Kapitel 3 – Ende der Ferien

Hermione

Jetzt sind es schon zehn Tage, und ich kann es immer noch kaum glauben, dass wir hier sind und uns sicher fühlen dürfen. Meine Eltern haben sich im neuen Haus eingerichtet. Ich weiss zwar immer noch, wo es ist, aber es ist jetzt unter dem Fideliuszauber verborgen, so dass ich es erst finden werde, wenn ich es vom Geheimniswahrer gesagt bekomme. Für die Muggel bleibt natürlich alles beim Alten, nur Hexen und Zauberer können das Haus und meine Eltern nicht sehen. Ich vermute, dass Dumbledore der Geheimniswahrer ist. Zum Glück hat die Versicherung bezahlt und sie konnten fast umgehend in ein neues Haus einziehen. Aber so viele Erinnerungen sind verloren, so viel von den Dingen, an denen wir alle drei hingen, sind in Schutt und Asche aufgegangen, vor allem unsere umfangreiche Bibliothek. Zum Glück war die extra versichert. Auf der anderen Seite gibt es wirklich wichtigere Dinge als Sachen. Wenn's ums nackte Leben geht, ist das viel wichtiger. Wir sind alle noch gesund.

Der heutige Tag beginnt mit viel Sonne. Ich sitze in meinem Bett und ziehe mit dem Zauberstab die Vorhänge zurück. Dann stehe ich auf und strecke mich genüsslich in der warmen Sonne. Das Fenster ist offen, ich schaue über die Geranien hinaus ins Freie. Und blicke ins Weite und in die Berge. Das Haus hat Südlage und wir haben die schönste Aussicht auf die Alpen. Ich schaue mir die Geranien an, pflücke die verblühten Blätter und Blüten und spediere sie hinunter auf den Kompost. Dann giesse ich die Blumen. Als wir eingezogen sind, habe ich die Geranienpflege nahtlos von Barb übernommen. Ginny, Ron, Harry, Sirius und Remus schauen nach denen in ihren Schlafzimmern, aber ich sorge für die übrigen. Ich fühle mich glücklich hier. Sicher, ich vermisse meine Eltern sehr, aber ich bin mit meinen besten Freunden, meinem liebsten und wahrscheinlich bald zweiten liebsten Lehrer zusammen und wir haben eine wunderbare Unterkunft. Wir fühlen uns hier so wohl, dass wir beinahe vergessen, dass da ein Voldemort und seine Todesser frei herumlaufen.

‚Es ist schon bald einen Monat her und nicht ein Wort über die Todesser irgendwo...' denke ich.

Der Tagesprophet hat nie auch nur einen Pieps über Todesser-Aktivitäten berichtet, nicht einmal in leisesten Tönen. Nur Kommentare aus dem Ministerium, dass Dumbledores Gerüchte genau das sind, nämlich Gerüchte, und dass es nicht den leisesten Grund gibt, daran zu glauben, dass Du-Weisst-Schon-Wer wieder da ist. Aber Dumbledore hat uns gestern keine weiteren Neuigkeiten zu berichten gewusst und auch Mr. Weasley wusste nichts neues. Vielleicht suchen sie wirklich einfach nur eine Weile lang neue Anhänger. Vielleicht waren die Attacken auf die Weasleys und uns nur als eine Warnung für Harry gedacht. Mr. Weasley arbeitet ununterbrochen daran, die etwas aufgeschlosseneren Ministerialbeamten davon zu überzeugen, dass man jetzt handeln muss, bevor die Todesser zu stark werden. Offenbar hat er in Amos Diggory jemanden gefunden, der ihn dabei unterstützt. Wenigstens sind einige Leute schon mal auf das vorbereitet, was da kommen könnte. Es ist ein komisches Gefühl, zu wissen, dass wir uns am Vorabend eines Krieges befinden. Ich frage mich, ob die Muggel das auch so empfunden haben, dicht vor einem der beiden Weltkriege in diesem Jahrhundert?

Jetzt schiebe ich diese düsteren Gedanken aber weg und ziehe mich an. Dann tapse ich hinunter in die Küche und fange an, das Frühstück vorzubereiten. Während ich noch dran bin, höre ich noch jemanden die Treppe herunterkommen. Es ist Ginny.

„Hey! Hab ich dich aufgeweckt?" frage ich sie.

Sie schüttelt den Kopf und antwortet: „Nö, hast du nicht. Guten Morgen, Hermione."

„Morgen, Ginny."

Wir setzen uns beide mit einer grossen Tasse Tee auf den Treppenabsatz der Küchentür, um die Morgensonne zu geniessen, die hier voll heranscheint. Die Küche ist nicht unbedingt der hellste Teil des Hauses, denn sie hat nur das Glasfenster in der Küchentür und ein Fenster gleich neben der Tür. Früher hat sie wohl auch noch eines auf der anderen Seite gehabt, das ist aber durch den Einbau des Badezimmers abgedeckt worden. Und da sie hinter den drei Zimmern verläuft, gibt es natürlich auch kein Licht von vorne. Früher gab es wohl auch noch eine Tür zum mittleren Zimmer, doch die ist ausgemauert worden und jetzt ist die Kombination vorne dran.

