Achtung: Wer Interesse an dieser Story hat, der sollte nochmal zurückblättern, weil sich das elfte Kapitel verlängert hat (ab "Zum Kuckuck, was war mit denen los?" fragte Ginny, nachdem Harry mit ihr zur Tür hinaus war.)

MARK: hier geht es weiter. ich brauche leider immer so meine Zeit und weil ich mich gedrängt fühle, veröffentliche ich für meinen Geschmack viel zu früh. Leider wird die Story mit Erscheinen des sechsten Bandes von Rowling überholt sein.

laser-jet: vielen Dank für diese wichtige Frage. Du hast natürlich Recht, es ist sogar die wichtigste Frage - meiner Meinung nach hängt Dumbledores langes Leben wirklich mit der Existenz Voldemorts und damit auch mit Harrys Aufgabe zusammen.

Dax: see you

Fidi: Tut mir Leid, aber im Kapitel elf fehlte eine Trennlinie und die Erklärung, das bestimmte Teile der Geschichte spurlos verschwunden sind. Ansonsten versuche ich, mich zu bessern.

Kapitel 12

Ron auf Station

Am kommenden Morgen vergewisserte sich Harry, ob er nicht einfach nur schlecht geträumt hatte. Über einem Lehnsessel nahe seinem Bett hingen frische Kleider und darunter auf dem Boden standen Schuhe für einen Ausgang bereit. Bevor Harry sich vollständig anzog, hatte er allerdings schon seinen Zauberstab in den Fingern und lauschte in die Stille des Hauses hinein. Wenn man genau hinhörte, dann merkte man, dass ein Stillezauber über allem lag, über dem Zimmer, und wenn Harry den Kopf zur Tür hinaus steckte, über den anderen Türen im Haus. Von den vielen Türen entlang der Treppe war nur eine geblieben. Vielleicht hatte er doch nur geträumt.

Harry schloss die Zimmertür von innen. Mit dem Zauberstab ging er sein Zimmer ab. Verschiedentlich tippte er die Gegenstände mit der Spitze seines Stabes an, die Schubfächer der Kommode und die Glastüren des Vitrinenschränkchens, die Öllampe, die rotgoldenen Gardinen und die Vase auf dem kleinen Beistelltischchen, dessen rostrotes Tischdeckchen über einem Portrait an der Wand hing. Manchmal öffnete sich dann eine Schublade oder ähnliches passierte, als hätte Harry gezaubert. Er hatte es schon am vergangenen Tag an seinem Sekretär festgestellt.

Das Zimmer war wirklich das seine – oder anders: extra für ihn – auch all die Dinge darin, gleichwohl ihn niemand gefragt hatte, ob er es denn haben wollte. Nach allem, was er nun wusste, war die Grundfarbe des ganzen Hauses aus irgendeinem triftigen Grund blau und selbst die Zimmer der Mädchen machten da keine Ausnahme, nur seines. Rot und Gold, als ob Mrs Eagle wusste, dass er diese beiden Farben miteinander mochte. Nicht so sehr weil es die Farben Gryffindors waren, sondern vor allem waren es die Farben des Phönix.

Wer hatte ihm das von der blauen Farbe erzählt? Hermine? Wie sollte sie? Harry versuchte, sich den vergangenen Abend in Erinnerung zu rufen, aber inständig flehte er, auch das nur zu träumen und vielleicht bei den Dursleys wieder aufzuwachen, einer dieser Träume im Traum, bei denen hinterher keiner mehr durchsieht.

Unter dem Bild einer Gesellschaft bei Hofe blieb er stehen. Die Menschen darauf trugen sämtlich Perücken und schenkten einem Mann ihre Aufmerksamkeit, der mit einer ebensolchen Perücke an einem Spinnett saß. Harry berührte sacht mit dem Zauberstab den goldenen Rahmen und der Mann am Spinnett hob mit engelsgleicher Stimme zu singen an.

"Was machst du da, Harry?"

Harry drehte sich und erblickte zu seiner Überraschung Hermine.

"Was kommst du hier so einfach herein?", fragte er zurück.

"Ich habe das Gewitter von gestern nicht vergessen. Ich will wissen, wie es dir jetzt geht", antwortete Hermine sehr ruhig und freundlich gesinnt.

Harry fühlte sich allein durch ihre Worte so, als wäre er gerade aus vollem Lauf mit der Stirn gegen eine Glasfassade geschlagen. Er wandte sich zur Wand, um Hermine nicht ansehen zu müssen und um das Bild abzuhängen. Der Mann am Spinett lächelte nachsichtig über die Unterbrechung. Harry reichte gerade hoch genug, um das Bild ohne die Hilfe eines Stuhls von der Wand zu nehmen und stellte es mit dem Gesicht gegen ein Fenster.

