Lieber Weihnachtsmann

Chihaya saß am Esstisch und starrte auf das leere Blatt Papier, das vor ihm lag. Er summte die Melodie eines Weihnachtsliedes, dass er von einem Erdenbewohner beigebracht bekommen hatte. Auf dem Blatt stand als Überschrift „Wunschzettel".

Kagetsuya war derweil mit dem Abwasch beschäftigt und sah immer wieder skeptisch zu Chihaya. Er hatte versucht ihm zu erklären, dass es keinen Weihnachtsmann gab, aber Chihaya hatte sich nicht von der fixen Idee abbringen lassen, diesem erfundenen Wesen einen Brief zu schreiben.

„Hör auf zu singen, Chihaya."

„Ich singe doch gar nicht. Ich summe!"

„Hilf mir lieber beim Abwasch."

Chihaya ignorierte Kagetsuyas lauter werdende Beschwerden über seine Faulheit und erdreistete es sich, den CD-Player anzuschmeißen. Christina Aguilera schmetterte ein paar Weihnachtssongs und Kagetsuya war kurz davor auszurasten. Er atmete tief durch und besann sich darauf, dass es heute nicht gut wäre, wütend zu werden. Schließlich war das Fest der Liebe, heute war Heiligabend. Auch wenn auf der Erde ein Männchen von Coca Cola ausschlaggebender war als der Originalgrund, der ausschlaggebend dafür war, das man dieses Fest feierte. Er biss sich auf die Lippen und machte sich daran den Abwasch zu beenden. Heute hatte er ein richtiges Festmahl gekocht, daher hatte er auch einiges an Geschirr zu reinigen. Chihaya summte wieder und versuchte den Wunschzettel so schön zu formulieren, wie er nur konnte.

Nach einer halben Stunde war Kagetsuya endlich fertig und setzte sich schließlich neben Chihaya. Der sah inzwischen gar nicht mehr gutgelaunt aus, sondern eher den Tränen nahe. Der Papierkorb war vollgestopft und der Bleistift war auseinandergebrochen.

Kagetsuya tätschelte Chihaya den Kopf.

„Hört sich alles nicht so gut an, wie es sollte?"

Chihaya schluchzte und sah Kagetsuya mit tränennassen Augen an. Er fiel ihm stürmisch in die Arme und schmiss ihn beinahe vom Stuhl. Aber Kagetsuya hatte sich noch halten können.

„Ich bin ein Vollidiot! Ich kann so was nicht!"

„Sag das nicht. Ein Brief ist immer und für jeden schwer zu schreiben."

„Meinst du wirklich?"

„Würde ich es sagen, wenn ich es nicht so meinen würde?"

Chihaya schüttelte den Kopf und setzte sich bequemer auf Kagetsuyas Schoß.

„Lass uns schlafen gehen, Chihaya. Nächstes Jahr ist auch noch ein Jahr."

Kagetsuya schob Chihaya von sich, stand auf und nahm ihn dann bei der Hand, um ihn ins Schlafzimmer zu führen. Er schloss die Tür hinter ihnen beiden und legte die Arme um Chihayas Taille.

„Komm schon, es ist doch nicht so schlimm."

„Aber jetzt kann mir der Weihnachtsmann meinen Wunsch nicht erfüllen?"

„Was wünschst du dir denn?"

Chihayas Gesicht lief tiefrot an. Er löste sich aus der Umarmung, öffnete den Schrank und kramte nach seinem Schlafanzug.

„Jetzt sag doch, was wünschst du dir?"

Chihaya nuschelte etwas und drückte Kagetsuya seinen Schlafanzug in die Hand.

„Dreh dich um! Ich will mich jetzt umziehen."

„Wir schlafen miteinander und ich so-..."

Chihaya sah ihn strafend an und Kagetsuya tat wie ihm befohlen. Er drehte sich um und begann sich selbst auch umzuziehen. Dabei dachte er darüber nach, was Chihaya sich wohl wünschen könnte.

Als sie später eng aneinander geschmiegt im Bett lagen, grübelte Kagetsuya immer noch darüber nach, was Chihayas Wunsch sein könnte. Er kam nicht von dem Gedanken los, dass es etwas gab, was sich Chihaya wünschte, er ihm aber nicht geben konnte. Oder von dem Chihaya gar nicht wollte, dass er es von ihm bekam.

Chihaya spürte die Unruhe, die sich dank Kagetsuyas Grübeleien breit machte, und stieß ihm unsanft in die Rippen.

„Du hast gesagt, wir wollen schlafen."

„Wer hat mich denn vorhin verführt?"

Chihaya zog die Decke über seinen Kopf und schwieg. Kagetsuya wusste, dass er sich nur schlafend stellte, aber so hatte er wenigstens seine Ruhe. Er dachte angestrengt nach, aber er kam zu keinem guten Schluss. Es gab so viele Möglichkeiten.

„Willst du es wirklich wissen?", kam es, dank der Decke, gedämpft von Chihaya. „Dann sag ich es dir... vielleicht..."

„Natürlich will ich es wissen!"

Chihaya setzte sich abrupt auf, die Decke rutschte ihm vom Körper und Kagetsuya konnte den Anblick des Adamskostüms genießen. Er merkte zwar, wie Chihaya sich unter seinen Blicken schämte, aber so eine Gelegenheit bekam er zu selten, als dass er sie nicht genutzt hätte.

„Also, es ist so... starr nicht so."

„Schon gut, red weiter."

Kagetsuya konzentrierte sich, so gut er es konnte, auf Chihayas Augen.

„Ich hätte mir vom Weihnachtsmann gewünscht... na ja... also... ich hätte mir von ihm gewünscht..."

„Engel leben lange, aber ich wüsste nicht, dass es eine Ewigkeit ist."

„Ich will, dass wir immer und immer zusammenbleiben! Und ich wollte mir wünschen, dass das auch so sein wird!"

Kagetsuya lächelte milde und umarmte Chihaya. Der wusste im ersten Moment nicht recht, was nun in den Anderen gefahren war, nahm die Umarmung aber an.

„Würdest du dir das auch wünschen, Kagetsuya?"

„Ja. Ja, das würde ich mir auch wünschen. Aber ich glaube trotzdem nicht an den Weihnachtsmann!"

Chihaya schmollte abermals und verschränkte die Arme vor der Brust. Er hatte Kagetsuya schon den ganzen Advent davon überzeugen wollen, dass es den Weihnachtsmann sehr wohl gab, aber der hatte sich nie überzeugen lassen – würde es anscheinend auch nie.

„Ich erfülle mir meine Wünsche lieber selber. Und den, den du genannt hast, würde ich auch von niemand Anderem erfüllen lassen."

Chihaya überlege kurz, lächelte dann glücklich und neigte sich nach vorne, um Kagetsuya etwas ins Ohr flüstern zu können. Aber das bleibt eines der süßen Weihnachtsgeheimnisse, die in so einer Nacht nur eine besondere Person erfahren kann.