Ich bin so dankbar für Eure Reviews!
Chromoxid: Ja, na klar sehen sie sich! Man beachte den letzten Satz des 2. Kapitels -g- wurde ja auch Zeit, oder? Mal sehen, ob ich dir jedes Mal ein langes Kapitel bieten kann. Könnte schwierig werden ;) Ich hoffe Du bleibst mir trotzdem treu?
Suffer: Du hast ja super schnell das 2. Kapitel gelesen, oder? Das freut mich sehr! Gefühle zu beschreiben ist für mich auch fast das wichtigste! Schön, dass es mir gelingt! Bitte bleib dabei und mach mir weiterhin so viel Mut! DANKE!
Sevena: Ja ja, du bist auf dem richtigen Weg! Von Liebe war allerdings bis jetzt noch nicht viel zu entdecken, oder? – aber Emotionen sind es in jedem Fall ;). Klar haben mich die beiden Filme inspiriert – und wenn wir schon bei Filmen sind, vergessen wir doch nicht „Truly, Madly, Deeply" (Wie verrückt aus tiefstem Herzen) –g-. Vor allem war aber ein Roman von Marc Levy die Inspirationsquelle – ich liebe solche Geschichten! Mein Ende ist trotzdem ganz anders. Und! Gute Idee, den R… kurz zu halten – ein Kurzr… also ;)))
Kira Gmork: Du kennst mich schon viel zu gut! -g- Ja, die Ungeduld macht mich wirklich fertig ;) Aber schau, der Name des neuen Kapitels ist quasi der Beginn einer Selbsttherapie ;) Ja wirklich! Arme Hermine! Aber was das Unterrichten angeht, bekommt sie bald eine ganz „bezaubernde und charmante" Unterstützung.
Zyra: Danke! Schön, dass Du wieder dabei bist;)) Hermine ist in der Tat ein Nervenbündel – aber die Erklärung naht!
Katyes: Ich freue mich sehr über Deine liebe Review! Deine Fragen habe ich auch alle –g-! Stück für Stück werden wir den Antworten näher kommen! Die Idee, Snape könnte ein Gedanke sein! Das kommt der Sache schon sehr nah! Mit dem Geist hast Du natürlich Recht! Aber Du wirst sehen – auch Hermine hat so ihre Identifizierungsschwierigkeiten ;)
AngeloSlytherin: Das ist wirklich zu schön und wahr zu sein! Ich habe mich so über Deine Reaktion gefreut! Nie hätte ich gedacht, dass eine Geschichte von mir so eine Wirkung haben kann! Vielen vielen Dank! Du hast hoffentlich nach Lesen des Kapitels noch einen schönen heißen Tee getrunken? Dass Hermine im Moment ein wenig „unherminisch" ist und man ihr Verhalten nicht nachvollziehen kann ist natürlich gewollt! Aufklärung folgt! Ein Tipp: nimm doch den Tee mit zum Computer!;)
Gerd: Vielen Dank für die Review! Ich freu mich, dass Dich mein Kapitel so gefesselt hat! Tja, einige Antworten kommen jetzt, einige lassen wohl noch etwas auf sich warten ;) Bleib bitte dran!
Sisi74sd: Vielen Dank! Schön, dass du dabei bist! Na klar geht es weiter ;)
Ich freue mich riesig, dass viele von Euch die Geschichte im Story-alert oder sogar bei den favourits haben! Bitte bleibt dran und schreibt weiter diese tollen Reviews!
3. Schritt für Schritt
Der Laut in Hermines Kehle erstarb auf ihren Lippen. Mit weit aufgerissenen Augen blickte sie in das Gesicht, welches sich über sie beugte.
Snape starrte Hermine ebenfalls fassungslos an.
Einen Augenblick verharrten beide regungslos. Hermine konnte keinen klaren Gedanken fassen. Snape hingegen überlegte, ob es wirklich sein konnte dass sie…
„Professor Snape?" Es kam leise und schwer verständlich, aber dennoch eindeutig.
„Sie sehen mich wirklich?" fragte er vorsichtig.
Hermine verstand nicht. „Was meinen sie?" sie sah ihn verwirrt an. Der ehemalige Lehrer stand vor ihr, so wie sie ihn in Erinnerung hatte. Schwarz gekleidet, bis auf den weißen Stehkragen, schwarze, schulterlange Haare, dunkle Augen, schmale Lippen, das Gesicht blass, die Finger lang und ständig in Bewegung.
