Was würde ich nur ohne Eure Reviews tun? Vielen lieben Dank! Und bitte mehr davon!
5. Aus nächster Nähe
Hermine eilte mit schnellen, laut hallenden Schritten durch die schülerverstopften Gänge, bis sie schließlich ein wenig atemlos die Tür zum Lehrerzimmer aufstieß.
Sie blickte sich um – der Raum war leer, bis auf den blutigen Baron, der in einer Ecke schwebte und in eine Konversation mit den Bewohnern eines mittelalterlichen Gemäldes vertieft war. Die Pause bis zum Beginn der nächsten Stunde war recht kurz. Den langen Weg zum Lehrerzimmer sparten sich viele Kollegen und blieben in den Klassenzimmern, um den Unterricht vorzubereiten.
Hermine stieß laut ihren Atem aus, um wenigsten ein wenig von der angestauten Aggression loszuwerden. Sie ließ sich in einem Lehnstuhl neben dem Kamin fallen. Gereizt trommelte sie mit den Fingern auf der weichen Lehne herum.
Im Klassenzimmer hätte sie in diesem Moment nichts und niemand halten können.
Nicht solange er da war.
Sie blickte seufzend zu der leise tickenden Uhr über dem Kamin. Vor Jahren hatte irgendein lustloser Lehrer versucht, die Uhr so zu verzaubern, dass die Zeit bis zur nächsten Unterrichtsstunde langsamer verging. Ohne Erfolg. Zwar hüpften die Zeiger verwirrt hin und her und versuchten, den aufgemalten Klassenzimmern zu entkommen, einer der vielen kleinen Kreise, in dem mit verschnörkelter Schrift Dritter Jahrgang- Gryffindor und Slytherin geschrieben stand, näherte sich jedoch genau in diesem Moment unaufhaltsam dem gemalten Kerkerklassenraum.
Hermine stöhnte. Wie sollte sie bloß die nächste Stunde überstehen? Sie war so wütend auf Snape, dass sie ihm jeden einzelnen der drei unverzeihlichen Flüche an den Hals gewünscht hätte – wenn diese nicht in seinem momentanen Zustand einfach durch ihn hindurchgerauscht wären.
Es war wohl kaum möglich, bereits die nächste Klasse in eine andere Ecke des Schlosses zu verlegen.
Snape noch einmal zu begegnen war somit nicht zu vermeiden.
Sie nahm ein leise kratzendes Geräusch wahr, ignorierte es jedoch zunächst. Sie spürte ihre Kopfschmerzen zurückkehren. Wenigstens waren diese im Laufe der vergangenen Stunde verschwunden, wahrscheinlich durch den ungeheuren Adrenalinschub, den ihr die Nervosität und wachsende Wut beschert hatte.
Das kratzende Geräusch wurde lauter. Hermine beugte sich über die Lehne ihres Stuhls, um die Quelle des Geräusches auszumachen.
Der Raum war noch immer leer. Ihrem eigenen Stuhl gegenüber stand, mit der Rückenlehne zu ihr gewandt, ein weiterer Lehnstuhl.
Hermine wollte sich gerade wieder zurück in den Sitz fallen lassen, als sie aus den Augenwinkeln ein kleines blaues Wesen wahrnahm, dass leise schnarrend über den Boden kroch.
Sie blinzelte.
Eindeutig, es war ein kornisches Pixie, dass sich so unauffällig wie möglich davon stehlen wollte. Hermine überlegte, wie es dorthin gelangt sein könnte und griff in ihre Umhangtasche nach dem Zauberstab, um das lästige Biest mit einem Einfrierzauber außer Gefecht zu setzen.
Bevor sie den Zauber jedoch aussprechen konnte, hörte sie einige unverständliche geflüsterte Worte. Aus Richtung des anderen Stuhls schnellte ein greller Blitz hervor und traf das Pixie, das sogleich vor Schmerzen panisch aufschrie, sich um die eigene Achse drehte und schließlich ächzend zusammenbrach.
„Accio Pixie!" vernahm Hermine die flüsternde Stimme nun deutlicher.
Das leise wimmernde Pixie schwebte durch den Raum, auf den anderen Stuhl zu.
„Was… wer…?" Hermine stand auf.
Sie ging um den anderen Stuhl herum.
