So und hier wie versprochen das neue Kapitel ...

"Nein!"

Völlig entgeistert sah Mandy Draco an.

Mit dem selben Gesichtsausdruck starrte er zurück.

"Wer diese Mistel hier aufgehängt hat, den verklag ich!" drohte er.

"Das kannst du machen, aber ich glaube nicht, dass uns das großartig viel weiter hilft" meinte Mandy trocken "Der kann es dann auch nicht rückgängig machen. Mann, ich will aber nicht! Lieber bleibe ich die hier stehen, bis die Misteln ihre Kraft verloren haben!"

"Viel Spaß auch. Aber ich muss in den Ferien nach Hause, ansonsten bin ich tot!"

Erst zu spät bemerkte er, dass er sich verplapperte hatte.

Wenn er in den Ferien nicht nach Hause fuhr und zu einigen Versammlungen der Todesser ging, wäre er wirklich tot.

Aber das sollte niemand wissen.

Mandy runzelte die Stirn.

"Dann bist du tot? Wieso das?"

"Ach Mann, vergiss es. Ich meinte bloß, ähm, also, meine Mutter würde mich umbringen, wenn ich nicht in den Ferien nach Hause käme. Also sozusagen im übertragenen Sinne." Draco lächelte schwach und nicht sehr überzeugend.

Irgendetwas verbirgt er, dachte sich Mandy. Irgendetwas stinkt hier, aber ganz gewaltig.

Doch sie sprach ihre Worte nicht aus, sondern sagte langsam: "Na wenn das so ist - wenn deine Mutter dich umbringen würde - dann müssen wir es wohl oder übel tun. Und jetzt mach, bevor ich mich wieder weigere."

Draco zögerte.

Es war der einzige Ausweg, aber andererseits ...

Er musste es tun.

Ganz langsam beugte er seinen Kopf etwas nach unten, so dass sie beide auf gleicher Höhe waren.

Mandy schloss gequält die Augen.

Draco neigte seine Lippen immer mehr zu ihren.

Schließlich berührten sich ihre Lippen vorsichtig und zaghaft.

Sie hatten es geschafft - sie hatten sich geküsst, sie waren frei!

Aber keiner von ihnen beendete den Kuss, drehte sich um und lief weg.

Im Gegenteil.

Draco schlang vorsichtig seine Arme um sie, als wäre er sich nicht ganz sicher, ob sie es zulassen würde.

Und Mandy ließ es zu.

Sie schmiegte sich enger an ihn und auf ihrem Gesicht war nicht länger ein Ausdruck des Abscheus, viel mehr ein Ausdruck des Glücks.

Sie öffnete die Augen und sah seine feinen Gesichtszüge, die so nahe bei ihr waren.

Mandy war nicht mehr wütend auf ihn; sie war es eigentlich auch nie richtig gewesen.

Es hatte sie nur angekotzt, dass er ihre beste Freundin als ein "Schlammblut" beschimpft hatte und dass er in der Bibliothek so ein Ekel gewesen war, aber wenn sie jetzt in diese Augen blickte, in diese kalten grauen Augen, konnte sie ihm nicht mehr böse sein.

Wieso ließ sie sich jetzt eigentlich von ihm küssen?

Die Antwort auf die Frage wollte sie verdrängen, doch so einfach war das nicht.

Weil sie sich in Draco Malfoy verliebt hatte.

Sie hatte sich in den Jungen verliebt, dessen Familie allesamt Todesser waren, der irgendein dunkles Geheimnis barg, der sie mit einem Unverzeihlichen Fluch belegen wollte.

Aber sie hatte sich in ihn verliebt.

Warum hören wir eigentlich nicht auf, uns zu küssen? fragte Draco sich in dem selben Moment, in dem Mandy sich das fragte.

Er war sehr erstaunt darüber, dass sich Mandy immer noch von ihm küssen ließ, selbst wenn sie jetzt schon frei waren.

Sie schien in ihm mehr zu sehen als alle anderen, die er kannte.

Die in ihm seinen Vater sahen, einen Malfoy, einen Reinblüter, der alle anderen verachteten.

Sie war so anders als alle Mädchen, die er je getroffen hatte.

Aufbrausend, leicht wütend, zum Teil sehr verletzend, doch irgendwie auch mitfühlend, hartnäckig und sie schien zu ahnen, dass der Mensch, den sie getroffen hatte, nicht der wahre Draco Malfoy war.

So anders ... und sie schien ihn auch zu mögen.

Dieser Gedanke durchfuhr Draco wie ein Blitz.

Sie mochte ihn!

Sie liebte ihn!