„Und sie hören mich!" Diesmal war es eine Feststellung.
Hermine zitterte noch immer und verstand nicht, was um sie herum geschah. Sie wandte sich schließlich von ihm ab und ihr Blick fiel auf die Phiole, die auf den Boden gerollt war. Langsam wurde ihr bewusst, wobei er sie gerade gestört hatte. Sie sah ihn wieder an: „Was tun sie hier? Wo kommen sie her?" Ihre Stimme war noch immer schwankend und zittrig.
Snape antwortete ihr nicht. „Sie sehen mich, sie hören mich." Wiederholte er murmelnd. „Ich frage mich, ob sie…", er streckte seine Hand nach ihr aus und legte sie auf ihre Schulter.
Hermine folgte seiner Bewegung mit den Augen und schrie entsetzt auf, als seine Hand plötzlich durch ihre Schulter hindurch glitt.
Er zog die Hand hastig zurück.
Hermine war mit einem Satz aufgesprungen und mit einem weiteren auf die andere Seite des Zimmers gelaufen. Sie zog den Zauberstab aus ihrem Umhang und richtete ihn auf Snape.
„Was…" stammelte sie.
Er stöhnte: „Ich bitte sie, Miss Granger!"
„Sind sie…tot?" keuchte Hermine, den Stab noch immer fest in der Hand.
Snape schnaubte. „Wo bleibt ihre Kombinationsgabe, Miss Granger? Wenn ich tot wäre, könnten sie mit dem Ding da nichts ausrichten. Wenn sie also wirklich glauben, dass ich tot bin, warum richten sie dann ihren Zauberstab auf mich?" antwortete er kühl.
Hermine versuchte, seinem Gedankengang zu folgen. Sie war jedoch noch immer verstört und verharrte ganz einfach in ihrer Position.
„Hätten sie jetzt die Güte, ihren Zauberstab zu senken! Oder richten sie ihn heute auf jeden unschuldigen Menschen, der ihnen über den Weg läuft?"
Sie bewegte sich nicht. Er machte eine kurze Pause und fuhr dann theatralisch seufzend fort: „Nun gut, Miss Granger – probieren sie alle ihnen bekannten Zaubersprüche an mir aus! – Auch die unverzeihlichen, wenn es sie reizt. Es ist tatsächlich höchst unwahrscheinlich, dass mir das etwas ausmachen wird. – Lassen sie ihren Frust also lieber an mir aus, als an einer unschuldigen Schülerin!" fügte er spöttisch hinzu.
Hermines Mund öffnete sich erstaunt. Nach einigen Sekunden war sie endlich fähig, zu sprechen: „Woher…?" Aber sie verstand plötzlich und atmete hörbar tief ein:„– Das waren sie im Kerker! Die Kessel… die Kerzen und… die Messer!"
Snapes Mund verzog sich seltsam als er versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken.
Hermine übersah dies und stammelte: „Warum? Und wo waren sie? Warum sehe ich sie jetzt und… dann sind sie wirklich …tot?"
„Das sind eindeutig zu viele Fragen, Miss Granger!" Er kam hinter dem Bett vor und bewegte sich langsam in Richtung des Schreibtischstuhls.
Hermine bemerkte, dass seine Bewegungen nicht fließend waren und sie schienen ihn zudem anzustrengen. Langsam fand sie zu ihrem alten Selbst zurück:
„Die Fragen drängen sich auf, wenn man von einem herumgeisternden ehemaligen Lehrer zu Tode erschreckt wird. – Sie haben mir Angst gemacht, Professor. Was sollte das?" fragte sie mit inzwischen wieder recht fester Stimme und gab sich keine Mühe, den vorwurfsvollen Ton zu verstecken.
„Ich wollte auf mich aufmerksam machen." Antwortete Snape, als sei sein Vorgehen ganz selbstverständlich gewesen. „Und ich bin kein herumgeisternder ehemaliger Lehrer!" fügte er nachdrücklich hinzu.
„Als sie eben gerade auf sich aufmerksam machten…" Hermines Blick wanderte kurz zurück zum Bett und an die Stelle, auf der sie gerade gesessen hatte. „…hatten sie es nicht nötig, mit Messern und Kesseln zu schmeißen!" sie sah ihn herausfordernd an.
„Da war ich damit beschäftigt, sie von einer großen Dummheit abzuhalten!" Kam die knappe Antwort.