Faunia Flamel war dabei, dass Pixie zurück in einen kleinen Käfig zu stecken, den sie auf dem Schoss hielt.
Sie blickte ruhig zu Hermine auf und lächelte sie an.
„Hermine! Ich habe gar nicht gemerkt, dass du hier bist!" Faunia rieb sich nun den Zeigefinger der linken Hand. „Dieses verflixte kleine Ding ist mir entwischt und hat mich gebissen!" Sie warf einen missmutigen Blick zum Käfig.
Hermine blickte von Faunia zum Käfig und zurück auf Faunias Finger.
„Es diente gerade als Anschauungsmaterial für den zweiten Jahrgang!" Fügte Faunia erklärend hinzu.
„Verstehe." Sagte Hermine, ein wenig geschockt über das unnötig harte Vorgehen ihrer Kollegin.
Faunia bemerkte Hermines konsternierten Blick und sagte entschuldigend:
„Ich bin ein wenig gereizt, nicht einfach, eine solche Bande von Schülern zu zähmen." Sie runzelte die Stirn und wies auf den Käfig. „Und dann auch noch so ein Missgeschick. Faunia seufzte. „Ich bin eben nicht Aurorin geworden, um dann Kinder zu unterrichten."
Hermine nickte. Das konnte sie allerdings sehr gut verstehen. Auch sie hatte sich ihre berufliche Zukunft anders vorgestellt. Allerdings wollte sie das Thema ihrer eigentlichen Berufswahl jetzt auf keinen Fall anschneiden. Stattdessen fügte sie lediglich hinzu:
„Es ist tatsächlich nicht einfach, schon gar nicht, wenn man in einem dunklen, feuchten Kerker unterrichten muss und …"
Sie stockte und biss sich auf die Lippen. Faunia würde sie für verrückt erklären, wenn sie ihr von Snapes Schattendasein erzählte.
„und wenn die Schüler einen Kessel nach dem anderen explodieren lassen!" beendete sie schließlich schnaubend ihren Satz.
„Du siehst in der Tat ein wenig mitgenommen aus!" Faunia blickte sie mit ihren leuchtend grünen Augen direkt an.
Hermine schluckte. Der Blick hatte etwas Beklemmendes, Kontrollierendes. Sie erinnerte sich daran, dass Professor McGonagall gesagt hatte, dass Snape und Faunia ähnliche Unterrichtsstile hätten. Nun, was bohrende, durchdringende Blicke anging, konnte die neue Kollegin tatsächlich mit dem Zaubertranklehrer mithalten. Sie fragte sich, was wohl die Schüler von ihrer neuen Lehrerin in Verteidigung gegen die dunklen Künste hielten.
„Sicher nicht angenehm, in Severus' kalten Kerkerräumen arbeiten zu müssen."
Faunias Blick wurde milder. „Obwohl ich dachte, dass die Räumlichkeiten nach seinem Verschwinden ein wenig von ihrer Kälte verloren haben könnten!"
Hermine horchte auf. „Du hast dich nicht besonders gut mit ihm verstanden!" stellte sie fest und fügte in Gedanken hinzu, aber doch gut genug, um ihn beim Vornamen zu nennen.
Faunia lachte auf. „Ich kannte ihn ja nicht sehr lange. Wir kamen miteinander aus. Nicht mehr und nicht weniger. Ich denke, so ging es jedem hier. Lediglich der Direktor hatte ein etwas besseres Verhältnis zu ihm."
Das war soweit nichts Neues für Hermine. Sie blickte erneut zu der tickenden Uhr. Es wurde Zeit. Es war endgültig zu spät, um irgendetwas wegen der Verlegung der Klasse unternehmen zu können. Die meisten Schüler waren sicher schon auf dem Weg zum Kerker.
Sie seufzte und rieb sich den schmerzenden Kopf, in dem – mal wieder- alles durcheinander zu schwirren schien.
Faunia stand auf und legte eine Hand auf ihre Schulter. „Lass dich nicht von den kleinen Monstern unterkriegen! Sei nicht zu nett zu ihnen!"
Sie lächelte süß, „Es kann nie schaden, ein wenig Schrecken zu verbreiten!" rief sie noch, bevor sie nach dem Käfig mit dem noch immer heftig zitternden Pixie griff und mit einem aufmunternden Nicken in Hermines Richtung das Lehrerzimmer verließ.
