27. Dezember

Halle C

Flughafen Charles de Gaulle

Paris, Frankreich

1630 (MEZ)

„So Jen, das erste Teilstückchen haben wir geschafft. Das war ja wirklich wie eine Flucht aus Rota. Nur gut, dass wir nicht mehr dem Fleming begegnet sind."

„Stimmt, sein Grinsen hätte ich nicht noch einmal ertragen können."

„So, wir sind in Halle C und müssen zu Halle E."

„Na Halleluja. Und das durch diese Menschenmassen. Und wir haben genau noch..."

„26 Minuten Zeit. Oh, das wird knapp."

Mac und Jen stürzten los. Hätten sie keine militärische Ausbildung gehabt, wären sie hoffnungslos verloren gewesen auf diesem Flughafen. Während sie so rannten, ertönten immer wieder Aufrufe. Und dann wurden auch ihre Namen genannt.

„Oh, Jen, wir werden schon aufgerufen."

„Ja Mac, ich höre es, wir schaffen es."

„Colonel MacKenzie bitte zum Serviceschalter in Halle D, Colonel MacKenzie bitte zum Serviceschalter in Halle D!"

„Jen, was soll ich machen? Unser Flugzeug!"

„Mac, ich komme mit!"

„Nein Jen, du fliegst nach Hause! Du hast schon genug Zeit vertrödelt. Vielleicht ist es was familiäres. Wenigstens einer von uns beiden sollte nach Hause kommen."

„Mac, bist du dir sicher, dass ich fliegen soll?"

„Ja Jen, und jetzt lauf!"

„Aye Aye Ma'am!" Und Jen rannte weiter, während Mac zur Halle D zurücklief.

Am Serviceschalter angekommen, fragte Sie, warum sie ausgerufen wurde. Ihr wurde nur ein Telefonhörer hingehalten.

„Colonel MacKenzie hier, mit wem spreche ich?"

„..."

„Harm? Was soll das? Warum lässt du mich ausrufen?"

„..."

„Na das Wichtige sollte mal sehr wichtig sein, ich will nämlich nach Hause. Doch das wird wohl nicht mehr gehen, weil ich wegen Dir mein Flugzeug verpasse!"

„..."

„Du bist wo?"

Jemand berührte Macs Schulter. Sie umfasste stärker ihre Tasche und drehte sich wütend um.

Vor ihr stand ein großer Mensch, ihre Augen wanderten höher bis sie in ein strahlendes Gesicht blickten.

„Harm? Aber wie? Du. Nein. Was?"

„Mac, ja ich."

Die Dame am Schalter nahm lächelnd einer sprachlosen Mac den Telefonhörer aus der Hand.

Einige Sekunden später hatte sie ihre Fassung wieder: „Was machst du hier?"

„Urlaub."

„Urlaub? Ich dachte, du spielst Chef?"

„Nicht mehr, seit gestern nicht mehr. Ich habe das Kommando an Sturgis weitergegeben."

„Oh. Weiß denn der Admiral davon?"

„Ja, natürlich. Er hat es mir sogar befohlen."

„Also bist du nur auf Grund eines Befehls hier?" Mac wurde skeptisch.

„Nein, ich bin hier, weil ich hier sein will."

„Aber ich will nach Amerika zurückfliegen." Mit einem Blick auf den nächsthängenden Monitor meinte sie „Ich wollte nach Amerika zurückfliegen."

„Mac, meinst du nicht, du könntest dich als Entschädigung für das entgangene Weihnachtsfest mit 3 Tagen Kurzurlaub in Paris anfreunden?"

„3 Tage Paris?"

„Ja. Naja, unter einer Bedingung."

„Und die wäre?"

„3 Tage Paris mit mir und einem Gespräch mit mir."

„Ein Gespräch? Worüber?"

„Mac, wir stehen hier mitten in einer Flughafenhalle. Das ist wohl kaum der richtige Ort."

„Ja, du hast Recht. Oh. Mein Gepäck..."

