Wenn du willst, bring ich dich weg von hier
Sunao saß zusammengekauert in einer Ecke des Zimmers und hielt sich die Ohren zu. Die Weihnachtsfeier war in vollem Gange, aber er hatte sich erfolgreich davor gedrückt, ihr beizuwohnen. Ihm waren solche Veranstaltungen zu laut und es waren zu viele Menschen dort. Außerdem empfand er Weihnachten nicht als das schöne Fest, als dass es die meisten wahrnahmen. Für ihn war es purer Stress.
Morgen erwartete ihn aber wahrscheinlich noch größerer Stress, wenn ihm alle vorwarfen, dass er sie hassen würde oder er sie nicht für würdig hielt, dass er in ihrer Nähe war. Sunao war das momentan aber vollkommen egal. Er fürchtete zwar schon den morgigen Tag, war aber gleichermaßen froh, dass er jetzt nicht dem Gedränge ausgesetzt war, das auf dem Pausenhof herrschte.
Hunderte Schüler aus allen Klassen waren gekommen, alle Verwandten und Freunde – es war ein wirklich großes Fest. Am Mittag hatte er noch mitgeholfen alle Buden aufzubauen. Sora war ihm dabei zwar ungeheuerlich auf den Geist gegangen, aber sie waren schließendlich fertig geworden, auch wenn einige Male die Gestelle wieder in sich zusammengebrochen waren. Eine der Buden hatte sogar Feuer gefangen.
Sie hatten es löschen können, bevor das Feuer auf die anderen Buden übergreifen konnte. Dennoch hatten sie alle einen ziemlichen Schock bekommen. Sunao hatte sich sogar die Haare schneiden müssen, da er sich die Spitzen versengt hatte.
Sora strich sich durch seine, nun nicht mehr ganz so langen, Haare und schielte unauffällig aus dem Fenster. Insgeheim fragte er sich, was Sora jetzt gerade machte. Ob er mit Hiromu Spaß hatte, auf dem Fest? Vielleicht hatte er ihn sogar schon zum Essen eingeladen. Dabei hatten sie heute zusammen essen wollen.
Sunao biss sich auf die Lippen. Sora hatte keinen Grund, warum er nicht mit Hiromu essen sollte. Sunao hatte ihn, wieder einmal, belogen. Er hatte gesagt, er würde sich freuen, wenn sie zusammen essen könnten. Er hatte es ernst gemeint.
Jetzt saß er alleine im Dunkeln und sein Magen knurrte entsetzlich. Er hoffte nur, dass es niemand hören würde und ihn somit in flagranti erwischen. Dann würde er mit Sicherheit Ärger bekommen und dem hatte er heute ja eigentlich möglichst aus dem Weg gehen wollen.
Gerade als er leicht eingenickt war, hörte er ein Klopfen an der Tür. Kurz darauf wurde sie geöffnet und Sunao wurde vom Schein einer Kerze geblendet. Er erkannte nicht, wer hereingekommen war, bis derjenige sich direkt vor ihn setzte und angrinste.
„Du magst Feste nicht so besonders?"
„Ich kann sie beinahe genau so wenig leiden wie dich."
„Das hat gesessen."
Sunao verzog schmollend das Gesicht und zog die Beine an seinen Körper. Auf dem Boden zu sitzen war praktisch um sich zu verstecken, aber ebenso praktisch um sich einen kalten Steiß zu holen.
Sora zog seine Decke vom Bett und schob sie unter sich. Er bot Sunao den übriggebliebenen Platz an, doch der schüttelte heftig den Kopf.
„Heute ist Weihnachten! Also sei kein Spielverderber."
Sora zog Sunao zu sich, bis der fast auf seinem Schoß saß. Er schmollte noch immer, aber inzwischen waren seine Wangen tiefrot geworden.
„Du bist ja total verfroren!"
Sora nahm sich nun auch noch die Decke von Sunaos Bett und wickelte sie um sie beide. Er spürte, wie unwillig Sunao sich räkelte, aber er merkte auch, dass er sich wohlfühlte. Es wurde schnell wärmer unter der Decke und gemeinsam betrachteten sie das Feuerwerk. Sunao setzte immer wieder zu einer Entschuldigung an, aber Sora verbot ihm den Mund. Er küsste ihn und öffnete das Band, das um seine Haare gewickelt war.
„An Weihnachten soll man mit dem Menschen, den man liebt zusammen sein."
„Ja, das weiß ich, aber..."
„Liebst du mich?"
„... Sora!"
„Ja?"
„Ja."
„Wenn du hier nicht mit mir zusammen sein kannst, dann bring ich dich eben weg von hier."
Sunao erhob skeptisch eine Braue.
„Und wie willst du das anstellen, Superman?"
„Das wirst du gleich sehen." Sora hauchte einen, zwei, drei Küsse auf Sunaos Hals und öffnete dessen Hemd, das ihm sofort von den Schultern rutschte. Sora küsste jede noch so kleine, empfindliche Stelle von Sunaos Brust. Dieser krallte sich ins Haar des Anderen und legte den Kopf an seine Brust. Er lauschte dem Herzschlag Soras und die Geräusche des Festes wurden mit jedem Schlag leiser, bis sie verstummt waren und Sunao nur noch das Rauschen des Blutes in seinem Körper wahrnehmen konnte.
