Date: 8. Dezember
Author: selene
Category: Short Story
Characters/Pairing: Harry/Draco
Genre: Romance
Rating: G


I'm grateful that…

„Ich bin wieder da!", rief Harry müde in die Wohnung hinein, während er die Haustür hinter sich schloss und den Schlüssel auf die Kommode im Flur legte.

„Du bist früh dran."

Harry verdrehte amüsiert die Augen und versuchte von seinem Standpunkt einen Blick ins Wohnzimmer zu werfen, als er seine Schuhe auszog und zur Seite stellte.

„Jetzt sag mir noch, dass ich deiner Meinung nach ruhig länger hätte arbeiten können und der Tag ist perfekt." Wie zur Bestätigung gähnte Harry ausgiebig und wollte das Wohnzimmer betreten als er im Türrahmen verwundert stehen bleib. „Drake!"

„Moment", antwortete Draco nur und befestigte die Lichterkette am Fenster, bevor er sich lächelnd umdrehte.

„Hey", begrüßte er seinen Freund und küsste den ehemaligen Gryffindor auf die Wange, ehe er an ihm vorbei in die Küche ging.

Harry war kaum in der Lage dazu zu reagieren. Wie angewurzelt blieb er an dem Fleck stehen und sah sich perplex um.

Draco hatte geschmückt, dekoriert – wie immer man es auch nennen wollte. Überall hingen Lichterketten, Kugeln in blau und in gold, Mistelzweige…

„Draco, was hast du hier gemacht?", flüsterte er und wiederholte sich lauter, als er keine Antwort bekam.

„Was meinst du?", fragte Draco überrascht und blieb neben ihm stehen, in der Hand einen Teller voll Kekse. „Harry, was stehst du überhaupt noch hier wie angefroren? Geh duschen, zieh dir was Bequemes an und komm dann ins Wohnzimmer."

Allmählich wurde Harry das Ganze wirklich zu dumm. Verstand Draco tatsächlich nicht was er meinte, obwohl das nur allzu offensichtlich war, oder spielte er ihm bloß etwas vor!

"Jetzt weich meiner Frage nicht aus, Drake, und erklär mir erstmal, was das alles hier soll." Eine Antwort erwartend stemmte Harry seine Hände leicht in die Hüfte und sah den Blonden auffordernd an.

Draco runzelte die Stirn und folgte Harrys Blick, als dieser demonstrativ auf etwas starrte und erkannte den Tannenbaum. Verstehend nickte er, fast zu seiner eigenen Bestätigung und sah dann wieder zu Harry.

Er hatte es ja geahnt, mehr noch – er hatte ganz genau gewusst, wie der andere reagieren würde, doch das hatte ihn auch nicht von seinem Vorhaben abhalten können.

„Du meinst den Baum und die Dekoration? Honey, ich weiß nicht, ob du es mitbekommen hast oder nicht, aber heute ist Heiligabend. Und da ich die Deko und das Schmücken des Baumes eigentlich dir überlassen wollte, hab ich hier nichts getan. Du allerdings auch nicht. Also hab ich mir die Freiheit genommen und selbst alles verziert und geschmückt."

Harry seufzte frustriert und löste seine Haltung, sah Draco eindringlich an. „Draco, du weißt doch ganz genau das ich kein Weihnachten feiere. Wir kennen uns jetzt schon seit Hogwarts und wir sind seit einem Jahr zusammen. Ich hab doch noch nie wirklich Weihnachten gefeiert, also warum die ganze Mühe?"

Draco wusste es ganz genau, da war Harry sich absolut sicher. Schließlich hatte er es schon oft versucht Harry dazu zu bringen sich auf Weihnachten zu freuen. In kleinen Bemerkungen, in kleinen Gesten – aber für Harry war es immer offensichtlich gewesen.

Allein die Frage, was sie im Dezember Schönes unternehmen sollten, war für Harry ein Hinweis darauf gewesen, das Draco etwas vorhatte. So was hatte er befürchtet.

„Ja, das war immer so und deswegen bin ich der Meinung, dass es geändert werden sollte."

Harry verdrehte die Augen und schüttelte fast missbilligend den Kopf. „Niemand hält dich davon ab mit den andren oder deiner Familie zu feiern, Drake. Aber ich will das nicht."

Draco blieb mit dem Rücken zu Harry stehen und stellte den Teller auf den Tisch. „Geh dich umziehen, Harry", sagte er nur ausdruckslos, ohne eine Spur von Traurigkeit oder Wut.

Der Angesprochene nickte nur leicht, deutete Dracos Reaktion als eine Zustimmung auf seine Bitte und ging ins Schlafzimmer.

Der Blonde wartete ab, bis Harrys Schritte verstummten und griff nach seinem Zauberstab. Leise flüsternd sprach er den Zauberspruch, der die ganzen Fotos, die er zuvor überall hin gehängt hatte, nun sichtbar machte und setzte sich auf die Couch.