Hermine winkte ihr nach und schloss für einen Augenblick die Augen und sammelte sich. Sie musste sich jetzt auf den Weg machen, wenn sie pünktlich sein wollte. Sie atmete tief durch. So viele unkontrollierte Wutausbrüche wie in den letzten Tagen hatte sie in ihrem ganzen Leben nicht gehabt. Das durfte auf keinen Fall so weiter gehen.
Entschlossen, sich von Snape nicht mehr aus der Ruhe bringen zu lassen und nach der kommenden Stunde sofort mit Dumbledore wegen der Raumverlegung zu sprechen, trat Hermine schließlich aus dem Lehrerzimmer.
Aus allen Richtungen kamen ihr schnatternde Schülergruppen entgegen, die auf dem Weg in den Unterricht waren und nicht auf die Idee kamen, ihr auszuweichen. Hermine bahnte sich im Slalomlauf einen Weg um sie herum. Kurz erwischte sie sich bei dem Gedanken, dass vor Professor Snape immer alle Schüler aus dem Weg gesprungen waren – soviel also zu ihrer Autorität.
Sie seufzte und verlangsamte ihren Schritt. Sie kam nicht recht vorwärts, weil drei Schüler gemächlich vor ihr schlenderten und den schmalen Gang blockierten. Ganz unabsichtlich lauschte sie ihrem Gespräch.
„…ja, sie sieht wahnsinnig gut aus – und hast du diese Augen gesehen? Das ist der Hammer!" rief einer der beiden Jungen aus. Der andere nickte zustimmend.
Das Mädchen, das zwischen ihnen lief schnaubte, „War ja klar, dass ihr nur darauf achtet. Und die Augen…" sie lachte verächtlich „die hat sie doch einfach mit Augustus'-außergewöhnlichem-Augenlicht-Zauber belegt! Das kann doch jeder!"
Die Jungen blickten sich über den Kopf des Mädchens hinweg an und rollten genervt mit den Augen.
„Außerdem", fuhr das Mädchen etwas leiser fort, „fühle ich mich oft irgendwie unwohl in ihrem Unterricht und … manchmal finde ich sie ein wenig unheimlich!"
Die Jungen schwiegen kurz. Dann lachte einer der beiden. „Nicht unheimlicher als McGonagall, die mitten in der Stunde plötzlich einen Haarballen ausspuckt. Der andere Junge kicherte.
„Aber sie sieht und hört alles! Ist euch das nicht aufgefallen? Sie merkt schon, dass man eine andere Seite im Buch aufschlagen oder aus dem Fenster sehen will, bevor man es überhaupt selber weiß!" Fügte das Mädchen hinzu.
Die Jungen grinsten sich an. „Bin noch nie auf die Idee gekommen, in ihrer Stunde aus dem Fenster zu sehen!"
Das Mädchen seufzte genervt und beschleunigte ihren Schritt. „Ihr seid unglaublich! Beeilen wir uns lieber, wir haben jetzt Zaubertränke!"
Einer der Jungen setzte maulend zu einer Antwort an. Ehe er womöglich über seine Professorin für Zaubertränke sprach, die er, wie Hermine befürchtete, nicht annähernd so faszinierend fand, wie die Professorin, von der er gerade noch geschwärmt hatte, legte sie ihm eine Hand auf die Schulter und sagte:
„Miss Dale hat Recht! Sie sollten sich beeilen, sonst bin ich vor ihnen im Kerker und das bedeutet in der Regel Punktabzug!"
Der Junge erschrak und lächelte sie nervös an.
Hermine ließ den Dreien ein wenig Vorsprung und trat kurz nach ihnen in den Kerkerklassenraum.
ooo
Sie sah sich unauffällig um. Die Schüler saßen auf ihren Plätzen, einige kramten noch in ihren Taschen oder blätterten in ihren Büchern.
Snape stand in an der Wand gelehnt und schaute zu ihr hinüber. Sie schaute zurück, erwartete einen Kommentar, doch es kam nichts.
Sie suchte nach einem Ausdruck des Vorwurfs oder Spotts in seinen Augen, fand ihn jedoch nicht. Stattdessen wandte er seinen Blick schließlich von ihr ab und ließ ihn über die Schülerreihen wandern.
