Teil 3

Punkt 8 Uhr wachte Clarice auf, sichtlich ausgelaugt vom gestrigen Tag tappte sie erst einmal ins Bad um sich den Schlaf aus dem Gesicht zu waschen. Anschließend hob sie ihren Kopf um in den Spiegel zu schauen. Tief in ihr eigenes Anlitz versunken dachte sie nach: „ Ich bin hier, ohne Job, ohne viel Geld und nur mit dem Wunsch Dr. Hannibal Lecter zu treffen um mich mit ihm auszusprechen – welcher Teufel hatte mich gestern eigentlich geritten? Ok, ich bin verrückt aber vielleicht finde ich dadurch zu einem neuen Leben, das dankbarer ist als das im FBI. Armer Jack Crawford, ich hätte auf ihn hören sollen als er meinte ich solle Dr. Lecter nicht in meinen Kopf lassen, oder besser Scheißkerl, er wusste genau wie gefährlich Dr. Lecter ist." Durch das unüberhörbare brummen in ihrem Bauch, merkte Starling dass es wohl besser wäre erst etwas zu essen und sich dann danach den Kopf zu zerbrechen. Sie drehte sich um, ging zu ihrem Kleiderschrank holte eine Jeans und ein T-Shirt heraus und verließ ihr Zimmer.

Nach dem Frühstück entschied sie sich London mal am Tage zu besichtigen. Sie holte sich einen Stadtplan und schrieb sich für die nächste Woche Tagespläne zusammen. Das Geld sollte ungefähr für zwei Wochen reichen, danach müsse sie sich wohl oder übel einen Job suchen. Sie fühlte sich so frei, dass sie gar nicht mehr das dringende Bedürfnis hatte Dr. Lecter ausfindig zu machen, sondern wollte erst einmal die Europäische Kultur näher kennen lernen.

Der Abstand zu Amerika und ihrer Vergangenheit schien Parallelen aufzuweisen.

Heute stand neben einer Stadtrundfahrt ein Theaterbesuch an. Sie konnte es nicht fassen, dass das wirklich sie war. Aber um Lecter besser verstehen zu können müsste sie auch seine Gepflogenheiten analysieren. Diese Kleine Ausrede missbrauchte sie dazu um sich ihr ersten Kleid zu kaufen, das sie am Abend anziehen würde. Es war im Renaissance-Stil aus beiger Baumwolle und passteperfekt zur Aufführung. Das Stück hieß 'La vita nuova' von Dante uns spielte im großen Opernhaus.

Am Abend versuchte Clarice zum ersten Mal ihr Gesicht zu schminken, was ihr trefflich misslang und nach unzähligen Versuchen beließ sie es schließlich bei einem einfachen Lidstrich. Sie stieg in ein Taxi und ließ sich zur Oper fahren. Dort angekommen, nahm sie sofort ihren Platz ein, schaute ein paar Mal durch den großen Raum und freute sich auf die Aufführung.

Dr. Lecter entging keine einzige Bewegungen von Clarice, sie bewegte sich so unbeholfen in ihrem Kleid, dass jeder sichtlich erkennen konnte, dass sie 'Neu' war in jenem Kreis der Operngänger. Sichtlich amüsiert überlegte Lecter wer wohl mehr Applaus verdiente, die Schauspieler auf der Bühne oder Clarice, die trotz ihrer Unsicherheit den Mut hat sich etwas anzusehen wovon sie nicht die geringste Ahnung hatte. Jedoch hatte sie Potential bald unauffällig durch die Reihen zu gehen und als einer der Seinen anerkannt zu werden.

Mit einem wohlwollenden Schmunzeln auf den Lippen lehnte er sich zurück und beschloss das Stück in vollen Zügen zu genießen und vielleicht hinterher Clarice einen Besuch abzustatten.