Wir sitzen in gemütlicher Stille nebeneinander. Dann kommt noch jemand die Treppe herunter. Es ist Harry, der uns einen guten Morgen wünscht:

„Morgen, Mädels!"

„Hallo, Harry," antworten wir beide.

„Und was für ein schöner Morgen!" sagt er, lächelnd, „habt ihr gut geschlafen?"

„Prächtig, danke. Du bist aber heute schon früh charmant," sagt Ginny und schaut ihn an. Ich frage mich, ob sie immer noch in ihn verknallt ist.

„Na ja, das kann mir ja nicht schwer fallen, wenn ich doch jetzt so perfekt glücklich und zufrieden bin... ich finde, dass ich es einfach mit anderen teilen muss!"

Harry

Die Mädchen rücken etwas auseinander und machen mir Platz. Ich setze mich zwischen sie. Ich liebe sie beide. Ich habe schon eine ganze Weile versucht, meine Gefühle für sie auseinander zu dividieren, aber so richtig ernsthaft erst, seit sie bei uns leben. Ginny ist richtig süss. Sie wird mal eine Hexe, die sich gewaschen hat, aber sie muss noch etwas den Kinderschuhen entwachsen. Sie ist immer noch ziemlich schüchtern und spricht nicht sehr viel. Aber in der letzten Zeit ist sie schon viel offener geworden. Unzweifelhaft ist sie ein sehr hübsches Mädchen. Zum Glück kommt sie mehr auf ihren Vater hinaus als auf Mrs Weasley. Sie ist ziemlich gewachsen im letzten Jahr und gleich gross wie ich, schlank, voller lustiger Sommersprossen und ihr langes Haar schimmert kupferrot. Es geht ihr ziemlich weit auf den Rücken hinab.

Hermione ist für ihr Alter immer noch ziemlich klein. Sie ist fast einen halben Kopf kleiner als Ginny. Aber wie sie bin auch ich nicht der Grösste in unserer Klasse. Selbst Neville ist wohl mittlerweile grösser als ich. Hermiones Haare sind so buschig wie eh und je, aber sie sind jetzt so lang, dass es weniger auffällt. Ausserdem hat sie sich an allen wichtigen Stellen im letzten Jahr kräftig entwickelt. Ich werfe einen raschen Blick auf ihren Busen und kehre gleich wieder zu ihrem Gesicht zurück. Sie hat nur ein paar wenige Sommersprossen auf ihrer Nase, drei, um genau zu sein, aber die finde ich ausgesprochen niedlich. Beide Mädchen haben fast die selben braunen Augen. Und beide haben eine sehr hübsche Nase, wenn auch Ginnys Nase ein bisschen länger ist.

Ihr Aussehen ist aber nur ein Teil von ihnen. Ich finde, beide sehen sehr gut aus. Aber ich liebe auch ihre Persönlichkeit. Natürlich ist mir Hermione einiges näher als Ginny, weil wir zusammen schon durch so vieles gegangen sind. Am meisten denke ich daran zurück, wie wir mit dem Zeitumkehrer Sirius gerettet haben und wie sie im letzten Jahr zu mir gehalten hat, als der grösste Teil von Hogwarts mich mies gemacht hat. Dass Ginny fast von klein auf eine Schwäche für mich hatte, ist eher hinderlich als förderlich, denn bis vor kurzem hat sie in mir immer nur den Jungen-der-lebte. Zum Glück baut sie keine peinlichen kleinen Unfälle mehr, über das ist sie jetzt doch hinaus. So langsam will mir scheinen, dass ich mehr von der Ginny zu sehen bekomme, die Ron kennt und gern hat, die Ginny, die kaum je den Mund zukriegt. Hermione ist viel ernster als Ginny. Das heisst nicht, dass sie nicht auch einen Sinn für Humor hat, sie mag einfach gerne alles lernen, was sie noch nicht weiss. Oh Schande, meine Gedanken fangen langsam an im Kreis zu drehen, und ich mache mich noch verrückt damit! Vielleicht verbringe ich einfach in der nächsten Zeit viel Zeit mit den Mädels, dann werde ich schon herausfinden, in welche ich eigentlich verliebt bin. Plötzlich habe ich eine Idee, springe auf und entschuldige mich:

„Muss was erledigen und Ron wecken! Bis später!"

Ich laufe die Treppe hoch und um die Ecke, in Rons Zimmer hinein und ziehe die Vorhänge seines Himmelbetts auseinander. Dann hüpfe ich auf sein Bett und schüttle Ron, bis er stöhnend erwacht.

