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Kapitel 4, Hermines Entdeckung

Kaum hatte Harry die Tür zu seinem Zimmer hinter sich geschlossen, öffnete sie sich auch schon wieder. Hermine trat herein.
„Du", sagte sie, nachdem sie die Tür in ihrem Rücken fest zugedrückt hatte, „du bist es."
Und nach einer Pause fragte sie,
„Du tust es aus freien Stücken, Harry?"
„Ich habe nichts zu verlieren. Wo sollte ein Geheimnis sicherer aufbewahrt sein, oder glaubst du, Voldemort könnte mich erpressen, bevor er - ?" Harry sprach nicht zu Ende.
Hermine sagte nur, „Ich weiß", dann blickte sie zu Boden, dann wieder in Harrys Gesicht.
„Wir machen noch heute eine Reise zu mir nach Hause, wo der Fideliuszauber ausgeführt wird."
„Kannst du denn so was zaubern?" fragte Harry erstaunt.
„Nein", antwortete Hermine, „Dumbledore wird dort sein und uns helfen."
„Womit reisen wir?"
„Dumbledore schickt uns Fawkes. Er sagt, es handele sich um eine Rettung und alle anderen Mittel und Wege, zu mir nach Hause zu gelangen, seien unsicher."
Stille trat ein, bis Hermine fragte,
„Welchen Plan hat der Orden, um Ron zu retten?"
„Keinen ...", sagte Harry.
Ehe er Hermine etwas erklären konnte, erschien vor ihnen eine Stichflamme, die sich in den schönen Phönix verwandelte.
„Wir brauchen nur die Zauberstäbe", sagte Hermine.
Sie fasste Harrys Hand und berührte mit der anderen Fawkes pfauenlange Schwanzfedern. Eine Reise begann, wie Harry sie schon kannte, nur war er diesmal versucht zu wünschen, sie solle nicht mehr enden.
„Harry, bist du schon angekommen?" drang Dumbledores Stimme an sein Ohr.
„Ja" - Harry öffnete die Augen.
Immer noch an seiner Hand stand Hermine neben ihm. Sie waren in Hermines Zimmer. Dumbledore durchmaß es mit seinen Schritten.
„Würdest du bitte deine Eltern holen?" sagte er zu Hermine. Hermine rannte auf die Tür zu, das Zimmer zu verlassen. Wenn man die großen Entfernungen in ihrem Zimmer in einer Zeit überwinden wollte, die der visuell wahrnehmbaren Größe des Zimmers angemessen erschien, war mindestens ein kleiner Spurt nötig.

„Du bist schon sehr stark, Harry" sagte Dumbledore, als sie allein waren. „Nun musst du noch etwas anderes lernen."
Seit langem wieder funkelten Dumbledores Augen hinter den halbmondförmigen Gläsern.
Harry sagte nichts, obwohl jetzt Zeit war zu fragen, Dumbledore zur Rede zu stellen. Tausend Gedanken schossen Harry durch den Kopf, aber über seine Lippen kam kein Wort. Er dachte an Ron, an Hermine, an die Prophezeiung und fragte sich neben allem anderen, wieso Dumbledore darauf kam zu sagen, er sei sehr stark, und was er noch lernen musste, denn den üblichen Schulstoff konnte der weißbärtige Mann unmöglich meinen.
Dumbledore beantwortete die Fragen, als hätte Harry sie laut gestellt. (Und - auf eine gewisse Weise - beantwortete er sie wieder nicht.)
„Ich habe dich an deinen Stuhl gefesselt, als du vorhattest, die Versammlung zu fliehen. Du wärst aus dem Haus gegangen, habe ich recht?"
Harry nickte. Sein Willen hatte also Dumbledores Fluch gebrochen ...
„Es ist noch nicht so weit - Du bist noch nicht so weit. Am Ende musst du tun, was Geist und Gefühl dir sagen, und ich werde dir nicht mehr im Weg stehen. Nutze bis dahin die Zeit, vertraue Rons Überlebenswillen, und halte Hermine zurück, wenn sie etwas Unbesonnenes vorhat."
Dumbledores Blick drang tief in Harry ein.
Harry sah sein Haar, das, gewöhnlich silbern, jetzt weiß und durchscheinend war. Dumbledores hohe schlanke Gestalt wirkte zerbrechlich, dass es Harry schmerzte. Der Gedanke schnürte ihm die Kehle. Mit einer schnellen Bewegung seines ganzen Körpers wandte er sich von Dumbledore ab.

Im selben Moment öffnete sich leise die Tür.

Hermine trat mit ihren Eltern ins Zimmer. Zahnärzte hatte Harry sich anders vorgestellt. Er kannte nur den einen, bei dem er früher in Behandlung war, bevor er nach Hogwarts kam. Auf der Schule für Zauberei und Hexerei behandelte Madam Pomfrey sämtliche Krankheiten einschließlich Zahnschmerzen mit den Mitteln, die einer Hexe gewöhnlich zur Verfügung stehen. Hermines Eltern begrüßten zuerst Dumbledore. Dann wandte sich die Mutter zu Harry. Sie strich ihm zaghaft über das strubbelige schwarze Haar, und als sie merkte, dass er nichts dagegen einzuwenden hatte, legte sie beide Hand auf seine Schultern und ließ sie darauf ruhen. Sie kam Harry alt und weise vor, so dass er es nicht lächerlich fand, dass sie ihn wie einen deutlich Jüngeren, ja, in gewisser Weise wie ein Kind behandelte. Ihre Gestalt war zierlich, ihr Haarschopf ein kurzer schwarzer Igel. Sie strahlte südamerikanisches Temperament aus.
Der Vater, mit dem Hermine große Ähnlichkeit hatte, begrüßte Harry mit festem Handschlag und einem warmen, herzlichen Lächeln. Zum Lachen war niemandem zumute.

„Ich möchte, dass wir beginnen", sagte Dumbledore. „Hermine wird Harry die Adresse ihres Zuhauses zur geheimen Verwahrung geben. Kreuzt eure Zauberstäbe, sprecht das Wort, das ich euch sage ..."