Die Fotos gehörten ihm und Harry. Es waren Bilder, die in Hogwarts gemacht wurden, auch in den Ferien, in der Zeit danach und Fotos ihrer Familien. Er hatte sich dafür extra mit Albus Dumbledore, ihrem alten Direktor, zusammengesetzt und alle Fotos heraus gesucht, die es von Lilly und James Potter noch gab.

Es dauerte nicht lange, bis Harry wieder rein kam und wie zuvor auch schon erstarrt stehen blieb und sich die Fotos ansah. Doch dieses Mal sprach er Draco nicht darauf an, schritt lediglich langsam durch den Raum und besah sich jedes Bild ganz genau.

Sein Freund sah sich Harrys Reaktion eine Weile an, begann dann aber zu sprechen. „Wie wär's mit einem kleinen Spiel, Hon'?"

Stirnrunzelnd drehte sich der Schwarzhaarige um. „Ein Spiel?", fragte er schon fast in seiner berühmten Neugier und setzte sich neben den anderen.

Draco lächelte und nickte ihm bestätigend zu. „Richtig. Ein Spiel. Es geht ganz einfach und es gibt keine Regeln. Man beginnt einfach mit den Worten ‚Ich bin dankbar für…' und sagt dann, wofür man dankbar ist."

Harry verstand den Sinn dieses Spieles absolut nicht – weder den Sinn noch das Ziel davon. „Und gewonnen hat der, der für mehr Dinge dankbar ist, oder wie darf ich das jetzt verstehen?"

Draco seufzte innerlich, ließ sich aber nichts anmerken. Manchmal war sein schwarzhaariger Freund mehr als begriffsstutzig. Natürlich konnte es daran liegen, dass Harry nie Weihnachten gefeiert hatte oder feiern wollte und deshalb den Sinn und Zweck des Spiels nicht verstand. Aber irgendwo musste Draco ja schließlich anfangen.

„Wirst du noch sehen, einzige Bedingung ist, man muss unter allen Umständen ehrlich sein. Fang einfach mal an, du wirst es schon merken", fügte der Blonde schnell hinzu, bevor Harry ihm weitere Fragen stellen konnte und sein Gegenüber seufzte und begann nachzudenken.

„Ich bin dankbar für…", begann Harry und dachte intensiv darüber nach, worüber er denn wirklich dankbar war.

Das Ganze war wesentlich schwieriger, als es sich angehört hatte, aber glücklicherweise schien Draco nicht darauf zu bestehen, dass er sich beeilte.

„…den Frieden.", kam es nach einigen stillen Minuten von Harry und Draco bemerkte an seinem Gesichtsausdruck als auch an seiner Stimme, wie überrascht er selbst war.

„Wieso so überrascht?", fragte er ihn dann auch und Harry kratzte sich verwundert am Hinterkopf.

„Na ja, ich bin wahnsinnig dankbar für den Frieden, aber es ist mir gar nicht eingefallen bis eben."

„Aufgefallen."

„Was?" Perplex sah Harry den ehemaligen Slytherin an.

Der lächelte aber nur ruhig und zuckte leicht mit der Schulter. „Wohl mehr ‚aufgefallen' statt ‚eingefallen'. Natürlich wusstest du, dass Frieden ist, aber es war dir nicht bewusst. So könnte man es doch sehen. Deswegen kamst du auch nicht darauf, weil es irgendwo für dich selbstverständlich war, was es eigentlich aber nicht gewesen wäre, wenn du dir wirklich bewusst gemacht hättest, dass kein Krieg mehr herrscht."

Harry sah nachdenklich zu Boden, lehnte sich zurück und kuschelte sich leicht an das Polster an, sagte dazu aber nichts weiter.

„Ich bin dran. Ich bin dankbar für dich", erwiderte Draco und schnell abwehrend seine Hände. „Du darfst nicht dasselbe sagen, das geht nicht."

Als Harry begann demonstrativ zu schmollen, konnte Draco sich das Lachen nicht mehr verkneifen und strich seinem Freund durchs noch feuchte Haar.

„Ich bin dankbar für meine Freunde", sagte Harry und dachte an Hermione, Ron, Blaise und Pansy, die sie beide, ihn und Draco, auf ein großes Weihnachtsessen und ein anschließendes Fest im engsten Kreis eingeladen hatten. Doch Harry hatte abgesagt und Draco war dadurch auch nicht gegangen, und obwohl sie sich stundenlang gestritten hatten, hatte sich Draco nicht davon abhalten lassen, den Tag mit Harry zu verbringen.

Nicht, dass Harry nicht froh war, wenn Draco die Zeit mit ihm verbringen wollte, allerdings wusste er auch, wie sehr Draco sich gewünscht hatte dorthin zu gehen und alle wieder zu sehen.