„Harry! Dein Geburtstag ist vorbei, du hast kein Recht, mich so früh aus dem Schlaf zu reissen!"

„Früh? Guck mal auf die Uhr, es ist kurz vor zehn! Aufwachen, lieber Freund! – Hör mal, Ron, ich habe eine ziemlich wichtige Frage!"

„Eine Frage? Was willst du wissen?"

„Ist 'n bisschen schwierig... aber ich will fair sein. Bist du immer noch an Hermione interessiert? Mit ihr zu gehen interessiert, meine ich..."

„Harry! Natürlich nicht! Und was meinst du mit immer noch? Es war gar nie so was..."

„Bist du dir da völlig sicher?" frage ich etwas ausser Atem.

„Völlig. Warum willst du das wis... oh, du bist in sie verknallt!"

Ich werde rot! Ziemlich rot sogar.

„Ich versuche, es auszusortieren..." erkläre ich.

„Aha. Na ja, ich versuche auch immer noch, mich selber auszusortieren, aber eins kann ich dir sicher sagen, ich bin nicht in Hermione verliebt. Viel Glück, Kollege!"

„Es ist verdammt schwierig, Ron! Ich sehe Ginny, und denke, dass sie ein unglaublich süsses Mädel ist, und dann denke ich dran, was ich mit Hermione schon alles durchlebt habe und finde sie unglaublich nett und beide sind niedlich und hübsch. Wie finde ich das bloss raus?"

„Indem du meine Schwester nicht unglücklich machst!" knurrt Ron.

„Als ob ich willentlich so was tun würde, Ron! Aber wenn ich bei Hermione lande, dann wird sie sicher eine Weile unglücklich sein. Keine Ahnung, ob sie immer noch in mich verknallt ist, aber es wird ihr in jedem Fall weh tun, wenn ich mit Hermione zusammen bin..."

„Du bist auf dich alleine gestellt, was das angeht, Kumpel. Ich kann dir da nicht helfen."

„Bist du in jemanden verknallt?"

„Nein," sagt Ron kurz. Und, nach einem Moment des Überlegens: „Und wenn ich es wäre, hätte die Person vermutlich keine Brüste..."

Ich starre Ron an. Will er mir sagen, dass er schwul ist?

„Ron? Glaubst du, dass du fürs andere Team spielst?" frage ich vorsichtig.

„Bin mir nicht sicher, aber ich glaube, Mädchen törnen mich nicht an," gibt er zu und wird nun seinerseits rot.

„Achte auf deine Träume, die sagen dir vielleicht am ehesten, worauf du abfährst..." bemerke ich.

Ron wird noch röter. Dann gibt er zu:

„Das ist der Grund, warum ich vermute, dass ich schwul bin."

„Na ja, schau dir Remus und Sirius an, ich glaube nicht, dass du einen Grund hast, dich zu genieren, Ron. Aber es wird ein bisschen schwieriger für dich sein, einen Lebenspartner zu finden."

„Ich weiss."

„Hast du es schon sonst jemandem gesagt?"

„Nein. Wie ich schon sagte, ich bin mir nicht ganz sicher..."

„Das verstehe ich. – Stehst du jetzt auf?"

Ron schmeisst mit einem Kissen nach mir und grummelt:

„Nachdem du mich so brutal aus dem Schlummer gerissen hast, bleibt mir wohl nichts anderes übrig."

„Gut! Wir sind draussen!" sage ich fröhlich, lasse das Kissen auf sein Bett fallen und stehe auf.

Als ich die Terrasse erreiche, sind Ginny und Hermione am Lernen. Sie haben Das Standardwerk der Zauberkunst, Band vier draussen und arbeiten sich durch die Zaubersprüche, die wir letztes Jahr gelernt haben.

„Wie kommst du voran, Ginny?" erkundige ich mich.

„Ziemlich gut, danke. Wir haben schon fast alle Zaubersprüche durchgenommen."

„Das ist grossartig. Dann bist du bis zum Ende der Ferien bestimmt soweit, dass du mitkommst."

„Davon gehe ich aus. Und das bedeutet, dass ich mit euch Jungs auch die OWL-Examen machen kann! Ein Jahr früher! Und ausserdem auf eurer Stufe bleiben kann!"

„Dann hast du auch die Schule ein Jahr früher durch!"

„Genau. Obwohl es vor allem bedeutet, dass ich ein Jahr länger mit Apparieren warten muss."

Remus erscheint am Fenster des vorderen Wohnzimmers.

„Guten Morgen, allerseits!"

„Morgen, Remus!" rufen wir im Chor.

„Seid ihr Mädchen am Arbeiten?"

„Ja."

„Dann macht ihr besser weiter. Harry, hilfst du mir beim Einkaufen?"

„Sicher!" sage ich und springe auf.