Als Harry und Hermine Augenkontakt aufnahmen und ihre Stäbe kreuzten, war es Harry, als würden sie beide aus der Erdatmosphäre in einen unwirklichen Raum gehoben.
Perzeptivate", sagte Dumbledores Stimme deutlich.
Perzeptivate" sprachen sie ihm einstimmig nach.
Harry konnte plötzlich Hermine denken hören. Sie übermittelte ihm die Adresse ihres Elternhauses. Er empfing ihre Worte, und kein fremder Gedanke störte ihn dabei. Es war, als öffnete sich sein Geist für Hermine allein, alles hätte sie ihm erzählen können, was sie wollte, und sie sagte nur einen Ortsnamen, eine Straße und eine Hausnummer. Als Hermine geendet hatte, schloss Harry die Augen. Dumbledores Zauberstab drückte sanft mit der Spitze auf einen Punkt kurz unterhalb seines Brustbeins. Harry spürte, dass dort die Mitte seines Körpers war. Etwas wie ein heißer Tropfen fiel in diese Mitte. Um den Zauber zu besiegeln, musste Harry ein Versprechen ablegen, während Dumbledore seinen Zauberstab unverändert auf ihn richtete - die Worte kamen wie von selbst:

Geheimnis im Tanz mit den Winden,
kein Feind wird ES finden,
in der Seele verborgen
und mit ihr verloren.

Harry war es, als könne er das Geheimnis in sich spüren.
Hermine schloss ihn in eine innige Umarmung, noch ehe er seinen Zauberstab weggesteckt hatte. Dumbledore warf sie einen dankbaren Blick zu.
Plötzlich bedrückte Harry die Gegenwart der Anderen. Das Geheimnis brannte in ihm und er erinnerte sich jäh an die Tatsache, dass Wurmschwanz der Geheimnisverwahrer seiner Eltern war und sie verraten hatte. Hatte Wurmschwanz nicht auch dieses Feuer gefühlt? Hatte er nicht seinen Zauberstab mit dem von Harrys Vater oder Mutter gekreuzt? Hatte er dabei nicht in die Augen seines Gegenüber gesehen? Und bedeuteten die letzten Worte - in der Seele verborgen und mit ihr verloren - dass man seine Seele verlor, wenn man ein derartiges Geheimnis verriet? Harry ging tief in den Raum hinein, Dumbledore und die anderen hinter sich lassend, weit von ihnen weg, wenngleich man die Entfernung mit dem Auge nicht einzuschätzen vermochte. Er konnte sogar noch weiter gehen, ohne an die Grenzen des Zimmers zu gelangen.
„Komm zurück, Harry!" sagte Hermine, die eine Ahnung davon hatte, dass man sich in ihrem Zimmer verlaufen konnte.
„Ich möchte allein sein. - Gehen - Fort", äußerte Harry, ohne sich dafür zu interessieren, ob Hermines Eltern dies als unhöflich empfanden.
Hermine schwieg zunächst betroffen. Alsdann verabschiedete sie sich von ihren Eltern und sagte zu Harry,
„In Ordnung, gehen wir."
Dumbledore zog ein glattgestrichenes, gelbes Bonbonpapier aus der Innentasche seines Umhangs. Er legte es vor sich auf die Erde, richtete seinen Zauberstab darauf und murmelte, „portus".
„Zwischen zwei geheimen Orten kannst du ohne Gefahr mit einem Portschlüssel reisen", erklärte Dumbledore und gab das Papier Hermine.
Ohne Hast ging sie auf Harry zu. Er wartete auf seinem Punkt im weiten Raum auf sie, aber er vermied es, Hermines Eltern noch einmal anzusehen.
„Ich sehe euch in Hogwarts wieder", sagte Dumbledore.
Dann schickte er sie fort.

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Harry hatte es geschafft, im Haus am Grimmauldplatz fünf volle Tage nicht mehr in Erscheinung zu treten. Hermine wusste er in der Gesellschaft von Ginny, die jetzt auch im Hauptquartier wohnte, Mr. und Mrs. Weasley reisten auf geheimen Wegen durch die ganze Welt, um Rons Aufenthaltsort ausfindig zu machen, und sie waren damit natürlich nicht allein, der halbe Orden und das Zaubereiministerium suchten nach Ron. Gegen Mittag des sechsten Tages verspürte Harry endlich wieder den Wunsch, mit Ginny und Hermine zu reden. Er lag noch etwas unentschlossen auf seinem Bett, den Blick an die Decke geheftet, als Phineas Nigellus in seinem Rahmen in einem Bild an der Wand von Harrys Zimmer auftauchte.
„Was tust du, Harry Potter?" fragte er mit spöttelnder Stimme.
„Nichts", war Harrys Antwort.
„Nichts? Das ist wenig!" höhnte Nigellus.

Natürlich hatte Harry nicht ›nichts‹ getan, jetzt, wo Rons Leben an einem seidenen Faden hing. Er hatte seine Bücher studiert, unermüdlich nach brauchbaren Zaubersprüchen gesucht und Trockenübungen mit seinem Zauberstab ausgeführt und manchmal auch richtige Zauber. (In einem geheimen Haus wie dem der Blacks, konnte das Ministerium keine Minderjährigenzauberei aufspüren.) Bei Nacht war er, von niemandem bemerkt, in den ein Stockwerk tiefer gelegenen Salon gegangen, hatte sich Bücher aus den Vitrinenschränken genommen, aus denen er, wie er hoffte, etwas über schwarze Magie erfahren konnte. Trotz allem kämpfte Harry fortwährend mit dem Gefühl, bislang ›nichts‹ für die Rettung seines besten Freundes getan zu haben.

