A/N: Trotz unzähligen Computerpannen und ziemlichem Stress an der Uni habe ich es geschafft, ein neues Kapitel hochzuladen. Für eventuelle Formatierungs- und Tippfehler entschuldige ich mich - ich korrigiere, sobald ich ein bisschen mehr Zeit habe...
Sirina: Ja ja, die Personenbeschreibungen... Ich weiss, dass ich nicht besonders auf das Aussehen der Figure eingehe, aber das ist wohl vor allem so, weil es bald einen Sprung von 10 Jahren geben wird, und dann sowieso alles anders ist. Ich versuche mich zu bessern... Schön, dass es dir bis jetzt trotzdem gefällt.
Disclaimer: Die Elben, Mittelerde und alles andere, was irgendwie bekannt ist, stammt von Tolkien. Tiruials Lied ist inspiriert vom Soundtrack von "The Last Unicorn" (Man's Road)
Geschichten am Lagerfeuer
... "Doch wir sind schon wieder vom Gegenstand unseres Gesprächs abgekommen. Erzählt mir nun die Geschichte, wie die Magie nach Amarond kam."...
Tárion schien nicht bemerkt zu haben, dass Tiruial erneut ausgewichen war, als seine Familie zur Sprache kam. Er fuhr mit seiner Erzählung fort.
„Ihr habt jetzt viel über das Fest der Jahreszeiten und den grossen Markt in Satar-Ai gehört. Es wird Zeit, dass wir zur eigentlichen Geschichte kommen. Sie nimmt ihren Anfang in der Zeit, als die Feuerberge im Westen erneut ihre giftigen Dämpfe in den Himmel spieen, und zum zweiten Mal der Himmel verdunkelt wurde. Wieder kam das schwarze Fieber über die Koldar-Ebene, und wir, die wir in Amarond noch viel näher am Gebirge waren als all die anderen Länder, wir litten entsetzlich. Giftiger Regen zerstörte unsere Ernte, und ein harter Winter forderte beinahe mehr Leben als die Seuche, die im Herbst über uns gekommen war. Im Frühling fand das Fest der Jahreszeiten in Satar-Ai statt, und unsere Händler zogen nach Farad. Diesmal ging es weniger darum, unsere Waren zu verkaufen, als vielmehr darum, neues Saatgut zu erstehen, damit man in Amarond etwas auszusäen hätte. Der Markt war nicht halb so prächtig wie in den Jahren zuvor. Am zweiten Tag kam eine Karawane aus dem Norden herab. Mit den Händlern reiste ein geheimnisvoller Mann, eindeutig kein Tarvik, doch schien er das Kommando über die Gruppe zu haben. Er war mittleren Alters und trug einen Umhang aus dem Fell eines blauen Nagurs – ein seltenes und sehr gefährliches Raubtier, dessen Pelz eine stahlblaue Farbe aufweist. Auch seine restliche Bekleidung war in verschiedenen Blautönen gehalten, was für einen Menschen aus dem Norden ungewöhnlich war. Die Tarvik tragen nur naturfarbene Kleidung, um sich besser verbergen zu können.
Schon nach kurzer Zeit sprach sich herum, dass der geheimnisvolle Fremde ein grosser Heiler sei. Er habe die Tarvik vom schwarzen Fieber geheilt, so dass sie kaum Verluste zu beklagen hätten. Gerne hätten sie ihn bei sich behalten, doch der Mann habe darum gebeten, in die Hauptstadt des Ostens gebracht zu werden, und so hätten sie ihn nach Satar-Ai mitgenommen. Man sah in jener Zeit die Stadt zwar nicht als 'Hauptstadt des Ostens' an, doch durch ihre zentrale Lage hätte man sie als solche bezeichnen können.
Bald einmal kamen aus der ganzen Stadt Menschen zu dem Fremden, in der Hoffnung, dass er ihre Leiden lindern könne. Da kamen Händler aus Karmand nach Satar-Ai, und als sie von dem fremden Heiler hörten, suchten sie ihn auf und baten ihn, sich einen Kranken anzusehen, den sie aus ihrer Heimat mitgenommen hatten, in der Hoffnung, auf dem Markt Hilfe für ihn zu finden.
