Ihr Lieben,

also jetzt mal im Ernst. Ihr habt mich ja total geplättet. So viele Revs an einem einzigen Tag! Wären die alle per Eule gekommen, wäre es bei mir ja zugegangen wie bei Dursleys, als die Hogwarts-Briefe kamen.

Ich danke euch! Das is ja der Wahnsinn!

Und um auch alle zeitnah beantworten zu können, schreib ich die Antworten ausnahmsweise hier an den Anfang.

Ewjena: Vielen Dank, und Willkommen an Bord, freue mich sehr!

Dark Azura: Eine Fortsetzung wird es sicher geben. Oktobermond ist ja noch nicht abgeschlossen, und es gibt ein paar Ideen für „das Leben danach".

Slytherene: Danke für die starken Verben :o) Und keine Sorge. Weihnachten dringt in den tiefsten Keller (und in die schwärzeste Seele) vor.

Rabasta: bitte keine Drohbriefe bibber ich tu wirklich, was ich kann. Wenn ich dürfte, würde ich mich tageweise in den Keller sperren und nur tippen… Die Wölfchenfrage übergehe ich gerade mal elegant. Die Antwort will ich nicht öffentlich posten, weil sie ja das Ende von Oktobermond vorweg nimmt, und ich will mich nicht selbst „spoilern". Solltest Du's vor der Zeit wissen wollen, mail mir einfach noch mal.

KatharinaB: Huh. Wenn ich mal wirklich mutig bin, schreibe ich Weihnachten aus der Sicht des Tränkemeisters. Dagegen ist unser Werwolf ein zahnloses Kuscheltierchen.

Anna2509: Ich hoffe, ich verderbe Dir nicht die Weihnachtsstimmung mit meinem wölfischen Miesmuffel :o)

Tod: Glück gehabt: Emilia ist gefestigt genug, um die Muffelei nicht persönlich zu nehmen :o) Und gegen ihr Langzeitprojekt, aus dem Tränkemeister ein umgängliches Mitglied der Gesellschaft zu machen, nimmt sich die Weihnachtifizierung des Wolfes eher simpel aus. Vielleicht bringt Weihnachten ja auch Remus' dunkle Seite zum Vorschein :o) ich denke, er hat zu viel mitgemacht, um nicht wenigstens gelegentlich zynisch zu sein, aber laut sagen würde er es eben nie, von daher hast Du recht… (wie gut, dass es geheime Tagebücher sind, die niemals jemand lesen wird, mwahahaha)

Amazone: Meine ReviewerInnen sind mir viel zu wertvoll, um sie als „arm" „nichts mitreden zu lassen". Ganz im Gegenteil. Zur Wölfchenfrage siehe oben, bei Rabasta. Und daaanke für Tränkemeisters Komplimente, da wird er sich freuen (und dazu selbstverständlich in den Keller gehen)

Nyarna: Bitte, bitte, bitte. Ich schätze mich ja wirklich glücklich, für Euch schreiben zu dürfen. Das macht son Spaß. Und ich bleibe auch dran, ich bin, was das betrifft, ein ganz disziplinierter Mensch. Ich kann bloß mit Kind so schlecht planen…

Alge mit der Ordnungszahl, die ich mir nicht merken kann: Vielen Dank. Dir auch schöne Weihnachten, egal welche Sorte :o)

GinnyW: Danke :o) „It's never too dark to be cool."

Chromoxid: Noch vielen Dank für Deine lange Mail. Ich antworte bald möglichst. Und da der Tränkemeister gerade schon im Keller ist, um sich über Amazones Kompliment zu freuen, wird er noch eine Runde Extremst-Geschmeicheltsein dranhängen.

DANKE übrigens für das Wortspiel des Jahres: der Ränkemeister. Für mich DAS WORT DES JAHRES.

So. Puh. Geschafft. Nun endlich zum Text.

Den deutschen Weihnachtsmarkt gibt's übrigens wirklich (allerdings, wie in Sachen Karibik, nie da gewesen.)

Do you believe in commas? Leute, lest SHOEBOX. Link in meinem Profil.

Disclaimer: siehe Kapitel eins.

Eine Runde Eierpunsch für alle, und los geht's.

ZWEI: MORGEN, PADFOOT, WIRD'S WAS GEBEN

Donnerstag, zweiundzwanzigster Dezember.

Die Sache der freien Völker gegen den Weihnachtsterror hat einen herben Rückschlag erlitten.