Hermine schluckte und merkte, wie sie rot wurde. Sie lenkte das Gespräch in eine andere Richtung: „ Wie sind sie gestorben? Wann und wo? Und warum kann ich sie plötzlich sehen?"
Snapes Miene verfinsterte sich, „Schon wieder so viele Fragen, Miss Granger. Sie haben sich wirklich kaum verändert." Er seufzte gequält und fuhr fort: „Erstes: ich bin nicht gestorben – Frage zwei und drei sind somit gänzlich überflüssig und viertens: ich weiß es nicht."
Sie sah ihn fragend an. „Aber wenn sie nicht tot sind, wie sind sie dann so … geworden?" Hermine fand keine Worte für seinen Zustand.
„Als Lehrer fällt mir diese Antwort schwer, aber unglücklicherweise muss ich wieder sagen, dass ich es nicht weiß." Er klang zerknischt.
Hermine ließ nicht locker: „ Aber… und was sind sie nun, Professor?"
„Sie sind wirklich grausam, Miss Granger! Ich kann mich nicht entsinnen, schon jemals zuvor gezwungen gewesen zu sein, dreimal hintereinander eben diese Antwort geben zu müssen! – Wie können sie mir diese Erniedrigung zumuten, - nach dem was ich gerade für sie getan habe?" entgegnete Snape spöttisch.
Hermines Augen wanderten abermals zurück zum Bett. Sie schwieg.
Snape räusperte sich. „Ich denke es war meine Wut oder auch ein Anflug von Panik, wenn sie es so nennen wollen, der mich ihnen sichtbar gemacht hat." Es war die beste Erklärung, die er geben konnte.
„Und, damit wir dieses unangenehme Frage-Antwort-Spiel endlich beenden können, lassen sie mich kurz zusammenfassen: Ich habe weder Ahnung, wie ich in diesen Zustand geraten bin, noch, was für eine Art Zustand dies ist. Alles was ich weiß ist, dass ich bis vor kurzem nicht fähig war, dieses Zimmer zu verlassen und dass ich definitiv nicht tot bin!"
Er sah auf den Stapel Papierrollen auf seinem Schreibtisch. „Ich kann nicht tot sein! Ich saß hier, auf diesem Stuhl und habe Aufsätze korrigiert." Er sagte dies mehr zu sich selbst.
„Vielleicht ein Herzinfarkt?" wagte Hermine eine vorsichtige Vermutung.
Er blickte sie zornig an. „Die Aufsätze meiner Schüler lassen in der Tat oft zu wünschen übrig. Aber einen Herzinfarkt verursachen sie ganz sicher nicht!"
Hermine öffnete ihren Mund, um etwas zu entgegnen.
„Ich hatte keinen Herzinfarkt und auch sonst keine körperlichen Gebrechen, die mich umgebracht haben! Ich muss wohl am besten wissen, ob ich tot bin oder nicht – und ich bin es nicht! Punkt und Ende der Diskussion! Sprechen sie mir nach, Miss Granger: Professor Snape ist nicht tot!" Donnerte er aufgebracht.
Hermine war erschrocken zurückgewichen, als Snape wütend ein Stück auf sie zugekommen war.
„In Ordnung, Professor. Ich verstehe!" sagte sie beschwichtigend.
„Sie sollen mir nachsprechen!" schrie er drohend.
Hermine glaubte, neben der Drohung auch eine Spur von Angst in seiner Stimme zu erkennen.
„Sie sind nicht tot, Professor Snape!" sagte sie leise und so überzeugt und ruhig sie konnte.
Für einige Augenblicke herrschte eine unangenehme Stille. Snape starrte auf die Papierrollen. Er war zurück zum Schreibtisch gegangen.
Hermine blickte verstohlen zu ihm hinüber. Sie überlegte, ob er tatsächlich schon seit April in diesem Zustand war. Das waren dann vier Monate allein in diesem Raum, ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne auch nur zu ahnen, was ihn in diese Situation gebracht haben könnte. Selbst für einen zurückgezogenen Menschen wie Professor Snape musste dies schwer zu ertragen sein. Sein Ausbruch eben war eine verständliche Reaktion.
Sie hätte gerne noch mehr Fragen gestellt, um sich vorzustellen zu können, wie er die letzten Monate verbracht hatte. Sie wusste es jedoch besser.
Hermine musste ein leises Seufzen von sich gegeben haben, denn Snape wandte sich ihr wieder zu und blickte sie prüfend an.