„Was sollte ich denn deiner Meinung nach tun, oder hat Dumbledore etwa gesagt, ich darf hingehen wohin ich will?"
„Hm, er sagte mir, du darfst das Haus nicht verlassen", sagte Phineas Nigellus, „aber..." - er hielt inne - Harry wartete gespannt.
Phineas Nigellus jedoch verschränkte mit einem Mal die Arme und wandte seinen Blick von Harry ab.
„Was ›aber‹?" fragte Harry.
„Nun, das Haus ...", sagte Phineas, „das Haus ist groß, viel zu groß für deinen Verstand. Wer es befragt, dem gibt es Rätsel auf."
„Sagt das Dumbledore?" wollte Harry wissen.
„Nein, das sage ich."
Damit beendete Phineas Nigellus das Gespräch völlig unvermittelt. Er tauchte im Bildhintergrund ab und hinterließ eine leere Leinwand. Harry nahm seine Brille vom Nachttisch, doch auch durch ihre runden Gläser war Phineas nicht mehr zu sehen. Er ging in die Küche, weil er hoffte, dort jemanden beim Essen anzutreffen. Die Küche war seltsam verwaist. Selbst Kreacher hielt sich nicht hier unten auf. Die Tür zu seinem Schlafquartier stand halb offen. Harry holte sich einen Apfel aus der Vorratskammer, die ganzen letzten Tage hatte er schon von Äpfeln gelebt, und ging wieder hinauf. In der Eingangshalle hielt er inne. Im Haus herrschte beängstigende Stille. Sirius' Haus, in dem Harry mit seinem Paten leben wollte - war das alles noch wahr? Es kam so rasch und unvermutet, wie es ging. Sirius kam und ging. Geblieben war dieses Haus. Der schwarze Samtvorhang erregte bei Harry, sooft er daran vorbeiging, die Vorstellung, dahinter müsse sich eine Tür befinden. Versonnen zog er den Vorhang beiseite, es gab kaum ein Geräusch als das Schleifen des Stoffs auf dem Boden. Allein das Licht, das in die Halle drang, genügte, die alte Hausherrin zu wecken. Im ersten Augenblick konnte Harry nicht anders, als sich die Ohren zuzuhalten und zurückzuweichen.
„Weg von mir, du ekelhafter Hund, du - Verräter an unserer Rasse, du, du Schlammspritzer ..."
Mrs Blacks Geplärr ging unter in einem Wirrwarr von Worten.
Alle Hexen und Zauberer auf den Portraits rings in der Halle schrieen und keiften.
Harry zwang sich, klar zu denken. Er stellte sich in die Mitte des Raumes, riss die Hände von seinen Ohren. Die Portraits lästerten und spotteten, sie hetzten und gaben ihrer Verachtung Ausdruck, die sie für den „Jungen, der den Fluch des Dunklen Lords überlebte" empfanden, aber sie riefen mehr als nur Schimpfworte.

„Harry! Was machst du hier?" brüllte Hermine überraschend in sein linkes Ohr - er hatte sie nicht kommen hören. Als er sich umsah, entdeckte er außer ihr noch Ginny, die vom zweiten Treppenabsatz aus zu ihnen hinunterspähte. Hermine hatte sich die Finger in die Ohren gestopft und kniff die Augen zu.
„Ich habe noch eine Rechnung mit dir offen", schrie ein Zauberer und verhedderte sich mit seinen wild gestikulierenden Händen in seinem Bart.
„Miso ...", zischte es.
Harry zerrte Hermine die Finger aus den Ohren. Sie sollte hören, was hier gesagt wurde. Sie wusste doch allem einen Sinn zu entnehmen. Hermine lauschte gequält.
„Vielleicht sollten wir sie etwas fragen", sprach sie dicht an Harrys Ohr und ging näher an Mrs Blacks Portrait.
Sie kam Mrs Black so nahe, dass Harry glaubte, die Alte würde ihr gleich die Augen auskratzen.
Harry las die Worte „Mrs Black" von Hermines Lippen, ihre Stimme kam gegen den Höllenlärm nicht an.
„Misses Black"
Die Stimme Hermines ertrank, aber dann konnte Harry etwas hören.
„ ... Voldemort?"
Der Name aus Hermines Mund wurde nicht von den Stimmen der anderen verschluckt. Und sie streckte die Hand nach dem Bild aus. In dem Moment, da sie es beinah berührte, tauchte Kreacher neben ihr auf. Er schlug ihre Hand weg, und mit einer Mühelosigkeit, die keiner für möglich gehalten hätte, schloss er die Vorhänge - er brauchte sie dabei kaum mit den Fingerspitzen anzufassen. Mrs Black schwieg augenblicklich und alle Portraits der Halle mit ihr.
„Wo ist Vol-de-mort?" fragte Hermine mit Nachdruck - sie stand vom Vorhang eingeschlossen unmittelbar vor dem Bild, so dass Harry sie nur hören konnte.
„Sage den Namen des Dunklen Lords nicht in Gegenwart der Herrin", antwortete Kreacher anstelle von Mrs Black, hob den Vorhang und hielt ihn Hermine wie ein Gentleman auf. Selbstverständlich kreischte Mrs Black, als der erste matte Lichtstrahl sie traf, doch Kreacher würgte ihre Stimme ab, kaum dass Hermine herausgetreten war, indem er den Vorhang wieder zuzog.
„Was hat das zu bedeuten?" fragte Harry mit einem Blick auf die Treppe zum Untergeschoss, wo Kreacher gerade entschwand.
„Das erzähle ich dir besser, wenn wir oben in einem Zimmer sind", sagte Hermine mit gedämpfter Stimme.
„Ist eigentlich niemand zu unserer Bewachung im Haus?" wollte er wissen, als sie schon auf der Treppe waren.
„Dumbledore vertraut uns", entgegnete Hermine.
Harry war sich nicht sicher, ob er Grund zur Freude oder zur Besorgnis hatte - allein zu sein ohne erwachsene Zauberer konnte mehr Freiheiten im ganzen Haus bedeuten, aber Kreacher war da. Dessen Verhalten mutete an, als hätte ihn ein Sinneswandel ereilt.