„Reeeemus" sagt Emilia, und sie will was, weil sie das E so zieht.

„Emiiiilia" sage ich, und dann legt sich der Veranstaltungsteil der Times über meinen halb fertigen Feiertags-Dienstplan (den zum mindestens dritten Mal halb fertigen. Man könnte meinen, der Widerstand gegen Voldemort machte über Weihnachten eine Pause, zu Gunsten von „Aber meine Tante Martha…" und „Aber ich habe den Kindern versprochen…" und „Aber da kann ich nicht, da habe ich ein Weihnachts-Essen mit…". Ich habe dem Orden angeboten, sie sollten versuchen, den Mond zu verschieben, dann würde ich gerne sämtliche Schichten übernehmen. Sie waren eingeschnappt.)

Ich folge also ihrem Fingerzeig, der nicht die Aufführung des Weihnachtsoratoriums in St-Martins-In-The-Field meint (Glück gehabt) und auch nicht die Ausstellung moderner Malerei in der Courtauld Institute Gallery (hmmm… warum eigentlich nicht?) sondern das hier: den Deutschen Weihnachtsmarkt in Covent Garden (NEEEIIIN.)

„Lass uns da hin gehen" sagt sie, und ihr Gesicht leuchtet. „Heute Nachmittag, wenn es dunkel ist."

„Emilia" sage ich und versuche, nicht gequält zu klingen, „du weißt, solche Veranstaltungen sind nichts für mich."

„Das ist bestimmt toll" sagt sie.

„Das ist bestimmt… Geschmackssache" sage ich.

„Ganz romantisch" sagt sie und guckt mich verträumt an. „Lichter, und ein riesiger Tannenbaum, und eine Krippe, mit Ochs und Esel und Jesuskind…und lauter kleine Buden mit Glühwein und Strohsternen und Zwetschgenmännchen und Kerzen…"

„Will ich wissen, was ein switch-gen-man-ken ist? Nein, ich denke nicht" sage ich und frage mich, ob irgendeine Sprache es verdient, dieses Wort zu beinhalten (und gerade eine Dichtersprache, die mit Worten wie Heiterkeit und Minnesang geschmückt ist).

„Reeeeeemus" sagt sie.

„Bitte" sagte ich zunehmend verzweifelt. „Du weißt, ich ha… be nicht viel für Weihnachten übrig."

„Aber für mich hast du was übrig" sagt sie und bringt ihr liebes Gesicht so nah vor meines, dass ich die Schatten sehen kann, die ihre Wimpern auf den Wangen werfen. „Bitte. Ich hab' so ein bisschen Heimweh, nach meiner Nürnberger Zeit. Es täte mir gut."

Ihre Nürnberger Zeit, das ist die mit Martin. Das macht es keinesfalls besser. Ich versuche mich heroisch an diesem kleinen, kurzen Wort, das so gar nicht über meine Lippen will, vor allem, wenn es etwas betrifft, das meiner wunderbaren Geliebten gut tut (und vor allem, wenn sie gleichzeitig ihre Arme um mich schlingt und mich ihre zuckersüßen Rundlichkeiten spüren lässt. Man könnte sagen, ich hatte von Anfang an keine Chance. Aber ich gehe ungebeugt unter, wie der Zinnsoldat im Märchen.)

„Nn…" sage ich. „Nn… na gut."

„Ich liebe dich" strahlt sie, und ich seufze lautlos. So müssen sich meine nicht-magischen Verwandten gefühlt haben, bevor sie in den Wäldern Europas endgültig ausgerottet wurden.

oooOOOooo

Es ist schneller Nachmittag und schneller dunkel, als ich hoffen kann, und Emilia steht dick eingepackt von der Nasen- bis zur Stiefelspitze auf der Küchentreppe und zappelt ungeduldig. Ich schnüre meine Stiefel. Ich hatte schon drei Aspirin und eine stärkere, aber mein Kopf fühlt sich immer noch an, als würde ein silbernes Messer bis zum Heft drin stecken, und ausnahmsweise liegt es nicht an Weihnachten. Der Mond zieht, und der Wolf zieht seine Kreise.

Ein bisschen steif komme ich von der Eckbank in die Höhe. Manchmal, bevor der Wolf kommt, durchlebe ich Sekunden voller blitzartiger Verwirrung über den eigenen Körper. Die Fortbewegung auf zwei Beinen erscheint mir dann merkwürdig: weder klug noch zweckmäßig, und es kann passieren, dass ich auf meine Finger schaue und für Sekunden nicht weiß, wie ich mit ihnen umzugehen habe. Ich kann das überspielen, mittlerweile.

