„Krieg ist ewig zwischen List und Argwohn, nur zwischen Glauben und Vertrauen ist Friede." (Schiller, Wallensteins Tod)
3) Geheimnisse
Harry hatte nur knapp zwei Stunden auf dem Fest verbracht und dafür gesorgt, dass niemand mitbekam, wie er dieses verließ. Er hatte seinen Zaubererumhang in seinen Schlafsaal gebracht und war dann in Muggelkleidung zu dem Platz appariert, an dem früher das Zaubereiministerium gestanden hatte. Jetzt standen nur noch einzelne Mauerteile und die Trümmer lagen offen herum, für jeden sichtbar, der vorbei ging. Es war als eine Art Zeichen von Voldemort gedacht, das zeigen sollte, was passieren würde, würde man sich ihm wiedersetzte.
Harry trat langsam durch die Trümmer und sah sich etwas um, wie er es eigentlich immer tat, wenn er hier war. Allerdings sah es jedes Mal gleich aus; nie veränderte sich etwas. Es betrat vorsichtig einen kleinen Raum, der inzwischen sein Dach verloren hatte, jedoch immer noch einigen Schutz vor ungewünschten Augenzeugen auf der Straße bot.
„Du vernachlässigst deine Deckung!"
Harry fuhr erschrocken herum, entspannte sich jedoch wieder, als er erkannte, wer hinter ihm in dem Zimmer stand.
„Alijah! Musst du mich immer so erschrecken?"
„Du solltest vorsichtiger sein, Potter", schlug die junge Frau vor und trat etwas näher. Auch sie trug Muggelkleidung, war etwas kleiner als Harry, der in den letzten beiden Jahren um einiges gewachsen war, und hatte blaue Augen, die im Moment etwas besorgt aussahen. „Wenn ich ein Todesser wäre, wärst du tot!"
Harry nickte nur und setzte sich auf einen Stein, der früher einmal zur Mauer des Zaubereiministeriums gehört hatte. „Bist du gut rausgekommen?"
„Alles okay", bestätigte Alijah, setzte sich neben ihn und fuhr sich durch ihre langen dunkelbraunen Haare. „War aber etwas schwieriger als sonst!"
„Warum?"
„Voldemort ist sich sicher, dass ein Angriff bevorsteht. Frag mich nicht, wie er auf die Idee kommt, aber er hat die Sicherheitsmaßnahmen verschärft!"
„Wie siehst du das?"
Alijah zuckte mit den Schultern. „Ich denke, dass es einigermaßen sicher ist. Allerdings weiß ich nicht, inwiefern Voldemort über Dumbledores Schritte informiert ist. Nachdem der Spion enttarnt wurde, hab ich nicht mehr gehört, dass Voldemort weiß, was sein Feind vorhat."
Harry nickte. „Sag mir auf jeden Fall Bescheid, falls du was Neues darüber hörst."
„Klar, wie immer!" Eine Weile schwiegen beide.
„Wird eigentlich keiner misstrauisch, wenn du immer wieder verschwindest?" begann Alijah schließlich wieder.
Harry lächelte. „Meine Freunde sind gerade damit beschäftigt, Halloween zu feiern. Die werden mich nicht vermissen!"
Alijah zog eine Augenbraue in die Höhe.
„Oh, nein", wehrte Harry sofort ab. „Versteh mich nicht falsch, sie sind super Freunde. Nur dass eben die meisten jemanden haben, mit dem sie tanzen können und da wird mich eben niemand suchen."
Alijah nickte.
„Übrigens", fuhr Harry lächelnd fort. „Wenn du so eine Augenbraue in die Höhe ziehst, siehst du fast aus wie Snape."
Die Braunhaarige schnaubte. „Oh, welch ein Kompliment", meinte sie dann sarkastisch.
Harry grinste und seine Augen funkelten belustigt.
Alijah verdrehte die Augen.
„Ach komm schon", meinte Harry immer noch grinsend. „Wir wissen doch wohl beide, dass du tausend Mal besser aussiehst als Snape!"
