Date: 15. Dezember
Author: Nickodemus
Category: Short Story
Characters/Pairing: Harry/Draco
Genre: Romance
Rating: G
Zur zwölften Stunde
Nichts ist mehr so wie vorher, nach diesem einen, verhängnisvollen Weihnachtsabend.
Jedes Jahr warte ich seither auf die zwölfte Stunde. Warte, bis du eingeschlafen bist, mein Liebster. Beobachte, wie sich deine Brust langsam unter deiner ruhigen Atmung hebt und senkt. Dann und erst dann schweifen meine Gedanken zurück, während ich liebevoll dein Haar streichle.
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Es war der 24. Dezember, kurz vor Mitternacht. Drei Jahre liegen seit diesem Abend hinter mir. Lange schob ich meine Zweifel bereits vor mir her. Wusste nicht, wohin mit meiner tiefen Zuneigung für dich, mein Feind.
Zur Weihnachtszeit war meine Verfassung nie die beste, doch auch als mir klar wurde, welcher Art meine Gefühle für dich waren, besserte es sich nicht wirklich. Was sollte ich tun? Es dir sagen? Nein, wohl kaum, doch wohin sollte mich all das führen? Ich wusste es einfach nicht. Dass meine Fragen schon wenige Tage später eine Antwort finden sollten, hätte ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht träumen lassen.
Die Ruhe im Schloss umgab mich, zog meine Gedanken fort, zu dir. Ließ meine Sorgen auf ein unerträgliches Maß anschwellen, welches kaum noch unter Kontrolle zu bringen war. Ich brauchte deine Nähe so sehr, und doch war ich unfähig zu beurteilen, was du von all dem halten würdest.
Dass eine Gestalt neben mir auftauchte, nahm ich kaum wahr, zu viele Geister gab es in Hogwarts und keiner hielt es normalerweise für nötig sich anzukündigen. So wurde ich erst in dem Moment aus meinen Gedanken gerissen, als eine dünne Stimme an mich gerichtet wurde.
„Komm, komm mit mir, Harry."
Eine Option, mich dagegen zu entscheiden, hatte ich nicht. Hinfort gerissen aus meinen düsteren Gedanken, in Begleitung eines Geistes, den ich niemals zuvor gesehen hatte, fand ich mich in einem geschmückten Raum wieder. Der Baum, mit dunkelblauen Kugeln verziert und durch silbernes Lametta abgerundet, machte einen kalten Eindruck, schien nicht wirklich weihnachtlich. Die hohe Decke wurde von einem prächtigen Leuchter geschmückt und aufwendiger Stuck verzierte das weiße Mauerwerk.
Der kleine blonde Junge auf dem Boden fiel mir erst auf, als der Geist einen Finger auf ihn richtete. Ich folgte der Auforderung und erblickte eine Frau um die zwanzig.
Sie reichte dem Jungen eine selbstgemachte Handpuppe. Freudig griff der vielleicht vierjährige Blondschopf nach dem Mini-Zauberer und jauchzte überglücklich. Die Mütze aus grünem Filz schwang hin und her, bewegte ein kleines Glöckchen, das am unteren Ende befestigt war. Lange Zipfel aus rotem und gelben Stoff erregten die ungeteilte Aufmerksamkeit des Kleinen.
Die Tür flog im selben Augenblick auf, als der Junge sein neues Spielzeug ausgiebig betrachtete. Ein Mann, groß, ebenfalls blond und...mein Gott, jetzt erkannte ich, wer da vor mir stand. Der Mann war kein geringerer als Lucius Malfoy. Jünger und recht adrett stand er imposant im Raum, seinen Stock auf den Jungen gerichtet. Der Kleine...mir wurde flau im Magen. Mit einem undefinierbar widerlichen Grunzen riss er seinem Sohn das Stück Stoff aus der Hand, zog seinen Zauberstab und ließ es mit einem Wort in Flammen aufgehen. Nur ein verbrannter Rest blieb übrig.
„Wie oft muss ich Ihnen noch sagen, dass Sie meinen Sohn nicht mit albernen Spielsachen zu einer Memme erziehen sollen, Mrs. Sollix. Ich werde mich nicht wiederholen. Sollte das erneut passieren, werde ich mich nach einer Dame umsehen, die in der Lage ist, meine Anweisungen auszuführen, ist das klar?"
„Ja, Mr. Malfoy, bitte verzeihen Sie mir."
Sie senkte den Kopf und verließ den Raum. Draco – ich kann es noch immer nicht fassen – konnte nicht verstehen, worum es bei all diesem Geschrei ging, doch sein verzweifelter Blick auf das verbrannte Stück Stoff ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Der Junge griff danach und betrachtete es traurig. Seine Augen füllten sich mit Tränen, die wenig später über sein zartes Gesicht liefen.
Meine Sinne drehten sich, als ich mich wieder im Obergeschoß von Hogwarts vorfand, alleine. Was sollte das? Doch bevor mein Kopf in der Lage war zu verstehen, erschien ein weiterer Geist an meiner Seite. Kugelrund und freundlich zog er mich in die Räume der Slytherins. Könnte mich jetzt jemand von ihnen sehen, wäre mein Leben wohl verwirkt, doch keiner der Vorübergehenden nahm mich wahr.
Ein kleines Zimmer am Ende eines Ganges stand einen Spalt weit offen. Ich schlüpfte durch die Tür und...