"Meinst du, du musst an die vielen Opfer denken, die es gegeben hat – kannst du das nicht vergessen", entgegnete er Hermine voreilig, doch dann wandte er wie zur Entschuldigung für seinen unangemessenen Ton ein, "ich werde verrückt, Hermine. Ich dachte, dass es ein Traum wäre. Ich bin verrückt."

Er rieb sich die Augen.

Hermine kam mit ein paar Schritten auf ihn zu und sah ihm ins Gesicht.

"Verdammt", sagte sie nicht sehr laut, "ja, es hat ganz sicher Opfer gegeben", sie machte eine Pause, "aber ich rede von dir." Wieder Pause. "Du bist hier zusammengebrochen und das war auf keinen Fall ein guter Augenblick!"

"Ich weiß, das Timing", unterbrach Harry sie flapsig, obwohl oder gerade weil er wusste, worauf sie eigentlich hinaus wollte.

"Hör mal, Harry! Wenn die Angriffe nicht fünf Meilen entfernt gewesen wären, wenn dich Mrs Eagles Haus nicht schützen würde, dann wärst du leichte Beute gewesen. Du hättest ja nicht einmal mehr fortlaufen können!"

"Wenn du wüsstest, Hermine", stieß Harry unter resigniertem Lachen hervor.

Hermine ging nicht darauf ein, unbeirrt stocherte sie in seiner Wunde. "Du warst hilflos deinen Schmerzen ausgeliefert, nur durch diese Narbe! Gibt es denn gar nichts, was du dagegen tun kannst?" Es schien sie auch nicht einzuschüchtern, dass Harrys Haltung sich immer mehr versteifte. "Da die Schmerzen über deine Verbindung mit Voldemort entstehen, könnte dir vielleicht auch in diesem Fall Okklumentik helfen", fuhr Hermine fort, da sie keine Antwort von Harry erhalten hatte. "Ich habe etwas für dich in einem Antiquariat aufgetrieben, das ich dir eigentlich zum Geburtstag schenken wollte", Hermine legte ihren Zeigefinger an sein Kinn und versuchte, Harry in die Augen zu sehen, nun doch etwas verunsichert, da sein Blick stur geradeaus ging. "Es ist leider noch bei den Sachen im Grimmauldplatz oder wo auch immer sie jetzt sind", sagte sie.

Zuerst sah es so aus, als wollte Harry nun, da Hermine einmal an einem Ende angekommen war, ihr jedes weitere Wort mit einer energischen Geste verbieten. Aber die Geste und das Machtwort blieben aus. Kraftlos ließ Harry sich auf den Lehnsessel mit der bereitgelegten Robe sinken. Im selben Moment steckte Ginny, ohne angeklopft zu haben, ihren Kopf ins Zimmer.

"Komm rein", murmelte Harry abwesend, denn ihm lag schon eine Frage an Hermine auf den Lippen.

"Was für ein Angriff war das gestern? War es ein Gewitter oder haben Todesser angegriffen?"

Bevor Hermine etwas antworten konnte, trat Ginny näher, holte ihre Hände aus dem Rücken hervor und legte Harry eine Zeitung in den Schoß. Er heftete sofort seinen Blick darauf.

"Le Magique Monde"

"Ich habe sie von Mrs Eagle. Es ist die englische Ausgabe. Da steht zumindest mehr drin als im Tagesprophet." Mehr wollte Ginny offenbar nicht sagen.

Sorge um die Französisch-Englischen Beziehungen: Streit um die Berichterstattung in Frankreich Wächst in Großbritannien eine neue Bedrohung heran? (Seite 2)

Großbritannien: Naturkatastrophe oder Magische Terroraktivitäten? Sieben Todesopfer und über hundert Verletzte (Seite 8)

Harry wendete die Zeitung und las. Hermine stellte sich hinter ihn, um mitlesen zu können – sie kannte den Artikel auch noch nicht. Er bestätigte, was sie am vergangenen Abend gesehen hatten. Ein Gewitter hatte den fünf Meilen entfernten Ort Earltree heimgesucht. Blitze waren direkt in Wohnhäuser eingeschlagen, hatten die Stromversorgung lahmgelegt und Scheunen und Speicher in Brand gesetzt. Sieben Menschen traf der Blitz direkt. Sie alle waren Muggel.