Alijah konnte nicht verhindern, dass sie lächeln musste. „Das hör ich gern! Trotzdem muss ich jetzt los!" Sie stand auf.
„Warte mal kurz!" Harry kramte in seiner Jacke und zog eine kleine Schachtel hervor. „Ich hab was für dich! Ich weiß, dass es gefährlich ist, aber ich will, dass du es bei dir trägst!" Er gab ihr das kleine Geschenk.
„Was ist das?" fragte Alijah neugierig und wog es in ihrer Hand.
„Mach's auf!"
Alijah lächelte ihn an, hob den Deckel der Schachtel herunter und zog eine silberne Kette hervor. Ihr Anhänger war ein Zwei Zentimeter großer feiner, silberner Engel.
„Der ist wunderschön", flüsterte Alijah. „Woher hast du ihn?"
„Er gehörte meiner Mum", erwiderte Harry leise. „Ich hab ihn letztes Jahr in den Trümmern ihres Hauses gefunden!"
Alijah sah überrascht auf. „Haben sie die Reste nicht abgerissen?"
Der Schwarzhaariger schüttelte den Kopf. „Frag mich nicht wieso, aber die Ruinen sind immer noch da! Ich hätte eigentlich gedacht, innerhalb von 16 Jahren wäre jemand mal auf die Idee gekommen, den Schutt wegzuräumen, aber na ja!" Er zuckte mit den Schultern.
Alijah sah sich wieder das Schmuckstück von allen Seiten an.
„Leg sie mal um", schlug Harry vor.
Alijah schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht annehmen! Immerhin gehörte sie deiner Mum!"
Harry nahm ihr die Kette aus der Hand und legte sie ihr um den Hals. „Ich will, dass jemand auf dich aufpasst", flüsterte er. „Und wenn es nur ein silberner Engel ist."
„Aber..."
Harry unterbrach sie. „Du brauchst einen Schutzengel! Wir wissen beide, wie leichtsinnig du manchmal sein kannst! Gib sie mir einfach wieder, wenn der Krieg vorbei ist, in Ordnung?"
Alijah sah ihm in die Augen und nickte, dann drückte sie kurz seine Hand. „Ja", flüsterte sie. „Wenn der Krieg vorbei ist!"
Kurze Zeit schwiegen beide, dann meinte die Braunhaarige leise: „Und ich bin nie leichtsinnig!"
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Als Harry zurückkam, hörte er noch immer Musik aus dem Gemeinschaftsraum. Durch einen kurzen Blick hinein, bestätigte er seine Vermutung, dass Ron und Hermine noch immer hier waren. Außerdem schien es gerade so, als ob sich nur noch Pärchen im Raum aufhalten würden. Harry verdrehte die Augen und machte sich auf zu seinem Schlafsaal, in dem er momentan der einzige sein würde.
Als er durch den Gryffindor Gemeinschaftsraum lief, fielen ihm sofort ein paar Drittklässler auf, die vorm Kamin eingeschlafen waren. Harry beschloss jedoch, sie nicht zu wecken, sondern lief geradewegs hoch in seinen Schlafsaal. Er war extrem müde. Er zog sich schnell um, ließ sich in sein Himmelbett fallen und war innerhalb weniger Minuten eingeschlafen.
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Harry achtete nicht auf das tiefe Grollen des Donners und öffnete die schwere Eisentür. Schockiert lief er einige Schritte nach draußen und blieb mitten im Regen stehen, ohne diesen überhaupt zu bemerken. Das Feld vor Hogwarts war vollkommen überfüllt. Todesser, Lehrer, Auroren, Blut, Schreie, Leichen am Boden. Harry stutzte, während er sich umsah und lief auf eine große Gestalt am Rand des Schlachtfeldes zu.
„Hagrid?" flüsterte er vorsichtig. Harry musterte ihn und stellte schockiert fest, dass er stark am Bauch blutete. Ohne darüber nachzudenken, was er eigentlich tat, riss er seinen Umhang vom Körper und drückte ihn auf die Wunde.
Der Halbriese schlug die Augen auf und sah Harry an. „Harry", krächzte er.