„... ist in wenigen Stunden in Washington. Also wir gehen jetzt erstmal ins Hotel und dann gucken wir, was du alles für Sachen brauchst. Einverstanden?"

Mac war so perplex, sie konnte nur noch nicken. Harm nahm sie bei der Hand und führte sie aus der Halle. Fassungslos lief sie mit ihm. So etwas hatte noch nie im Leben jemand für sie getan.

Eine Stunde später fuhren Harm und Mac mit dem Taxi vor dem Hôtel Edouard VII vor. Es war ein Viersternehotel in der Nähe des Palais Royal, der Comédie Française und des Grand Louvre. Mac war begeistert.

Harm hatte bereits einen Zimmerschlüssel und so fuhren Sie mit dem Fahrstuhl in die oberste Etage. Als Mac einen Blick in die Suite warf, die er reserviert hatte, war sie ganz aus dem Häuschen, umarmte ihn und gab ihn einen Kuss.

„Harm, das ist wundervoll! Es ist unglaublich. Und alle Male besser als in Russland."

„Mac, ich weiß. Und ich möchte, dass du auch weißt, dass du das verdient hast."

„Aber wie? Ich meine warum?"

„Weil du eine wunderbare Frau bist. Und..."

„Harm – und was?"

„Ach nichts, komm wir müssen jetzt gehen, wenn wir dir noch ein paar Sachen besorgen wollen. Einverstanden?"

Mac überlegte, was Harm wohl hätte sagen wollen. 'Und das ich dich liebe? Wollte er das sagen? Wollte er sagen, dass ich die Frau in seinem Leben bin, mit der er die Zukunft verbringen will? Ach Mac, er hat es nicht gesagt. Er wird es nie sagen, und ihr werdet für ewig halbherzige Freunde bleiben.'

Sie nickte nur. Naja, shoppen anstelle eines Liebesgeständnisses war weitaus besser als nichts. Harm ergriff wieder ihre Hand und sie gingen ins nächstgelegene Einkaufzentrum.

Einkaufszentrum

Paris, Frankreich

1900 (MEZ)

„Hey Mac, was sagst du zu diesem Schlafanzug? Der steht dir bestimmt."

Mittlerweile waren Harm und Mac in der Unterwäscheabteilung angekommen. Ihr wäre es lieber gewesen, sich dort alleine umzuschauen, aber Harm war nicht von ihrer Seite gewichen und machte auch bei ihren Andeutungen keinerlei Anstalten.

„Harm, nein, das willst du nicht wirklich, oder?"

‚Wie, das will er nicht wirklich, Mac, bist du jetzt nicht mehr ganz bei der Sache? Was fragst du ihn das?'

„Okay, Mac, dann zeig ich dir, was ich will." Er ging auf Mac zu. Er kam immer näher und sie bekam schon weiche Knie und hielt den Atem an.

Harm stand ganz dicht vor ihr, nur wenige Zentimeter trennten die beiden Körper. Sie spürte seinen Atem und wartete. ‚Nicht bewegen, Marine, du weißt nicht, was er vor hat.' Harms Hand bewegte sich auf Mac's Gesicht zu. ‚oh nein, was macht er?' Sie schloss ihre Augen. Als sie sie wieder öffnete hielt er ein sehr kurz gehaltenes schwarzes Spitzennachthemd hoch. Mac hatte genau vor dem Kleiderständer mit diesen Nachthemden gestanden. Das erklärte seine Handlung.

„Na, was sagst du dazu?" Mac war völlig perplex, ihr blieb nur ein Nicken.

„Wie du willst." Antwortete er mit einem breiten Grinsen. „Was brauchen wir jetzt noch?"

„Ähm ähm, ein paar Kosmetikartikel, dann dürften wir alles haben."

„Gut, ich zahle und du gehst schon mal in die andere Abteilung. Treffen am Ausgang. Einverstanden?"

„Bleibt mir etwas anderes übrig? Aber ich hoffe nicht, du willst das Nachthemd dann in deiner Spesenabrechnung angeben."

„Mac, niemals."