Harry ging mit Hermine und Ginny in sein Zimmer.
Ginny schloss die Tür.
„Habt ihr das gehört?" fragte sie sofort, „die Bilder haben geflucht - Zauberflüche!"
„Wir sollten sie in einem von Harrys lehrreichen Büchern nachschlagen", Hermine wies auf Harrys Nachttisch.
Tod und Verderben, Schlimmer als die Pest und Was ich meinem ärgsten Feind wünsche lauteten die Titel.
„Erst will ich wissen, warum Kreacher so nett zu Hermine war", warf Harry dazwischen.
Ginny guckte betreten zu Boden.
„Wir haben ihm eine Eule geborgt", sagte Hermine und hoffte, Harry würde nicht gleich auffahren.
Der sah sich im Zimmer nach Hedwig um. Augenblicklich kam sie vom Schrank hinunter auf Harrys Schulter geflogen.
„Ihr habt was? ...ihr habt Kreacher ...Pigwidgeon?" fragte Harry leise und grimmig und erstaunt zugleich.
Ginny nickte.
Hermine sagte mit fester Stimme, „ja."
„Wem will Kreacher denn schreiben?" bohrte Harry.
„Lestrange", sagte Hermine.
Harry verschlug es die Sprache.
„Ja", sagte Hermine ihm nochmals in sein erstauntes Gesicht. Harry zitterte, ganz leicht nur, aber es war kein gutes Zeichen für Hermine, sie musste ihm schnell alles erklären.
„Er bittet Lestrange um ein Autogramm."
Harry steckte seinen Kopf ins Kissen und hielt sich die Ohren fest zu. Er glaubte, Hermine und Ginny wären übergeschnappt.
„Harry!" rief Hermine.
Er wandte ihr sein Gesicht wieder zu.
„Du hast mich auf die Idee gebracht. Ginny hat mir erzählt, was du zu Snape gesagt hast, und ...wir mussten uns Kreacher doch irgendwie zum Freund machen!"
„Habt ihr nicht daran gedacht, dass er Voldemort alles ausplaudern kann? Er hat uns schon einmal verraten!" - Tränen der Wut schossen in Harrys Augen - „Sirius könnte noch am Leben sein!"
„Harry, hör mir bitte, bitte zu!" flehte Hermine ihn an, „Kreacher hätte uns schon längst wieder verraten können, dazu brauchte er keine Eule. Er hätte zu Draco Malfoys Mutter gehen können, schließlich ist er ja frei. Wir haben ihn Lestrange das Foto schicken lassen. Er hat nur einen einzigen Satz dazu geschrieben und seinen Namen darunter gesetzt."
Harry streichelte Hedwigs weißes Gefieder.
„Glaubt ihr, Pigwidgeon kann Lestrange finden?"
„Ich glaube es, ehrlich gesagt, kaum ... denn sonst bräuchte ja nur jemand hinter ihm her fliegen, um Ron zu finden", sagte Hermine.
„So habe ich dich gefunden!" rief Harry aus, „ich wusste nicht, wo du wohnst, also bin ich Hedwig gefolgt. Sie hat bis jetzt jedes Ziel gefunden, selbst Sirius' geheimes Versteck" - „damals" fügte er leise hinzu.
„Ich glaube, bei Voldemort kann sie das nicht, sonst hätte Dumbledore schon längst eine ähnliche Idee gehabt."
„Andererseits können Eulen manche Flüche überwinden und so an geheime Orte gelangen, zu denen Menschen nicht finden, auch wenn sie den Eulen folgen", gab Ginny zu bedenken.
„Das wusste ich nicht", versetzte Hermine.
Harry schwieg. Sein Blick war leer, denn er dachte an Ron. Ron, Voldemort und Lestrange an einem Ort?
„Vielleicht sieht er Pigwidgeon", setzte er seine Gedanken laut fort.
„Ist Ron am Leben? Hast du in den letzten fünf Tagen von Ron geträumt, Harry?" fragte Ginny.
Harry schüttelte den Kopf.
Plötzlich klopfte es, dann stieß die Tür in Ginnys Rücken, und Kreacher steckte seine schnauzenförmige Nase ins Zimmer. Er säuselte süßlich,
„wollen die Schlammblüterin, die Blutsverräterin und - nun ja - dieses Narbengesicht miteinander essen? Kreacher hat eine Mahlzeit in der Küche bereitet: Toast, Schinken und ..."
„Oh ja, Kreacher, wir kommen gleich, lass uns nur noch einen Augenblick allein", bat Hermine.
Missmutige Laute ausstoßend entfernte sich der Hauself.
„Könntest du nicht wieder Kontakt aufnehmen, Harry," fragte Hermine, „Kontakt zu Voldemort..., sehen, ob Ron lebt?"
„Jaah...", sagte Harry mit belegter Stimme, „ja, sicher ... du hältst wohl nicht mehr viel von Okklumentik?" fragte er tonlos.
„Ich bin immer noch dafür, dass du Okklumentik lernst, nur..."
„Bis jetzt habe ich nie mit meinem eigenen Willen versucht, zu sehen, was Voldemort sieht. Es geschah immer einfach, ohne das ich es wollte", unterbrach Harry.
„Das ist es ja gerade!" sagte Hermine, „du sollst Okklumentik lernen, damit es nicht ohne deinen Willen geschieht!"
Ginny hatte gespannt zugehört.
„Versuch es!" bat sie Harry, der daran dachte, wie er es anstellen sollte, sich für Voldemorts Geist zu öffnen. Er dachte daran, dass es ihm immer Schmerzen bereitet hatte, wenn er mit Voldemort in Verbindung gestanden hatte.
„Ich weiß nicht, jetzt gleich?" fragte er Hermine und Ginny.
Ginny zuckte die Schultern.
„Es werden unerträgliche Schmerzen für dich sein, stimmt's?" sagte Hermine voller Mitgefühl.
„Nein, es kitzelt vielleicht", log Harry geradewegs.
„Wir sollten vorher etwas essen" sagte Hermine, obwohl sie wusste, dass ihr Vorschlag unpassend war.
„Ich werde nichts von dem essen, was Kreacher für mich kocht!" Indem er das sagte, stellte sich Harry mit ausgebreiteten Armen vor die Tür und bedeutete Hermine, dass er sie nicht hindurchlassen würde.
„Tu es Kreacher zuliebe, ich meine, um seiner Freundschaft willen!" versuchte Hermine ihn zu beschwören.