„Pst", machte Harry leise. „Nicht reden!"
„Verschwinde von hier!"
„Nein!" Harry schüttelte energisch den Kopf. „Ich lass dich hier nicht sterben! Halt durch!"
„Hau ab, Harry!" Hagrid klang wütend.
Harry schüttelte wieder den Kopf. Tränen liefen ihm über sein Gesicht und vermischten sich mit dem Regen.
Hagrid hob mühsam eine Arm und fuhr Harry durch seine Haare. „Pass auf dich auf", flüsterte er liebevoll, bevor er Harry von sich wegdrückte. „Verschwinde endlich!"
Harry rappelte sich hoch und wollte wieder zu seinem großen Freund, als er eine tiefe Stimme hinter sich hörte.
„AVADA KEDAVRA!"
Der grüne Strahl schoss auf Hagrid zu und sofort schien alles Leben aus ihm gesogen und er sackte regungslos zusammen.
„Nein!" Harry stürzte auf ihn zu, kniete sich neben ihn und rüttelte fest an seinem Körper. „Hagrid, steh auf!" Er rührte sich nicht.
Mit einem kräftigen Ruck wurde Harry von der Leiche seines Freundes weggezogen. Er starrte auf seine Hände, die mit Hagrids Blut bedeckt waren. Dann fuhr ein scharfer Schmerz durch seine Narbe. Er fuhr herum und sah wie erwartet direkt in das Gesicht Voldemorts, das zu einem grausamen Lächeln verzogen war.
„Dein toller Riesenfreund hätte mehr gelitten, wenn er überlebt hätte. Aber das Gefühl wirst du bald selbst kennen!" Voldemort sah verächtlich auf ihn herab. „Crucio!"
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Harry schreckte hoch. Er war schweißgebadet, sein Schlafanzug klebte an seiner Haut. Er keuchte heftig, als wäre er gerannt; es war, als würde er keine Luft mehr bekommen, seine Kehle war wie zugeschnürt. Sein Herzschlag raste. Er schloss die Augen und versuchte, ruhig zu werden, doch sofort hatte er wieder die Bilder im Kopf, die Bilder von Hagrids Tod. Harry öffnete seine Augen wieder. Sein Blick fiel auf den Schrank. Er hatte vergessen, den Traumlos-Trank zu nehmen.
Sich innerlich selbst wegen seiner Vergesslichkeit verfluchend, stand Harry auf. Seine Uhr zeigte 4 Uhr 30 an. Mit einem schnellen Blick stellte er fest, dass alle Betten im Schlafsaal belegt waren, also die Feier endlich zu Ende war.
Harry wusste, dass er nicht mehr würde einschlafen können. Da er sich inzwischen wieder einigermaßen beruhigt hatte, beschloss er, ein bisschen durch die Burg zu laufen. Das war schon fast eine Tradition geworden. Immer, wenn er einen Alptraum hatte, lief er danach manchmal stundenlang im Gebäude umher, um sich zu beruhigen.
Nachdem er sich angezogen hatte, verließ Harry den Schlafsaal, durchquerte den Gemeinschaftsraum und machte sich als erstes auf den Weg zur Halle. Der Raum lag völlig im Dunkeln. Harry zündete ein paar Kerzen am Gryffindortisch an, lief auf eine Ecke der Halle zu und drückte einen Ziegelstein, worauf sich ein kleines Loch in der Wand öffnete. Schnell griff er hinein und holte eine Flasche voller Feuerwhisky zusammen mit einem kleinen Glas heraus. Er füllte das Glas, leerte es in einem Zug und stellte beides zurück in das geheime Versteck. Jetzt völlig ruhig lief er zurück zu seinem Esstisch und setzte sich dort auf einen Stuhl.
Warum musste das Leben nur manchmal so kompliziert sein?
Langsam sah sich Harry in der Halle um. Stück für Stück. Er hatte immer das Gefühl gehabt, etwas würde fehlen. Und plötzlich wusste er, was es war. Entschlossen stand er auf und trat an die eine der beiden breiten Seitenwände. Mit einem kleinen Schlenker des Zauberstabs, den er von Dumbledore gelernt hatte, ließ er ein Bild an der Wand erscheinen – nicht groß, von der Größe eines normalen Schulbuches und doch konnte man deutlich Hagrids Gesicht erkennen.