„Ich bin dankbar dafür, dass ich lebe", antwortete Draco und nickte bestärkend. Ihm lag dieses kleine Wort auf der Zunge, doch er wusste, dass Harry genau merkte, was er meinte. Zwischen ‚leben' und ‚überleben' bestand ja auch ein großer Unterschied. Eine ganze Zeit lang war es schließlich nicht einfach gewesen, im Gegenteil. An vielen Abenden hatte keiner von ihnen sagen können, ob sie das Tageslicht jemals wieder sehen würden. Ob sie noch einmal aus dem Schlaf aufwachen würden, ob sie atmen würden, ob sie sich wieder sehen würden…

An Letzteres war im Krieg ohnehin kaum zu denken gewesen.

„Ist das nicht zu allgemein gehalten?", fragte Harry nun grinsend und spürte sofort Dracos Finger an seinem Bauch, die ihn gnadenlos durch kitzelten. Es war vielleicht eine Ablenkung, aber die hatten sie auch verdient. Lange genug hatte jeder ihrer Generation und auch die anderen sich mit den Folgen und Konsequenzen des Krieges auseinander gesetzt.

„Ich mach hier die Regeln!", erwiderte dieser lachend und zog nur langsam seine Hände zurück, während Harry hastig und noch grinsend nach Luft schnappte.

„Ich dachte es hätte keine Regeln!"

Der Blonde schmunzelte nur und verdrehte amüsiert die Augen, bevor er sich wieder ganz Harry zu wand. „Du bist dran."

Harry nickte und strich sich durchs Haar, um wenigstens etwas Ordnung in sie zu bringen, was er nach dem vierten Versuch aber auch schnell wieder aufgab. „Ich bin dankbar für meine Freiheit."

Keiner der Beiden musste aussprechen um welche Freiheit es Harry ging. Schließlich waren es nie die vergitterten, alten, baufälligen und hässlichen Zellen Azkabans gewesen, von denen er sich eingesperrt und bedrängt gefühlt hatte. Es war mehr der berüchtigte ‚goldene Käfig' gewesen, in dem man möglicherweise alles hatte, aber keine Freiheit. Nicht das Recht selbst zu entscheiden, über die Zukunft oder sein Leben.

Draco hob den Blick und sah Harry lange aufmerksam an. Vielleicht war es zu früh für diesen Schritt, denn es bestand noch immer die Möglichkeit, dass Harry abwehrte, aufstand, das Zimmer verließ und auch dieses Jahr die Worte ‚Fröhliche Weihnachten' nicht fallen würden.

„Ich bin dankbar für dieses Weihnachtsfest."

Erstaunt sah Harry seinen Partner an. „Wieso denn das? Das ist doch nicht mal ein richtiges Weihnachtsfest!"

Der Blonde hob nur eine Augenbraue. Er hatte das nicht erwartet. Er hatte erwartet, dass Harry abblocken würde, das Thema wechseln würde – etwas in dieser Art, aber nicht diesen Kommentar. „Wieso denn nicht?"

Harry seufzte und dachte einen Moment darüber nach, wie er es Draco erklären konnte. „Weihnachten verbringt man im großen Kreis, singt, tanzt, lacht und betrinkt sich, während man anderen vorheuchelt, dass man sie vermisst hat und wie schön das Fest der Liebe' ist."

‚Zynisch' war das erste Wort, das dem Malfoy-Erben zu Harrys Worten einfiel, doch um keinen Preis der Welt hätte er das laut ausgesprochen.

„Wieso glaubst du das denn? Ich will dir keine Predigten halten, Harry, aber Weihnachten ist nicht das, was du dir da vorstellst."
Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf. So naiv konnte sein Freund doch nicht wirklich sein! „Drake, Weihnachten ist nicht mehr das, was es mal war. Okay? Egal wohin du blickst, es geht nur noch um Geschenke, ums Saufen – aber nicht das, was Weihnachten eigentlich ausmacht."

Draco stützte seinen Ellbogen auf die Rückenlehne des Sofas, auf dem sie saßen, ab, legte seine Hand an seinen Hinterkopf und sah Harry lächelnd an. „Und was ist deiner Meinung nach der Sinn von Weihnachten?"

„Na Liebe! Egal zu wem und auf welcher Basis. Liebe zu Freunden, zum Geliebten, zur Familie oder auch die Liebe zum Schnee. Die Liebe zum Leben, niemals aufzugeben. Die Liebe zu seiner Freiheit, die Dankbarkeit… Alles eben!", zählte Harry schnell auf, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, als er in seiner Aufzählung stoppte und den Blick zu Draco wand. Erst langsam bemerkte er, dass in allem, was sie in diesem Spiel erwähnte hatten, irgendwo auch der Sinn Heiligabends steckte.

Einen Augenblick lang hüllten sie beide sich in Schweigen, bis Harry lauthals und herzlich begann zu lachen. „Das war jetzt fast schon zu kitschig, Draco."

Der Angesprochene lachte nur und zuckte mit der Schulter. „Es ist Heiligabend, Harry, da darf ich mir so was erlauben", antwortete er nur, bevor er Harry zu einem Kuss zu sich zog.

FIN

Selene