Er hatte sein ganzes Leben auf diesen Moment gewartet, an dem ihn jemand liebte, und jetzt, wo es soweit war, fiel ihm plötzlich etwas ein.

Sie liebte ihn - er liebte sie.

Wenn der Dunkle Lord das jemals herausbekommen würde, dann wäre Mandy auch noch in Lebensgefahr, wenn er seinen Auftrag nicht erledigen würde!

Das durfte nicht sein, das durfte niemals sein!

Sie würde seinetwegen auch noch sterben!

Das konnte er einfach nicht zulassen!

Er durfte sie nicht zu nah an sich heranlassen, er durfte sie nicht mögen, sie durfte ihn nicht mögen, sonst wäre sie tot!

Wie in Zeitlupe schob Draco Mandy von sich.

Sie sah ihn erstaunt aus ihren dunklen Augen an.

Er musste hart und kalt sein, ihr klar machen, dass das nur ein Spiel gewesen war und dass sie sich nie wieder treffen durften.

Das alles, um sie zu beschützen.

"Draco?" war alles, was Mandy herausbrachte.

"Hör zu, Mandy" seine Stimme war unsicher und wachelte, doch dann riss Draco sich zusammen und fuhr kalt fort: "Brocklehurst, geh weg von hier. Das gerade eben war nur ein Spiel gewesen, wir werden uns nie wieder sehen. Verschwinde jetzt von dir. Oder glaubst du im Ernst, das gerade eben hat mir etwas bedeutet?" Er zwang sich zu einem höhnischen Lachen, das aber eher traurig ausfiel.

Mandy bemerkte es.

Sie meinte kurz: "Nun gut, wenn du willst, verschwinde ich von hier."

Sie drehte sich um und lief ein paar Schritte weg.

Dann blieb sie stehen, wandte sich noch einmal zu Draco und sagte mit Nachdruck: "Aber glaub nicht, dass du mich einfach so loswirst."

Sie lief weiter, weg von der Mistel, weg von Draco.

Bevor sie sich erneut umgedreht hatte und weggegangen war, hatte sie aber den Ausdruck in Dracos Augen gesehen.

Sie wirkten nicht mehr kalt und gefühlslos, sondern verletzlich und traurig.

Und sie wusste, dass Draco ihr nicht die Wahrheit gesagt hatte.

Er stand da und sah ihrer davoneilenden Gestalt nach.

Sie hatte ihn durchschaut.

Sie hatte gewusst, dass es ihm nicht egal war.

Draco war wie versteinert.

Dieser Kuss hatte Gefühle in ihm wachgerufen, die er bis dahin noch gar nicht gekannt hatte.

Doch das durfte einfach nicht sein!

Sie hatten ja keine Chance!

Wenn der Dunkle Lord jemals herausfinden würde, was Mandy Draco bedeutete, wäre sie tot!

Er durfte sie einfach nicht lieben.

Sie war seine Feindin, denn er wusste, sie stand auf Dumbledores Seite.

Sie würde ebenfalls sterben, genau wie er und seine Eltern.

Und das war sie nicht wert.

Draco wollte sie nicht verletzen, doch er wusste, wenn sie am weiterleben sollte, würde er genau das tun müssen.

Das Problem war, sie schien zu wissen, dass er es nicht so meinte.

Aber sie durfte das nicht!

Vielleicht würde sie verstehen, wie wichtig es war, dass sie von ihm fern blieb, wenn sie die ganze Geschichte kennen würde ...

Nein, das durfte niemals passieren!

Was auch immer geschah, sie durfte niemals die Wahrheit rausfinden!

Niemals!

Falls der Dunkle Lord das herauskriegen würde, würde Mandy sterben und Draco wollte nicht, dass noch jemand seinetwegen starb.

Er musste ihr einfach aus dem Weg gehen, dann würde nichts passieren.

Lieber sollte sie verletzt sein, unendlich verletzt, und ihn hassen, aber lebendig sein, als dass sie ihn liebte und tot war.

Noch vor vierundzwanzig Stunden hatte sich Draco gewünscht, dass ihn jemand liebte.

Jetzt liebte ihn jemand - doch das hatte noch viel mehr Probleme aufgeworfen.

Diese Liebe war verboten.

Sie waren Feinde.

Ihre Liebe hatte keine Chance.

Draco bekam gar nicht mit, wie die Weihnachtsferien an ihm vorüber flogen.

Es war ihm auch egal, denn er war die ganze Zeit nur in Gedanken bei Mandy.

Er liebte sie, das hatte sich nicht geändert.

Und er durfte sie nie wieder sehen, auch das hatte sich nicht geändert.

Geändert hatte sich bloß, dass Draco es jetzt bald machen musste.