Remus und ich setzen uns ins Auto und machen uns auf den Weg zum Einkaufen. Wir haben Futter für uns und unsere Nachbarn einzukaufen. Barb hat Remus eine Liste und Geld gegeben. Ich bin beauftragt, beides zu behändigen. Wir fahren zum Bäcker, zum Metzger und dann in die Käserei, wo wir den Bedarf an Milch, Butter und Käse decken, dann gibt's noch einen Stop im Supermarkt, wo wir den Rest der Nahrungsmittel einkaufen. Ich gehe immer gern mit Remus oder Sirius allein zum Einkaufen. Das gibt mir Gelegenheit, mit beiden unter vier Augen zu sprechen.

„Remus?" frage ich, während wir unsere Taschen zum Auto tragen.

„Hm?"

„Wie wusstest du, dass Sirius der Richtige war? Wie hast du gewusst, dass das, was du für ihn empfindest, Liebe war?"

Remus lächelt.

„Ich bin vielleicht nicht die richtige Person, dir diese Frage zu beantworten, Harry, denn ich habe die Vermutung, dass der Wolf in mir drin kräftig mitentschieden hat, in wen ich mich verliebe."

„War Siri für dich denn der Erste?"

„Nein, nicht wirklich. Aber es war eh nicht das selbe. Ich hatte sogar einige kurze Beziehungen, bevor ich mit Sirius zusammenkam, und auch nachdem er nach Azkaban verbannt wurde. Aber über das ‚wie' kann ich dir recht wenig sagen, der Wolf hat immer protestiert. Hat nie einen anderen Partner akzeptiert. Vielleicht fragst du besser Sirius, denn der kämpfte wahrscheinlich mehr mit dem Zweifel als ich. Ich denke, dass Moony einfach schon von Anfang an Sirius als seinen zukünftigen Lebenspartner ansah. Und als dann Padfoot hervorkam, war Moony wahrscheinlich völlig weg..."

„Oh, ich habe den Wolf ganz ausser Acht gelassen. Wölfe binden sich fürs Leben, nicht wahr?"

„Nicht ausschliesslich, oder nicht alle. Wie überall sonst gibt's auch Ausnahmen. Über alles gesehen, bin ich nicht unglücklich über die Tatsache, dass Moony sehr genau weiss, mit wem er zusammen sein will und wahrscheinlich höchst ungern davon abrückt. Weder dein Pate noch ich haben je daran gedacht, uns zu trennen, auch nicht, als die Situation mit Voldemort so richtig schlimm wurde. Das war auch einer der Gründe, warum Sirius den Geheimniswahrer wechseln wollte. Er hatte Angst, dass seine Liebe zu mir ihm in den Weg kommen könnte. Dass ich, weil ich das wusste, ihm alles entlocken könnte, wenn jemand mich dazu zwänge."

„Das macht sogar Sinn."

„Und es ist einer der Gründe, der es mir leicht machte, ihm zu verzeihen, dass er mich verdächtigt hat. Er hat mich durch all das immer geliebt, Harry. Obwohl er annehmen musste, dass ich der Spion war, hat er mich immer geliebt."

Ich lächle.

„Er hat gut gewählt!"

„Danke, Harry. – Aber warum stellst du mir diese Frage? Hast du dich verliebt?"

„Ich weiss es nicht so recht. Darum frage ich. Ich möchte wissen, wie man es weiss, dass man verliebt ist. Ich weiss nicht, ob ich so weit bin..."

„Ich denke, wenn du es bist, dann wirst du es auch wissen."

„Was ist, wenn man mehr als eine Person gern hat? Und sich nicht entscheiden kann?"

Wir haben alles ins Auto geladen und setzen uns wieder hinein. Remus steckt den Gurt ins Schloss, startet den Wagen und schaut nach hinten, um aus dem Parkplatz zu fahren. Er ist offensichtlich ziemlich amüsiert und antwortet:

„Dann sollte man noch eine Weile zuwarten. Ich bin sicher, dass es Anzeichen gibt, welches die richtige ist. Und am Ende kann es auch jemand völlig anderes sein, weisst du..."

„Das ist alles so kompliziert," grummle ich.

„Wenn es etwas ernsthaftes ist, würde ich nicht nur experimentieren, Harry, selbst wenn es zur Zeit nur eine Möglichkeit ist. Oder aber, gib dem Mädchen einen Hinweis, dass du experimentierst, damit sie selber so viel einbringen kann, wie sie es für richtig hält. Alles andere wäre ziemlich mies. Du schwankst zwischen Ginny und Hermione, nicht wahr?"

Ich nicke. Er merkt alles! Oder ich bin viel zu offensichtlich. Wahrscheinlich das zweite in Kombination mit dem ersten.

„Und ich will auf gar keinen Fall einer von beiden weh tun. Ich mag beide so gut leiden! Aber ich weiss einfach nicht, wie ich es herausfinden kann, ob ich in eine von ihnen wirklich verliebt bin."