... Das Englische Ministerium für Zauberei will noch keine Stellungnahme dazu abgeben, ob es sich bei den Ereignissen um eine üble Laune der Natur oder einen Akt terroristischer Gewalt gehandelt hat. Der, dessen Name nicht genannt werden darf, und seine Anhänger geraten natürlich in Verdacht, so der Pressesprecher des Vorsitzenden der Französischen Zaubererversammlung. Erst vor zwei Monaten hatte der inzwischen abgesetzte Zaubereiminister Fudge das neuerliche Wirken von IHM und seinen Anhängern, den Todessern, der Öffentlichkeit mitgeteilt. Ihr letztes Attentat verübten die Todesser auf einen angesehenen Mitarbeiter des Englischen Zaubereiministeriums. Ihre Art, sich zu einem von ihnen gestifteten Attentat zu bekennen, ist das Dunkle Mal, ein Zeichen, das über dem Ort der Zerstörung am Himmel weithin erkennbar ist. Die Katastrophe in Earltree ließ dieses Zeichen vermissen. Warum man aber überhaupt annimmt, das Gewitter könne magischer Natur gewesen sein, ist die Ballung der Einschläge. Statistisch gesehen sterben in Großbritannien jährlich nicht mehr als sieben Menschen durch Blitzschlag ...

"Wir wissen, dass es Voldemort war", sagte Hermine, die den ganzen Artikel gelesen hatte, bevor Harry damit zu Ende kam. Er gab die Zeitung an Ginny zurück ohne einen Ton. Es war wie Luftanhalten; Harry wartete nur darauf, dass Hermine und Ginny ihn allein ließen, damit er unbeobachtet seinen Gefühlen nachgeben konnte. Er fürchtete, sein Inneres vor den beiden Mädchen bloß zu legen. Geht schon, geht!, wünschte er sie aus dem Raum. Es war ihm unmöglich zu sprechen. Er fürchtete, seine Stimme würde ihn verraten, er fürchtete, es könne gar kein Ton herauskommen.

"Du willst dich jetzt sicher umziehen", sagte Ginny betreten.

Hermine zögerte, aus dem Zimmer zu gehen. Als sie sich noch einmal nach Harry umsah, hätte er es beinah nicht mehr ausgehalten, und als sie dann endlich mit Ginny hinaus und die Tür geschlossen war, erstickte Harry die aufkommenden Tränen und das damit verbundene Schluchzen in einem lauten Schrei.

xxx

In der Vase, welche die Tischmitte zierte, standen an diesem Morgen Lilien und erinnerten Harry unangenehm daran, dass möglicherweise ein Mann ihr Schweigen verfolgte. Für jenen war Mrs Eagles Haus auf der anderen Seite der verfluchten Tür ganz bestimmt sichtbar. Andererseits, je mehr Harry darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher fand er es, dass der Mann wusste, wo er nach Harry, Hermine und Ginny zu suchen hatte, zumindest so lange die Ferien dauerten.

Mrs Eagle holte Harry aus seinen Gedanken wieder zurück, indem sie sich zu ihnen auf den vierten Stuhl am Küchentisch setzte.

"Ihr werdet nach dem Frühstück ins St. Mungo-Hospital gebracht. Drei Stunden sind für euren Besuch eingeplant. Ihr fahrt mit dem Fahrenden Ritter. Hin- und Rückfahrt sollten nicht mehr als acht Stunden in Anspruch nehmen, aber auch nicht weniger. Zum Abendessen sehen wir uns wieder. Alle wichtigen Dinge sollen dann besprochen werden, nicht jetzt", erklärte sie ohne Umschweife.

Es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass Hermine und Ginny ihr die Worte von den Lippen lasen. Beide fühlten sich sichtbar wohl in Mrs Eagles Gegenwart. Auch Harry blickte auf und erforschte das Gesicht, die Augen hinter den runden Gläsern, die Nase, die sehr breit auslief; doch schnell sah er wieder ganz woanders hin.

"Du darfst deine Brille nicht vergessen, Harry", Mrs Eagle lächelte ihn freundlich an, "und ihr alle müsst eure Zauberstäbe bei euch führen. Das Gesetz über die Zauberei Minderjähriger kennt ihr; das heißt für euch, dass ihr im Notfall zaubern dürft."

Hermine und Ginny nickten. Harry hätte nicht extra an seinen Zauberstab erinnert werden müssen, aber an seine Brille hatte er wirklich nicht mehr gedacht.

"Am liebsten würde ich euch noch ein bisschen zurecht machen", sagte Mrs Eagle deren Blick an Ginny hängen geblieben war. "Deine schönen Haare ziehen viel zu viel Aufmerksamkeit auf sich. Du bekommst von mir einen Hut."

Mrs Eagle hatte Recht, dass Ginnys Haare sehr auffällig waren, nicht nur auffallend rot, sondern für Harry und jeden, der Ginny schon länger kannte, auch ein wenig befremdlich. Nicht nur ihre Haare sondern auch Augen, Nase, Mund und Sommersprossen; die ganze Ginny hatte etwas, was nur erwachsene Hexen besaßen. Seit wann das so war, konnte Harry nur vermuten.