Ich arbeite mich durch einen solchen Augenblick, stolpere über meine merkwürdigen Füße, widerstehe dem Verlangen, meinen Körperschwerpunkt nach unten zu verlagern, und nehme Sirius' dicken Wintermantel vom Haken.

„Pads" sage ich laut. „Wo bist du? Ich leihe deinen Mantel, er ist wärmer, ist das in Ordnung?" Dann höre ich Emilia auf der Treppe überrascht japsen, und ein Geruch von Hund zieht mir in die Nase.

„Sirius" höre ich sie sagen. „Das soll ein romantischer Ausflug zu zweit werden, nicht zu dritt."

Winsel. Ich würde sagen, er hat die Leine schon zwischen den Zähnen.

„Nein" sagt sie. „Bitte. Wirklich nicht. Ein andermal."

Jaul. Ich knöpfe den Mantel zu, der mir fast bis zu den Knöcheln reicht. Ein diffuser Geruch von Zigarette, Essen vom Vortag und Sirius' süßem Rasierwasser hängt darin, angenehm vertraut.

Jauljauljaaaaaaul.

Ich schaue durch die Tür. Wie ich dachte. Padfoot auf der Treppe, von schief gelegtem Kopf bis wedelndem Schwanz eine personifizierte Schmeichelei. Ich kann sein Gesicht nicht sehen, aber ich bin sicher, er gibt ihr diesen Blick. Die Leine schleift zwischen seinen Vorderbeinen. Sie seufzt. Ich grinse.

„Na, komm" sage ich. „Gib dir einen Ruck."

„Also gut" sagt sie wenig begeistert, und Padfoot springt vor uns die Treppe hinauf, kläfft glücklich und weckt damit die ehrenwerte Mrs. Black. Fröhliche Weihnachten. Tonks hat versucht, ihr mit Farbe und Pinsel ein rotes Weihnachtsmützchen aufzusetzen, aber die Leinwand erwies sich als resistent.

Wir apparieren aus dem Speisezimmer, dem einzigen Raum, der in unserer Festung von der Apparitionssperre ausgenommen ist. Ich appariere Padfoot huckepack, und dann ist es dunkel und beißend kalt um uns, als wir am offiziellen Apparierpunkt nahe Covent Garden erscheinen. Es ist ein magisch abgeschirmter Hinterhof, und es ist ein wenig Anstrengung nötig, um Padfoot klar zu machen, dass die Mülltonnen nicht die Attraktion des Nachmittags sind. Man könnte sagen, er identifiziert sich gelegentlich sehr mit seiner Tiergestalt. Manchmal mache ich mir Sorgen, er könnte eines Tages vergessen, dass er noch etwas anderes sein kann als Hund. Gleichzeitig erscheint es mir beinahe als erstrebenswert: eine Daseinsform finden, die Sorgen, Geldnot, Kopfschmerz, Voldemort nicht kennt. Ich stelle mir das erholsam vor.

Nein. Den Wolfsbann weglassen ist keine Option, und auch nicht erholsam.

Und dann biegen wir um eine Ecke, und das tausendköpfige Weihnachtsmonster verschlingt mich. Ein riesiger Tannenbaum, zehn, fünfzehn Meter hoch (ich könnte sein arkanes Integral im Kopf berechnen, aber seine Höhe korrekt abzuschätzen übersteigt meine Fähigkeiten), und übersät mit Lichtern. Beeindruckend, wie die Muggel das ohne Magie vollbringen. Und, ich wage kaum, es zu Papier zu bringen: nicht vollständig hässlich. Auf eine etwas schmerzhafte Art sogar schön, wie guter, aber überzuckerter Tee. Er steht mitten auf dem Platz zwischen der alten und der neuen Markthalle, und ein Dorf aus kleinen, hölzernen Buden ist um ihn herum aufgebaut. Da flattern rot-weiße Markisen, und Tannenzweige wippen, und es blinken Lichterketten und alles, was sich mittels Elektrizität noch zum Blinken bringen lässt. Der Baum ist definitiv das Beste am ganzen Arrangement.

Ich sehe zu Emilia. Sie strahlt. Etwas von dem goldenen Licht fällt auf ihr Gesicht, und ihre süßen Pfirsichwangen sind gerötet von der Kälte.