„Er hat versucht mich umzubringen! Hermine! Kreacher hat mich ins Messer laufen lassen, uns alle, wieso sollte er nicht immer noch versuchen, uns umzubringen?"
Harry konnte kaum glauben, dass Hermine so blauäugig handeln wollte.
„Harry hat recht", sagte Ginny, „wir können Kreachers wahre Absichten nicht kennen. Vielleicht sollten wir..."
„Seine Absichten überprüfen" beendete Hermine den Satz.
Ein heiserer Schrei, aus der Eingangshalle kommend, unterbrach sie. Harry stand als erster auf dem Treppenabsatz vor seinem Zimmer und sah in die Halle, wo inzwischen wieder Stille herrschte. Kreacher stand vor dem Samtvorhang, der Mrs Blacks Portrait verdeckte, und blickte zu Harry hoch. Die Hände hinter seinem Rücken hielten den Vorhang zu.
„Ich wollte den Abschaum zum Mittag bitten, und inzwischen ist die Mittagszeit vorbei", sagte er halb beleidigt.
Harry spürte Hermines Hand in seinem Rücken.
„Wir kommen", sagte sie und schob Harry und Ginny vor sich her die Treppe hinunter.
Kreacher ging ihnen voran in die Küche.
„Hermine, du wirst nicht das Geringste davon essen!" sagte Harry, als sie sich an den Tisch gesetzt hatten, in scharfem Ton. Seine rechte Hand umschloss den Zauberstab in seiner Hosentasche. Wenn Hermine auch nur einen Bissen anrührte, würde er ihn gebrauchen.
„Ich habe nicht vorgehabt, etwas zu essen, das von einem Hauselfen bereitet wurde. Wie du weißt, Kreacher, treten meine Freunde und ich mit dem Bund für Elfenrechte für die Befreiung der Hauselfen ein", erklärte Hermine und schob den Teller vor sich weit weg. „Vielleicht sollten wir stattdessen einmal für Kreacher kochen", fügte sie mit einem charmanten Lächeln hinzu. Kreacher zeigte sich jedoch unversöhnlich. Er verkroch sich tief gekränkt in seinem Schrank.
„Oh", sagte Ginny aufrichtig bedauernd, „das muss ihn verletzt haben."
„Ja, wir sollten wenigstens ihm zu liebe essen, das hatte ich nicht bedacht", Harry richtete seinen Zauberstab auf den gedeckten Tisch, beschrieb mit der Spitze einen Kreis und murmelte ein Zauberwort, das einem Schmatzen nicht unähnlich war.
Er hatte diesen Zauber in den letzten drei Tagen aufgestöbert. Geräuschvoll verzehrten die Speisen sich selbst. Das Besteck schabte auf den leeren Tellern und verschmutzte sie zugleich. Die Teekanne entleerte sich in die Tassen, welche schlürften und schluckten. Das eigentlich merkwürdige daran war, dass die weißen Tassen blaugrün anliefen. Eine würgte ihren Tee sogar wieder hervor und bespritzte den ganzen Tisch.
Harry war an den Spülschrank getreten.
„Schluss damit!" sagte er bitter.
Er riss die Tür auf und packte Kreacher. An den Handgelenken zerrte er ihn nach draußen, legte ihn rücklings auf den Küchenboden, setzte sich auf Kreachers Knie und drückte seine Arme und den Oberkörper nieder.
„Kreacher weiß nicht, was er tut!" Hermine griff Harrys Arm. Harry wandte ihr sein Gesicht zu, ohne den Druck auf Kreacher zu mindern. Sein Blick ließ Hermine erstarren, unter einem Schmerzensschrei riss sie ihre Hand von Harrys Arm los und ging auf Distanz. Harry ließ den Blick nicht von ihr weichen, bis sie mit dem Rücken an der Wand stand.
„Du darfst ihn nicht töten, Harry!" rief sie.
Eine ungeheure Macht musste es sein, die Hermine an die Wand presste, denn sie kämpfte verzweifelt, frei zu kommen.
„Ich habe nicht vor, dir das Leben zu nehmen"
Kreachers Augen quollen aus ihren Höhlen hervor, als hätte Harry etwas Furchtbares gesagt, in ihnen stand der Ausdruck echter Angst.
„Dumbledore wird entscheiden, was mit dir geschehen soll, du wirst Sirius' Haus nicht verlassen."
„Ich ...ich w-werde hierbl-bl-beiben" presste Kreacher hervor. Harry ließ ihn los. Kreacher kam mühsam auf seine Beine und schleppte sich in seinen Schlafschrank.
„Ich bin fertig mit ihm", sagte Harry und drehte sich zu Hermine ... er wollte noch mehr sagen, aber als er ihr Gesicht sah, weiß wie die Wand in ihrem Rücken, ihre geweiteten Augen und Schweißperlen über den blauen Lippen, konnte er kein Wort mehr hervorbringen.
Ginny war schon bei ihr.
„Sie hat sich so verzweifelt gegen einen Fluch gewehrt, der sie festgehalten hat", sagte Ginny.
Harry kauerte sich nieder und nahm Hermines Kopf in seinen Schoß.
„Ist schon gut", sagte er leise, indem er ihr übers Haar strich.
„Was war das für ein Fluch?" fragte Ginny.
„Kein Fluch", antwortete er, „es muss in dem Moment gewesen sein, als ich allein mit Kreacher reden wollte."
„Aber du hättest dich sehen sollen Harry! Deine Augen ... deinen Blick konnte niemand ertragen -"
„Hör zu Ginny, ich lasse mich nicht einfach umbringen! Geh bitte in mein Zimmer und erzähle Phineas, was Kreacher mit uns vorhatte. Er soll Dumbledore benachrichtigen. Ich will bei Hermine bleiben."
Ginny ging. Harry redete leise mit Hermine. Sie atmete kurz und flach und war immer noch extrem blass, aber ihr Blick war nicht mehr abwesend. Sie konnte sich wieder mitteilen und Harry erklären, was ihren Schock ausgelöst hatte. Es war nicht mehr und nicht weniger als das Grauen, das er in seinem kurzen Leben am eigenen Leib hatte erfahren müssen, und das Hermine in seinen Augen gesehen hatte.