Nach dem Frühstück begab sich Mrs Eagle mit ihnen in ein Ankleidezimmer. Es war mit einer Frisierkommode und vielen Spiegeln ausgestattet, Harry kam es fast so vor, als hätte er den Raum der Wünsche betreten, denn er war ganz nach den momentanen Bedürfnissen eingerichtet. Hermine fand Kämme, Haarnadeln und Spangen, mit denen sie ihr Haar zähmen und in einem strengen Knoten (ganz wie bei McGonagall) bändigen konnte, und Ginny fand einen passenden Hut. Er war rund und spitz, aber nicht sehr hoch, und er hatte die Eigenschaft, seine Trägerin unauffällig erscheinen zu lassen. Harry hatte schon lange vor seinem eigenen Spiegelbild gestanden, ehe er überhaupt bemerkte, dass Ginny neben ihn getreten war.

"Und was machen wir mit dir?", fragte Mrs Eagle und betrachtete ebenfalls Harrys Bild im Spiegel.

Harrys Haare standen so wild und quer von seinem Kopf ab, wie es irgend ging, das Grün seiner Augen schimmerte und die feine Narbe auf seiner Stirn war für niemanden zu übersehen.

"Ich fürchte, ein Hut würde dir nicht stehen ... dann vielleicht ein Unsichtbarkeitszauber", sagte Mrs Eagle, während Harry verwundert über seine eigene Erscheinung in den Spiegel sah. Mrs Eagles Zauberstab tippte auf sein Haupt und diesmal dachte Harry, so müsse sich Kandiszucker fühlen, wenn er sich knisternd aufzulösen beginnt. Der Spiegel zeigte ihm ... nichts mehr.

Die Straße vom Haus hinunter zur nächsten Kreuzung, ließ man sie alleine gehen, auch wenn Harry es immer noch nicht glauben wollte, dass tatsächlich keine Leibwächter folgen würden. Er wurde von den Mädchen in die Mitte und an den Händen genommen.

"Wie soll Ron mich jetzt sehen", fragte er nun, da es zu spät war.

Hermine nahm es leicht ("Die Hauptsache ist, dass wir Ron sehen, nicht wahr?"), auf der anderen Seite aber sorgte sie sich.

"Ob Mrs Eagle von Anfang an vorgehabt hatte, dich unsichtbar zu machen?"

Harrys Gesicht verfinsterte sich, denn er fragte sich augenblicklich das selbe.

Hermine streckte an der Kreuzung ihre Hand mit dem Zauberstab aus und nur Sekunden später traf der Bus ein. Es war, als würde er fast ihre Nasen streifen, so dicht bei ihnen kam er zum Halt. Die Karosserie vibrierte und strahlte Wärme ab. Der angebrochene Sommertag war äußerst kühl und Harry genoss es, ins Innere zu kommen. Hermine bezahlte für zwei mit Kakao, ohne Zahnbürsten.

"Drück auf die Tube, Ern'", murmelte Stan, kaum dass Ginny als Letzte den Bus bestiegen hatte. Sie stolperte über Harry, fiel in Stan hinein und verlor ihren Hut. Stan rettete gerade noch seine Zeitung.

"Keine gute Gegend, wo ihr eingestiegen seid", meinte er, als er Ginny aufhalf und sich dann wieder seine Zeitung vornahm. "Sei froh, dass du da wegkommst. Hast du das Gewitter gesehen?"

Ginny bückte sich noch einmal nach ihrem Hut. Dabei stieß sie wieder gegen Harry, der inzwischen versuchte, näher an Stan heranzukommen, um einen Blick in die Zeitung zu werfen. Stan wartete auf eine Antwort von Ginny.

"Ich setz mich lieber hin. Vom Busfahren im Stehen wird mir immer so schlecht", murmelte sie, lächelte Stan verzeihungsheischend an und stürmte darauf in den hinteren Teil des Busses. Sichtlich enttäuscht hob Stan den Tagesprophet etwas höher, so dass Harry seine Sicht auf den begehrten Artikel wieder verlor, und begann in Ermangelung eines Augenzeugenberichts zu rezitieren.

"Dann hör eben noch mal, Ern!"

(Harry setzte sich nur noch auf die nächst beste Gelegenheit.)

"Ungewitter über Earltree. Unser Reporter berichtet vor Ort. Bei einem schweren Unwetter in Earltree sind sieben Menschen ums Leben gekommen und etwa hundert Menschen wurden verletzt, die meisten von ihnen kamen mit leichten Blessuren davon. Bei den Getöteten handelt es sich um Muggel, unter den Verletzten sind sechs Zauberer. ... Das Hauptargument gegen magische Aktivitäten ist einleuchtend: Es gab nach Merlin keinen Zauberer mehr, der ein derartiges Naturereignis beherrschen konnte."

Dann las Stan noch ein Interview, das der Tagesprophet mit einem Muggel über das Gewitter geführt hatte, und dann faltete er den Prophet und stopfte ihn in seine Jacke, um seine Aufgabe als Schaffner versehen zu können.