Der Dunkle Lord hatte ihm erneut mit dem Tod seiner Eltern und sich gedroht, wenn er seinen Auftrag nicht bald ausführen würde.

Zum Glück beherrschte Draco Okklumentik, ansonsten hätte er auch schon von Mandy gewusst, und diese, da war Draco sich sicher, sofort getötet.

Sie durften sich einfach nicht wieder sehen!

Die Weihnachtsferien gingen zu schnell vorüber.

Draco hatte Angst vor dem, was passieren würde, wenn er erneut auf Mandy stieß.

Aber dennoch war schon bald wieder Schule.

Am ersten Schultag, in der ersten Stunde hatte er Kräuterkunde.

Schon wieder würde er Mandy begegnen, die garantiert mit ihm reden würde.

Er würde sie einfach ignorieren.

Vielleicht begriff sie dann, dass es besser für sie war, wenn sie ihn nicht liebte.

Vielleicht aber auch nicht.

Vielleicht begriff sie es, aber würde es trotzdem ignorieren.

Vielleicht hatte sie ihn aber auch schon längst vergessen.

Als Letzter betrat Draco am Montag die Gewächshäuser.

Er ließ seinen Blick über die Schüler schweifen.

Mandy stand im hinteren Teil des Gewächshauses und unterhielt sich lachend mit Padma Patil und Lisa Turpin.

Dann bemerkte sie, dass Draco da war.

Ihr Lachen verstummte.

Sie sah Draco mit einem Ausdruck, den er nicht ganz eindefinieren konnte, an.

Sie sah ihn an und ein besorgter Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht.

Draco hatte keine Ahnung, warum.

Betont kühl schlenderte er zu der Slytherin-Clique, ohne Mandy weiter zu beachten.

Diese jedoch hatte nicht im Geringsten die Absicht, ihn zu ignorieren.

Sie warf ihm einen Blick zu, aus dem man herauslesen konnte, dass sie nach der Stunde mit ihm reden wollte, und sie es nicht zulassen würde, dass er davor verschwand.

Und die Stunde ging vorbei.

Sie hatten mit irgendwelchen Pflanzen angefangen, die in jeglicher Hinsicht gefährlich waren und nur von schwarzen Magiern verwendet wurden.

Draco hatte sich den Namen nicht gemerkt.

Endlich klingelte es zur Pause.

Er wollte sich so schnell wie möglich verziehen, doch Mandy kam ihm zuvor.

Sie hielt ihn am Arm fest und zwang ihn, sich zu ihr umzudrehen.

"Ich will jetzt wissen, wieso genau du nicht willst, dass wir zusammen sind!" zischte sie.

Draco wirkte einen Moment lang unsicher, als ob er ihr sein dunkles Geheimnis erzählen wollte, doch dann meinte er mit fester Stimme: "Das habe ich dir schon gesagt. Weil du mir nichts bedeutest."

"Ja sicher" spottete sie "das ist mir schon aufgefalllen. Darum sahst du auch so komisch aus, als ich weggegangen bin. Ist logisch.

Draco Malfoy, so leicht belügst du mich nicht!" Ihre Stimme war wieder zischend. "Ich will die Wahrheit wissen. Die ganze Wahrheit."

"Damit wären wir wieder bei unseren Streitereien angelangt" meinte Draco ruhig, was sie noch mehr aufbrachte.

Wütend funkelte sie ihn an.

"Die Wahrheit, Draco Malfoy! Und jetzt keine Lügen!"

Dracos Gelassenheit verschwand.

Er musste ihr einen Teil der Wahrheit erzählen, damit sie in ihn Ruhe ließ und weiterlebte.

"Also" begann er leise "ich werde dich jetzt nicht belügen, aber die ganze Wahrheit werde ich dir auch nicht erzählen. Ich kann sie dir nicht erzählen, ich darf sie dir nicht erzählen, was auch immer."

Mandy wurde ruhiger. Sie schluckte und sah ihn fragend an.

"Es ist so" fuhr Draco fort "dass ich ihn Schwierigkeiten steckte. In ganz gewaltigen Schwierigkeiten. Es ist eine Sache, die dich überhaupt nichts angeht.

Jedenfalls" er stockte "Mann, wie kann ich dir das sagen? Wenn ich eine ... eine bestimmte Sache nicht erledige, dann wird er ... dann werden meine Eltern und ich getötet. Und ich kann diese Sache nicht ausführen. Ich kann es nicht.

Wenn ... wenn sie jemals rauskriegen sollten, wie wichtig du mir bist, Mandy, dann werden sie dich ebenfalls töten, falls ich es nicht schaffe. Und ich will nicht, dass du stirbst."

Schweigend sah Mandy ihn an.