Ginny, Hermine und Harry saßen am Küchentisch, jeder vor einer Tasse Tee, den Harry gebrüht hatte, als Lupin die Küche betrat. Hermine zitterte noch immer von Zeit zu Zeit und auch jetzt wieder.
„Seid ihr in Ordnung?" fragte Lupin und sah von Hermine zu Harry.
Ginny hatte den Arm um Hermines Schulter gelegt.
„Hermine hat einen Schock", sagte Harry.
Lupin ging sofort zu ihr, sah in ihre Augen und fühlte den Puls.
„Mir geht's schon wieder besser", Hermine zog ihre Hand weg und nahm eine aufrechtere Haltung an. „Es war nur ein Schreck. Kreacher wollte uns vergiften."
„Es war aber nicht Kreacher sondern Harry", sagte Ginny schnell. Mit einer jähen Bewegung seines ganzen Armes stieß Harry seine Tasse um, deren Henkel er mit den Fingerspitzen gestreift hatte. Ginny verbesserte sich umgehend.
„Harry konnte Hermine mit einem Bann belegen?" Lupin musterte Harry mit einem äußerst merkwürdigen Blick.
Unruhe ergriff Harry. Er wollte nicht reden, aber er suchte, Lupins Augen zu begegnen. Wieso interessieren Sie sich für mich, wieso nicht für Kreacher? fragte Harry ihn in Gedanken.
Lupin schlug die Augen nieder.
„Habt ihr noch einen Tee für mich?" sagte er leise.
„Es gibt auch noch welchen in der Kanne, die Kreacher benutzt hat", fiel es Ginny ein - Sie hatten beim Bereiten des frischen Tees eine neue Kanne vom Board genommen und die alte beiseite gestellt, „Wir sollten wissen, was für ein Gift es ist."
„Was werden Sie mit Kreacher machen?" fragte Harry, während er aus großer Höhe Tee in Lupins Becher goss.
Die Tülle der altmodischen Kanne formte einen dünnen Strahl.
„Dumbledore sagt, ihr würdet alleine mit ihm klarkommen", sagte Lupin ruhig.
Harry musste die Kanne fester halten, um sie nicht fallen zu lassen. Der Strahl traf auf den Tee im Becher, und in dem Strudel bildeten sich Bläschen.
„Sollen Kreacher und wir im selben Haus bleiben?" fragte Harry und hörte nicht auf zu gießen.
„Offensichtlich ist das Dumbledores Wille", Lupin machte Anstalten, seinen Becher zu greifen, aber er ließ die Hand davon, weil der Tee brühend heiß über die Ränder floss.
„Harry!" sagte er, „Harry ..."
Hermine rückte ihren Stuhl vom Tisch ab. Tee kroch über die Tischplatte bis vor zum Rand und lief auf den Fußboden. Harry spürte, wie die Kanne in seinen Händen sich füllte, während er goss.
„Dumbledore denkt, dass du die Fähigkeiten besitzt, Kreacher in Schach zu halten", bemühte sich Lupin, Harry goss weiter und sah ihn über die Ränder seiner Brille hinweg an.
„Und ich weiß jetzt, was er meint", fügte Lupin hinzu.
Harry setzte die Kanne ab. Tee schwappte.
„Was?" fragte er, und ein Schwall sehr heißen Tees ergoss sich über seine Hose.
„Hör auf, wütend zu sein!" fuhr Lupin auf und versuchte mit seinem Zauberstab, die Kanne zu bändigen.
„Harry, es gibt nur sehr wenige Zauberer und Hexen in der Geschichte der Zauberei, die begabt waren, andere magische Wesen zu bannen, ohne Zauberstab, nur mit dem eigenen Willen", erklärte Hermine, die längst begriffen hatte, worum es ging.
„Aber ich kann nicht mal eine Teetasse in eine vernünftige Ratte verwandeln!" widersprach Harry.
Und noch ehe er fragen konnte, mit welchem Bann er Kreacher belegen solle, läutete oben in der Halle die Türglocke, worauf ein schriller Schrei folgte. Lupin ging sofort nach oben, Ginny rannte hinterher und so auch Hermine und Harry.
Während Lupin am Vorhang riss, um Mrs Black zum Schweigen zu bringen, versuchte Harry erneut, ihrer Litanei einen Sinn zu entnehmen. Ehe er damit zu Ende kam, hatte Lupin es geschafft, den Vorhang zu schließen. In der Halle standen Fred und George. Ginny umarmte ihre Brüder innig.
„Was führt euch hierher?" erkundigte sich Lupin mit gedämpfter Stimme.
„Wir reisen heute Abend ab zu Charlie nach Rumänien."
„Wir wollen Ginny Lebewohl sagen."
„Ich komme mit euch mit", sagte Ginny mit Bestimmtheit.
„Machst du Witze?" fragte Fred erstaunt, „wir können dich nicht mitnehmen, das ist viel zu gefährlich, Mum würde uns ..."
„Ich bleibe auf keinen Fall hier! Ich halte es nicht länger aus, in diesem Haus zu bleiben, wo ich nichts für Ron tun kann, mit einem Hauself, der uns umbringen will, und am Ende noch brav zur Schule zu gehen, während Ron ...", aus Ginny brach alles heraus, was Harry dachte.
In diesem Haus zu hocken, hielt er für vollkommen sinnlos, nie würde er wieder nach Hogwarts gehen ohne Ron!
Er konnte sich nicht richtig freuen, Fred und George wiederzusehen. Sie brachten nichts Neues von Ron, wo er war, ob er lebte. Harry machte keinen Versuch, vorzugeben, er sei bereit, mit einem der Anwesenden ein Wort zu wechseln. Stumm ging er auf sein Zimmer. Auf der Treppe konnte er noch hören, wie sie über ihn redeten.
„Was ist mit Harry?"
„Er muss sich umziehen, hat Tee auf die Hose gekriegt."
Harry würde den Abschied von Fred und George verpassen. Es tat ihm leid, aber er sah sich nicht in der Lage, noch mit irgendjemandem zu reden. Pigwidgeon auf dem Weg zu Lestrange, ein Mordversuch und Hermines Schock, dessen Grund sie in Harry suchten, waren zuviel, wenn man sich vollkommen machtlos fühlte. Und das tat Harry wirklich, denn er besaß keinen Schlüssel, Ron zu befreien. Er griff nach den Büchern auf seinem Nachttisch, immerhin hatte es auch Hermine schon geholfen, viel zu wissen, und er hatte stets von ihrem Bücherfleiß profitiert. Da fiel es ihm siedend heiß wieder ein, dass er lernen wollte, den Zugang zu Voldemorts Gedanken willentlich zu nehmen. Jetzt, wo die anderen weit weg in der Küche waren, konnte er es probieren. Vorsorglich, wollte er die Gedankenreise nicht im Stehen unternehmen. Er streckte sich aus und wollte gerade sein Gesicht im Kissen vergraben, als im selben Moment etwas unter seinem Bett gewandt hervorkroch. Harry fuhr zusammen. Sofort saß er im Bett, wich aber zurück, bis er mit dem Rücken an die Wand stieß. Seinen Zauberstab richtete er auf eine Gestalt, die er erst auf den zweiten Blick mit dem Namen Kreacher in Zusammenhang brachte. Erschrocken registrierte Harry seine eigene Angst. Er zwang sich zur Ruhe und versuchte, gleichmäßig tief ein- und auszuatmen.
„Was suchst du hier, Kreacher?"
„Kreacher hat es sich erlaubt, eine Wärmflasche in das Bett der Schlammbrut zu legen."
Kreachers Tonfall war untertänig, doch seine großen Augen blitzten gefährlich.