Das bewegte Hermine schließlich dazu, den Unterricht zu beginnen. Einige Schüler hatten schon verwirrt die Wand zwischen Lehrertisch und Bürotür inspiziert, auf der Suche nach dem, was ihre Lehrerin da so gezielt anstarrte.
Erstaunt stellte Hermine fest, dass Snape während der Stunde weder hinter ihr her durch die Reihen schlich, noch Kommentare zu beinahe Kesselexplosionen äußerte. Das blieb auch in der darauf folgenden Stunde mit dem sechsten Jahrgang so, die sich fast nahtlos an den Unterricht der Drittklässler anschloss.
Nach dem Unterricht leerte Hermine mit einem Zauberspruch die teilweise noch dampfenden Kessel und sah nach, ob alle übrig gebliebenen Kräuter und andere Zutaten wieder vorn auf den Lehrertisch gelegt worden waren. Als alles wieder ordentlich sortiert und in die Regale des kleinen Büros gestellt worden war, sah Hermine sich um. Sie hatte es bis jetzt vermieden, irgendetwas anderes als die Utensilien vor sich anzusehen und vermutete, dass Snape sie aus irgendeiner Ecke beobachtete.
Doch er war gar nicht mehr da.
Sie runzelte die Stirn. Wahrscheinlich wollte er sie mit seinen tapfer unterdrückten Kommentaren davon überzeugen, weiterhin hier die Zaubertrankstunden abzuhalten und ihn nicht seinem Schicksal zu überlassen.
Aber so einfach würde sie es ihm nicht machen!
Halb ängstlich, halb erwartungsvoll betrat Hermine die Privaträume.
Snape saß in einem der beiden Sessel vor dem Kamin und blickte in die Flammen.
Hermine betrachtete ihn misstrauisch. Wollte er Mitleid erregen? Das sah ihm nicht ähnlich.
Und sie würde ihm auch keine Chance dazu geben!
Er schien tief in Gedanken versunken. Hermine wartete, doch er bemerkte sie nicht.
Oder er wollte sie nicht bemerken.
Hatte er jetzt beschlossen, sie zu ignorieren?
Das wäre gar nicht schlecht. Hermine überlegte.
Allein die Situation, dass sie beide hier gemeinsam in diesen Privaträumen leben sollten, war absurd! Selbst wenn sie sich gegenseitig ignorierten – das war doch kein Zustand.
Konnte sie wirklich einfach gehen, ohne jemandem von ihm zu erzählen?
Aber es würde ihr doch niemand glauben!
Hermine hatte genug davon, allein darüber nachzudenken. Sie räusperte sich leise.
Snape sah auf und blickte sie an.
Wieder dieser unidentifizierbare Blick.
Hermine hielt dem Blick mühsam stand und dachte: "Jetzt sagen sie schon: was machen sie denn noch hier, ich dachte, sie wollten die Schüler und sich für immer von den kalten Kerkermauern und dem darin herumspukenden Professor befreien. - Sagen sie es und ich bin weg!"
Aber Snape sagte nichts. Er schien zu überlegen, wie er es formulieren sollte.
Die Stille wurde von Sekunde zu Sekunde unerträglicher.
Hermine verschränkte, wie zum Schutz, die Arme vor dem Oberkörper.
Endlich sprach Snape: „Erwarten sie nicht von mir, dass ich tatenlos mit ansehe, wenn der Klassenraum und die Materialsammlung, die ich in jahrelanger Arbeit gepflegt und erweitert habe wegen eines achtlosen oder untauglichen Schülers in Flammen aufgehen."
Hermine öffnete den Mund, um auf die unverschämte Anspielung auf ihren vermeintlich schlechten Unterricht zu reagieren.
Eine flüchtige Handbewegung von ihm stoppte sie.
„Ich habe auch nicht das Gefühl, dass dies unter ihrer Leitung geschehen wird. – Nicht mehr." Es war eine Feststellung, klar und deutlich dargelegt, ohne jegliche Emotion.
Hermine war sprachlos.
Snape sah zurück in die Flammen. Ein Stück Holz war neben die Feuerstelle gefallen. Seine linke Hand bewegte sich kurz in Richtung des Schürhakens, der in einem Korb neben dem Sessel stand. Kurz bevor sie den Korb erreichte, nahm er die Hand zurück und legte sie in seinen Schoß.
