Auf Zero!
Yamato rann wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Wohnung und konnte gar nicht genug Weihnachtskugeln an den gestern gekauften Tannenbaum hängen. Kouya interessierte das herzlich wenig. Sie saß auf ihrem angestammten Platz, dem Sessel in der Ecke des Wohnzimmers, und las ihre Wälzer. Für den heutigen Weihnachtsabend hatte sie die Biografie Hitlers auserkoren, dass sie die Ehre haben würde, von ihr gelesen zu werden. Yamato fand das etwas merkwürdig, ausgerechnet an Weihnachten die Biografie von so einem Menschen zu lesen. Doch Kouya entgegnete nur, dass dieser Mensch ja sowieso schon tot sei.
„Bist du bald fertig damit? Du störst meine Konzentration.", meinte Kouya trocken und legte kurz das Buch beiseite. Yamato blieb augenblicklich stehen, salutierte vor ihr und ließ freudestrahlend verläuten: „NEIN! Bin ich noch ni-hicht!"
Damit verabschiedete sie sich erst mal aus dem Wohnzimmer und Kouya sah ihr verwirrt nach. Im Gegensatz zu den vorherigen Ladungen hatte Yamato bei diesem Mal den Arm voller CDs. Kouya sah sie entsetzt an und schüttelte den Kopf. Yamato hatte doch nicht wirklich vor, sie mit diesen pseudo-fröhlichen Weihnachtsliedern zu malträtieren?
Der Gedanke kam dummerweise ein paar Sekunden zu spät, als dass sie hätte reagieren können bevor Yamato die erste CD auflegte. Es dröhnte „All I want for Christmas" aus den Lautsprechern.
Kouya hielt sich die Ohren zu, wodurch sie allerdings ihre Verteidigung vernachlässigte, von Yamato geschnappt und zum Tanzen gezwungen wurde. Diese frohe Aktivität wurde allerdings jäh unterbrochen, als Kouya aus lauter Schwindel ohnmächtig wurde.
Nervös lachend packte Yamato ihre Freundin aufs Sofa und legte ihr einen kühlen Waschlappen auf die Stirn. Diese stöhnte genervt auf, nahm den Entschuldigungskuss allerdings an.
„Tu das nie wieder, Yamato. Weihnachten ist eh nur so ein Konsumfest."
Yamato schüttelte entsetzt den Kopf.
„So ein Quatsch! Ein Festtag ist das, was man daraus macht!"
„Also ein Tag, an dem du mich dazu bringst in Ohnmacht zu fallen?"
Nun war es an Yamato, genervt zu stöhnen, was sie auch tat. Kouya hatte kein Gespür für solche Sachen. Zumindest wollte sie es nicht zeigen. Dabei hatte Yamato sie letzte Woche sogar mit Charles Dickens „A Christmas Carol" in der Hand erwischt. So ganz abgeneigt konnte sie dann wohl doch nicht sein, was Weihnachten betraf.
Yamato setzte sich vor das Sofa und schmollte. Sie hatte doch nur gewollt, dass es ein schönes und romantisches Fest für sie werden würde. Aber Kouya hatte ihr alles vergeigt. Sie starrte wütend auf den Christbaum und überlegte sich, ihn umzustoßen oder abzubrennen.
Kouya hielt sie davon allerdings ab. Sie hatte ihr die Arme von hinten um den Hals gelegt und sie nahe an sich gezogen.
„Ich brauche keine Weihnachten, um dir zu zeigen, wie sehr ich dich liebe."
Yamato drehte sich erst mal nicht um, da ihr Gesicht, zumindest für ihren Geschmack, dazu etwas zu rot angelaufen war. Als sie sich jedoch sicher war, dass nur noch ein sanfter Rosaschimmer zu sehen war, wandte sie sich zu Kouya um und küsste sie zärtlich.
„Aber an Weihnachten kann man ganz ohne Hintergedanken hübsche Sachen verschenken..."
Kouya lächelte und strich Yamato durchs Haar. Wenn es ihr so wichtig war, würde Kouya eben mitspielen, beschloss sie.
Und spätesten am nächsten Morgen war sie auf diesen Beschluss hin auch ein Fan des Weihnachtsfestes... auch wenn ihr die Tannenadeln unangenehm in den Po stachen.