Das Bild bewegte sich nicht, schien wie ein Muggelfoto nur eine Momentaufnahme zu sein und doch musste Harry lächeln, als er im Hintergrund des Bildes einen Drachen sah, den er da eigentlich gar nicht hingezaubert hatte. Es war gut geworden und schien den typischen Hagrid abgebildet zu haben, den sie alle kannten.
Harry ging weiter und zauberte die ganze Wand voll mit den Bildern ihrer Lehrer – beinahe aller Lehrer. Snape fehlte. Harry hatte ihn bewusst weggelassen. Dann trat er ein paar Schritte zurück und besah sich das Werk. Es sah gut aus. Plötzlich brach Harrys Grinsen ab. Er allein wusste, wer von ihnen noch am Leben war. Nein, eigentlich wusste er nur, wer ganz sicher tot war. War es gut, eine solche Bilderreihe hier aufzuhängen, als wäre es eine Gedenktafel?
Harry trat zu Dumbledores Portrait und betrachtete es genau. Selbst das Bild strahlte eine überwältigende Ruhe aus, so dass Harry plötzlich eine seltsame Müdigkeit spürte. Einen Moment überlegte er, seine Zaubereien der Nacht wieder rückgängig zu machen, aber dann dachte er daran, wie Dumbledore ihn durch das Bild beruhigt hatte. Er hoffte, die Wirkung würde sich auch bei seinen Mitschülern einstellen.
Harry blies die Kerzen aus, verließ die Halle und kehrte zurück in seinen Schlafsaal, wo er einen Schluck seines Trankes nahm und schnell in einen traumlosen Schlaf hinüberglitt.
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Als Harry am Morgen aufwachte, war er allein im Schlafsaal. Nachdem er durch einen Blick auf die Uhr festgestellt hatte, dass es bereits 12.15 Uhr war, wunderte es ihn nicht mehr. Er zog sich an und machte sich ohne Eile auf den Weg zur Halle, da Samstags kein Unterricht stattfand. Wahrscheinlich würden die meisten gerade beim Mittagessen sitzen und Harry fand seine Vermutung bestätigt, als er weder im Gryffindor-Turm, noch im Großen Gemeinschaftsraum irgendjemanden antraf.
Als Harry eintrat, blieb er erst ein paar Minuten unbeobachtet in der Tür stehen und sah sich die Schüler an, die sich zwar eigentlich dem Essen hingaben, jedoch immer wieder mal einen Blick zu den Lehrern schweifen ließen. Lächelnd lief Harry auf den Gryffindortisch zu.
„Hey Harry", meinte Ron grinsend, als Harry sich neben ihn setzte. „Super Idee mit den Bildern! Das macht die Halle irgendwie noch viel schöner."
„Stimmt", nickte Hermine und legte eine Serviette beiseite. „Sie sind ja eigentlich immer noch unsere Lehrer, nur dass sie eben nicht persönlich hier sein können!"
„Echt eine tolle Idee", meinte Ginny, die auf der anderen Seite von Harry saß.
Harry schluckte einen Bissen Brot hinunter. „Findet ihr nicht", fragte er seine Freunde leise. „Dass das ganze ein bisschen wie eine Gedenktafel aussieht?"
„Nö!" Ron schüttelte entschieden den Kopf. „Es wirkt gut! Als würdest du einfach nicht wollen, dass wir sie vergessen!"
Der Schwarzhaarige musste lächeln. „Genauso war es auch gedacht!"
Eine Weile aß Harry schweigend weiter, während Ron und Hermine sich flüsternd miteinander unterhielten und Ginny aufstand, um zu Michael Corner an den Ravenclawtisch zu gehen.
„Sag mal", wandte sich Hermine plötzlich wieder dem Schwarzhaarigen zu. „Wohin bist du eigentlich plötzlich Abend so schnell verschwunden?"