„Sie sollten sich vielleicht ein wenig ausruhen – legen sie sich hin. Sie wirken ein wenig – verwirrt, seit sie gestern angekommen sind." Sagte er.
Hermine wurde plötzlich klar, dass er sie seit ihrer Ankunft beobachtet haben musste. Sie wagte nicht, sich dies detailliert vorzustellen, war jedoch dankbar, dass er den Vorfall, der dazu geführt hatte, dass sie ihn sehen konnte, nicht weiter direkt erwähnte.
Sie ging zum Bett und setzte sich. Ihr Blick fiel auf die Phiole am Boden. Die blassblaue Flüssigkeit hatte sich in einer kleinen Lache gesammelt. Hermine ließ sie mit Hilfe eines Zauberspruchs verschwinden. Sie bemerkte Snapes Blick, der auf ihr ruhte.
„Ich kann eh nicht schlafen", bemerkte sie kurz.
„Sie werden lernen müssen, wieder ohne Hilfsmittel zur Ruhe zu kommen."
Hermine versuchte erneut abzulenken. „Ich kann unmöglich schlafen, wenn sie hier im Raum sind."
„Das konnten sie letzte Nacht auch. Legen sie sich jetzt hin."
Hermine konnte sich der Aufforderung kaum entziehen. Professor Snapes Stimme hatte noch immer die gleiche Wirkung, wie während ihrer Schulzeit. Seine Aufforderungen hatten schon immer Befehlen geähnelt und duldeten keinen Widerspruch. Zudem fürchtete sie, er könnte etwas thematisieren, über das sie auf keinen Fall sprechen wollte.
„Letzte Nacht wusste ich ja auch nicht, dass sie da sind!" erwiderte sie dennoch trotzig.
Snape seufzte. „Miss Granger, ich habe im Moment reichlich wenig Bewegungsfreiheit. Aber da ich seit heute wieder in meinen Klassenraum gelangen kann, werde ich ihnen den Gefallen tun und mich dort aufhalten, " er sah sie auffordernd an und wies auf das Bett.
Hermine legte sich auf die Bettecke und winkelte die Beine an. Widerwillig schloss sie ihre Augen. Es fiel ihr schwer, sie geschlossen zu halten.
„Sind sie noch da?" fragte sie nach einer Weile in die Stille hinein.
„Ja!" kam die gereizte Antwort. „Ich will sicher gehen, dass sie sich auch wirklich ausruhen",
Hermine wusste nicht, was sie darauf entgegnen sollte und schwieg. Angestrengt lauschte sie eine Zeit lang, doch Snape machte kein einziges Geräusch – wenn er überhaupt noch da war.
Ihre Gedanken kreisten um die unglaublichen Ereignisse dieses Nachmittags. War Snape wirklich nicht tot? Sie zählte innerlich die Attribute von Geistern auf; sie waren transparent, schwebten durch die Luft, durch Wände – all das traf auf Snape nicht zu. Während die Geister von Hogwarts Bewegungsfreiheit hatten, war er bis vor kurzem nicht einmal fähig gewesen, diesen Raum zu verlassen. Er machte auf den ersten Blick einen völlig normalen - durchaus soliden Eindruck. Auf den zweiten Blick jedoch - Hermine erinnerte sich an den Schreck, als er versucht hatte, seine Hand auf ihre Schulter zu legen. Und dennoch, wenn einer der vielen Geister von Hogwarts einen Menschen streifte, hinterließ dies ein unangenehmes Gefühl der Kälte. Hermine überlegte – Es war ein Schock gewesen, als seine Hand durch sie hindurch geglitten war, gespürt hatte sie jedoch nichts, so als sei er aus Luft.
Sie seufzte und entspannte sich langsam. Kurz bevor sie einschlief kam ihr plötzlich der Gedanke, dass offensichtlich nur sie ihn sehen konnte. Auch dies war bei richtigen Geistern anders. Wenn er nicht tot war, musste es doch eine Möglichkeit geben, ihm zu helfen.
ooo
Snape verharrte still an seinem Platz am Schreibtisch, er wandte seinen Blick nicht von ihr. Ganz offensichtlich hatte sie Probleme, sich zu entspannen. Er blickte kurz auf dem Fußboden, dorthin, wo bis eben noch die Phiole gelegen hatte.