„Dafür gibt's kein Patentrezept, fürchte ich, Harry. Folge vielleicht am ehesten dem Rat, den du heute früh Ron gegeben hast."

„Oh, das hast du gehört?"

„Werwolfgehör. Und du hast die Tür offengelassen. Sorry."

„Das heisst, du weisst das von Ron..."

Remus nickt.

„Das wird ihm vielleicht nicht gefallen..."

„Wir werden sicher nicht darüber sprechen, Harry, aber wenn er jemanden braucht, mit dem er reden kann, dann ist er bei uns jederzeit willkommen."

Ich seufze, weil ich weiss, wie ungern er überhaupt mit jemandem über so persönliche Sachen spricht.

Als wir nach Hause kommen, bringe ich die Einkäufe und das Rückgeld zu Barb in die Küche. Ich helfe ihr auch, alles zu versorgen. Sie schaut mich an und bemerkt:

„Ich habe dich heute morgen mit deinen Freundinnen gesehen. Das sind hübsche Mädchen, Harry."

„Ja, das sind sie! Hermione und ich sind seit unserem ersten Jahr in Hogwarts eng befreundet. Sie ist immer die Jahresbeste gewesen. Jetzt unterrichtet sie Ginny, damit die mit uns zusammen das fünfte Jahr in Angriff nehmen kann. Sie wäre ja eigentlich erst eine Viertklässlerin."

„Bist du am Ende ein bisschen in Hermione verliebt?" fragt sie mit schelmischem Lachen in den Augen.

„Wenn ich das bloss wüsste! Ich mag sie. Sogar sehr. Aber Ginny auch. Auch sehr. Ich weiss nicht, wie ich's ausknobeln soll."

„Das ist aber übel! Am besten verbringst du einfach Zeit mit einem Mädchen alleine. Dann hast du eine Möglichkeit, deine Gefühle zu vergleichen. Wenn ich das recht verstanden habe, habt ihr noch den ganzen August Ferien, nicht wahr?"

„Ja, so ist das bei uns zuhause in England."

„Das hatten wir hier früher auch. Jetzt nicht mehr, weil die Kinder der Bauern nicht mehr zuhause helfen müssen, da hat man fast überall die Ferien anders übers Jahr verteilt."

Ich gehe zurück zu unserem Haus und denke dabei über Barbs Rat nach. Die beste Zeit, etwas zu tun ist immer, wenn man dran denkt, also frage ich Hermione später, ob sie mit mir spazieren gehen mag.

Hermione

„Ein Spaziergang? Klar, gerne!"

Wir spazieren hinter dem Haus zum Waldrand und folgen dessen Verlauf dem Berg entlang nach oben. Als wir die nächste Hügelkuppe erreichen, setzen wir uns ins Gras. Vor einem Monat ist die Wiese gemäht worden, jetzt wächst das Gras nochmals kräftig nach. Ich ziehe einen Grashalm heraus und kaue am hellen, wässrig schmeckenden Ende. Das ist etwas, das ich immer dann mache, wenn ich nervös bin. Und jetzt bin ich schrecklich nervös! Harry geht normalerweise nur dann mit mir spazieren, wenn ihm etwas auf die Seele drückt, aber heute ist er ganz ruhig und gelassen. Im Gegenteil, er hat noch selten so fröhlich und unbeschwert auf mich gewirkt. Harry lässt sich auf den Rücken fallen und starrt in den Himmel.

„Wo wohl alle Kühe sind? Ich dachte, die haben hier alle Kühe..." wundert er sich.

„Housi hat mir gesagt, dass die meisten davon weiter oben auf den Alpen gesömmert werden. Auf diese Weise können die Bauern hier unten alles Gras für die Winterfütterung verwenden."

„Ach so."

„Mir gefällt's hier total gut, und dir?" frage ich ihn.

„Es scheint fast unwirklich. Findest du nicht auch? Irgendwie scheinen wir fast weg von allem, dabei ist es gar nicht weit bis zur nächsten kleinen Stadt."

„Das stimmt."

„Ja, mir gefällt's hier auch so gut. Was gibt's da schon nicht zu gefallen? Wir sind wie eine Familie, wir haben noch einen ganzen Monat Ferien, und wir haben Remus und Sirius die ganze Zeit bei uns. Selbst mit Schule wird's mit ihnen nicht sehr viel anders sein."

Er bringt mich zum Schmunzeln. Ist es nicht typisch für Harry, dem eine solche vollständig abgegangen ist, dass seine wichtigste Quelle der Zufriedenheit die Familie ist? Aber er hat recht, für mich gilt ähnliches. Ich verstehe mich zwar mit meinen Eltern perfekt gut, aber ich habe auch keine Geschwister. Mit meinen drei besten Freunden wie mit Geschwistern zu leben ist wunderbar. Obwohl es mir recht wäre, wenn eines der Geschwister eher etwas anderes wäre. Ich schaue hinunter und direkt in Harrys Augen. Diese Augen – meine Güte, ich habe wirklich noch nie solche grünen Augen gesehen. Sie sind klar wie Smaragde.