„Wie schön" sagt sie. „Oh, Merlin. Fast wie zu Hause."

Ich denke, ich kann der Veranstaltung etwas abgewinnen, indem ich sie durch ihr Gesicht betrachte wie durch einen Spiegel. Immerhin ist ihr Glück ein maßgeblicher Faktor für mein Glück, und es fällt mir schwer, misanthroph zu sein, wenn sie neben mir ist und strahlt. Wir haben im Gehen diesen Gleichschritt gefunden, der für mich ein wenig zu kurz, für sie ein wenig zu lang ist, unsere Hüften berühren sich, und mein Arm passt so gut auf ihre Schulter. Weihnachten ist nur eine Jahreszeit, aber das sind die Dinge, die bleiben.

Ich bin milde. Ich toleriere Rauschgoldengel, ignoriere die aus getrockneten Pflaumen zusammen gesteckten Dinger mit dem schrecklichen Namen, ich sehe über Krippenschnitzereien hinweg und streite nicht über die Existenzberechtigung von mundgeblasenen Glashirschen (oder sollen das Elche sein? Es sieht zumindest nicht aus wie Prongs, das Ding, und ich hoffe zur Ehre aller Hirsche, dass es ein Elch sein soll. Das ist nicht fair für die Elche, aber Elch ist mir persönlich keiner bekannt, das färbt meine Perspektive.)

(James hätte seinen Spaß an diesem Spaziergang. Er hatte eine uneingestandene Ader für Kitsch.)

(Kitsch. Ein deutsches Wort, das in alle möglichen Sprachen importiert wurde, die vorher keinen Namen für das Phänomen hatten. Bezeichnend, wie ich finde.)

(Ja. Ich glaube an die Existenzberechtigung von Klammern. Unbedingt. Und an die von Kommas. Kommas richtig zu setzen ist eine aussterbende Kunst.)

Wir spazieren durch die schmalen Budengassen, und alles ist friedlich und Stille Nacht. Lediglich Padfoot verursacht in seiner Euphorie ein gewisses Maß an Stress, er hechelt und hopst um mich herum, fängt die Leine zwischen seinen Zähnen und manchmal auch meinen Mantelärmel, was ich mir verbeten hätte, wenn es denn mein Mantel gewesen wäre. Er springt von einer Attraktion zur nächsten: von den Düften einer Wurstbraterei zu Büscheln von Lametta, die an einer Bude im Wind schaukeln, weiter zu einer mannshohen Weihnachtspyramide, die sich hinter einer Umzäunung gemächlich dreht, laut Schildchen aus dem Thüringer Wald stammt und sich nicht drum kümmert, dass ein weihnachtstrunkener Hund sie minutenlang anbellt. Eine weiße Pudeldame lenkt ihn schließlich ab, die durch seine Avancen mindestens ebenso empfindlich beleidigt ist wie die pelzbemäntelte Besitzerin, die mich sehr von oben herab auffordert, ich möchte meinen Hund doch besser im Griff behalten. Ich entschuldige mich. Padfoot ist geknickt, und Emilia kauft ihm ein rotes Weihnachtsmützchen mit weißer Quaste und setzt es ihm über die Ohren. Es rutscht ihm ein wenig über die Augen. Er legt den Kopf schief und lässt die Zunge aus dem Maul hängen, und ich denke, er könnte sich in einen Flobberwurm verwandeln und würde es immer noch fertig bringen, seinen umwerfenden Charme zu versprühen.

Dann beschließt Emilia, dass wir eine Tasse Glühwein trinken könnten. Entgegen der Bezeichnung glüht er nicht, er ist lediglich sehr heiß und gewürzt mit etwas, das ich identifizieren könnte, hätte ich auch nur die geringste Eignung zum Tränkekoch (Zimt ist zumindest eines davon). Man bekommt ihn in dicken roten Tassen, er dampft in der Kälte und wärmt die Hände. Wir trinken ihn an einem kleinen Stehtisch, und Padfoot liegt zu meinen Füßen und kaut an einem Brötchen, das jemand fallen gelassen hat. Es ist ein friedlicher Augenblick. Der Wein steigt mir direkt zu Kopf und erinnert mich daran, dass eine Handvoll Schmerztabletten zum Mittagessen keine gute Grundlage für Wein am Nachmittag ist, aber gleichzeitig macht er mich kühn, und ich lehne mich über den Tisch und küsse Emilia, was ich nüchtern, ohne Zeitung und in aller Öffentlichkeit niemals tun würde. Ihre Nase ist kalt, sie lacht und rückt um den Tisch herum näher, und ich spüre ihren warmen Atem in meinem Gesicht.