Er fragte sich, was sie dazu veranlasst haben mochte, diesen Trank regelmäßig zu nehmen. Was auch immer es gewesen war, es hatte sie heute fast dazu gebracht, sich das Leben zu nehmen, denn ihre Überreaktion konnte unmöglich nur durch seinen Auftritt im Klassenraum veranlasst worden sein. Sie brauchte Hilfe, das war sicher. Er bezweifelte jedoch, dass sie sich jemandem mitteilen würde.
Langsam und leise machte er sich auf den Weg in seinen Klassenraum. Es ging erstaunlich leicht. Dort angekommen kam ihm plötzlich der Gedanke, dass er der jenige war, dem sie sich heute mitgeteilt hatte, wenn auch unfreiwillig. Er seufzte als ihm bewusst wurde, dass ihm diese Tatsache eine gewisse Verantwortung bescherte.
ooo
Hermines Schlaf war unruhig gewesen. Kopfschmerzen und ein seltsames Gefühl ließen sie aus der viel zu kurzen Ruhepause erwachen. Langsam setzte sie sich auf und strich sich die krausen Haarsträhnen aus dem Gesicht.
Das Zimmer war leer, nur Krummbein saß zusammengerollt auf dem Schreibtischstuhl. Hermine streckte sich und schwang die Beine aus dem Bett. Es war kalt. Ein Wink mit dem Zauberstab entfachte ein knisterndes Feuer im Kamin. Hermine wickelte ihren Umhang fest um sich und sah auf die Uhr. Sie hatte fast den ganzen Nachmittag verschlafen. Gut, dass die Unterrichtsstunde der fünften Klasse auf morgen verschoben worden war. Es standen für heute keine weiteren Klassen auf ihrem Plan.
Die Erinnerung kam plötzlich zurück – die verlegte Unterrichtsstunde, die Fünftklässlerin – das erklärte das ungute Gefühl in ihrer Magengegend. Aber da war auch noch… oder war es…?
„Sie sehen wenig erholt aus, Miss Granger!" riss sie eine wenig charmante Stimme aus ihren Überlegungen. Hermine fuhr herum.
„Professor Snape? – Was tun sie hier?" fragte sie erschrocken, bevor sie sich stoppen konnte. Er war also kein Traum gewesen.
Snape musterte ihren verwirrten Gesichtsausdruck. „Müssen wir das Spiel jetzt jedes Mal spielen, wenn sie mich sehen?" fragte er spöttisch.
Hermine spürte den Ärger über diese Bemerkung in sich aufsteigen: „Verzeihung! Ich bin ein gewisses Maß an Privatsphäre gewöhnt – vielleicht könnten sie wenigstens anklopfen!" entgegnete sie schnippisch.
Snape entfuhr ein kehliges Lachen, seine Hand glitt mit gespielt angestrengter Miene durch die offen stehende Tür und er sagte langsam: „Klopf, klopf!"
Hermine schickte ihm einen bösen Blick und entschied sich dafür, ihn zu ignorieren. Sie widmete sich aufmerksam ihrem Koffer, der offen vor dem Bett stand. Einige Kleidungsstücke lagen um ihn herum verteilt.
„Vielleicht entscheiden sie sich irgendwann dafür, mit dem Spiegel in der Schranktür nicht nur Konversation zu betreiben, sondern die Schranktür auch zu öffnen und sich an den eigentlichen Zweck dieses Möbelstücks zu erinnern?" kam eine weitere Bemerkung aus Richtung der Tür.
Sie reagierte nicht, sondern schmiss einen Stapel magisch verkleinerter Pullover auf das Bett. Einen Zauberspruch später hatten die Pullover wieder ihre normale Größe.
Snape gab nicht auf. „Interessant, dass sie von einem Maß an Privatsphäre sprechen, wenn man bedenkt, dass sie es waren, die in meine…"
Hermine schnappte wütend nach einem Paar ordentlich zusammengerollter Socken und warf sie nach ihm. Die Socken sausten durch seinen Oberkörper hindurch und prallten an der Tür ab.
„Eine Quidditchkarriere haben sie wohl nach dem Schulabschluss nicht begonnen?" er löste sich langsam aus dem Türrahmen und ging seufzend zum Schrank.