„Ich bin in einer äußerst schwierigen Lage, Miss Granger." Auch diese Worte kamen nüchtern, ohne den leisesten Klang der Verzweiflung über seine Lippen.
Sie bemerkte, mit welcher Achtsamkeit er ihren Namen aussprach, als wolle er ihr zeigen, dass er verstanden hatte, dass sie keine informelle Anrede mehr wünschte.
Sie schluckte. Ihr war klar, dass sie niemals näher an eine Entschuldigung für sein Verhalten kommen würde. Auch würde er sie nie deutlicher um ihre Hilfe bitten.
Jetzt war es also an ihr.
Sie setzte sich in den anderen Sessel und platzierte das heruntergefallene Holzstück wieder in der Mitte des Kamins.
Seine Mundwinkel zuckten, die Hand in seinem Schoß bewegte sich leicht.
War es falsch gewesen, dass Holz zurückzulegen? Hatte sie ihn verletzt? Gekränkt?
Hermine begriff, wie demütigend es sein musste, nicht einmal die kleinsten Handgriffe selber machen zu können.
Sie lehnte sich still zurück in den Sessel.
„Ich verstehe nicht..." wagte sie schließlich nach einigen weiteren Augenblicken scheinbar endlosen Schweigens einen zaghaften Vorstoß.
Er wandte sich ihr wieder zu und musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Hermine spürte, dass ihm ein bissiger Kommentar auf der Zunge lag. Wenn das wirklich so war, schluckte er ihn jedoch hinunter und wartete stattdessen auf ihre Erklärung.
„Ich verstehe nicht, wie sie in einem Sessel sitzen können, oder am Tisch lehnen können, wenn sie dennoch nichts anfassen können!" Beendete sie tapfer ihren Satz.
Einen Augenblick lang befürchtete sie, er würde sie anschreien, doch dann zuckten seine Mundwinkel erneut und formten den Hauch ironischen eines Lächelns.
„Ich will ihnen helfen", stammelte Hermine, „ich möchte nur wissen, wonach ich in der Bibliothek suchen soll."
„Ich sitze nicht wirklich in diesem Stuhl. Ich denke mich in diese Position und bringe meinen Körper in diese Form – so jedenfalls habe ich es mir bis jetzt erklärt."
Hermine nickte. Sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte und beschloss, es mit einer Art Arzt-Patient-Gespräch zu versuchen. Das sollte etwas sein, das sie konnte. Natürlich musste sie dabei behutsam vorgehen, damit er sich nicht in die Enge getrieben fühlte.
„Woran erinnern sie sich noch, bevor sie in diesen Zustand geraten sind?" fragte sie vorsichtig.
„An mein ganzes Leben!" Den spöttischen Unterton konnte er sich einfach nicht verkneifen. „Wo soll ich anfangen?"
„Was ist das Letzte, an das sie sich erinnern?" Stellte Hermine die Frage geduldig um, warf ihm jedoch einen warnenden Blick zu.
er schwieg und überlegte.
„Nichts – nur daran, dass ich am Schreibtisch saß, um Aufsätze zu korrigieren."
„Kein Schmerz?"
Nun warf er ihr einen warnenden Blick zu. „Da waren wir schon! Wir drehen uns im Kreis! Ich hatte weder einen lächerlichen Herzinfarkt, noch bin ich tot!"
Hermine hob beschwichtigend die Hände. „In Ordnung. – Waren sie allein hier?"
Er lachte kurz heiser auf. „Ich denke, sie wissen, dass ich kein besonders geselliger Mensch bin."
Hermine seufzte. „Und vor der Korrektur der Aufsätze? Haben sie sich mit jemandem getroffen? Haben sie einen Trank zu sich genommen? Einen Trank, den jemand anderes zubereitet hat?"
Er schüttete den Kopf: „Ich nehme niemals einen Trank, den ich nicht selber zubereitet habe – und warum hätte ich überhaupt einen Trank nehmen sollen?"
„Haben sie sich an diesem Tag mit jemandem getroffen – außer mit den Kollegen?" Wiederholte Hermine die unbeantwortet gebliebene Frage.
Snape schüttelte erneut den Kopf. „Ich denke nicht. Jedenfalls erinnere ich mich nicht daran."
Schweigen.