Es handelte sich dabei um einen Reisenden, der aus dem Westen in ihr Land gekommen war. Er hatte zwei Kinder beobachtet, die an einem Flussufer spielten. Dabei war die Erde ins Rutschen geraten, und die Kinder waren in den Fluss gefallen. Der Fremde war ihnen ohne zu Zögern hinterher gesprungen und hatte sie an Land bringen können. Doch der Fluss hatte eine reissende Strömung, und bevor er selber auch an Land klettern konnte, traf ihn ein schwimmendes Stück Holz am Kopf und er wurde ohnmächtig von der Strömung mitgetragen. Dieser Fluss mündete jedoch in die giftigen Wasser des Koron und der Körper des Mannes wurde dorthin abgetrieben. Mutigen Fischern, die alles beobachtet hatten, gelang es von ihren Booten aus, den Mann an Land zu schaffen, doch war er bereits zu lange im schwarzen Wasser gewesen, und ein Fieber hatte seinen Körper erfasst. Da er zweifellos den Kindern das Leben gerettet hatte, wollte man ihn nicht einfach sterben lassen; doch niemand kannte ein Heilmittel gegen das Gift des Koron.
Der Heiler aus dem Norden folgte den Karmandi zu ihren Zelten und besah sich den Kranken. Da erfuhren die Völker der Koldar-Ebene zum ersten Mal von der Magie. Was genau geschah, weiss niemand, doch man spricht von bunten Blitzen und schaurigen Geräuschen. Es heisst, der Heiler habe gegen einen schwarzen Dämon gekämpft, er habe die Krankheit aus dem Körper herausgerufen und niedergerungen; die beiden Fremden seien in weisses Licht getaucht gewesen und der Himmel habe in jener Nacht gebrannt. Was immer es auch war, der Mann aus Karmand wurde geheilt.
Am nächsten Tag traten die beiden Männer vor das Zelt und verkündeten, sie seien Brüder, und sie seien in den Osten gereist, um unbekannte Länder zu erkunden. Sie wurden zu einer Audienz beim König geladen und führten lange Gespräche mit diesem. Niemand weiss, was damals besprochen wurde, doch die beiden wurden zu Ratgebern des Königs ernannt. Simurakh, wie die Tarvik den Mann aus dem Norden genannt hatten, wurde als mächtiger Heiler berühmt, und er lehrte die Farad vieles über ferne Länder im Westen. Von ihm erfuhr man vom dunklen Herrscher, der für die Vergiftung des Koron und das schwarze Fieber verantwortlich war. Yoris, so nannten die Karmandi den Mann aus dem Süden, war ein grosser Krieger. Er zeigte den Soldaten der Farad neue Arten zu kämpfen und brachte ihnen bei, bessere Waffen zu schmieden.
Der damalige König von Farad hatte keine Kinder, und als sich die Frage nach seiner Nachfolge stellte, beschloss er, dass Yoris und Simurakh gemeinsam über Farad herrschen sollten. Ihre Macht war so gross, und sie hatten dem Land soviel Gutes gebracht, dass niemand wagte, an dieser Entscheidung zu zweifeln. Und so herrschten nach dem Tod des alten Königs zum ersten Mal in der Geschichte Farads zwei Männer gleichzeitig. Während Yoris Zeit seines Lebens alleine blieb, nahm sich Simurakh eine Frau und hatte mit ihr zusammen mehrere Kinder.
Jahre vergingen, die Menschen alterten und starben, doch Yoris und Simurakh schienen sich nur langsam zu verändern. Ihre Herrschaft dauerte hunderte von Jahren, doch sie war gut, und niemand dachte daran, etwas zu ändern. Man wurde unter der Herrschaft von Yoris und Simurakh geboren und man starb, ohne jemals einen anderen König gekannt zu haben. Mit der Zeit vergass Farad, dass Könige einst normale Menschen gewesen waren. Simurakhs Kinder jedoch, verliessen ihre Heimat und zogen in die verschiedenen Länder um Farad. Auch sie besassen die Gabe der Magie, wenn auch nicht in dem Ausmass wie ihr Vater. Sie wurden nicht viel älter als normale Menschen, doch hinterliessen sie ihrerseits Kinder und Kindeskinder.