Hermine knallte den Deckel ihres Koffers zu. „Glauben sie, ich bin gerne hier in diese kalten, ungemütlichen Räumen? Wenn ich gewusst hätte, dass ich hier auf sie treffen würde, hätte ich keinen Fuß über diese Schwelle gesetzt!" schrie sie aufgebracht und schob den Koffer mit dem Fuß durch Snape hindurch, gegen den Kleiderschrank. „Was auch immer sie in diesen Zustand versetzt hat, sie haben es sicher verdient!"
Wenn Snape beleidigt war, so ließ er sich dies nicht anmerken. Mit ruhiger Stimme entgegnete er: „Und was immer sie in diesen äußerst unausgeglichenen Zustand versetzt hat, haben sie es verdient, Miss Granger?" Er blickte sie auffordernd an.
Hermine funkelte ihn erbost an und zischte: „Ich will nicht darüber sprechen!" Sie streckte ihre Hand in Richtung der Kleiderschranktür aus und wartete ungeduldig darauf, dass er sich von dort entfernte.
Er zögerte und trat schließlich zur Seite. Schweigend beobachtete er, wie sie seine im Schrank hängenden Umhänge und Anzüge gereizt an die Seite schob und einige Kleiderbügel mit ihrer eigenen Kleidung hastig hinein hängte. Die nächste Schranktür flog auf, seine ordentlich zusammengelegten Hemden wurden in die hinterste Ecke geschoben und der Stapel Pullover, einige Paar Socken, Handschuhe und Schals wanderten hinein. Hin und wieder schnaubte Hermine wütend vor sich hin. Sie schob den Koffer schließlich neben den Kleiderschrank. Sie verspürte wenig Lust, auch ihre Unterwäsche und andere allzu intime Dinge vor diesem charmanten Zuschauer auszupacken. Erneut sandte sie ihm einen wütenden Blick für seine Unverschämtheit und Indiskretion.
Ihre Blicke trafen sich kurz und blieben aneinander haften. Sie versuchte schnell, den Ausdruck in seinen Augen zu deuten. Angespanntheit? Neugier und Interesse? Jedenfalls nicht wirklich Gemeinheit oder Schadenfreude, stellte sie erstaunt fest. Warum brachte er sie dann so aus der Fassung? Abermals entfuhr ihr ein erbostes Schnauben. Sie sah sich im Zimmer um. Es gab nichts mehr zu tun. Was sollte sie hier, mit ihm? Sie entschied sich, nach Professor Dumbledore zu suchen und ihren eigenartigen Fund zu melden.
„Was war es?" durchbrach Snapes dunkle Stimme plötzlich die Stille.
Sie wusste genau, worauf er hinaus wollte, zögerte kurz und sagte dann ungeduldig: „Ich fühle mich einfach nicht fähig, hier plötzlich als Lehrerin für Zaubertränke zu fungieren. Das geht alles zu schnell und ihre Anwesenheit ist auch keine Hilfe."
„Spricht die Dame, die den besten Schulabschluss in der Geschichte Hogwarts gemacht hat und zwischendurch noch geholfen hat, die Welt von dunklen Mächten zu befreien!" Snape verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. „Ich glaube ihnen kein Wort. – Wo waren sie in den drei Jahren? Und was ist passiert? Was haben sie getan?"
Hermine war schon auf dem Weg zur Tür. „Das geht sie nichts an!" fauchte sie mit dem Rücken zu ihm.
„Es muss ja etwas ganz besonders Schreckliches gewesen sein!" rief er spöttisch.
Sie drehte sich zu ihm um. „Ja, sogar gemessen an ihrer Vergangenheit, Professor!" schnaubte sie. Es war ihr egal, dass sie ungerecht war.
Snape zog erstaunt die Augenbrauen nach oben. „Was haben sie getan? – Jemanden umgebracht?" Hermines Gesichtszüge veränderten sich blitzartig und Snape ahnte plötzlich, dass er ins Schwarze getroffen hatte.
„Das haben sie nicht!" rief er ungläubig.
Hermines Augen füllten sich mit Tränen. Sie drehte sich um und rannte schluchzend aus dem Raum.
ooo
Er fand sie wenig später weinend und zitternd in einer Ecke des Kerkers kauernd. Sie war kaum zu sehen in der Dunkelheit des hohen Raumes. Snape blickte sich um. Das Feuer im Kamin flackerte nur noch schwach. Es musste sehr kalt sein. Er näherte sich ihr langsam.
„Miss Granger, kommen sie bitte zurück ins Zimmer. Hier draußen ist es zu kalt, sie werden sich erkälten." Er fühlte sich überfordert. Ihm fiel einfach nichts anderes ein.