Mal ehrlich. Es gibt keine bessere Entschuldigung für zeitweilige Unaufmerksamkeit.

„Komm" sagt sie, als unsere Tassen leer sind. „Lass uns zurückgehen und das komische Glastier kaufen."

„Was" sage ich. „Du meinst die schwer definierbare Scheußlichkeit bei diesem Glasbläser?"

„Ja" sagt sie und strahlt. „Ich möchte ein gutes Werk tun. Es kann nichts dafür, dass es hässlich ist."

„Es wird nicht schöner, indem du einen Haufen Geld dafür bezahlst" sage ich. Ich bin nicht geizig, nur sparsam. Von dem, was das Ding vermutlich kostet, könnte ich eine Woche leben, oder länger, falls es darauf ankäme.

„Entspann dich" sagt sie. „Ich will ja nicht dein Geld dafür ausgeben."

„Nachdem etwas wie mein Geld derzeit nicht existiert, bin ich völlig entspannt" sage ich. „Aber bei aller Armut leiste ich mir doch den Luxus einer eigenen Meinung."

„Ich stelle es ins Lehrerzimmer" sagt sie und hat ein teuflisches Grinsen auf ihrem engelsgleichen Gesicht. „Es bekommt ein rotes Mützchen auf, und dann verstecke ich mich und warte auf Severus' Gesicht."

„Seltsam, wie weit gefasst die Definition eines guten Werkes doch ist" sage ich, und sie lacht.

„Du kannst natürlich machen, was du willst" sage ich. „Aber versprich mir, dass du es nicht kaufst, wenn es ein Hirsch ist."

Ungefähr zu diesem Zeitpunkt fällt mir auf, wie verdächtig still es unter dem Tisch geworden ist. Ich werfe einen Blick nach unten. Und einen zweiten.

„Was?" sagt sie, und ich hebe die Leine, an der ein leeres Halsband baumelt.

„Ich glaube" sage ich, „es ist uns der Hund verloren gegangen."

„Nein" sagt sie. „Das gibt's nicht."

Ich sehe mich um. Er kann nicht weit sein.

„Pads" sage ich laut. „Pads?"

Er kann vielleicht doch schon ziemlich weit sein. Es ist nirgends eine Spur von ihm.

„Merlin" sagt sie und starrt das Halsband an. „Wie konnte das denn passieren? Ist er appariert oder etwas?"

„Er kann in Tierform nicht apparieren" sage ich. „Ich nehme an, er ist einfach raus geschlüpft. Es sitzt ziemlich locker, weil er ein enges Gefühl um den Hals nicht leiden kann."

„Das ist toll" sagt sie. „Wirklich. Warum muss er eigentlich ständig Ärger machen? Ist das ein Zwang oder so?"

„Er macht nicht ständig Ärger" sage ich. „Er ist eben… spontan. Und gelegentlich unüberlegt."

„Hört, hört" schnaubt sie.

„Gehen wir ihn suchen" sage ich, noch in der Hoffnung, es könnte nur ein winziges Wölkchen sein, das da über unseren ungetrübten Weihnachtshimmel zieht.

Wie sich herausstellt, ist es eine massive Gewitterfront.

Ein erster Kontrollgang über den Markt erbringt nichts. Die Budengassen haben sich gefüllt seit unserer ersten Runde, Feierabendspaziergänger, die Sicht ist schlecht. Ich spreche ein paar Leute an, aber ich kassiere sehr merkwürdige Blicke auf meine Frage nach einem großen schwarzen Hund mit Weihnachtsmützchen, und eine ältere Dame umklammert gar ihre Handtasche und entfernt sich rückwärts und eiliger als nötig gewesen wäre. Ich stelle meine Umfrage ein.

Die Weihnachtspyramide führt zu keinem Ergebnis, und auch die Pudeldame ist augenscheinlich längst nach Hause gegangen. Ich bin ein wenig ungehalten. Warum hat er nicht Bescheid gegeben? Er ist ein Animagus, zum Teufel, kein Hund. Er kann sich verständlich machen.

(Antwort: Weil er weiß, dass ich ihn eher an Ort und Stelle petrifiziert hätte, als zuzulassen, dass er sich alleine irgendwo herum treibt.)