Es ist Sommer, dachte Harry, behielt es aber für sich und fasste den Zauberstab fester. Seine Angst hatte er fast besiegt, Zorn brannte in ihm, unbändiger Zorn auf den Hauselfen. Kreacher funkelte ihn verächtlich an und schnipste mit den Fingern, wie Harry es einmal bei Dobby gesehen hatte, wenn Dobby zauberte. Im Zimmer wurde es kalt, die Luft erstarrte. Harrys Zorn brannte nur noch mehr, er merkte gar nicht, dass er vor Kälte zitterte, denn er meinte, es müsse sein Hass auf Kreacher sein, der ihn zittern ließ. Harry machte etwas, was normalerweise Zauberer nicht tun: er steckte seinen Zauberstab weg. Mit eiskalten Fingern tastete er nach der Wärmflasche und holte sie unter der Bettdecke hervor.
„Bleib, wo du bist!" rief er und warf Kreacher einen drohenden Blick zu.
Der ließ sich davon nicht aufhalten sondern huschte zur Tür hinaus. Die Wärmflasche in Harrys Händen bebte. Eilends öffnete er das Fenster und warf sie hinaus. Sie fiel in einen Hof, den Harry noch nie betreten hatte. Kurz nachdem sie in den Holunderbüschen verschwunden war, gab es eine kleine Explosion, und ein Feuer, das sich von selbst wieder löschte, versengte die Vegetation. Durch das offene Fenster strömte sommerwarme Abendluft, aber Harry wollte alles andere als sich aufwärmen. Er spurtete aus dem Zimmer.
„Kreacher!" brüllte er durchs Haus.
Der Hauself war nicht zu sehen, er verriet sich jedoch durch ein klirrendes Lachen, das sich in der Höhe überschlug und danach fast wie ein Jammerruf klang. Es war über Harry, wahrscheinlich nur ein Stockwerk höher. Harry nahm zwei Stufen auf einmal die Treppe hinauf, er hörte Kreachers gehetzten Tritt. Harry raste. Er erreichte Kreacher auf dem obersten Treppenabsatz, von wo aus nur noch eine kleine Leiter noch höher zum Dachboden führte.
Colloportus"
Blitzschnell hatte Harry die Bodenklappe mit einem Zauber versiegelt.
Kreacher versuchte dennoch auf den Dachboden zu entkommen. Er erklomm die Leiter und stemmte seinen Kopf gegen die Klappe auf eine Weise, die Harry unwillkürlich an Dobby erinnerte und dessen Methoden, sich selbst zu bestrafen. Kreacher gelang es nicht, Harrys Versiegelungszauber zu bezwingen. Hilflos glotzte er zu Harry herab, der ihn mit dem Zauberstab bedrohte, dann warf er einen Blick in die Tiefe des Treppenhauses. Harry bemerkte, wie ein Ausdruck von Wehmut über Kreachers Gesicht huschte. Was hatte der Hauself vor? Geistesgegenwärtig griff Harry mit seiner freien Hand Kreachers linken Fuß, den er gerade erreichen konnte. In der selben Sekunde stürzte Kreacher sich auch schon kopfüber von der Leiter. Sein Körper - aus einem unerfindlichen Grund schwer wie Blei - drohte Harry mit sich in die Tiefe zu reißen. Im letzten Moment, da Harry dies spürte, ließ er Kreachers Fuß fahren. Wie in Zeitlupe sah er den Hauselfen sieben Stockwerke fallen, Gedanken spulten sich in Windeseile in Harrys Kopf ab. War das noch ein Versuch, Harry zu töten? Würde der Elf sterben? Durfte Harry zulassen, dass Kreacher dort unten aufschlug? Kreachers Todesschrei klang in Harrys Ohren.
Windgardium Leviosa!"
Keine Sekunde zu spät hatte Harry den Hauselfen mit einem Schwebezauber vor dem Aufprall bewahrt.
Die Spitze seines Zauberstabs immerzu auf den schwebenden Kreacher gerichtet, stieg Harry die Treppe hinab. In der Halle beschimpften ihn die Portraits, Mrs Black keifte. Hermine und Lupin waren herbeigeeilt - der Lärm hatte sie alarmiert. Lupin wandte sich sofort Kreacher und Harry zu, Hermine aber schien nichts besseres im Sinn zu haben, als zu Mrs Blacks Portrait zu gehen. Harry verfolgte sie mit den Augen, während er wie nebenbei Kreacher in der Schwebe hielt. Lupin konnte nicht sehen, dass Hermine das Gemälde berührte und sich die alte Frau in eine schwarze Tür verwandelte. Es dauerte nur so lang, wie man braucht, um zu blinzeln, dann war anstelle der Tür wieder Mrs Black zu sehen und zu hören. Hermine war zurückgetreten. George kam hinzu und half ihr, die alte Hausherrin zur Ruhe zu bringen.
„Genug!" sagte Lupin. „Genug, Harry, lass ihn auf die Erde!"
Harry beendete den Schwebezauber so abrupt, dass Kreacher einen halben Meter fiel und ziemlich hart auf seinem Hinterteil landete. Plötzlich herrschte Stille in der Halle. George hatte den Samtvorhang vor Mrs Black zugezogen und sorgte - indem er den Stoff festhielt - dafür, dass er geschlossen blieb, auch als Kreacher wie ein Hund zu jaulen begann.
„Der Grünschnabel wollte mich umbringen!"
Harry richtete augenblicklich wieder seinen Zauberstab auf Kreacher. Seine Augen verengten sich.
„Wem hast du noch eine Wärmflasche ins Bett gelegt? Sag schon!" Harry trat einen Schritt auf Kreacher zu. Er war außer sich vor Zorn. Endlich schien Lupin zu begreifen, worum es ging, er richtete nun ebenfalls seinen Zauberstab auf Kreacher.
„Ich gehe nachsehen, ob in Hermines und Ginnys Betten Sprengsätze sind", sagte Harry, „Sie können Kreacher inzwischen bannen."
Das letzte Wort zischte er verächtlich durch die Zähne.
„Ich kann selbst nachsehen", sagte Hermine und sauste die Treppe hoch in den vierten Stock.
„Wirf sie nicht auf den Grimmauldplatz!" rief Harry ihr nach.
Er stand schon von Kreacher abgewandt, entschlossen, Hermine zu folgen. Lupin packte Harry bei den Schultern, drehte ihn unsanft zu Kreacher und unternahm es selbst, Hermine zu Hilfe zu eilen. Harry hörte hinter sich einen erstickten Schrei, sah Ginny für einen Moment aus den Augenwinkeln und hörte sie polternd die Stufen nach oben nehmen. Verzweifelt überlegte er, was er mit Kreacher tun sollte. Dieser Hauself kam ihm total abgedreht vor, unberechenbar. Harry konnte ihn nicht einfach in den Schrank unter der Spüle sperren, es widerstrebte ihm. Er hatte selbst bis zu seinem elften Geburtstag unter einer Treppe in einem Schrank hausen müssen. Diese Demütigung, einen guten Grund, Harry zu verabscheuen, wollte Harry dem Hauselfen nicht bieten, andererseits brachte Edelmut ihn vielleicht auf um so fiesere Ideen. Rauswerfen konnte Harry den Elfen nicht wegen der vielen Dinge, die Kreacher seit Sirius Tod aufgeschnappt hatte, und die er den Malfoys verraten durfte, da kein Herr es ihm verbot. Wenn Kreacher von seinen Mordabsichten keinen Abstand nahm, blieb Harry nur noch die Möglichkeit, das Haus der Blacks zu fliehen. Lupin kam in die Halle hinunter.
„Bei den Mädchen war nichts. Ich muss jetzt gehen. Passt auf euch auf."