"St.-Mungo-Hospital", rief er aus.

Harry sah sich nach Hermine und Ginny um. Ohne sie wirklich gesichtet zu haben, nahm er neben sich schon die Neuhinzugestiegenen wahr. Es waren jede Menge Leute und durch den Einstieg drängten unzählige mehr, manche mit großem Gepäck, einige mit ihren Haustieren. Harry kam gerade noch dazu, sich auf die Gepäckablage zu schwingen, um den Platzsuchenden auszuweichen, schon schwebte ein Papageienkäfig Stelle, an der er Halt suchte. Er hasste es. Schon wieder unsichtbar, zurückversetzt in die vergangenen Wochen. Fast wäre er von der Ablage wieder abgerutscht, als Ern, der Fahrer, das Gaspedal durchtrat. Von seinem erhöhten Platz aus entdeckte Harry Hermine und Ginny und hangelte sich zu ihnen.

"Darf ich?", zischte er leise und quetschte sich zwischen sie, wo auch erst Platz geschaffen werden musste, da sie von beiden Seiten bedrängt wurden. Der Bus war so mit Menschen angefüllt, dass selbst ein Stehplatz nicht mehr zu ergattern war.

"Wozu hat dieser Bus drei Etagen?", bemerkte Ginny.

"Vielleicht sollten wir einfach nach oben gehen, wenn es die anderen nicht tun."

"Aber wie sollen wir jemals aussteigen, Hermine?", flüsterte Harry.

"Wir sind erst seit einer halben Stunde unterwegs", erklärte sie ihm, "wir müssen also noch gar nicht aussteigen."

Es dauerte, ehe der Fahrende Ritter sich soweit leerte, dass ein Rückzug in eine höhere Etage des Busses überhaupt möglich wurde. Zwischen Plymoth, Morpeth und Southhamton sprang er hin und her und verteilte seine Fahrgäste auf alle möglichen Kleckerdörfer. Die Zauberergemeinschaft war nicht groß, aber weit verstreut über Großbritannien. Von Aberdeen ging es nach Bournemouth und dann ein zweites Mal nach Dumfries.

Nach zwei Stunden brachte Stan den Kakao.

... drei Stunden später:

Vor dem St. Mungo waren Auroren postiert. Nun, da Tonks sich zu erkennen gegeben hatte, entdeckte Harry auch die anderen; den Zeitung lesenden an der Ecke, den Raucher an der nahen Bushaltestelle und vielleicht gehörte der Mann, der ab und zu seinen Kopf durch eine kreisrunde Öffnung in der Straße steckte und mit seiner signalfarbenen Kleidung vorgab, für die städtische Kanalreinigung zu arbeiten, auch dazu. Tonks machte sich scheinbar an der Schaufensterdekoration zu schaffen, doch in Wirklichkeit kontrollierte sie die Besucher.

"Meintest du etwa, wir lassen unsichtbare Gäste unerkannt hier rein?"

Gemeint hatte Harry das nicht, er hatte sich nur gefragt, wer noch alles den Weg ins St. Mungo finden würde, wenn man auf diese Weise, nämlich unsichtbar, so einfach hineingelangen konnte.

"Keine Bange, Harry, die Auroren dieser Schicht wissen alle von dir."

Und schon waren sie weiter und standen in einer überfüllten Empfangshalle. Hermine und Ginny drängten Harry zwischen sich und schirmten ihn so weit wie möglich mit ihren Körpern ab; bis sie endlich die Empfangshexe erreichten, hatten schon einige Leute versucht, sich zwischen den beiden Mädchen hindurchzuschlängeln, doch Hermine und Ginny wussten zu verhindern, dass Harry dadurch entdeckt wurde. Hinter der Empfangshexe stand Kingsley.

"Diese Herrschaften kenne ich", sagte er über den Kopf der Hexe hinweg, noch ehe Hermine einen Laut von sich geben konnte, doch ihr Mund stand schon offen.

"Fluchschäden? Geschlossene?", fragte Kingsley an Hermine gewandt.

Ein leichtes Nicken.

Die Empfangshexe wollte Hermine ein rotes Formular aushändigen und Ginny ebenfalls, aber Kingsley kam ihr zuvor.

"Das ist nicht mehr nötig", erklärte er, "diese Formalie ist im Vorfeld erfüllt worden. Eure Identität ist das Passwort; die Sicherheitstür überprüft jeden einzeln. Einen schönen Tag wünsche ich den Damen."

Den Krankenflur für Fluchgeschädigte und die anliegenden Zimmer kontrollierte Mad-Eye-Moody. Bis auf das Klonk seiner Beinprothese war alles still. Sein magisches Auge fixierte eindeutig Harry.