Emilia schiebt ihre Hand in meine, ihr Gesicht ist blass.

„Remus" sagt sie, „sie werden ihn doch nicht entführt haben?"

„Die statistische Wahrscheinlichkeit jeder weiteren Entführung ist genauso hoch wie die der ersten" sage ich. „Nämlich extrem niedrig."

„Oder das Ministerium" sagt sie. „Was, wenn sie ihn schließlich doch aufgespürt haben?

„Ja" sage ich. „Oder das Brötchen war ein Portschlüssel. Ich weiß es nicht."

„Was für ein Brötchen?"

„Vergiss es."

Sie seufzt, und ich lege ihr den Arm um die Schulter.

„Entschuldige" sage ich. „Ich bin ein wenig angespannt. Ich kann es nicht leiden, wenn mir einer aus meinem Pack abhanden kommt, so kurz vor dem Mond."

„Was machen wir?" sagt sie.

„Wir drehen eine zweite Runde" sage ich. „Mehr fällt mir gerade nicht ein."

Die zweite Runde bleibt so ergebnislos wie die erste. Ich bin, mit Verlaub, stinksauer (und mittlerweile auch besorgt, aber das behalte ich für mich). Wir postieren uns unter dem mistelumkränzten Bogen, der in die Hauptgasse des Marktes hinein führt, und versuchen, einen sinnvollen Beschluss zu fassen. Ich balle die Fäuste in den Manteltaschen und finde ein zerdrücktes Päckchen Zigaretten und das silberne Feuerzeug mit der Wolfsgravur. Ich zünde mir eine an. Der Mantel mag seiner sein, aber die Stiefel sind meine, und sie sind wirklich nicht warm genug für stundenlange Trips bei Minusgraden. Meine Füße sind Eisklumpen, und ein stechender Schmerz sitzt in den Zehen, die ich mir vor ein paar Jahren erfroren habe. Ein schönes Gegengewicht zu dem heißen Hämmern hinter meiner Stirn. Ich fantasiere, wie ich ihn mit Lametta an seinen Tannenbaum fessele und ihm eine rote Weihnachtsbaumkugel in den Mund stecke (damit es festlicher aussieht). Strafe muss sein.

„Tu das nicht" sagt Emilia, und ich zucke zusammen. Habe ich versehentlich laut gesprochen? Ist es schon so weit gekommen mit mir?

„Rauchen ist ungesund" sagt sie. „Es kann dich töten."

„Ich rauche nicht" sage ich.

„Ach?" sagt sie. „Und was ist das da in deiner Hand?"

„Ein Akt der reinen Verzweiflung" sage ich.

„Ach so" sagt sie. „Dann lass mich auch mal verzweifelt sein."

Wir lehnen uns gegeneinander und teilen uns die Zigarette. Ich huste mir die Lunge raus, ich bin wirklich kein Raucher, aber der kleine destruktive Akt befriedigt mich auf eine morbide Weise (oder vielleicht ist es auch nur das Nikotin, das zusammen mit Schmerzmittel und Alkohol meine Synapsen lähmt).

Als die Zigarette zu Ende ist, beschließen wir, uns noch eine letzte Runde anzutun, inklusive der Seitenstraßen von Covent Garden, bevor wir den Orden davon in Kenntnis setzen, dass uns der meist gesuchte und am besten geschützte Zauberer Englands irgendwie abhanden gekommen ist (ja, tut uns auch leid, nein, wir wissen nicht, wie uns das passieren konnte).

„Weißt du, die warten, bis ich gewandelt habe, und dann machen sie aus mir einen Kaminvorleger" sage ich.

„Prima" sagt sie. „Dann hast du's wenigstens immer warm. Wer weiß, was die mit mir machen."

„Wolltest du nicht immer schon in einem Einmachglas auf Severus' Schrank landen?" sage ich und bin erstaunt, als sie mich plötzlich am Arm packt.

„Nicht diesmal" sagt sie und zeigt mit dem Finger. „Halt mich fest. Schnell. Ich geh' sonst rüber und reiß' ihm den Kopf ab."

„Was?" sage ich. „Wo?"

„Na, da" sagt sie und zieht mich am Arm in Richtung einer Glühweinbude.

Ich sehe immer noch keinen Hund, was maßgeblich daran liegt, dass da keiner ist. Wir umrunden einen Trupp sehr angeheiterter Bauarbeiter, und dann kommt ein rotes Weihnachtsmützchen in Sicht.

