Disclaimer: Immer noch gehören alle bekannten Personen und Orte Tolkien, auch wenn in diesem Kapitel kaum etwas davon vorkommt...

Verkrüppelt?

Araym hatte kein Glück. Die Brandwunden an seinen Händen entzündeten sich, und lange Zeit lag er mit hohem Fieber in der Sandfeste. In wirren Träumen nahm er war, dass man ihm Wasser einflösste und ihm seine heisse Stirn mit feuchten Tüchern kühlte, doch er wurde nie ganz wach. Ab und zu machte man sich an seinen Händen zu schaffen, und der Schmerz war jeweils so gross, dass Araym wieder in die Schwärze zurückfiel, die ihn umfing.

Dann erwachte er einmal und merkte an dem Licht, das durchs Fenster hereinfiel, dass es früh am Morgen sein musste. Sein Kopf war so klar wie seit langem nicht mehr, und er war endlich einmal wieder in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Als er sich aufsetzen wollte, stellte er fest, dass er so schwach war wie ein kleines Kind. Obschon sich der ganze Raum um ihn zu drehen begann und ihm kalter Schweiss ausbrach, stützte er sich auf seine Ellbogen und blickte sich um. Er hatte furchtbaren Durst, aber der Wasserkrug, den er entdeckte, war ausser seiner Reichweite auf einem Tisch am Fenster. Araym liess sich mit einem Stöhnen zurück auf das Lager sinken. Als hätte sie es gehört, kauerte kurz darauf Bantila neben ihm und blickte besorgt auf ihn herunter.

„Bantila!"

Er konnte nur flüstern, aber Bantila strahlte.

„Bleib liegen, Araym! Ich muss Bescheid sagen, dass du wach bist."

Sie sprang auf und wollte den Raum verlassen, aber Araym rief sie zurück. Das heisst, er wollte rufen, aber er brachte nur ein heiseres Krächzen hervor.

„Bantila, ich habe schrecklichen Durst. Gib mir erst etwas Wasser, bitte!"

Sie nickte und ging zu dem Tisch hinüber, wo der Krug stand. Dann kehrte sie mit einer Schale zu ihm zurück und hielt sie ihm an den Mund. Es war schwierig, im Liegen zu trinken, aber Araym hatte nicht die Kraft, sich noch einmal aufzustützen. Schliesslich wandte er den Kopf zur Seite, um anzuzeigen, dass er genug hatte. Bantila stellte die Schale zurück und lächelte Araym zu.

„Ich werde die anderen holen. Sie werden froh sein, dass du wach bist."

Araym war von der kurzen Anstrengung erschöpft. Schwach wehrte er ab.

„Nein, Bantila, ich bin todmüde. Lass mich schlafen – ich kann auch später mit den anderen sprechen."

Er schlief schon bevor sie antworten konnte.

Als Araym das nächste Mal erwachte fühlte er sich viel besser. Er war immer noch schwach, aber diesmal fiel es ihm schon leichter, sich aufzurichten. Es war dunkel in der Kammer, und am Fenster sass jemand an die Wand gelehnt da und schien zu schlafen.

Der Wasserkrug stand immer noch auf dem Tisch, aber diesmal war er für Araym nicht mehr so unerreichbar fern wie das letzte Mal. Langsam und vorsichtig richtete er sich weiter auf, aber als er sich mit den Händen abstützen wollte, durchfuhr ihn ein heftiger Schmerz. Erst jetzt wurde ihm bewusst, weshalb er eigentlich hier lag. Zögernd hob er die rechte Hand und hielt sie vor sein Gesicht. Selbst in der Dunkelheit konnte er den dicken Verband sehen, der die Verletzung vor seinem Blick verbarg.

Araym rutschte langsam nach hinten, bis er mit dem Hinterkopf die Wand berührte. Dann stemmte er sich langsam an der Wand entlang hoch und lehnte schliesslich aufrecht an der kalten Mauer. Ein kurzer Schwindel überkam ihn, aber er atmete ein paar Mal tief durch, und das Gefühl legte sich wieder. Der Mauer entlang schleppte sich Araym zum Fenster, von wo ein schwacher Lichtschein in den Raum fiel.

Mit den Zähnen riss er den Verband von seiner Hand und unterdrückte nur mühsam einen Schrei. Seine Handinnenfläche war tiefschwarz und von schroffen Furchen durchzogen. Die Finger waren wie Klauen nach innen gekrümmt. Araym stellte mit wachsendem Entsetzen fest, dass sie seinen Befehlen nicht gehorchten. Steif und bewegungslos bogen sie sich über die zerstörte Handfläche. Der Handrücken war völlig unversehrt, was Arayms Grauen noch verstärkte.

Er riss nun auch den Verband von der linken Hand und entdeckte, dass diese ebenso schrecklich aussah. Der Wasserkrug auf dem Tisch schien ihn zu verhöhnen. Er verdurstete beinahe, aber er würde weder einschenken noch die Schale zum Mund führen können.

Plötzlich fiel ihm Ajuur ein, der geblendet worden war. Was wohl aus ihm geworden war? Vermutlich war er hinaus in die Wüste gegangen.

Araym nickte. Das war es, was er tun musste. Mit seinen verkrüppelten Händen war er zu nichts mehr zu gebrauchen. Er konnte nicht einmal den Frauen im Dorf helfen – er konnte ja nicht einmal einen Wasserkrug hochheben.

Er war sehr schwach, aber nun, da er ein Ziel vor Augen hatte, wuchsen in ihm ungeahnte Kräfte heran. Immer der Wand entlang schleppte sich Araym zur Türeöffnete sie lautlos und verliess den Raum.

Es musste kurz vor Morgengrauen sein, denn alles war ruhig in der Feste und die Feuer draussen waren fast heruntergebrannt. Im flackernden Lichtschein der ersterbenden Glut trat Araym vor die Tore der Feste und liess seinen Blick über die Zelte schweifen. Auch hier war alles still.

Araym wusste, dass er sich ohne stützende Wand niemals aufrecht halten konnte, deshalb liess er sich auf die Knie nieder und begann über den Platz zu kriechen. Es war eine umständliche Fortbewegungsart, da er seine Hände nicht benutzen konnte, um sich abzustützen.

Auf den Ellbogen zog er sich vorwärts, und nur mit purer Willenskraft schaffte er es, das Tor zu erreichen, das auf den Grat hinaus führte. Araym wusste, dass er aufstehen musste, um den Riegel zur Seite zu schieben, aber dafür fehlte ihm im Augenblick die Kraft. Nur einen Moment ausruhen! Er streckte sich flach auf dem Boden aus und wartete darauf, dass sich sein rasender Herzschlag beruhigte.