Ihre Antwort war ein unverständliches Wimmern.
Er begriff, dass er sie nicht dazu bewegen würde, ihm zurück ins Zimmer zu folgen. Wenn er nur dazu fähig wäre, würde er sie dorthin tragen. Sie war eindeutig am Ende ihrer Kraft. Er fluchte leise über seinen hinderlichen Zustand und betrachtete Hermine eingehend. Sie hatte die Arme um ihre Beine geschlungen. Durch die lockigen Strähnen, die in ihr Gesicht gefallen waren sah er die gerötete, tränennasse Haut. Hektisch rang Hermine zwischen den verzweifelten Schluchzern nach Luft.
„Beruhigen sie sich doch!" Es klang wie eine verzweifelte Bitte. Er überlegte kurz und sagte dann, so ruhig es ihm möglich war: „Es gibt fast nichts, was sich mit meiner Vergangenheit messen ließe. Aber erzählen sie mir, was ihnen zugestoßen ist, dann werden wir sehen."
Sie reagierte nicht.
„Wurden sie angegriffen? – Haben sie sich gewehrt?" fragte er vorsichtig.
Ein heftiges Kopfschütteln.
„Sie wollen mir wirklich erzählen, dass sie vorsätzlich einen Menschen getötet haben?"
Erneutes Kopfschütteln.
„Also war es ein Unfall!"
Hermine schluchzte und hob den Kopf. Zitternd strich sie sich die Haare aus dem Gesicht. „Nicht wirklich!" flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme.
Snape wartete geduldig, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte. „Was ist geschehen?" fragte er dann erneut.
Hermine atmete tief ein und begann schließlich zögernd, dann immer schneller zu erzählen.
„Ich habe mich nach der Schule für das Studium der magischen Medizin entschieden. Schon nach fünf Semestern gab man mir die Chance, als Assistentin von Professor Kenton in St. Mungos zu arbeiten. Er meinte, auf dem Gebiet der Theorie sei mir nichts mehr beizubringen und erlaubte mir deshalb schon früh, praktische Erfahrungen mit Patienten zu machen."
Hermine schluchzte erneut, fuhr dann jedoch fort.
„Es lief gut! Es lief so gut, dass mir Professor Kenton einige seiner Patienten überließ. Ich musste ihm natürlich täglich über Diagnose und Therapieentscheidungen Bericht erstatten. – Von meinem Behandlungserfolg im Fall einer Patientin war er jedoch nicht überzeugt. Ms Farleys langjähriges Cruciotrauma war schwer aufzuarbeiten. Die Patientin fiel immer wieder für mehrere Tage in einen Dämmerzustand und erwachte daraus, um dann sogleich abwechselnd von schweren Panikattacken und heftigen Aggressivitätsschüben gequält zu werden. Professor Kenton entschied sich für die Verabreichung eines nur unzureichend getesteten Elixiers."
Hermine schüttelte verzweifelt den Kopf und rieb sich erschöpft die pochenden Schläfen.
„Die Patientin hat die Einnahme dieses Elixiers nicht überlebt!" schloss Snape leise.
Hermine nickte stumm.
„Ich verstehe das nicht ganz. Nicht sie haben diese Entscheidung getroffen! Ihr vorgesetzter Professor hat diese äußerst fragwürdige Therapie in die Wege geleitet. – Das war nicht ihre Schuld." er sah sie fragend an.
„Verstehen sie denn nicht?" Hermine warf ihren Kopf in den Nacken. „Ich habe das Elixier gebraut – nach einem Rezept, das mir der Professor gegeben hat! Und ich habe es der Patientin gegeben!" Sie wischte wütend die Tränen fort, die erneut ihre Wangen hinunter liefen.
„Warum hat er den Trank nicht selber zubereitet?"
„Er wusste, wie gut ich im Brauen von Zaubertränken bin und hat mir die Aufgabe überlassen. Ich fühlte mich – geehrt." Hermine schnaubte.
Snape dachte nach und sagte schließlich mit Nachdruck: „Es war nicht ihre Schuld. Die Verantwortung für den Tod der Frau trägt eindeutig Professor Kenton!"
Er schüttelte fassungslos den Kopf. „Dieser, Mann hat sie benutzt! Er dachte, er sei auf der sicheren Seite, wenn er eine unerfahrene, nicht fertig ausgebildete Medihexe den Trank brauen und verabreichen ließe. Er wusste, dass, wenn etwas schief gehen sollte, er wenigstens einen Teil der Schuld auf sie abwälzen könnte. – Und das hat er getan, nicht wahr?"