Harry

Ich bemerke, dass sie mich anstarrt, dass mir dabei ganz flau im Magen wird. Ob das bedeutet, dass sie unsere Freundschaft auch gern einen Schritt weiter ziehen möchte?

„Ich freue mich so sehr darauf, dass die beiden uns unterrichten werden, Harry. Und nur vier von uns in einer Klasse, wir werden so viel mehr lernen können! Das wird grossartig," sagt sie.

Bevor ich ihr antworten kann, sehen wir eine Gestalt nur ein paar Meter weit weg von uns am Waldrand auftauchen. Die Gestalt ist in einen schwarzen Umhang eingehüllt, daher ist mein erster Gedanke: Todesser, aber dann bemerken wir beide sofort, dass er keine Maske trägt und die Kapuze seines Umhangs ist unten. Es ist Snape!

„Snape? Was will der denn hier?" frage ich leise.

„Keine Ahnung," antwortet sie ebenso leise. „Professor Snape!"

Snape schaut sich um, erkennt uns und kommt näher. Wir stehen beide auf und gehen ihm entgegen.

„Guten Tag, Professor. Wollen Sie zu Remus und Sirius?" fragt Hermione höflich.

„Muss, von wollen kann keine Rede sein. Wo finde ich das Haus, in dem ihr wohnt?" fragt er, sauertöpfisch wie immer. Kommt mir immer noch vor wie eine übergrosse Fledermaus, der Typ.

„Sie sind gar nicht weit weg davon, es ist das Bauernhaus da unten," sagt Hermione und deutet mit der Hand darauf.

„Ah. Gut, ihr braucht mich nicht zu begleiten, ich werde es finden," schnappt er und marschiert los.

„Sind bestimmt alle draussen auf der Terrasse vor dem Haus, gleich neben dem Garten," ruft Hermione ihm noch nach.

Snape nickt und geht. Hermione und ich folgen ihm natürlich, denn jeder Besuch aus England bedeutet auch Nachrichten, das wollen wir auf keinen Fall versäumen. Nicht, wenn es uns gelingt, seiner Unterhaltung mit Remus und Sirius zuzuhören.

Remus

Sirius und ich sitzen auf zwei komfortablen Liegestühlen auf der Terrasse vor dem Haus und lesen. Sirius geht immer noch durch die Transfigurationstheorie. Er hat sie fast durch und das Zaubertränke-Lehrbuch ist schon unter seinem Liegestuhl, da er sich dort als nächstes einlesen will. Da geht der drinnen Todesseralarm los. Beim Aufschauen entdecke ich, dass Severus daran festklebt. Ich senke rasch den Schutzzauber, den er nicht durchdringen kann. Er kommt herüber und ich setze den Zauber gleich wieder in Kraft.

„Oh, hallo, Severus! Komm hierher und setz dich unter den Sonnenschirm, sonst schmilzt du! Es ist heute wirklich ziemlich warm."

„Lupin – Black... das wird wohl angebracht sein. Ich bringe euch Schulmaterial, welches ihr für das nächste Schuljahr brauchen werdet und die Nachricht, dass ihr noch zwei Schüler dazu bekommt. Erinnerst du dich an Blaise Zabini, Lupin?"

„Fünftklässler, Slytherin," nicke ich.

„Seine Eltern sind ermordet worden. Er ist nur entkommen, weil er zu dem Zeitpunkt bei seiner Grossmutter in den Ferien war. Wir haben ihn jetzt in Hogwarts in Sicherheit."

„Todesser?" frage ich nur.

„Wer sonst?" fragt Severus übellaunig zurück.

„Warum sollten die's ausgerechnet auf Slytherins abgesehen haben?" fragt Sirius erstaunt.

„Zeigten keine Lust, sich auf die Seite des Dunklen Lords zu schlagen. Allemal ein Grund für sie, auch reinblütige Zauberer zu massakrieren. Nicht alle Slytherins unterstützen ihn. Das ist einer von den beiden. Der andere ist Justin Finch-Fletchley, Hufflepuff. Muggel-geborener."

„Ich erinnere mich auch an Justin..." sage ich, aber dann sehe ich noch mehr Neuankömmlinge. „Oh, noch mehr Besuch. Tut mir leid, Severus, um die muss ich mich rasch kümmern, das sind die Leute, die unser Haus umbauen werden."

Ich stehe auf und gehe hinüber zu dem Auto, aus dem zwei Leute klettern. Ich grüsse sie und führe sie zum Haus, wo wir noch einmal die Änderungen durchsprechen, die in Angriff genommen werden und wann mit den Arbeiten begonnen werden soll. Ich führe sie gleich weiter zum hinteren Teil des Hauses, wo ich auf den früheren Stall deute.