So wurde die Gabe der Magie schwächer, aber sie verteilte sich über die ganze Koldar-Ebene und kam bis nach Amarond."
Tárion verstummte. Tiruial, der aufmerksam zugehört hatte wartete einen Augenblick, und als Tárion nichts mehr sagte, stellte er die Frage, die ihm schon seit einiger Zeit auf den Lippen brannte.
„Was wurde aus Yoris und Simurakh?"
Anaryas Bruder lächelte zufrieden. Auch auf diese Frage wusste er die Antwort. Endlich konnte er sein Wissen jemandem darlegen, der sich wirklich dafür interessierte.
„Es ist knapp zweihundert Jahre her, dass sich die Berge im Westen wieder zu regen begannen. Man erinnerte sich mit Grauen an die alten Geschichten, die von Tod und Zerstörung erzählten, und Unruhe kam auf unter den Völkern der Koldar-Ebene. Niemand weiss, woher Yoris und Simurakh wussten, was im Westen geschah, doch eines Tages traten sie vors Volk und erzählten von einem Krieg, der sich im Westen anbahnte. Der schwarze Herrscher sei zurückgekehrt, und die ganze Welt sei in Gefahr. Yoris stellte ein Heer zusammen, das in den Westen ziehen sollte, um die freien Völker dort in ihrem Krieg zu unterstützen. Er sagte, dass ein Sieg des schwarzen Herrschers Ost und West Verderben bringen würde, und dass es nun an der Zeit sei, ein Bündnis zwischen den freien Völkern zu schliessen. Viele Soldaten waren bereit, Yoris in den Kampf zu folgen, doch da ergriff Simurakh das Wort, und zum ersten Mal seit hunderten von Jahren waren sich die beiden Herrscher uneins. Simurakh sprach davon, dass der dunkle Herrscher unbesiegbar sei, und dass das Heil der Menschheit in der Flucht läge. Er entfachte Furcht in den Herzen der Menschen, so dass sie nicht mehr wussten, was sie tun sollten.
Und so wurde das Volk der Farad gespalten. Ein Heer tapferer Männer zog mit Yoris in den Westen, den Feuerbergen entgegen, ein ebenso grosser Zug verzweifelter Menschen reiste mit Simurakh an die östliche Küste, wo sie Schiffe bauten und an Shadrinam vorbei in die Ferne segelten. Die meisten Menschen blieben jedoch hilflos und verwirrt in Farad zurück und hofften, dass ihre Herrscher bald zurückkehren würden. Weder von Yoris noch von Simurakh hat man je wieder gehört, und niemand ist jemals zurückgekehrt. Seither hat Farad wieder normale Könige, wie jedes andere Land auch, und seine Bewohner sind zufrieden damit."
Einen Moment lang herrschte Stille, dann ergriff Tiruial das Wort.
„So sind die Magier Eures Landes Nachkommen von Simurakh? Wenn ich richtig verstanden habe, gibt es also überall im Osten Menschen mit zauberischen Fähigkeiten, da sich Simurakhs Kinder über alle Länder verteilt haben."
Tárion zögerte.
„Es gibt unterschiedliche Formen von Magie. Nicht jedes von Simurakhs Kindern war gleich mächtig, und so haben sie verschiedene Gaben unters Volk gebracht. Soviel ich weiss, gibt es nur in Amarond Menschen mit Schattenaugen, aber auch in anderen Ländern gibt es Menschen, die zu heilen vermögen, die über die Elemente gebieten können und die in der Lage sind, sich mit Tieren zu verständigen. Doch nur mit Schattenaugen ist es möglich, einen Blick in die Zukunft zu erhaschen, weshalb die Magie von Amarond als besonders mächtig gilt."
Tiruial lächelte mit undurchsichtiger Miene.
„Mein Vater hat mir viel von seinen Reisen erzählt, doch überrascht mich die Vielfalt und das Wissen Amaronds trotz seiner Beschreibungen. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass die Reise, die ich nur als Pflicht sah, sich als so interessant entpuppen würde."