Sie betrachtete ihn. Er ließ sich kaum etwas anmerken, doch sie ahnte, wie hilflos er sein musste. Sie beschloss, spätestens am Wochenende die Bibliothek auf den Kopf zu stellen, um etwas über seine Situation herauszubekommen.
Als habe er ihre Gedanken gelesen, sagte er kurz darauf: „Wälzen sie nur die Bücher – vielleicht habe ich etwas nicht bedacht, aber ich habe nie von einem Fall gehört oder gelesen, in dem ein gesunder Mensch plötzlich einfach so ..." er stockte „... zu Luft wird!"
„Ich werde es trotzdem in der Bibliothek versuchen!" sagte Hermine fest entschlossen.
Erneutes Schweigen.
Sie wusste noch immer nicht, ob sie hier in diesen Räumen bleiben konnte und wollte.
„Ich sollte versuchen Dumbledore zu überzeugen, dass sie hier sind. Er könnte sicher besser helfen!" sagte sie schließlich leise.
Hier erwähnte sie etwas, das Snape noch nicht wirklich bedacht hatte.
„Nein, sie werden ihn nicht überzeugen", sagte er schließlich so laut und sicher, dass Hermine erschrak. „Es ist seltsam, dass der Direktor meinen Zustand und die ungewöhnliche Situation, in der ich mich befinde nicht selbst bemerkt hat. Gewöhnlich ist er sich über winzigste Veränderungen im Schloss bewusst. Es wird ihm somit sehr schwer fallen, sich vorzustellen, dass in seiner Schule etwas vor sich geht, das er nicht annähernd wahrgenommen hat."
Nach einer kurzen Pause fügte Snape mit einem prüfenden Blick auf Hermine hinzu:
„Und er wird ihnen vor allem nicht glauben, weil er sie für psychisch labil hält. Er wird annehmen, dass sie in ihrer Verwirrtheit, aufgrund des Vorfalls in St. Mungos verzweifelt versuchen, mich zu retten, um mit ihren Schuldgefühlen zurechtzukommen. Er würde sie womöglich selber in St. Mungos einliefern."
Hermine wusste, dass er Recht hatte. Sie hatte sich seit ihrer Ankunft hier wenig selbstbewusst gezeigt und ahnte, dass Dumbledore sich große Sorgen um ihren Seelenzustand machte. Ihr war klar, dass er sie nicht nur wegen ihrer Begabung auf dem Gebiet der Zaubertränke nach Hogwarts geholt hatte. Er wollte ihr helfen, einen Ruhepunkt zu finden und mit der Schuld umzugehen. Wenn sie ihn jetzt mit einem herumgeisternden Snape konfrontierte, könnte er sie tatsächlich für komplett wahnsinnig halten.
Sie überlegte. Selbst wenn Snape noch einmal Kessel und Messer im Klassenraum umherfliegen ließe, Dumbledore würde ihr eher telepathische Fähigkeiten zutrauen, als ihr die wahre Geschichte abzunehmen.
Sie seufzte. Erschwerend kam hinzu, dass für alle Lehrer, selbst für Dumbledore, Snapes Verschwinden scheinbar überhaupt keine Rätsel mehr aufgab. Je mehr sie darüber nachdachte, umso seltsamer kam ihr dieses Verhalten vor.
Wenn sie ihn jetzt verließ oder riskierte, fortgeschickt zu werden, war er verloren.
Hermine bemerkte, wie er sie von der Seite beobachtete.
„Dann schaffen wir es allein", es klang wenig überzeugt und Snape bestätigte dies mit einem skeptischen Schnauben.
Hermine konnte nun ganz deutlich die Hilflosigkeit und Verzweiflung in seinen Augen lesen. Schnell blickte er zurück in den Kamin, als er ihren Blick wahrnahm.
Sie verspürte plötzlich das verrückte Bedürfnis, seine Hand zu nehmen, um ihn zu trösten. Bevor sie sie davon abhalten konnte, lehnte sie sich vor und näherte sich der Sessellehne, auf der seine rechte Hand ruhte. Kurz bevor ihre Hand seine berührt hätte, hielt sie inne.
Er bemerkte, was sie vorhatte und starrte erstaunt sie an. Es war noch immer ein Rest Verzweiflung in seinem Blick, den er erfolglos zu verbergen suchte.