„Hallo, Moony" sagt er und schenkt mir sein bezauberndstes Lächeln. Er legt ein wenig den Kopf schief, eine angedeutete Unterwerfungsgeste, als würde Padfoot sich auf den Rücken werfen und die Kehle zeigen. Er denkt, es könnte mich besänftigen. (Es besänftigt mich.)

Emilia, gelegentlich eine sehr sanfte Person, ist unbeeindruckt von der subtilen Körpersprache zwischen Canidae.

„Da ist er ja, unser Entfesselungskünstler" trompetet sie. „Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, sag mal?"

Der Entfesselungskünstler hat sich einen der wenigen warmen Orte auf diesem Markt erschmeichelt. Er sitzt auf einem Hocker hinter dem Tresen der Glühweinbude, zwischen dem Eierpunsch und dem Heidelbeerwein. Er hat sich das Weihnachtsmützchen schief aufgesetzt und wirft sich die alberne Quaste nach hinten über die Schulter, wie er es früher mit seinen Haaren gemacht hat, bevor sie Tonks' wenig virtuosem Umgang mit der Schere zum Opfer fielen. Um die Schultern hat eine milde Seele ihm eine Decke gelegt, unter der sein weißes, am Kragen offenes Hemd hervor blitzt. Seine Hände wärmt er an einer roten Tasse, und sein Ego an den glühenden Blicken, die ihm die beiden Glühweinverkäuferinnen zuwerfen.

„Weißt du eigentlich, wie lange wir dich schon suchen? Kannst du dich nicht abmelden? Was ist eigentlich in dich gefahren?" schimpft Emilia, und Sirius zieht ein wenig den Kopf ein und sieht Hilfe suchend zu mir.

„Sie hat recht" sage ich nur ein klein wenig entschuldigend.

„Kann sein" sagt er, „aber muss sie so laut recht haben?"

„Sind das deine Freunde?" fragt die blonde Verkäuferin.

„Mal mehr, mal weniger" sagt Sirius mit schiefem Grinsen.

„… ist doch keine Art, miteinander umzugehen… Dank dafür, dass du mitkommen durftest… nichts als Ärger…"

„Ich weiß nicht" sagt die Blonde, „die tun gerade, als wärest du aus der Psychiatrie entlaufen."

„Aus der Psychiatrie nicht gerade" sage ich, „aber entlaufen ist ein gutes Stichwort."

„Können Sie sich mal mäßigen" sagt die Brünette zu Emilia. „Sie vertreiben mir die Kundschaft."

Emilia holt tief Luft und stößt sie aus.

„Komm" faucht sie und zieht an meinem Ärmel. „Wir gehen."

„Warte mal" sage ich. „Du vergisst eine Kleinigkeit."

„Tu ich nicht" faucht sie. „Er kann hier als Rauschgoldengel anfangen, dann ist er wenigstens beschäftigt."

„Ich bin keine Kleinigkeit" sagt Sirius verletzt.

„Kaminvorleger" sage ich. „Einmachglas."

„Okay" sagt sie, fährt ihren Zeigefinger aus und deutet auf Sirius. „Komm mit."

„Wovon redet der?" sagt die Brünette.

„Ich glaube, die sind allesamt aus der Psychiatrie entsprungen" sagt die Blonde kopfschüttelnd.

„Okay, Mädels, ich sag' euch die Wahrheit" sagt Sirius und lächelt sein Verschwörerlächeln, „Es war ein Experiment. Sie wollten so gerne mal alleine unterwegs sein, für eine Weile. Sie haben sich auf der Geschlossenen kennen gelernt, und sie sind so süß miteinander, ich dachte, ich tu ihnen den Gefallen…"

„Black" knirscht Emilia, „du stirbst."

„Sind sie gefährlich?" fragt die Blonde erschreckt.

Sirius sieht mich an.

„Rrrrrrr" sage ich und zeige die Zähne.

„Gelegentlich" sagt Sirius. „Aber keine Sorge. Er ist medikamentös gut eingestellt. Es ist lange her, seit er zuletzt jemanden gebissen hat."

„Wir teilen uns den Job" sage ich ganz ernst. „Sie bellt, und ich beiße."

„Wie kannst du nur" faucht Emilia.

„Er… er beißt…?" sagt die Blonde und wird eine Spur blasser.

