenn die anderen Jungs im Heim das herausfinden würden, würden sie sich über mich lustig machen."

„Es ist wirklich nichts Schlimmes wenn ein Mann ab und zu auch mal in der Küche steht." Michael lächelte Samuel an aber der Junge dachte nicht daran, seine Meinung zu ändern. Trotzdem sah man ihm den inneren Konflikt an, der grade in ihm tobte.

„Bist du ganz sicher, dass du nicht doch backen möchtest?" fragte Montague.

„Du backst doch auch nicht" merkte Samuel an und sah zu Montague auf. ‚Soviel dazu, dass sie nicht ihren Willen bekommt' dachte Montague bei sich, während er Samuel bedeutete ihm ins Haus zu folgen.

Sie blieben einen Moment im Türrahmen stehen und beobachteten die Frauen, die mittlerweile dabei waren, den Keksteig auf dem Tisch auszubreiten. Angelina sah auf und bedachte die beiden mit einem fragenden Blick.

„Wir dachten wir helfen euch mal mit dem Zeug da", murmelte Montague und wies mit dem Kopf auf den Teig. Angelina und ihre Mutter konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen. Sie nahmen an, dass Montague keine Ahnung hatte wie ähnlich sich die beiden männlichen Gäste im Augenblick sahen.

Beide hatten ihre Hände tief in den Hosentaschen vergraben, einen vollkommen gelangweilten Gesichtsausdruck und beide sahen aus als wären sie darauf vorbereitet, jeden Moment weg zu rennen.

„Ihr beiden schützt besser eure Kleidung" empfahl Leila lächelnd und Angelina stand auf um für beide eine Schürze zu holen. Als Angelina Montague die Schürze in die Hand drückte, begann ihre Mutter zu Grinsen und ließ ihre Augen nach oben wandern.

„Würdet ihr zwei Mal nach oben schauen?" Angelina und Montague taten was ihnen gesagt wurde. Als ihre Augen erfassten, was dort über ihnen war, zeigte sich auf beiden Gesichtern der gleiche schmerzerfüllte Ausdruck.

Sie standen genau unter einem Mistelzweig.