Colin und Pinia waren zu einem neuen Tatort gerufen wurden. In einem der zwielichtigeren Viertel von Chicago hatte jemand anscheinend eine Prostituierte und ihren Freier umgebracht.

„Das gibt's doch nicht", war Colins einziger Kommentar, nachdem er abrupt im Türrahmen stehen geblieben war.

„Was ist?", fragte Pinia, die mit der Ausrüstung folgte. Als sie Colins Blick folgte verstand sie seine Reaktion.

„Oh." In der Mitte des mit rosa Plüsch überladenen Zimmers lag der leblose Körper von Joseph Foster.

„Ja, oh ist wohl die richtige Reaktion."

„Was für eine Ironie." Pinia hatte inzwischen ihren silbernen Koffer abgestellt. „Vielleicht müssen wir auch gar nichts tun und am Schluss haben die sich alle gegenseitig erledigt – geschähe ihnen Recht", fügte sie mit einem verächtlichen Blick auf Joseph hinzu.

„Hey ... denk an das, was Amy immer sagt: Jedes Opfer verdient Gerechtigkeit und ... "

„ ... jeder Täter seine gerechte Strafe. Ich weiß." Sie starrte immer noch missmutig auf den rosa Plüsch.

„Na siehst du ... also an die Arbeit."


Nachdem Monya an diesem Tag bereits ein Erfolgserlebnis hatte, arbeitete sie nun fieberhaft an einem zweiten. Seit einer Stunde versuchte sie nun, aus den eigentümlichen Maskeraden der Bankräuber Bilder zu fabrizieren, die sich zur Fahndung verwenden ließen. Das war leichter gesagt als getan. Die Bärte und die Perücken machten es schwierig, die genauen Gesichtskonturen zu erkennen und so dauerte es noch einmal eine Stunde, bevor Monya endlich alle vier Gesichter hatte. Nach einem Ausflug in die Leichenhalle, die ihr wie immer Schauer den Rücken hinunterjagte und bei der sie ihre neuen Bilder mit den Gesichtern der zwei toten Bankräuber verglich, stand sie nun mit freudestrahlendem Gesicht an einer offenen Labortür. Sie klopfte gegen den Rahmen und schreckte so Titia aus ihrer konzentrieren Arbeit.

„Tschuldigung, hab' ich Sie erschreckt?"

„Schon gut." Titias Lächeln konnte nicht den Ausdruck der Angst in ihren Augen verbergen, der sich nur langsam verflüchtigte. „Was haben Sie?"

„Ich hab' die Gesichter der zwei verbliebenen Räuber", Monya reichte ihr die zwei Ausdrucke. „Wir haben noch keine Namen, aber bald jede Menge Fingerabdrücke aus der Wohnung."

„Danke für ihre Mühe", sagte sie und stand auf. „Dann werde ich mal zu Detective Abbott gehen, damit er die Beiden zur Fahndung ausschreibt.


Es war später Abend, als sich das gesamte Team, Titia und Matthew wieder im Labor einfanden, oder vielmehr im Pausenraum, da sie alle Hunger hatten und sich Fettflecken nicht unbedingt gut auf Beweismitteln machten. Also saßen sie jetzt zu sechst um den großen Couchtisch und aßen Chinesisch, während sie sich unterhielten. Auf dem Tisch lagen vergrößerte Photos aller Bankräuber, die sie von den Überwachungskameras hatten.

„Also fassen wir noch mal zusammen", Amy starrte auf eine Nudel, die sie zwischen zwei Stäbchen geklemmt hatte. „Wir haben eine tote Kundin, die während eines Banküberfalls von einer Kamera erschlagen wurde. Wenig später finden wir die Leiche eines der Täter, Denis Foster, anscheinend von seinem Kumpanen erschossen. Wieder kurze Zeit darauf taucht sein Bruder Joseph ebenfalls tot auf."

„Und um das Ganze noch zu toppen, finden wir bei ihm noch eine weitere Leiche", fügte Colin hinzu. „Also warum das Alles? Und wer sind die zwei Unbekannten?"

„Hoffentlich sagt uns das AFIS bald, aber bis jetzt gibt es noch keine Ergebnisse." Jonah sah aus, als ob er am liebsten selber in der riesigen Datenbank herumwühlen wollte.

„Ich glaube, in der Zwischenzeit kann ich ein wenig weiterhelfen", meldete sich nun Titia zu Wort, die sich in einem dunkelblauen großen Sessel niedergelassen hatte. „Klar ist ja, dass wir uns nur noch auf diese beiden konzentrieren müssen." Sie deutete auf das Photo eines großen, breitschultrigen Mannes und das eines kleineren, drahtig aussehenden. Dank Monya hatten sie inzwischen Gesichter erhalten. „Ich hab mir die Videos der Überwachungskameras angesehen. Der Große agierte während des Überfalls am passivsten. Und ausgehend von der Höhe, von der der Schuss auf Denis abgegeben wurde, hat laut Jonah mit hoher Wahrscheinlichkeit der Kleine geschossen. Die Situation bei ihnen ist einfach außer Kontrolle geraten. Niemand hat mit einer Toten gerechnet und dann muss irgendetwas passiert sein, was drei Morde und Chilisoße an der Wand rechtfertigt. Hier nun meine Theorie: Joseph hat sich mit dem Geld aus dem Staub gemacht. Daraufhin tickt der Jüngste in der Gruppe, der sein Leben lang seinem Bruder nachgeeifert hat, aus und um zu verhindern, dass Denis zur Polizei läuft oder anderes dummes Zeug anstellt, hat der Kleine ihn erschossen und sich das Geld wiedergeholt indem er auch noch den Bruder tötet. Aber woher er wusste, wo Joseph zu finden war, weiß ich auch nicht."

„Beide Kugeln haben identische Prägungen vom Lauf, es wurde also mit der gleichen Waffe geschossen – das könnte also hinhauen", fügte Jonah hinzu.

„Und jetzt? Warten wir einfach bis Streifenpolizisten die beiden zufällig aufgabeln?", fragte Pinia wütend.

„Nein", nun lächelte Titia. „Die beiden fühlen sich sicher, weil sie nicht wissen, dass wir ihre Gesichter erkennen. Zumindest einen der beiden wird das dazu verleiten, unvorsichtig zu sein." Sie deutete auf das Gesicht des Größeren. „Ihn. Als er aus der Wohnung verschwunden ist war er auch derjenige, der seine Sachen nicht mitgenommen hat. Jedenfalls ist die Kleidung zu groß, um einem der anderen Täter zu gehören." Sie schaute in die Runde und ihre Augen hatten einen zuversichtlichen Ausdruck. „Wie viele Casinos gibt es in Chicago?"

„Zwölf", Colin hatte verwundert aufgehört sein gebratenes Hühnchen zu essen. „Wieso?"

„Der Große hatte Spielkarten und einen Werbezettel eines Casinos in seiner Tasche. Ich wette, er sitzt jetzt an einem Spielautomaten in Chicago um sich abzulenken."

„Und welches?", schaltete sich nun Matthew in die Unterhaltung ein.

„Eines am Rand der Stadt, in der Nähe eines Highways oder Bahnhofs... immer mit der Möglichkeit sofort abzuhauen."

„Das Harrah's Casino liegt am Rand der Stadt und in der Nähe des Highway 80."

„Dann sollten sie dort suchen."