Hermine verharrte regungslos in ihrer Position und hielt die Luft an. Ihre Hand schwebte nur wenige Millimeter über seiner.
Was um Himmels Willen tat sie denn da? Noch vor kurzer Zeit hatte sie den Mann, der jetzt vor ihr saß angeschrieen – und das zu Recht!
Jetzt diese Nähe.
Es ist Mitleid! dachte sie bei sich und versuchte sich so, das seltsame Gefühl im Magen zu erklären.
„Wie soll ich bei einer solchen Geste je meine Kräfte weiter ausbauen? Lassen sie mir keine Chance mehr für Wutausbrüche?" Durchbrach Snape nach scheinbar endlosen Sekunden die peinliche Stille.
Hermine lächelte verlegen und zog ihre Hand fort.
Snape räusperte sich und fragte beiläufig, so als sei nichts zwischen ihnen geschehen: „Wie geht es meinen verehrten Kollegen? Wer hat sich geopfert und führt mein ehrenwertes Haus Slytherin?"
Hermine war dankbar für diese Ablenkung. Sie setzte zu einer Antwort an, spürte jedoch plötzlich, wie eine Welle ungeheuren Schmerzes ihren Kopf durchströmte. Sie stöhnte gequält auf.
Snape beugte sich ein Stück vor.
„Ist das der Entzug des Tranks?" Er versuchte, in ihre Augen zu sehen, doch sie kniff sie fest zusammen.
Hermine nahm ihren Kopf in beide Hände und schnappte ängstlich nach Luft. In ihr drehte sich alles, sie wusste für einen Moment nicht mehr, wo sie war.
Snapes Fragen wirbelten in ihrem Kopf umher und verloren sich schließlich in einem Strudel von Schwindel und Schmerz.
„Geht es wieder?" Snape war aufgestanden.
Der Schmerz verschwand so schnell, wie er gekommen war.
Hermine öffnete die Augen. Snape stand über sie gebeugt, zog sich jedoch sofort zurück, als er merkte, dass sie sich langsam beruhigte.
„Verzeihung" flüsterte Hermine, verwirrt und außer Atem. „Was ist passiert?"
Er setzte sich zurück in den Sessel und beobachtete sie besorgt. Sie sah plötzlich elend aus, blass, zitternd und erschöpft saß sie da. Er fluchte innerlich darüber, dass er in seinem erbärmlichen Zustand nicht dazu fähig war, ihr eine Decke um die Schultern zu legen. Sie schien momentan zu kraftlos, um dies selber tun zu können.
Hilflosigkeit und Wut stiegen in ihm auf. Erbost sah er ins Feuer und hob mit einer ungeduldigen Bewegung seine nutzlosen Hände in die Höhe.
Neue Flamen loderten blitzartig auf, verbreiteten knisternd eine wohltuende Wärme.
Hermine streckte sich in Richtung des Kamins und schaffte es, ihren Sessel näher ans Feuer zu schieben, bevor sie sich wieder hineingleiten ließ. In ihrem Kopf drehte sich noch immer alles.
„Danke", murmelte sie abwesend.
Snape wartete eine Weile und sagte schließlich leise: „Sie sollte sich unbedingt ausruhen!"
Doch Hermine war bereits eingeschlafen.
Snape betrachtete sie. Ihre Hände waren selbst im Schlaf noch immer verkrampft, ihr Gesicht wirkte angespannt und ihre Augen bewegten sich unruhig unter den geschlossenen Liedern.
Er überlegte. Was für ein seltsamer Ausbruch. Ein typisches Symptom der Entgiftung nach Absetzen des Schattenmondkapseltranks? Schon möglich – aber so plötzlich? Und so heftig?
Ihm fiel ein, dass er natürlich schon ähnliche Reaktionen bei Menschen beobachtet hatte – aber nur auf äußerst heikle Fragen, deren Antworten die befragte Person nicht preisgeben konnte, weil sie durch einen magischen Pakt davon abgehalten wurde. Wenn die Person trotzdem versuchte, die Frage zu beantworten, wurde sie von heftigen Schmerzen gepeinigt. Es war ein einfacher aber äußerst wirksamer Pakt.
Das machte jedoch keinen Sinn. Er hatte ihr keine heiklen Fragen gestellt.
Undwarum hätte sie einen solchen Pakt eingehen sollen?
Und mit wem?
TBC
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