Hermine nickte. „Er hat behauptet, ich hätte seine Anweisungen, die Dosis des Elixiers betreffend nicht richtig verstanden – er hat jedoch die ganze Verantwortung auf sich genommen."
„Wie gnädig!" schnaubte Snape. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Das einzige, was sie sich vorzuwerfen haben, ist eine gehörige Portion Naivität."
„Ich habe einen furchtbaren Fehler begangen!" Hermine stellte sich umständlich auf die Beine. „Nicht nur Naivität war der Grund, Professor! Auch eine Menge Ehrgeiz und der Wille, mich zu beweisen!" sagte sie mit belegter Stimme.
Snape lachte düster. „Das mag sein." Er starrte auf seine Schuhspitzen. „Wenn ich es mir richtig überlege, haben die Ereignisse unserer beider Vergangenheiten dann tatsächlich einen gemeinsamen Ansatz. Ehrgeiz, der Drang sich zu beweisen, Naivität – das kommt mir sehr bekannt vor."
Er sah sie besorgt an. „Und dennoch. Ich bin aus dem Chaos meiner furchtbaren Taten nicht so schnell entkommen. Ich war allein und brauchte lange die Bestätigung von demjenigen, der mich so schamlos ausgenutzt hat. Das ist bei ihnen anders, Miss Granger! Sie haben nur einen Fehler begangen – sicher ist er schwerwiegend und für sie unverzeihlich – aber sie haben den Fehler erkannt, ihn sich eingestanden! Nie wieder wird jemand sie zu so etwas bringen. Lernen sie nun, mit ihrem Anteil der Schuld zu leben! Das ist ihre einzige Chance!"
Überrascht über seine eigenen offenen Worte beobachtete er Hermine. Sie blickte zu Boden. „Das wird nicht einfach. Ich weiß nicht, ob ich das kann!" sagte sie leise.
„Sie müssen, sonst wird ihr Leben zu einem einzigen schwarzen Loch!" sagte er nachdrücklich, um dann ermutigend hinzuzufügen: „Sie sind auf dem richtigen Weg! Hier in Hogwarts wird ihnen das gelingen!"
Sie warf ihm einen zweifelnden Blick zu. „Ich habe schon in meiner ersten Unterrichtsstunde mehrere Katastrophen nur knapp verhindert. Ich werde meine Schüler in Lebensgefahr bringen!"
Er winkte ab. „Das ist normal. Nach kurzer Zeit werden sie wissen, worauf zu achten ist."
„Ich habe eine Schülerin mit dem Zauberstab bedroht!" Es schüttelte Hermine bei der Erinnerung.
„Ein wenig Schrecken zu verbreiten schadet nie!"
Snape grinste „Außerdem habe zugegebenermaßen ich sie zu dieser Maßnahme getrieben. Das wird auf diese Art und Weise nicht wieder vorkommen."
Hermine versuchte ein Lächeln und sagte dann spöttisch: „Wie nett! Vielen Dank, Professor Snape!"
Er entgegnete seufzend: „Hermine, wenn wir schon die Räumlichkeiten und nun sogar pikante Geschehnisse und Erinnerungen aus unserer Vergangenheit miteinander teilen, können sie mich auch Severus nennen!"
„Auch das wird nicht einfach werden!"
Snape seufzte erneut theatralisch: „Niemand hat behauptet, dass es einfach werden würde! Ich sage das nicht gerne, aber vielleicht sollten sie versuchen, den selbstsicheren, besserwisserischen Teil ihres Selbst in sich zu suchen und wieder hervorzuholen, an den ich mich aus ihrer Schulzeit erinnere."
Hermine lächelte ihn schüchtern an. Kaum zu glauben, dass dieser Mann sie vor kurzer Zeit noch an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte. Gerade eben hatte er ihr einen Teil der schweren Last von den Schultern genommen. Sie fühlte sich zum ersten Mal verstanden.
„Und… was ist mit ihnen? – Mit ihrem Zustand?" fragte Hermine zögerlich. Sie hatte das Bedürfnis, nun ihm zu helfen.
„Wieder so eine Sache, die nicht einfach werden wird." er blickte an sich herunter. „Aber alles Schritt für Schritt, Hermine."
TBC