Offenbar war Tárion plötzlich bewusst geworden, dass er nichts über den Mann wusste, der hier mit ihm und seiner Schwester am Feuer sass. Sein Gesicht verhärtete sich und er setzte sich aufrecht hin. Er wurde nicht unhöflich, aber seine Stimme klang bestimmt, so als würde er eine weitere ausweichende Antwort nicht gelten lassen.
„Pflicht? Darf ich denn wissen, was Euch, Fremder, nach Amarond geführt hat und woher ihr kommt?"
Anarya erstarrte. Dies war die Frage, auf die Tiruial bei ihrer ersten Begegnung so abweisend reagiert hatte. Doch heute strich er sich mit leicht amüsiertem Gesichtausdruck die Haare aus der Stirn und erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung, wie eine Raubkatze, die zum Sprung ansetzt. Er schlug den Umhang zurück, so dass der Blick der Geschwister auf seine einstmals prächtige Kleidung fiel, und Anarya bemerkte zum ersten Mal das Schwert an seinem Gürtel. War es das Mondlicht, das einen silbernen Schein auf den Fremden warf, oder war er es selbst, der diesen sanften Schimmer verbreitete?
Mit einem Schlag war Anarya klar, dass Tiruial anders war als sie, als Tárion, als jeder Mensch, der ihr je begegnet war, und sie fragte sich nur, weshalb sie es nicht vorher bemerkt hatte. Das silberne Leuchten verbarg, wie abgetragen und staubig Tiruials Kleidung war. Die edlen Stoffe schimmerten; silbern gleisste das Schwert an seinem Gürtel. Das schwarze Haar fiel seidig um sein ebenmässiges Gesicht, das von einer überirdischen Schönheit war. Wie er in diesem Moment vor ihnen stand, erinnerte er Anarya an die Gestalten aus Kirgus Märchen. Sie musste unwillkürlich an die Geschichte von Beren und Lúthien denken, und ihr fiel es wie Schuppen von den Augen.
„Ihr seid ein Elb, nicht wahr? Einer vom Schönen Volk?"
War es Erstaunen, das für einen kurzen Moment in Tiruials Augen aufblitzte? Tárion schien überhaupt nichts mehr zu verstehen, denn er starrte nur verständnislos auf die schimmernde Gestalt, die vor ihm stand.
„Mein Name ist Tiruial, Sohn des Elruin. Ich komme aus dem Westen, von der anderen Seite des Gondramgebirges. Mein Vater ist einer der Grossen unseres Volkes, und er kam einst nach Farad, um etwas zurückzuholen, das durch viele Irrungen und Wirrungen in der Geschichte Mittelerdes in den Osten gelangte. Doch wäre er beinahe gescheitert, wenn er nicht in Amarond unerwartete Hilfe gefunden hätte. Mein Vater gab damals ein Versprechen, das er viele Jahre lang nicht einlösen konnte. Nun, da es soweit ist, dass sich sein Schwur erfüllen sollte, bin ich nach Amarond gekommen, um davon zu berichten. Doch schwer ist mein Herz, denn die Nachricht die ich brachte, ist nicht nur gut, und für das Herz eines Menschen schwer zu ertragen. Ja, Anarya, ich bin einer vom Alten Volk, doch erstaunt es mich, dass du von uns Elben gehört hast, wo doch das Gondramgebirge jeden Kontakt zwischen Ost und West verhindert. Weder ahnt man im Westen von der Koldar-Ebene, noch habt ihr eine Ahnung von den Ländern jenseits der Berge."
Tiruial zog den Umhang wieder um sich und setzte sich ans Feuer. Das Schimmern um ihn wurde vom flackernden Licht des Feuers überstrahlt, doch jetzt, wo Anarya die Wahrheit kannte, konnte sie nicht mehr verstehen, wie sie den Fremden jemals für einen Menschen hatte halten können. Tárion holte tief Luft, als hätte er während Tiruials Enthüllung den Atem angehalten. Dann sprach er leise, mit stockender Stimme.
„Ich verstehe nicht alles, was ihr sagt. Ich weiss, dass es Menschen gibt, die jenseits des Gondramgebirges leben, doch sind die Berge unüberwindlich, und mancher, der versucht hat, sie zu überqueren, hat dabei den Tod gefunden. Ich kenne die Namen der Länder im Westen nicht, und habe niemals von einem Land gehört, dessen Bewohner man Elben nennt, aber ihr scheint ein einflussreiches Volk zu sein, und es ehrt mich, dass ich Euch begegnen durfte. Seid Euch gewiss, dass auch mein Vater, der Fürst dieses Gebietes, Euch bei uns auf der Festung willkommen heissen würde."