Harry hob erstaunt seinen Kopf. „Was meinst du?"
„Auf dem Halloween-Fest", erklärte Ron anstelle seiner Freundin. „Am Anfang warst du noch voll dabei und irgendwann ist und dann aufgefallen, dass du nicht mehr da bist!" Rons Ohren wurden rot, wahrscheinlich, weil er nicht zugeben wollte, dass er so mit Hermine beschäftigt gewesen war, dass er gar nicht genau mitbekommen hatte, wann sein bester Freund verschwunden war.
Harry zuckte scheinbar gelassen mit den Schultern. „Es ist irgendwie langweilig geworden! Dann hab ich einen kleinen Spaziergang durchs Schloss gemacht und als ich zurückgekommen, waren nur noch einige Pärchen da, die getanzt haben, da wollte ich nicht unbedingt stören."
„Aber du störst doch nicht", entgegnete Hermine entrüstet.
Harry musste lächeln. „Das ist nett, aber ich weiß, dass ihr auch Zeit für euch braucht! Macht euch keine Gedanken, es war ein tolles Fest!"
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Gegen fünf Uhr saß Harry mal wieder in einem der Sessel im Großen Gemeinschaftsraum. Er wusste nicht genau, wo sich seine Freunde befanden, allerdings wollte er im Moment auch nicht mit ihnen reden. Er lächelte, als Susan den Raum betrat. Seit sie alle auf der Burg waren, hatten sie sich öfter unterhalten und Harry hatte festgestellt, dass es ihm inzwischen leicht viel, mit ihr über seine Probleme zu reden.
„Hey!" Susan ließ sich neben dem Schwarzhaarigen in einen Sessel fallen.
„Hey", meinte Harry ebenfalls. „Ist irgendwas?"
„Wie kommst du darauf?" Susans Gesicht schien ein Fragezeichen.
„Du siehst aus, als würde dich etwas beschäftigen!"
Susan nickte langsam. „Du weißt doch sicher noch, über was wir vor zwei Tagen gesprochen waren!"
Harry nickte.
„Nun ja", fuhr die Hufflepuff zögernd fort. „Was würdest du tun, wenn du plötzlich merken würdest, dass du jemanden in deiner Umgebung gerne hast? Ich meine, wirklich gerne! Wenn ihr aber so gut befreundet seid, dass eine Abfuhr von demjenigen die ganze Freundschaft gefährden würde!"
Harry lächelte. „Ich würde mit der Person reden und ihr alles erzählen!"
Susan starrte ihn ungläubig an. „Was? Auch auf die Gefahr hin, dass ihr euch darauf ständig aus dem Weg geht?"
Der Gryffindor zuckte mit den Schultern. „Weißt du, wenn ich eines gelernt habe, dann dass das Leben viel zu kurz sein kann, als dass man vor etwas Angst haben sollte!"
Susan senkte den Kopf. „Du meinst, ich könnte sterben, bevor ich etwas über seine Gefühle herausfinden könnte?"
Harry sah sie ernst an. „Ich denke nicht, dass du sterben wirst! Aber du hast mich gefragt, was ich tun würde und das habe ich dir gesagt! Allerdings hast du auch keinen Verrückten als Erzfeind, ich denke also, dass deine Situation wahrscheinlich etwas anders ist!"
Beide schwiegen für eine Weile und Harry konnte an Susan Falten auf der Stirn erkennen, dass sie nachdachte. Dann hob sie entschlossen den Kopf und schüttelte ihn. „Nein, ich denke, dass du Recht hast! Du führst jetzt keinen Einzelkampf mehr mit Voldemort, sondern wir alle leben im Krieg mit ihm. Und das Leben ist manchmal kürzer, als wir annehmen!"
„Es ist deine Entscheidung!"
Susan nickte. „Kann ich dich mal was ziemlich Persönliches fragen?"
Harry sah sie verwundert an. „Ich war eigentlich nicht der Meinung, dass wir in den letzten Wochen unpersönlich miteinander geredet hätten! Aber, schieß los!"