War das alles, was Lupin Harry zu sagen hatte? Rasch schob er die Riegel auf und verschwand aus der Haustür.
„Seltsam drauf", sagte eine Stimme hinter Harry.

Er hatte ganz vergessen, dass George noch anwesend war. Harry hätte ihn gerne gefragt, was mit Kreacher zu tun sei, aber vor Kreachers Ohren, wollte er seine Hilflosigkeit nicht kundtun.
„Warum sperrst du ihn nicht in den Spülschrank?" fragte George, „es wäre noch nicht mal unhöflich, ihn da rein zu stecken, er wohnt doch da sowieso."
„Kreacher hat auch Gefühle, was glaubst du? Niemand will sein Leben lang in einem Schrank wohnen."
Harry überraschte sich selbst mit dieser Antwort, die er in ruhigem Ton gegeben hatte.
„Ich würde dir gerne helfen, aber Fred und ich müssen", sagte George.
„Na dann" sagte Harry und machte eine Abschiedsgeste mit der Hand.
„Wir nehmen den Kamin." George trat auf Harry zu und streckte ihm seine Hand hin.
„Tschau"
Harry hatte George noch nie so ernst gesehen. Er drückte seine Hand. Als George gegangen war, ließ Harry das Gefühl nicht los, George hätte ihm noch etwas sagen wollen, es aber unausgesprochen gelassen. Kreacher riss Harry aus seinen Gedanken. Er stapfte ungeduldig mit dem rechten Fuß auf.
„Kreacher will in seinen Schrank. Würde das Halbblut mit seiner lächerlichen Narbenfratze wohl die Güte haben, den Zauberstab woandershin zu richten?"
Harry beeindruckte diese Redensart nicht mehr. Ihn ärgerte vielmehr, dass Kreacher jetzt vorgab, den Rückzug anzutreten. Wann würde er das nächste Mal wieder zuschlagen?

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araglas16: Du hast an den richtigen Stellen gekichert und du hast Recht, Hermine ist an der Stelle zu dumm geraten. Das werde ich ändern, sobald mir ein Einfall kommt.

laser-jet und alle stummen Mitleser: Die Story steht schon bis Kapitel elf, aber ich versuche noch, ein paar Schwächen zu korrigieren. Bei harry-auf-deutsch habe ich sie unter gleichem nickname bis Kapitel zehn veröffentlich - eine Vorfassung, die unbedingt der Überarbeitung bedarf. Andererseits muss Perfektion und Logik manchmal der Schreiblust weichen. Beides widerspricht sich zwar nicht zwangsläufig, aber manche Fehler kriege ich nicht raus und möchte trotzdem weitermachen. Hinweise auf Unlogik und so sind in jedem Fall sehr hilfreich, auch große Schreibfehler (bei Namen etc.) bitte ich anzumerken.