"So", sagte Harry mit unverhohlener Wut in der Stimme, "könnte uns bitte mal jemand in die Spielregeln einweihen!"

"Einhundertfünfzig Punkte Abzug, wenn du noch mal dagegen verstößt, Junge", erwiderte Moody grimmig. Ginny wich von Harrys Seite und Moody legte einen Arm um den unsichtbaren Jungen. Leise, den Mund an Harrys Ohr geneigt, sein magisches Auge rotierte in der Höhle, sprach er weiter. "Ihr steht unter dem persönlichen Schutz des Ministeriums. Nur ausgewählte Leute wissen, dass Ihr lebt."

"Und die Auroren bei unserer Festnahme?", unterbrach ihn Harry. "Und diese Mrs Peach? Voldemort weiß es längst!"

"Hör zu, Harry, du wirst es nicht glauben, aber verglichen mit dem Brimborium um eure Bestattung ist der Aufwand zum Schutz von euch dreien nichts. Shacklebolt war der Einzige vom Orden, der bei der Verhaftung dabei war, und er hat veranlasst, dass der Minister allen anderen beteiligten Auroren diese winzige Information löschen ließ. Um Mrs Peach haben wir uns auch gekümmert, aber es war leider unumgänglich, sie vorübergehend von deiner Existenz wissen zu lassen, Harry."

"Aber wieso?", fragte Harry viel zu laut.

Moody stampfte entgegen aller Regel mit seiner Prothese auf und nahm seinen Arm von Harrys Schulter.

"Also ich möchte doch um Ruhe bitten", drang eine gedämpfte Stimme von hinten an Harrys Ohr. Ein Zauberer mit dem Umhang, den im St. Mungo die Heiler trugen, näherte sich ihnen. Er sah Hermine, Ginny und Moody mit strenger und zugleich freundlicher Miene entgegen.

"Hundertfünfzig Punkte", knurrte Moody, "das bedeutet, wir werden die Besuchszeit etwas einschränken."

Den Heiler befriedigte offenbar, was er da hörte; er deutete Hermine und Ginny einen kurzen Gruß an und ging seines Weges. Moodys Hand packte Harry sofort im Nacken. Auf diese Weise sah sich Harry zu der Tür von Rons Krankenzimmer geführt.

Hermine machte vor, wie sie hier durch kamen. "Ich bin Hermine Granger", es passierte nichts, weshalb sie einen Augenblick später hinzufügte "geboren am 19. September 1979 in London Bridge Hospital."

Die Tür schob sich wie diese Automatiktüren mit Lichtschranke bei den Muggeln seitlich auf und Hermine durfte passieren. Vor Harrys Nase allerdings schlug sie zu.

Harry, immer noch von Moody im Nacken gehalten, gab seine Daten auf ein kurzes Knurren Moodys hin preis.

"Harry Potter, geboren am 31. Juli 1980 in Godrics Hollow."

Als er fertig war, ließ Moodys Hand ihn los und er ging zwei Schritte vorwärts, gerade soviel, dass er in dem Zimmer anlangte. Es war zu warm und schlecht gelüftet, aber solche Dinge interessierten nicht; was zählte, war Ron. Hermine stand schon über das Bett gebeugt, Harry konnte eine Freudenträne ihre Nase entlang laufen sehen.

"Hey", hörte er Rons Stimme halb flüsternd sagen.

"Hey", erwiderte Hermine.

Im nächsten Moment wurde Harry umgerannt, denn Ginny war zu der Sicherheitstür hineingekommen und hatte ihn nicht gesehen. Harry schrie kurz auf und Ron saß mit einem Mal kerzengrade im Bett. Ginny überlegte nicht lange, ob sie Harry eine Entschuldigung schuldete, denn als sie Ron so lebendig erblickte, konnte sie nicht anders, als sich auf ihn zu stürzen und ihn zu umarmen.

"Ron!", rief sie dabei. "Ron", sagte sie immer wieder.

Ron umarmte seine Schwester ebenso heftig, dann trocknete er ihr die Tränen und fragte ohne Umschweife nach Harry.

"Hier", klang Harrys Stimme unsicher, "hier ... hier bin ich."
Harry kniete inzwischen am Bett. Vorsichtig näherte er seine Hand Rons Arm, denn er wollte seinen Freund nicht erschrecken. Ron dagegen schoss mit seiner Hand in die Richtung, aus der er Harrys Stimme hatte kommen hören, so dass die erste Kontaktaufnahme unsanft endete. Kurz darauf warfen sich die Jungen in eine Umarmung.

"Harry", stöhnte Ron und löste sich aus der Umarmung. Unsicher richtete er seinen Blick auf die Stelle, an der er Harrys Gesicht vermutete. "Sie haben mich darauf vorbereitet, dass du unsichtbar sein würdest. Ich habe Du-weißt-schon-wen nie zu Gesicht bekommen", sagte er übergangslos, "Nie."