„Warum hast du hier keine Freundin? Ich meine, versteh das nicht falsch, aber ich kenne hier mindestens zehn verschiedene Mädchen, die liebend gern mit dir ausgehen würden. Also warum bist du immer noch allein?"
„Du meinst abgesehen davon, dass wir nicht aus der Burg rauskönnen, also eigentlich gar nicht wirklich ausgehen können?" Harry grinste, wurde dann jedoch ernst und sah Susan nicht direkt an. „Weil sie mich nicht verstehen. Jeder hier weiß, wer ich bin und alle kennen mein Vergangenheit, aber niemand weiß, wie ich mich fühle mit dieser Berühmtheit und dem ganzen Mist, der mir passiert! Keiner hier ist Voldemort jemals gegenüber gestanden oder hat auch nur eine geringe Ahnung, was er mir - abgesehen von der Ermordung meiner Eltern - alles angetan hat!"
Susan biss sich auf die Lippen. „Aber das liegt doch nur daran", meinte sie schließlich. „Dass du es niemandem hier erzählst!"
Harry nickte. „Das weiß ich, aber ich sag dir eines: Diejenige, die mich dazu bringt, über alles was mir je durch Voldemort passiert ist zu reden, mit der werde ich ewig zusammen sein!"
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Es war 1 Uhr morgens und Harry war der letzte, der sich im Großen Gemeinschaftsraum aufhielt. Die letzten waren schon vor über einer Stunde verschwunden. Harry genoss die Ruhe, die er tagsüber beinahe nirgends finden konnte.
Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und Hannah Abbott kam hereingerauscht. Als sie Harry sah, blieb sie erschrocken stehen. Harry erkannte sofort, dass sie geweint hatte.
„Hey", meinte Harry, etwas unsicher, wie er sich verhalten sollte.
„Hey", erwiderte Hannah mit brüchiger Stimme und ließ sich neben ihm in einem Sessel nieder.
„Alles in Ordnung", fragte Harry vorsichtig.
Hannah antwortete nicht.
Innerlich verfluchte Harry sich selbst. „Vergiss die Frage! War blöd von mir!"
Hannah lächelte leicht.
„Mission erfüllt", meinte Harry übertrieben munter. „Sie lächelt wieder!"
Nach ein paar Minuten Stille begann Harry wieder:
„Erzählst du mir, was los ist?"
Hannah schüttelte den Kopf.
„Warum nicht?"
„Es ist ziemlich persönlich", erklärte sie leise.
Harry nickte. „Aber es könnte dir vielleicht helfen, darüber zu reden!" Eine Weile schweigen wieder beide, nur Hannahs Schniefen unterbrach ab und zu die Stille.
„Geht's um Justin?" fragte Harry schließlich vorsichtig.
„Könnte man so sagen!"
„Ist es was Gutes oder was Schlechtes?"
Hannah zögerte. „Kann ich nicht so leicht sagen!"
Harry sah sie fragend an.
„Eigentlich ist es etwas Gutes", fuhr die Hufflepuff fort. „Aber in der derzeitigen Situation bin ich mir da nicht so sicher!"
„Der Krieg wird nicht ewig dauern!"
Hannah nickte. „Aber während der nächsten neun Monate wird er wohl nicht zu Ende sein."
„Nein, während der nächsten ... neun Monate..." Harry riss erschrocken die Augen auf. „Was? Willst du mir etwa sagen, dass du ...? Bist du ...?"
Hannah nickte mit zusammengepressten Lippen. „Ich bin schwanger!"
Harry sah sie für ein paar Sekunden nur ausdruckslos an, dann ließ er sich tief in den Sessel sinken. „Oh, Mann!"
Hannah schwieg.
„Bist du sicher?"
„Ja!"
„Absolut?"
„Absolut!"
„Oh Mann", stöhnte Harry wieder auf.
Gegen ihren Willen musste Hannah lächeln. „Ich weiß!"
„Hast du es Justin schon erzählt?"
Hannah schüttelte den Kopf.
„Seit wann weißt du es?"
„Seit ungefähr zwei Wochen!"
Harry sah sie ernst an. „Vielleicht solltest du besser mit Justin reden! Immerhin betrifft es ihn auch!"
