Christmas Beat
Rage stand mit verschränkten Armen vor der Wohnung von Yuki und Shuichi. In weniger als zwei Wochen würde Weihnachten sein und Shuichi hatte seine Weihnachtsballade immer noch nicht fertiggeschrieben. Gerade mal die ersten zwei Zeilen waren gestern fertiggewesen, nicht mal den Refrain hatte er anzubieten gehabt.
Und heute hatte er sich dann auch noch freigenommen. Eine bodenlose Unverschämtheit, wie Rage fand. Sie war es, die ihm hinterherlaufen musste und den Stress hatte. Alle Anderen hatten sich schleunigst freigenommen, als die Idee aufkam, Shuichi solle einen Weihnachtssong schreiben. Nun war sie die Einzige, die das Problem hatte – ein Problem namens Shuichi.
Sie stand nun also im Schnee und brüllte sich die Seele aus dem Leib und ihre ohnehin schon wunden Lungen (die Grippe hatte sie nicht verschont) schmerzten mit jeder Sekunde mehr.
Rage war heilfroh, als ihr endlich die Tür geöffnet wurde und stürmte sofort nach drinnen. Sie hatte schon angefangen zu fluchen, dass Yuki Shuichi nur von der Arbeit ablenkte. Doch nachdem sie einmal durch die ganze Wohnung gerast war, war ihr bewusst, dass Yuki Eiri gar nicht anwesend war.
Sie starrte Shuichi verständnislos an und wollte schon mit einer Standpauke starten, da Shuichi so nun ganz ohne Grund nicht zur Arbeit gekommen war. Der war ihr allerdings, bevor sie auch nur den Mund öffnen konnte, schon um den Hals gefallen und heulte sich lautstark bei ihr aus. Anscheinend war er mal wieder verlassen worden.
Rage versuchte ihn zu trösten, was sie aber gründlich vergeigte, da es nicht besonders tröstlich war, was sie sagte: „Sieh es so, jetzt kannst du eine ganz wundervolle Ballade schreiben! Das geht am besten, wenn man richtig mies drauf ist!"
Shuichi sah sie böse an, heulte aber im nächsten Moment schon wieder los wie eine Sirene. Sie befiehl sich in Gedanken selbst, dass sie besser gar nichts mehr sagen sollte, bis er sich ausgeweint hatte, was auch vorteilig war. So konnte sie wenigstens die Person, für die sie schon so lange schwärmte in den Armen halten. Sie genoss es aus ganzem Herzen.
Doch da Shuichi einfach nicht mit Weinen aufhören wollte und es immer später wurde, war auch sie irgendwann davon genervt. Da konnte sie noch so sehr in ihn verschossen sein, lahmende Arme konnte sie nicht gebrauchen. Sie hatte sowieso schon einen Mausarm.
Also hob sie ihn vorsichtig an, befahl ihm, auf dem Sofa sitzen zu bleiben und holte schnell ein wenig Alkohol her. Shuichi war sich zunächst nicht sicher, ob das so eine gute Idee sein würde. Er wollte sich lieber weiter mit Heulen beschäftigen. Da Rage ihm aber mit ein klein wenig Gewalt das erste und zweite Gläschen einverleibte, war er schnell bei der Sache und trank die erste Flasche Wein fast allein.
Vollkommen betrunken, wie er dann war, merkte er auch nicht, als Rage sich für Yuki ausgab und ihm einen Kuss raubte. Dass er darauf so ansprang, hatte sie sich allerdings nicht gedacht.
Da Shuichi sie auf den Kuss hin so fest umarmt hatte, dass sie beide umgefallen waren, musste sie sich zunächst von ihm befreien, da sie fürchtete, gleich ersticken zu müssen. Sie sah ihn verwirrt an und schüttelte in Gedanken den Kopf. Es war zwar verlockend, aber sie würde sich zurückhalten. Wehtun wollte sie Shuichi schließlich nicht. So ein – das Wort wollte sie nicht mal denken – wie Eiri wollte sie schließlich nicht sein.
Sie führte Shuichi unter einem Vorwand ins Schlafzimmer, kettete ihn am Bett fest und grinste voller Stolz auf ihn herab. Gut, sie hatte einen schwächlichen Betrunkenen gefesselt, aber das war doch schon mal was, so ganz ohne die Hilfe von der Panda-Maschine.
Sie wartete noch, bis Shuichi eingeschlafen war, deckte ihn dann mit einer zweiten Decke zu, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und ging ihres Weges. Vielleicht sollten sie das mit dem Weihnachtslied für dieses Jahr einfach vergessen. Sicherlich würde Bad Luck auch nächstes Jahr noch gut genug sein, um sich eine Weihnachtssingle leisten zu können.
Rage überlegte sich den ganzen Abend und auch die Nacht, ob sich Yuki und Shuichi wohl wieder vertragen würden.
Sie hoffte es sehr, denn sie mochte es nicht, wenn Shuichi traurig war. Einerseits, weil sie dann ständig den Ärger am Hals hatte und andererseits, weil sie es unfair von Yuki fand, was er mit Shuichi tat.
Am nächsten Tag war allerdings wieder alles gut. Shuichi kam freudestrahlend ins Studio, hatte gleich zehn Songtexte dabei und trällerte alle mit bester Stimme ein.
Yuki und Shuichi hatten sich wohl wieder vertragen, dachte Rage bei sich und lächelte. Sie hatte sich gestern für einen kurzen Moment Hoffnung gemacht, obwohl sie gewusst hatte, dass Shuichi niemals wieder jemand anderen als Eiri Yuki lieben könnte.
Es würde wahrscheinlich auch nächste Weihnachten wieder so laufen. Wenn sie dann wieder einen Kuss bekam, würde sie zufrieden sein.