„Können Sie das auch ausbauen? Wir brauchen Schlaf- und Badezimmer. Und Durchgänge zum Rest des Hauses."

„Natürlich können wir das. Wir haben uns sogar ein bisschen gewundert, dass Sie einen Umbau nur für diesen mittleren Teil wünschten."

„Wir brauchten eigentlich nicht mehr Platz. Der Grund für die Neuorientierung ist uns eben erst präsentiert worden. Wir sollen noch mehr Schüler erhalten und für die brauchen wir Raum. Daher wäre es gut, wenn man das auch gleich machen könnte."

„Wir haben ja schon den Plan für das ganze Haus, wir werden etwas entwerfen und Ihnen unseren Vorschlag in den nächsten Tagen unterbreiten. An wie viele Zimmer hatten Sie gedacht?"

„Die Grösse entspricht ja ungefähr der des bereits bestehenden Wohnteils..." bemerke ich.

„Richtig. Würde ich auch so sehen."

„Nun, dann müssten eigentlich unten ebenso wie auf der anderen Seite drei Zimmer zur hinteren Front hinaus drin liegen und zwei Zimmer mit Fenstern zur Seite. Und innen drin ein Badezimmer. Halt ohne Fenster, aber für ein Badezimmer macht das ja nicht so viel. Dann das selbe noch mal im ersten Stock und drei Zimmer und ein Bad unter dem Dach. Nur, um genügend Platz zu haben, falls sie uns noch mehr Schüler anhängen wollen. Womit ich jetzt rechne."

Der Architekt lacht und sagt, wieder ernsthafter:

„Das schaffen wir aber nicht vor dem ersten September."

„Kein Problem. Die können zunächst noch ein bisschen zusammen hausen. Zu zweit werden sie schon noch Platz genug haben. Und wenn nicht, können ein paar von ihnen auch noch im oberen Galeriestockwerk campieren, bis ihre neuen Zimmer fertig sind. Wir möchten diese Zimmer im Stil passend zum Haus haben, dass man von aussen nichts allzu modernes sieht. Ausser natürlich Dachfenster in den beiden oberen Etagen."

„Geht in Ordnung, das werde ich so berücksichtigen. Die Bauarbeiten beginnen morgen, der Chef der Truppe ist Herr Franzen hier, den ich Ihnen vorstellen wollte. Und für den hinteren Teil haben Sie spätestens in zwei Tagen unsere Vorschläge, wobei ich denke, dass wir die Böden gleich beim Einbau der Galerie auch im hinteren Teil einziehen werden. Wenn Sie noch irgendwelche Fragen haben, stellen Sie sie jederzeit Herrn Franzen, wenn er sie nicht beantworten kann, wird er Sie an uns verweisen."

Sirius

Ich zitiere eine grosse Kanne Eistee aus der Küche und Gläser für alle. Ginny sitzt unter dem Sonnenschirm am langen Tisch und schreibt einen Brief für ihre Eltern. Ron sitzt drinnen am Computer, alle Fenster zum Haus sind weit offen.

Snape schaut sich um.

„Hübsche Gegend..." brummt er. Ich wette, er missgönnt uns, dass wir hier eine ziemlich gute Ausflucht vor der Teilnahme am Krieg haben.

„Ja, das ist es. Das Haus ist auch grossartig. Wir sind alle sehr glücklich, hier zu sein. Und für mich ist es wie ein Paradies, nach allem, was ich durchgemacht habe. Hier habe ich mich endlich richtig erholt. Ich bin sicher, Blaise und Justin werden sich hier ebenso wohlfühlen."

„Wer wird sie in Zaubertränke unterrichten? Du, nehme ich an, Lupin war ja nicht grade eine Leuchte in dem Fach..."

„Ja, ich werde es machen. Bin grade dabei, mir all die Theorie wieder in Erinnerung zu rufen, Transfiguration ist schon durch, Zaubertränke kommt als nächstes. Gibst du mir den Lehrplan für das, was du mit den Fünftklässlern machen wirst?"

„Hab ich alles hier. – Waren die Leute eben Muggel?"

„Ja, wir sollten besser nicht allzu viel zaubern, so lange die hier sind. Die Nachbarn hier sind auch Muggel, aber die wissen über uns Bescheid und finden uns total spannend."

Hermione und Harry haben sich jetzt auch an den Tisch gesetzt und ihre Gläser gefüllt. Harry hat ein Spiel geholt, zu dem er sich mit Hermione zusammen setzt. Ginny beteiligt sich ebenfalls daran, als sie mit ihrem Brief fertig ist. Dann sehen wir Remus, der die Bauleute zu ihrem Auto zurück begleitet. Danach kommt er wieder zu uns. Ein leichter Wind kommt auf und verschafft uns etwas Kühlung. Und dann beginnt der Himmel, sich zu bedecken. Wir sind jetzt schon lange genug hier um zu erkennen, dass sich das gleich in einem gewaltigen Gewitter entladen wird. Wir spedieren daher alles hinein, machen alle Liegestühle und Sonnenschirme klein und nehmen sie ebenfalls mit hinein.