Draco saß auf seinem Bett, traurig blickten seine wunderschönen, sturmgrauen Augen durch das Zimmer, bevor er ein Kästchen unter seiner Matratze hervor zog. Er öffnete es langsam und holte – ich fasse es nicht – die verbrannte Stoffpuppe hervor. Seine schlanken Hände streifen über das einstige Geschenk. Ich konnte nicht glauben, was sich meinen Augen abspielte. Draco war scheinbar nicht der, für den man ihn halten sollte, und alles, was ich je über ihn gedacht hatte, erschien mir in diesem Augenblick unfair. Meine Erfahrungen drifteten ab ins Wertlose.
Seine Hand griff erneut in den Kasten und förderte ein weiteres Teil zum Vorschein. Ich erblickte es und wusste, dass ich nicht wirklich sah, was ich zu sehen glaubte. Das gelb-rot gesteifte Wollteil in seiner Hand war... mein Schal.
Vor über sechs Monaten glaubte ich ihn verloren zu haben, doch ...ich war schockiert und gefangen zugleich. Mein Feind, der Mann, dessen liebliche Ausstrahlung Tag für Tag meinen Körper erzittern ließ, streichelte über das Stück Wolle, hob es an und schnupperte melancholisch daran. Was geschah hier überhaupt? Wie war das möglich? Sollte ich mich all die Jahre so maßlos in diesem jungen Mann geirrt haben? Indigniert versuchte ich meinen Blick von ihm abzuwenden, doch...zu fantastisch war die Erkenntnis die sich mir offerierte, ja fast aufdrängte.
Noch bevor ich meinen Gedankengang beenden konnte, wurde ich auch aus dieser Situation fortgerissen und stand erneut in dem kalten Gang. Verwirrung umhüllte mich, ließ mich wünschen, wieder in dem Zimmer meines Feindes – oder wie auch immer – zu stehen.
Ich hätte es zwar wissen müssen, doch erschrak ich ein wenig, als der dritte Geist meine Aufmerksamkeit auf sich zog, mich mit sich riss und in der Zukunft absetzte. Ich hatte Angst, denn die Zukunft eröffnet uns all die Dinge, die noch nicht entschieden waren, zeigt uns, was sein könnte. Ich war verwirt, sah mich in dem Zimmer um, das sich, lieblos eingerichtet, vor mir erstreckte. Erblickte einen Mann um die Vierzig, der gedankenverloren ein Bild in den Händen hielt. Draco erschien älter, reifer und auf eine gewisse Weise traurig. Durch den Geist angehalten, mir dieses Foto anzuschauen, schritt ich darauf zu.
Auf dem Foto erblickte ich mein Gesicht. Der Herzschlag in meiner Brust geriet außer Kontrolle. Unfähig etwas zu tun starrte ich auf mein Gesicht in Dracos Händen – aus einer Zeitung herausgetrennt und sorgfältig eingerahmt. Der blonde Mann ließ seinen Finger darüber gleiten, bevor er es vor sich auf den Tisch stellte.
Das sollte seine Zukunft sein? Mir wurde schlecht. Wie sollte ich das wissen? Wie? Seine Gefühle für mich, ich war wie in Trance, als mir klar wurde, was ich in den vergangenen Minuten, Stunden - ich wusste es nicht wirklich – erfahren hatte. Das Aufbegehren meines Herzens ließ mich erschaudern. Ich musste zu ihm, jetzt.
Auch diese Rückreise vollzog sich in Windeseile, begleitet von einem mulmigen Gefühl in meiner Magengegend.
Adrenalin jagte durch meine Venen, als ich Draco im Hof abfing – mit gepacktem Koffer, auf dem Weg zu seiner Familie. Der Gesichtsausdruck, als meine Hände seine elfenbeinfarbenen Wangen ergriffen, war göttlich. Ich musste ein wenig schmunzeln, doch es konnte mich nicht davon abhalten, seine lieblichen Lippen zu küssen. Wie lange ich mich danach schon gesehnt hatte...
Deine Reaktion, nachdem du dich panisch umgesehen hattest, sicher warst, unentdeckt geblieben zu sein, verwundert mich noch heute. Nie vergesse ich deine Aktion, nie werde ich den Blick vergessen, den du mir geschenkt hast, bevor deine Lippen, nach erneutem Umsehen, meine trafen. Einen Schlag ins Gesicht oder lautes Gezeter, das war es, was ich erwartet hatte, doch das...
Deine Augen wurden von Sekunde zu Sekunde dunkler und die Spannung war kaum noch zu ertragen. Unter großer Überwindung all deiner aufkeimenden Gefühle wandest du dich zum Gehen, nachdem der Kutscher zur Eile gedrängt hatte, um den Zug nicht zu versäumen. Ich ergriff deinen Arm und unsere Blicke kreuzten sich erneut. Mir wurde flau im Magen. Kleine Schmetterlinge versuchten die neue Situation zu erfassen und tobten wie wild in mir. Ließen mich erkennen, wie groß das Ausmaß meiner Gefühle für dich war.
Du wolltest bleiben, ich konnte es sehen, doch die Pflicht deiner Familie gegenüber bot keine andere Alternative für dich, als in die Kutsche zu steigen. Doch meine Worte, so würdest du mir später gestehen, machten alles Folgende sehr viel leichter für dich, mein Geliebter.
„Ich werde nie mehr zulassen, dass du einsam bist."
Wenige Sekunden verharrten wir in dieser Stellung, bis der Kutschers erneut drängte. Als dein Arm aus meiner Umklammerung glitt und ich dir nachsah, wusste ich, dass mit diesem Tag alles anders werden würde. Für immer.