Ginny legte ihrem Bruder eine beruhigende Hand auf die Schulter, die ihn abhalten sollte, sogleich von den schlimmen Erfahrungen der letzten Wochen zu reden, aber Ron schüttelte sie nur ab und sah weiter in Harrys Richtung.

"Wer hat dich dann entführt?", wollte Harry wissen.

"Lestrange ...Bellatrix Lestrange hat mich entführt. Ich habe nur SEINE Stimme gehört. Seine Stimme war in meinem Kopf."

"Wessen Stimme? War es Voldemorts Stimme?"

Ron blinzelte und begann, leicht zu zittern, seine geweiteten Augen fixierten den Ursprung von Harrys Stimme und seine Lippen öffneten sich leicht, noch bevor er wieder sprach. "Sag seinen Namen nicht, sag ihn nicht."

Ron griff nach der nächstbesten Hand. Es war Hermines, und sie gab sie ihm ohne zu zögern.

"Als du in Godrics Hollow warst", begann Harry, "wo war ER da?"

"Godrics Hollow", Ron sah fragend in Harrys Richtung. "Mum und Dad sagten mir, sie hätten mich dort gefunden. ... Von solchen Dingen weiß ich nur sehr wenig. Aber ... Als ER dich für tot hielt –"

"Woher erfuhr er von Harrys Tod?"

"Von Winky", antwortete Ron und sah nun zu Hermine.

"Winky?" fragte sie ungläubig.

"Ja", sagte Ron, "aber Winky ist nicht so wichtig wie ..."

"Und ob! Sie arbeitet auf Hogwarts. Sie kriegt alle Informationen brühwarm aufgetischt. Am Ende muss sie sich nicht mal selber darum kümmern – Dobby wird ihr alles erzählen, so wie das mit Harrys Tod."

"Ja, das ist nicht unwichtig", stimmte Ron Hermine zu, "aber ..."

"Aber was?" Harry krallte seine Finger in Rons Matratze.

"Du-weißt-schon-wer glaubte Winky alles aufs Wort, ich spürte alles, was er fühlte, in meinem Kopf."

"Ist dieser Mann überhaupt eines Gefühls fähig?", widersprach Ginny den Worten ihres Bruders.

"Ja", sagte Ron, "die ganze Palette zwischen Gleichgültigkeit und ... Gleichgültigkeit. Und außerdem: Hass", Ron wanderte mit seinem Blick zu Harrys Platz. "Gleichgültigkeit gegen alles und jeden, aber Hass nur für Harry, Hass, und später, es klingt verrückt, aber es war so! als er Harry tot glaubte, da änderten sich seine Gefühle."

"Wie", fragte Hermine und drückte Rons Hand. Ron aber ließ von Hermines Hand ab und fuhr sich mit den Fingern seiner beiden Hände die Stirn hinauf zum Ansatz seines roten Haares.

"Ja, wie ? – der Hass auf Harry war nicht verschwunden, aber er bestimmte nicht mehr alles. Es war wie – ich kann mich nicht richtig ausdrücken – es hat ihn gar nicht gefreut, das Harry tot war. Vielleicht war es ja, weil Harry nicht richtig tot war, aber in dem Moment, da Winky es erzählte, glaubte ich ganz fest, dass es dich nicht mehr gibt, Harry, und das selbe muss auch ER geglaubt haben. Und es schien, dein Tod machte ihm Angst. Er war unfähig, auch nur den nächsten Schritt zu gehen. Er war so verzweifelt, wie man nur sein kann, wie jemand, der ... gerade so, als hätte er mit deinem Tod etwas verloren, Harry." Ron lachte bei seinen eigenen Worten trocken auf. Immer wieder von seinem Tod reden zu hören machte Harry gleichfalls verlegen.

"Hat er dich gehen lassen, weil er glaubte, dass Harry tot sei?", fragte Ginny.

"Er hat mich wohl eher einfach liegen lassen – Mum hat erzählt, wo sie mich gefunden haben. Dort stand einmal das Haus von Harrys Eltern."

Betreten sah Ron auf seine Bettdecke. Er ließ sich in die Kissen zurückfallen und schloss die Augen ganz. Es war, als hätte Ron damit alles gesagt gehabt, was er hatte loswerden wollen, und alle Kraft schien seinen Gliedern entwichen.

"Ron", fragte Harry leise, "Ron. Was wollte er von dir, was hat er dir angetan?"

Es dauerte Augenblicke, bis Ron antwortete. Hermine beobachtete ihn besorgt und Ginny legte eine Hand an die Schläfe ihres Bruders.