Tiruial fiel ihm ins Wort.
„Ich danke Euch, Tárion von Fenring, aber die Zeit drängt und ich kann mich nicht länger hier in Amarond aufhalten. Ich muss in meine Heimat zurückkehren, denn im Westen regen sich ungute Dinge, von denen ich meinem Volk berichten muss."
Anarya spürte, dass Tiruial nicht mehr über sich und den Westen erzählen wollte, und so versuchte sie, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
„Da ihr morgen eine lange Reise vor Euch habt, lasst uns den heutigen Abend nicht mit schwerwiegenden Gesprächen beenden. Singen wir lieber noch ein paar Lieder und erzählen uns fröhliche Geschichten. Morgen ist es noch früh genug, sich Gedanken um die Zukunft zu machen."
Tiruial, sichtlich froh über die Ablenkung, nickte und begann dann mit sanfter Stimme zu singen. Es war ein Lied in einer fremden, klangvollen Sprache. Auch die Melodie war ungewohnt und wirkte für Anaryas Ohren fast zu fremdartig – schön, aber nicht zu erfassen. Bis spät in die Nacht sassen die drei gemütlich ums Feuer. Anarya sang Hirtenweisen und ab und zu eine der langen Balladen Amaronds, Tiruial trug Lieder aus seiner Heimat vor und Tárion erzählte kurze und amüsante Episoden aus der Geschichte Amaronds, aber auch aus seiner und Anaryas Kindheit.
Ein Lied von Tiruial kam Anarya bekannt vor. Es war in einer anderen Sprache gesungen, die rauer und kehliger war als die andere und an das perlende Wasser eines Bergbachs erinnerte. Das Mädchen glaubte mehrmals, den Namen Lùthien herauszuhören, aber sie getraute sich nicht, danach zu fragen.
Nur eines von Tiruials Liedern blieb ihr in Erinnerung. Es war in der Sprache Amaronds, aber die Melodie war ebenso bittersüss, wie die des Liedes von Lùthien. Es sei das Lied des ersten Elben, der nach Amarond gelangt sei, erklärte Tiruial; deshalb sei es sowohl in seiner Sprache wie auch in der Amaronds geschrieben worden.
„Die Wüste, gleissend
Reicht sie bis zum Himmelssaum.
Staubteufel, kreisend,
Es gibt weder Strauch noch Baum.
Und von der Last mein Herz ist schwer;
Manwe, send Adler vor mir her.
Hier wandle ich auf Menschenpfad,
Den nie ein Elbenfuss betrat.
So hungrig, müde
Bin ich, doch ich kann nicht ruhn.
Der Wind bläst, rüde,
Treibt mich weiter, durchs fremde Rhûn.
Es harret mein ein langer Weg
Durch Berg und Tal, auf Strass' und Steg
Hier wandle ich auf Menschenpfad,
Den nie ein Elbenfuss betrat.
Oh, Varda, rette
Den, den es nach Westen trieb
Yavanna, bete,
Wenn ich auch nicht bei ihr blieb,
Und rief die Pflicht mich auch hinfort,
Mein Herz, das bleibt an diesem Ort.
Hier wandle ich auf Menschenpfad,
Den nie ein Elbenfuss betrat."
Als es mit der Zeit trotz des Feuers kalt wurde, zog Tiruial eine Lederflasche aus seiner Tasche und liess sie kreisen. Sie enthielt eine stark nach Kräutern schmeckende Flüssigkeit, die einen aufwärmte.
Doch kaum hatte Anarya davon getrunken, wurde sie von einer unwahrscheinlichen Müdigkeit erfasst. Wie im Traum sah sie Tàrion zu Boden sinken und sah auch, wie sich Tiruial geschmeidig erhob und zu ihr herüber kam. Er kauerte sich vor ihr nieder und blickte ihr ins Gesicht. Seine Worte drangen wie durch dichten Nebel in ihren Geist.