"Aber Mandy" Dracos Stimme wurde wieder fest "das, was ich dir gerade erzählt habe, darfst du keinem erzählen, klar? Wenn du nicht willst, dass meine Eltern und ich sterben, dann darfst du es niemanden erzählen! Niemanden!"

"Und was, bitte schön, hat das damit zu tun, dass du dich nie wieder mit mir treffen willst?"

"Meine Güte, Mandy!" Draco rollte ungeduldig mit den Augen, "du bist in Ravenclaw, ich dachte, du bist schlau! Wenn wir uns nicht treffen, dann ist die Gefahr sehr gering, dass jemand herausbekommt, was du mir bedeutest, und ... und dich tötet."

"Draco" erklärte Mandy ebenso ruhig wie er vorhin "das ist mir ..."

Bevor sie ihren Satz beenden konnte, fiel Professor Sprout ihr ins Wort: "Miss Brocklehurst, Mr Malfoy, kommen Sie jetzt raus, ich will gleich zuschließen!"

"Ja, Professor Sprout!" rief Mandy ihr zu und sie zog Draco mit sich heraus.

Das sah schon etwas merkwürdig aus, denn Draco war fast einen Kopf größer.

Draußen im Schneesturm, so konnte das Schneien wirklich nennen, fuhr Mandy fort: "Noch mal Draco, weißt du, das ist mir wirklich so was von egal! Nein, halt" sagte sie, als Draco den Mund öffnete, um sie zu unterbrechen, "verstehst du, du bist mir auch wirklich sehr wichtig. Was kümmert es mich denn, dass ich sterben muss, wenn ich mich mit dir treffe? So wie du die Sache darstellst, wirst du ohnehin sterben. Was nützt es mir dann, wenn ich lebe, du aber tot bist? Da will ich lieber ebenfalls sterben, doch davor wenigstens noch Zeit mit dir verbringen! Verstehst du, Draco? Ich liebe dich!"

Ihren Worten folgte Stille.

Dann meinte Draco: "Das ist es ja, verstehst du mich denn nicht, Mandy? Wir sind Feinde! Wir dürfen uns nicht treffen! Dir ist es vielleicht egal, wenn du stirbst, aber mir nicht! Dein Tod wäre meine Schuld! Und ich werde sowieso schon Schuld am Tod meiner Eltern sein, ich will nicht, dass du meinetwegen stirbst! Versteh das doch!"

Als Antwort stellte sich Mandy auf Zehenspitzen und küsste ihn sanft.

Danach sagte sie: "Du wärst nicht Schuld an meinem Tod. Wenn, dann wäre es meine Schuld, denn du hast mich gewarnt, und mir war das egal, weil ich dich trotzdem sehen wollte. Es ist dann meine Schuld und nicht deine!"

Draco erwiderte nichts.

Schließlich sagte er so leise, dass Mandy es gerade eben so hören konnte: "Wir sind Feinde."

"Wir kämpfen auf verschiedenen Seiten" berichtigte Mandy "aber wir sind trotzdem Freunde. Mach dir keine Sorgen. Niemand wird es je herausfinden."

Sie zitterte leicht.

"Ist dir kalt?" fragte Draco fürsorglich.

"Nein, ich schwitze grad wie in ner Sauna!"

"Ach, halt dich doch einmal zurück mit deinen Kommentaren, Mandy."

Ohne weiter nachzudenken, dass jeder sie hätte sehen können, umarmte Draco sie.

Dem Schneetreiben um sie herum keine Beachtung schenkend küssten er sie.

Schließlich löste sich Mandy von ihm und fragte, nachdem sie erst mal Luft geholt hatte: "Was musst du da eigentlich machen?"

Eine deutlichere Änderung hätte nicht sein können.

Draco ließ sie los und fuhr sie drohend an: "Nichts, was dich angeht! Halt dich aus Angelegenheiten raus, die dich nichts angehen, Brocklehurst."

Er drehte sich um und stapfte durch den tiefen Schnee davon.

Mandy rief ihm hinterher: "Draco, warte doch! Tut mir Leid, dass ich das gefragt hab! Bitte warte auf mich!" Sie eilte ihm hinterher.

Als sie ihn fast eingeholt hatte, drehte er sich plötzlich um und sagte eiskalt, wie der Schnee, der vom Himmel auf sie herab fiel: "Nein, Mandy! Nein! Mir tut es Leid, dass ich mich überhaupt mit dir abgegeben hab!"

Mandy sah ihn entgeistert an.

"Was ... was genau willst du damit sagen?"

"Es ist aus, Mandy Brocklehurst! AUS! Was immer es auch gewesen sein mag, es ist aus! Aus, vorbei, finito, over, Ende, Schluss!"