"Vielleicht", murmelte Ron, "vielleicht wollte er mich Gleichgültigkeit lehren oder ... Hass. Harry hassen ... Natürlich hoffte er, du würdest kommen, um mich zu befreien. Er hat mich auf jeden Fall erledigt ... Nie wieder möchte ich das ... tot sein ist nicht schlimmer."

Harry war froh, nicht sichtbar zu sein, und dennoch, obwohl er wusste, dass die anderen im Zimmer ihn nicht sahen, verbarg er sein Gesicht.

„Harry", fragte Hermine in die entstanden Stille hinein.

Er hatte sich vom Bett entfernt, saß nun an der Wand des Krankenzimmers und hob, als er seinen Namen aus Hermines Mund hörte, lediglich das Gesicht von seinen Knien. Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster und machten die Menschen im St. Mungo glauben, draußen wäre schönes Wetter. Wenn es nur das Wetter wäre. Plötzlich wog die stickige Luft im Zimmer schwerer. Harry fühlte seinen Hals enger werden. Hätte Hermine nur nichts gesagt.

„Es ist eine dumme Angewohnheit von Jungen, ihre Gefühle zu verstecken, Hol wieder Luft, Harry!"

Woher wusste Hermine nur, was gerade in ihm vorging. Das konnte sie unmöglich in einem Buch gelesen haben. Aber es klang so, als hätte sie gelesen, dass es nicht gut war, seine Gefühle zu verstecken, und jetzt rief sie ihn zur Vernunft. In welch peinliche Situation sie Harry damit vor Ron und Ginny brachte, war ihr offenbar egal.

„Eigentlich scheint es ja gut gewesen zu sein, dass wir durch die ... ich meine, dass unser Tod so überzeugend rüber kam", wechselte Ginny das Thema.

„Was habt Ihr getan, dass es alle geglaubt haben?", fragte Ron.

„Das ist so geheim, Ron, dass wir es einzig Dumbledore mitteilen dürfen", beteiligte sich Hermine an dem neuen Gespräch. Sie klang verärgert. Ob über Harry oder darüber, dass Ginny das Thema Tod wieder aufgebracht hatte, wusste Harry nicht zu sagen.

Ron verkniff den Mund, er wollte eindeutig mehr wissen.

„Ron, wir wollten nicht, dass du oder irgendjemand glauben musste, wir wären tot", erklärte Ginny, „es hatte nur diese Chance gegeben, dich zu finden, und da war diese ... Täuschung ... gewissermaßen ein Nebeneffekt, den wir in Kauf nehmen mussten."

Harry musste einmal mehr daran denken, dass Dumbledore krank geworden war, dass Sirius Haus mit jener Tür und der Welt dahinter den Todessern gehörte und dass sie noch ein Versprechen bei einer übergeschnappten Leiche einzulösen hatten. An Kreacher dachte er außerdem, aber nur weil er wusste, welche Vorwürfe sich Hermine wegen dem vergessenen Hauselfen machte.

Die Sicherheitstür vibrierte.

"Ihr könnt nicht mehr lange bleiben, oder?" sagte Ron.

"Wann werden wir dich wohl wieder besuchen dürfen?" entgegnete Hermine.

"Die Ferien sind in sieben Tagen zu Ende und ich glaube nicht, dass die euch bei dem ganzen Aufwand um euren Schutz in den nächsten Tagen noch mal zu mir lassen. Aber schickt mir wenigstens eine Eule! Eulen kann ich empfangen."

Wir haben keine Eule, lag es Harry auf der Zunge zu sagen.

"Habt ihr Pig?", fragte Ron in einer Art, die darauf schließen ließ, dass er ein schlichtes, unkompliziertes ja erwartete.

"Er ist unterwegs", gab Ginny Antwort.

Die Sicherheitstür vibrierte erneut und diesmal stärker als beim ersten Mal.

„Harry! Wo bist du nun schon wieder!" Hermine war an die Stelle getreten, an der Harry eine Weile zuvor gesessen hatte. Er beobachtete, wie sie ihn suchte. Noch während er sie sich wundern sah, ging ihm die Frage durch den Kopf, warum Voldemort sein, Harrys, Tod nicht zufriedengestellt hatte. Was hatte Voldemort in jenen Zustand versetzt, den Ron beschrieben hatte? War es der Umstand, dass Harry nicht wirklich tot und deshalb immer noch eine reale Gefahr für Voldemort war, oder gab es noch einen anderen Grund?

Harry stoppte die Gedanken an Voldemort. Er stand nahe bei Rons Bett, wo Hermine ihn nicht mehr vermutet hatte.

"Wirst du denn bald nach Hogwarts können, ich meine, kannst du zaubern?", fragte er seinen Freund.

Ein stummes Kopfschütteln war Rons Antwort auf Harrys Frage
Hermine fand Harrys Hand und fasste sie fest. Die Sicherheitstür öffnete sich im gleichen Moment.

"Raus!", knurrte Moody.