Sie war froh, endlich ein paar Minuten alleine zu sein und stapfte in die Kosmetikabteilung des Einkaufszentrums. Eigentlich wurde sie mit jeder Sekunde die sie alleine war, wütendender. Wütend auf das vertrödelte Weihnachtsfest in Spanien, wütend auf ihren CO, der sie dorthin beordert hatte, wütend auf ihn, weil er plötzlich da war, weil er sie am Rückflug hinderte, weil er, ja weil er einfach nicht über sich redete.

Zum Glück war sie multi-tasking-fähig, sonst hätte sie wohl ihre Kosmetikartikel nie zusammenbekommen. Sie stapfte missmutig Richtung Kasse. Kurz vor der Kasse fiel ihr Blick dann auf die dort hängenden Kondome. Und das machte sie noch wütender. 'SARAH MACKENZIE, das kann doch nicht wahr sein. Bist du jetzt vollkommen übergeschnappt? Dieser Mann hat noch nicht einmal mit dir geredet und du denkst schon nur an das eine.' Sie wurde immer wütender. Es würde eh nichts passieren, weil sie es mal wieder nicht schaffen würden, über sich zu reden. Oder vielmehr, er würde es nicht schaffen über sich selbst zu reden. Über seine Gefühle, die er hätte. 'Hat er überhaupt diese Gefühle dir gegenüber, Marine? Er muss sie haben, sonst wäre er kaum nach Paris geflogen. Oder doch nicht? Oder hat er einfach nur ein schlechtes Gewissen, weil er dich nach Spanien geschickt hat? Genau. Das wird es sein. Das schlechte Gewissen. Oder doch nicht? Egal, ein Marine sollte immer vorbereitet sein.' Mac packte mit einem Grinsen und etwas errötet noch eine kleine Packung der XL-Kondome ein.

Nachdem Sie Alles bezahlt hatte, traf sie sich wie besprochen mit Harm am Ausgang.

„Ich hoffe du hast nicht zu lange auf mich gewartet."

„Doch, das habe ich."

„Wie bitte? Ich meine, ich habe mich beeilt."

„Das meinte ich auch nicht. Haben wir nicht lange genug aufeinander gewartet?

Schweigen. Keiner wagte etwas zu sagen. Mac hatte als erstes ihre Stimmt wiedergefunden:

„Und Harm, was machen wir nun?"

„Also ich würde vorschlagen, wir bringen die Sachen zuerst ins Hotel zurück. Okay?"

„Ja, in Ordnung, aber können wir dann bitte etwas essen? Ich habe seit Spanien nichts mehr zu essen gehabt."

„Oh, Mac, das tut mir leid, entschuldige, daran habe ich nicht gedacht. Ich war zu sehr auf andere Dinge fixiert."

„Achja? Auf was denn?"

„Auf dich."

„Oh."

Hôtel Edouard VII

Paris, Frankreich

2130 (MEZ)

Nach einer weiteren Schweigepause, in der sie in ein Taxi stiegen und sich zum Hotel fahren ließen fragte Harm endlich: „Und, was willst du essen? Worauf hast du Appetit?"

„Nun, wir sind in Paris – hmmm. Schwer zu sagen. Auf so ein Nobelrestaurant, Schnecken und Froschschenkel habe ich nicht wirklich Lust." Mac schmiss ihre Sachen erst einmal auf die Couch in der Suite und legte sich kurz auf das Bett.

„Nun, und wie ich sehe, bist du auch etwas müde, das heißt, ein 6-Gänge-Menü wirst du wohl auch kaum überstehen."

„Gut erkannt, Sailor. Also. Lösung?"

„Weißt Du was, wir sollten in dieses kleine Café gehen, das ist hier nur eine Querstraße weiter, die bieten auch Abends noch Essen und es ist dort gemütlich."

„Alles klar, warte nur kurz, ich zieh mich schnell um. Könntest du...?"

„Jaja, bin schon weg, obwohl unsere Suite eigentlich groß genug ist. Komm runter, wenn du fertig bist, ich warte an der Bar."