„Weißt du was" sagt die Brünette zu Sirius, „komm doch mal wieder, wenn du deine… Patienten nicht dabei hast."

„Mit dem größten Vergnügen" schnurrt Sirius, zupft an seinen Haaren und schenkt ihr einen tiefen Blick, der ihre Wangen sichtbar rötet.

Wir machen Platz für eine Gruppe durstiger Kunden, die Eierpunsch bestellen. Sirius lässt die Decke von seinen Schultern rutschen und entfaltet seine langen Glieder von seinem Hocker. Er hat es offenbar nicht eilig, im Gegenteil schafft er es, immer irgendwie im Weg zu stehen, während die beiden Verkäuferinnen ihre Kundschaft versorgen. Er muss ein paar Mal ziemlich dicht an der Brünetten vorbei, bevor sie ihn schließlich an den Rand der Theke manövriert haben. Er hat eine unnachahmliche Art, Vorsatz als Zufall zu maskieren.

„Also, Mädels" sagt er und lehnt sich nonchalant an den Tresen. „Danke für den Punsch, und für die nette Betreuung. Ich könnte dem Typen, der meine Jacke geklaut hat, fast dankbar sein."

Möchte ich wissen, welche Geschichte er den beiden aufgetischt hat? Nein. Ich denke nicht.

„Komm, Herr Doktor" sage ich. „Bringen wir dich ins Warme."

„Mir ist warm" sagt er und umhüllt die Brünette mit verträumtem Blick. „Warm ums Herz."

„Dann wird dein Herz der einzige Körperteil sein, an dem du dir keine Frostbeulen holst" stellt Emilia ihm unfreundlich in Aussicht. „Also, wird's bald."

„Ich will mich nur verabschieden" sagt er. „Schließlich bin ich den Damen zu mehr als Dank verpflichtet. Wie lange habt ihr euren Stand noch? Boxing Day? Also, morgen werde ich ziemlich beschäftigt sein, aber übermorgen, so gegen Nachmittag…"

„RRRRRRRRRR" sage ich.

„Okay" sagt er. „Okay. Gehen wir."

„In Wirklichkeit ist er der Patient" sagt Emilia und zeigt auf Sirius. „Es gehört zu seinem Krankheitsbild, dass er sich für den Arzt hält."

„Tatsächlich?" sagt die Brünette betroffen.

„Und er ist ein notorischer Schürzenjäger" sagt Emilia mit boshaftem Lächeln.

„Nein!" sagt Sirius.

„Oh" sagt die Brünette.

„Geht's bald weiter da vorne?" fragt ein Mann mit Aktentasche, der uns irrtümlich für das Ende der Warteschlange gehalten hat.

„Pads" sage ich laut. „Fuß, jetzt."

In Krisensituationen bewährt es sich, dass der Hund so dicht unter der Oberfläche liegt. Die einfachen Kommandos funktionieren. Sirius seufzt und schließt zu mir auf, es ist ohnehin offenbar, dass Emilias letzte Bemerkung ihm die Tour vermasselt hat.

„Und hier geblieben" sage ich ihm. „Sonst kommst du an die Leine." Den merkwürdigen Blick des Mannes mit der Aktentasche ertrage ich stoisch. Fünfundneunzig Prozent der seltsamen und skurrilen Situationen, in denen ich mich im Laufe meines Lebens befunden habe, gehen auf Sirius' Konto. Man gewöhnt sich.

Und ja, ich denke auch, dass ich ihn immer wieder viel zu billig davon kommen lasse. Aber ich bin viel zu glücklich, ihn glücklich zu sehen, und am glücklichsten ist er, wenn er Unsinn macht (oder das, was andere erwachsene Menschen als Unsinn betrachten).

Emilia sagt, meine Siriusresistenz sei einfach viel zu schwach ausgeprägt. Sie hat sicher recht. Aber was will ich machen. Ich bin auch nur (k)ein Mensch.

Statistik:

Gebrochene Herzen: eines (brünett).

Frostbedingte zu erwartende Erkältungen: drei.

Schnippische Bemerkungen: mehr, als der natürliche Zahlenraum zwischen eins und Unendlich hergibt.

Todesfälle durch Kopfschmerz: keiner, war aber knapp. Nie mehr Glühwein und Aspirin, ich schwöre.

Sinnfreie und überteuerte Anschaffungen: eine. Es soll ein Rentier sein, übrigens.

Warum, noch mal, heißt das fröhliche Weihnachten?