„Siehst du, Anarya, nicht nur ihr Menschen aus Amarond kennt die Kräuter, um jemanden zum Schlafen zu bringen. Was ihr getrunken habt, verwenden wir, um Wunden zu behandeln, aber nimmt man es zu sich, bringt es Schlaf und Vergessen. Deinem Bruder wird dieser Abend nur noch wie ein Traum vorkommen, aber du sollst dich an mich erinnern. Höre auf mich, Anarya. Du musst so bald wie möglich zu Kirgu Tammari reiten. Sag ihr, es sei an der Zeit, dass du alles von ihr lernst. Sag ihr, der Schwan brauche vielleicht einen neuen Hüter.
Sie wird dich verstehen. Anarya, höre auf Kirgu und tu, was sie dir sagt. Es ist sehr wichtig, dass du zu ihr hältst, was immer auch geschehen mag."
Dann verstummte Tiruials Stimme, und Anarya fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Als das Anarya am Morgen erwachte, lag sie in der Hütte an ihrem Schlafplatz. Durch die Türöffnung sah sie Tàrion am Brunnen stehen und sich waschen. Das Mädchen stand auf und gesellte sich zu seinem Bruder.
„Wann bist du gestern eigentlich gekommen? Ich war so müde, ich muss vorher eingeschlafen sein."
Tàrion klopfte ihr auf die Schulter.
„Meine kleine Schwester! Du bist aber gewachsen, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe! Ich weiss, ich hätte gestern schon früher kommen sollen, aber die Kamele benahmen sich furchtbar. Auf dem letzten Wegstück wollten sie überhaupt nicht mehr vorwärts gehen. Ich weiss gar nicht mehr, wie ich sie schlussendlich hierher gebracht habe. Dann war ich so müde, dass ich sofort eingeschlafen bin."
Die Geschwister assen zusammen eine Kleinigkeit und begannen dann mit ihren Arbeiten. Tàrion zählte die Ziegen und packte sich dann eine Tasche mit allem, was er den Tag über brauchen würde. Anarya bereitete in der Zwischenzeit ihr Kamel für den Ritt nach Hause vor. Sie summte leise vor sich hin. Seit sie aufgewacht war, hatte sie diese Melodie im Kopf, doch sie wusste nicht, woher sie sie kannte. Plötzlich stand Tàrion hinter ihr.
„Was singst du da, Anarya? Ich kenne dieses Lied. Ist es eine deiner Hirtenweisen?"
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
„Ich weiss nicht, woher ich das kenne, aber ich habe es schon die ganze Zeit im Kopf. Es ist eine hübsche Melodie, nicht wahr?"
Tàrion runzelte die Stirn.
„Es ist seltsam, aber ich habe heute Nacht wirres Zeug geträumt, und ich glaube, dieses Lied kam auch vor in meinem Traum. Wir sassen am Feuer, und jemand sang. Ich erinnere mich nicht mehr."
Deinem Bruder wird dieser Abend nur noch wie ein Traum vorkommen, aber du sollst dich an mich erinnern.
Die Worte durchzuckten Anarya wie ein Blitzschlag. Der Fremde! Tiruial! Er war zurückgekommen und hatte mit ihnen am Feuer gesessen.
Langsam kehrte Anaryas Erinnerung zurück. Auch ihr schien es wie ein Traum, aber es musste wahr sein. Doch so sehr sich Anarya auch das Gehirn zermarterte, der Abend zuvor blieb unklar und verschwommen.
Auch nachdem sie sich von Tárion verabschiedet hatte und sich auf den Weg nach Hause machte, wollte die Erinnerung nicht zurückkommen. Erst als die Sonne schon hoch am Himmel stand, und Anaryas Kamel sich dem Waldrand näherte, fiel ihr noch etwas ein, was der Fremde gesagt hatte.
Du musst so bald wie möglich zu Kirgu Tammari reiten. Sag ihr, es sei an der Zeit, dass du alles von ihr lernst. Sag ihr, der Schwan brauche vielleicht einen neuen Hüter.
Das Mädchen überlegte einen Moment, und wandte dann sein Reittier nach Osten, auf die Wüste zu. Es war wirklich an der Zeit, Kirgu wieder einmal zu besuchen.