„Bis gleich."

Bar des Hôtel Edouard VII

Paris, Frankreich

2200 (MEZ)

Gerade als Harm darüber nachdenken wollte, ob Marines auch nur Frauen waren, die lange zum umziehen brauchen (natürlich alles nur was Nicht-Uniformen betraf) kam Mac in die Hotelbar. Er brauchte sich noch nicht einmal umdrehen. Er wusste es einfach. Und schon berührte ihn eine Hand auf seiner Schulter.

„Entschuldige, ich hoffe, du musstest nicht allzu lange warten."

„Nein nein, ich habe schon schlimmere Sachen erlebt."

„Aha. Im Normalfall würde ich nachfragen, aber ich sterbe vor Hunger. Können wir los?"

„Selbstverständlich. Bitte, nach dir."

„Aaah, immer noch ganz der Gentleman, danke." Mac ging voran. Sie hatte sich wirklich schick gemacht für ihn und eigentlich keine Ahnung, wieso. In ihrer schwarzen Hose und dem neu erstandenen roten Top und dem schwarzen Sakko sah sie wirklich gut aus. Schlicht, aber gut, so zumindest hatte sie es empfunden, bevor sie ihr Zimmer verlassen hatte.

Café Liberté

Paris, Frankreich

2215 (MEZ)

Harm und Mac waren nach 3 Minuten Fußweg in diesem kleinen sehr gemütlichen Café angekommen und hatten sehr schnell ihre Bestellung aufgegeben. Nun saßen sie da, warteten auf das Essen und wussten nicht so wirklich, wie sie über welche Sache das Gespräch anfangen sollten. Also beschloss Mac erst einmal, dienstlich zu werden.

„Harm, meinst du, wir bekommen eine Entschuldigung vom SecNav?"

„Wieso das denn?"

„Hast du es denn schon wieder vergessen?"

„Oh, entschuldige, tut mir leid, Mac, natürlich habe ich es nicht vergessen. Als ich das gehört habe, was da abgelaufen ist, oder besser nicht abgelaufen ist in Spanien, da hätte ich am Liebsten..."

„Was Harm, los, komm schon, ich höre dir zu, was hättest du?"

„Naja, mich geohrfeigt, dass ich dich dahin geschickt habe. Das ich nicht selbst gefahren bin oder Sturgis den Norfolk-Fall entzogen habe."

„Harm, du konntest nichts dafür, Befehl ist Befehl und ich meine, ich hatte wirklich eine lustige Zeit mit Jen."

„Naja, so ganz alleine habe ich dich nun nicht nach Spanien schicken wollen."

„Danke."

„Nein Mac, ich habe zu danken."

Zum Glück kam das Essen, sonst hätte die Dankesorgie sicher noch eine Weile angedauert. Während des Essens war die Kommunikation sehr stark eingeschränkt, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Harm kam zu dem Schluss, dass er entweder heute Nacht noch mit Mac reden, oder er endgültig seinen Verstand verlieren würde.

Nach einem kleinen Wortgefecht durfte Mac die Rechnung in dem Café bezahlen und beide traten wir vor die Tür in die eiskalte und klare Dezemberluft. Mittlerweile war es auf den Straßen sehr ruhig geworden und die Schneeflocken fielen.

„Mac, ich möchte jetzt gerne mit dir reden, hättest du Interesse an einem kleinen Spaziergang?"

„Du hast ja Anwandlungen. Wenn ich jetzt nicht Handschuhe, Mütze und Schal dabei gehabt hätte, hätte ich ablehnen müssen, aber so, ich denke ein kleiner Spaziergang könnte mir gut tun."

Palais Royal

Paris, Frankreich

2359 (MEZ)

Nach wenigen Minuten des nebeneinander Gehens waren Sie vor dem Palais Royal angekommen als Harm endlich Mut fasste und Mac's Hand in seine legte. Mac schaute ihn nicht an, zog ihre Hand aber auch nicht weg. Sie standen beide nur da und schauten in den Himmel aus dem immer mehr weiße Flocken tanzten.