Hannah nickte. „Ich weiß, aber das ist nicht so leicht!"
Der Gryffindor lächelte leicht. „Niemand hat gesagt, dass es leicht ist!"
Hannah ließ ihren Blick auf den Boden gerichtet. „Ich hab Angst, Harry!"
Harry sah sie an. „Wovor?"
„Ich hab Angst, dass Justin mit mir Schluss macht oder dass ich irgendwas falsch mache. Außerdem weiß keiner hier, wie man ein Kind zur Welt bringt, also könnte einfach eine Menge schief gehen! Ganz zu schweigen davon, dass wir Krieg haben und das meiner Meinung nach der absolut falsche Zeitpunkt für ein kleines Kind ist!"
Harry nickte langsam. „Du brauchst dir wirklich nicht so viele Sorgen zu machen! Justin würde nie mit dir Schluss machen. Er liebt dich wirklich und er wird das Kind auch lieben. Und natürlich besteht die Gefahr, dass du etwas falsch machst, aber dieses Risiko gibt es bei allem, was man tut. Und wenn du dich an alle Ratschläge hältst, die wir in Büchern finden oder die ein paar von den anderen vielleicht wissen, kann da gar nichts mehr schief gehen! Wie man ein Kind zur Welt bringt, weiß ich leider auch nicht, ich hab darin keine Erfahrung!"
Hannah musste wieder lächeln.
„Allerdings", fuhr Harry fort. „Werden wir dich dabei alle unterstützen und ich denke, dass viele ungefähr wissen, was zu tun ist. Und was den Krieg betrifft, ich glaube wirklich nicht, dass er in neun Monaten vorbei ist und ich glaube auch, dass es kein guter Zeitpunkt für ein Baby ist. Aber sieh es mal so, wir alle sind Kinder des Krieges! Wir wurden beide während des ersten Krieges geboren. Und wir alle werden auf den Kleinen aufpassen!"
„Oder die Kleine", murmelte Hannah sichtlich ruhiger. „Danke, Harry!" Sie umarmte den Schwarzhaarigen kurz.
„Kein Problem! Du solltest dich hinlegen, du brauchst Schlaf!"
Hannah grinste, stand auf und lief zur Tür. „Ach, Harry?"
„Ja?"
„Bitte, sag noch niemandem etwas, okay? Ich will erst in Ruhe mit Justin reden und danach spreche ich mit den anderen!"
Harry nickte. „Ich weiß von nichts!"
„Danke", wiederholte Hannah noch einmal und verließ dann schnell den Gemeinschaftsraum.
„Ich bin gut darin, Geheimnisse zu bewahren", murmelte Harry noch, was die Hufflepuff jedoch nicht mehr hörte.
Plötzlich war er unendlich müde. Er fand es toll, dass Hannah sich ihm anvertraut hatte, doch musste er, wenn er ehrlich war, wirklich zugeben, dass sich die Probleme damit noch um einiges vergrößert hatten.
Harry ließ sich zurück in den Stuhl sinken. Er merkte, wie seine Augenlieder schwer wurden und schon kurz darauf war er eingeschlafen.
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Erschrocken fuhr Harry hoch und orientierte sich erst. Schnell erkannte er, dass er im Großen Gemeinschaftsraum war. Nach einem Gespräch mit Hannah war er eingeschlafen. Aber was hatte ihn wieder aufgeweckt?
Er spürte ein leichtes Kribbeln auf seiner Brust und nahm schnell das kleine Medaillon in Form eines kleinen Löwen heraus und sah, dass die beiden Augen durch einen Zauber rot aufleuchteten. Ein Zeichen, das er mit Alijah ausgemacht hatte, damit er, falls es einen Notfall gab, so schnell wie möglich zu ihrem Treffpunkt kommen würde.
Harry apparierte in höchster Eile zum Platz des ehemaligen Zaubereiministeriums. Schnell lief er auf den kleinen Raum zu, in dem er sich am Tag zuvor mit Alijah getroffen hatte und fand einen weißen Umschlag auf einem Stein liegen. Harry hob den unbeschrifteten Brief auf und öffnete ihn schnell. Er erkannte die Handschrift. Die Nachricht war kurz.
