Teil 2
Am nächsten Morgen stand sie bereits am Flughafen einzig und allein mit einem Rucksack bewaffnet. Ihre Pistole würde sie nicht brauchen, ab gesehen davon wäre sie mit einer erst gar nicht ins Flugzeug gekommen. An Board hörte sie die Nachrichten und war erstaunt, dass die Presse bereits von ihrer Kündigung wusste. Anscheinend musste es einen Maulwurf geben. Das bedeutet, dass sie höchst vorsichtig agieren musste um nicht ihr und Dr. Lecters Leben zu gefährden.
Amüsiert und bestärkt in seiner Vermutung vernahm Dr. Lecter die Nachricht von Clarice Kündigung beim FBI. Trotzdem fragte er sich, was wohl die Wandlung in Clarice ausgelöst hatte. War etwas vorgefallen, was ihm entgangen war oder war einzig und allein die Zeit gekommen für ein Gespräch unter vier Augen. Wohl wusste der Doktor um ihren inneren Kampf, doch war sie bis zuletzt nicht in der Lage gewesen ihn unbeschadet zu überstehn. Unabstreitbar freute er sich auf eine Neue Begegnung und auf die Möglichkeiten die sich aus ihr eventuell ergeben könnten. Auch ihm war nicht entgangen, dass er ihretwillen ein wenig Selbstkontrolle eingebust hatte. Er wagte jedoch erst gar nicht diese Einbuße zu analysieren, da er zu einem Ergebnis kommen würde, dass er sowieso für ausgeschlossen hielt. So ließ er diese Frage offen und konzentrierte sich eher darauf, wie er Clarice finden könnte.
In London angekommen, miete sich Clarice erst einmal in ehemaliges Schullandheim ein, das von Preis und Leistung her stimmte. Immerhin hatte sie ihr eigenes Bad und einen Ofen im Zimmer. Viel einzurichten gab es nicht, da ihr Gepäck recht spärlich war. Als sie die kargen Wände betrachtete fühle sie komischer Weise eine Befreiung, sie konnte atmen und fühlte seit langer Zeit sich zu Hause. Dies vier Wände gaben ihr mehr Freiheit als ihre Wohnung es jemals hätte tun können. Aus dem einfachen Grund, da sie nicht mit Erinnerungen verknüpft waren. Draußen begann es zu regen und trotzdem entschied sie sich einen kurzen Trip zur Porto Bello Road zu machen. Sie dachte an Merry Poppins als sie die Straßen hinauf und hinunter lief, immer an den alten Läden vorbei. Plötzlich blieb sie stehen, wie von Geisterhand gestoppt schaute sie eine alte Londoner Fassade hinauf zu einem Balkon aus dessen Fenster Klavierspiel zu hören war. Mitlerweile völlig durchnässte ließ sie ihre Gedanken schweifen und befand sich wieder am Chesapeake. Als sie damals unter Morfiumeinfluss war, hörte sie in ihren Träumen genau die gleiche Melodie, sie wagte es jedoch nicht aufzustehen und nachzusehen…" Madame, Kann ich ihnen helfen" rief eine Frauenstimme, ihr gegenüber an der Einganstüre stehen zu. Clarice schaut zu ihr herüber und bemerkte erst jetzt das der Regen sich verstärkt hatte. Schnell lief sie zu der fremden Frau hinüber und fragte wer denn dort droben wohnen würde. Ein gewisser Dr. Lombardi würde dort seit ca.1/2 Jahren wohnen, bekam sie zur Antwort. Er würde öfters spielen, hätte aber keine Kontakte zu anderen Mitbewohnern des Hauses. „ Hatte ich ihn etwa schon gefunden" dachte sich Clarice, wohl wissend das wenn, dies ein 6er im Lotto wäre. Die Vorstellung war so unwahrscheinlich, dass sie sie auch gleich beiseite legt und sich auf den Weg nach Hause machte.
Dr. Lecter war dieser kurze Besuch wohl weislich nicht entgangen und wunderte sich sogleich, ob sein Versteck nicht etwas zu offensichtlich war oder ob Clarice einfach einen übernatürlich guten Instinkt hatte.
Zu Hause angekommen, ließ Clarice sich erst einmal ein Bad ein und hängte die nassen Kleider zum Trockenen über ihren Schrank. Sichtlich durchfroren stieg sie in die heiße Badewanne und tauchte mit dem Kopf unter. Ihre Augen wanderten wieder nach oben an die Decke und sie verlor sich in Gedanken. Damals hatte er sie auch gewaschen, ebenfalls in einer Wanne. Trotz des starken Morphiums kamen die Erinnerungen zurück und Clarice musste sich fragen ob sie ihm wohl gefallen hatte. Je länger sie nachdachte desto mehr Einzelheiten vielen ihr wieder ein. Er hatte sie sanft hinein gleiten lassen immer wachsam, dass ihr Kopf nicht unter Wasser gelangte, wie bei einem Kind das man vor dem Ertrinken schützen möchte. Er hatte ihr erst den Rücken gewaschen, dann den Bauch und dann ist er zu ihren Brüsten gekommen. Auch sie hatte er gewaschen, wobei er dies gründlicher tat als notwendig. Sie glaubte sogar ihn tief atmen zu hören. Ihren Unterleib hatte er ausgespart, anscheinend hätte ihn das zu viel Kraft an Selbstbeherrschung gekostet. Durch ein Klopfen an der Tür aus den Gedanken gerissen, wickelte sie sich schnell ein Handtuch um den Körper und ging zur Tür um sie zu öffnen. Der Hausbesitzer war gekommen um sich nach ihrem Wohlbefinden zu erkundigen. Als er feststellte, dass es seiner neuen Untermieterin an nichts fehlte ging er wieder. Clarice schritt daraufhin zum Bett um sich nur noch fallen zu lassen und bis zum nächsten Morgen zu schlafen.