Angriff auf Hogwarts – gescheitert.
Dumbledore und Lehrer gefangen in Kerker.
Hinrichtung Dienstag früh um Neun
5-6-6; 3-2-5; V-Vv'12-V
Harry sah auf seine Armbanduhr. Es war Sonntag, 4 Uhr morgens! Sie hatten 53 Stunden Zeit!
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A/N: Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob das Kapitel so geworden ist, wie ich mir das anfangs vorgestellt hab! Ich hab das blöde Gefühl, dass irgendwas nicht passt! Keine Ahnung! *blöd schau* Vielleicht hab ich mit Hannah einfach ein bisschen zu viel rein gebracht. Was weiß ich! Schreibt mit eure Meinung! Ansonsten geht es hoffentlich bald weiter! Der Brief wird noch näher erläutert, keine Sorge (sobald mir selber wieder einfällt, was ich damit eigentlich sagen wollte)!
Und wieder ein tausendfaches Danke an alle, die mir Reviews geschrieben haben!! (Und ein noch größeres Danke, an die, die mir schon öfter geschrieben haben!)
Lilith35: War nicht unbedingt Zufall, dass ich das Kapitel an einem Dienstag hochgeladen hab! Es war fast fertig, als ich das erste hochgeladen hab und musste nur noch verbessert werden. Aber ich wollte eure und auch vor allem meine Geduld ein bisschen trainieren, weil ich es selbst nicht erwarten konnte, das zweite Kapitel online zu stellen. Und dann dachte ich, wenn ich es Dienstag hochlade, dann liest du es vielleicht wieder! (Außerdem passt es zeitlich einfach dienstags und samstags am besten!) Also vielen, vielen Dank; auch, dass du nichts gegen einen neuen Charakter einzuwenden hast! 1000 Thanx, bye!
RavenMM: Wird schon wieder ein bisschen düster, keine Sorge! Aber ich wollte keine Geschichte, in der in jedem Kapitel nur Katastrophen passieren. Außerdem hast du recht, dass nicht alle Slytherin schlecht oder böse sind – das wär ja ziemlich schwarz-weiß gedacht – aber wie soll man unterscheiden, wer auf Dumbledores Seite steht und wer nicht? Aber es stimmt schon, auch Leute von anderen Häusern könnten „schlecht" sein! (Freu dich in diesem Zusammenhang auf die nächsten Kapitel!) Auf alle Fälle danke, für den Gedanken, ciao!
Soror Lucis: Erst mal ganz riesiges Thanx für das Lob, so was braucht der Mensch! Wo Harry hin ist, dürfte mit diesem Kapitel wohl beantwortet sein und über den Angriff auf Hogwarts gibt's sicherlich immer wieder Rückblenden, in denen man dann erfährt, wer gestorben ist (eine davon war ja schon hier)! Ansonsten wird es wohl wirklich etwas dauern, die nächsten Chapters fertig zu bringen! Thanx a very lot, bye bye! (Übrigens: Schreib bloß selber schnell weiter an Running Changes! Interessiert mich nämlich brennend, wie das weitergeht!)
Herminethebest: Deine ersten drei Fragen dürften hiermit wohl schon beantwortet sein! Über Harrys Gefangenschaft und seine Flucht wird es wohl immer wieder Rückblenden geben (wie in diesem Kapitel auch schon), damit die offenen Fragen nach und nach beantwortet werden. Wegen Harrys Reden hab ich noch nichts entschieden! Hab auch noch gar nicht darüber nachgedacht, aber mal sehen, vielleicht passt's ja mal! Jedenfalls vielen, vielen Dank für dein Review, hoffe die Story gefällt dir weiterhin!
t-wosz: Danke, danke! Würd dir hier gern noch mehr sagen, aber deine Bemerkung lässt mir nicht so viel Spielraum! Also sag ich einfach danke, dass du mir geschrieben hast und ich hoffe, dass du auch weiterhin LW liest.