„Ron, du schaltest den Computer besser aus!" ruft Hermione.

„Warum?"

„Gewitter steht an. Computer mögen das nicht sehr gerne."

„Oh! – Okay."

Barbs Hund kommt mit uns ins Haus gelaufen. Auch er spürt das heraufziehende Unwetter. Und wirklich, nicht lange, nachdem wir uns ins Haus zurückgezogen haben, hören wir die ersten Donnerschläge und sehen den ersten Blitz. Es ist ganz dunkel. In der Küche ist es fast Nacht. Wir drehen das Licht an.

„Lasst uns ins Wohnzimmer hinüber gehen," schlage ich vor, „Obwohl wir das Licht da auch anzünden müssen."

Drinnen setzen wir uns. Severus vergrössert die Sachen, die er mitgebracht hat. Ein grosser Packen Pergamente beinhaltet den Lehrplan für alle Fächer, die wir unterrichten wollen. Dann kommen die Schulbücher für die Kinder und die für uns Lehrer. Auch das Schulmaterial für die beiden zusätzlichen Jungen ist schon berücksichtigt. Schliesslich sind noch alle Zaubertränke-Zutaten dabei, die ich brauchen werde. Das ist der grösste Packen.

„Alle frischen Zutaten kann ich dir schicken, wann immer du sie benötigst," bemerkt Severus, „Oder kannst du die hier kaufen?"

„Wir müssen nach Bern, aber es ist kein Problem, sie hier einzukaufen. Es ist eine gut ausgestattete Apotheke. Und vielleicht können wir sie ja per Eulenpost abrufen. Das kann ich sicher mit denen abmachen," antworte ich.

„So lange wir nicht wieder über Lucius Malfoy dabei stolpern, wenn wir nach Bern gehen," grummelt Remus.

„Lucius? In der Schweiz? Was der hier wohl wollte..."

„Keine Ahnung, aber wir haben nicht so lange gewartet, bis wir's rausgefunden haben, wir sind abgedampft."

„Das war bestimmt klug gehandelt. Also, dann warte ich darauf, dass du das mit denen abklärst, schick mir 'ne Eule, wie die Sache steht. Wenn nötig, können wir immer noch Anana oder Benana schicken."

„Das ist in Ordnung. – Also, die Attacken sind wieder losgegangen?" fragt Remus.

„Ja, aber nicht so richtig. Ich weiss schon von ein paar Angriffen. Das Massaker an den Zabinis war allerdings ein klarer Fall von Einschüchterung. Der Dunkle Lord wollte potentiellen Todessern zeigen, dass er ein nein nicht akzeptiert."

„Wie reagiert Fudge darauf?" frage ich.

„Überhaupt nicht, was dachtest du denn, Black? Die sind schnell da, um alles unter den Teppich zu kehren und Stillschweigen zu bewahren. Wir haben aber doch ein paar Ordensmitglieder, die jeweils mit den Auroren zusammen zur Stelle sind, manchmal sogar schon vorher, und die machen hübsch Bildchen um Bildchen. Irgendwann wird Dumbledore die dem Tagespropheten zuspielen lassen. Wir haben sogar schon Beweise dafür, dass Fudge Auroren dazu zwingt, Vergesszauber über die Nachbarn zu sprechen, damit die sich nicht daran erinnern, dass sie das Dunkle Mal gesehen haben. Nicht auf Bones' Order, sondern dem direkten Befehl von Fudge. Aber ich glaube, die meisten halten sich nicht dran."

„Fudge ist gefährlich!" rufe ich empört aus.

„Und er sitzt direkt in Lucius Malfoys Tasche. Der hat schon so viel Geld ‚gestiftet', von dem wir annehmen können, dass es Bestechungsgelder sind, dass Malfoy ihn jetzt ohne Probleme damit erpressen kann. Lucius kommandiert ihn praktisch herum. Wir brauchen nur noch einen halbwegs handfesten Beweis dafür und dann sind beide geliefert."

„Wenn Fudge bis dahin seine eigene Macht nicht schon allzu gut konsolidiert hat," gebe ich zu bedenken und erkundige mich dann: „Irgendwas möglich in Richtung Gefangennahme von Pettigrew?"

„Ich habe ihn bisher überhaupt erst einmal gesehen. Ich glaube, Voldemort hält ihn absichtlich ausser Sicht. Ich bin allerdings auch erst dreimal zitiert worden. Das erste Mal war nicht grade erfreulich..."

„Haben sie dich demnach wieder ‚aufgenommen'?" fragt Remus.

„Zögerlich. Ich glaube, ich bin immer noch auf Probe, aber ich bekomme das schon noch klar. Ich weiss ziemlich gut, wie ich den Dunklen Lord behandeln muss. Ich fürchte nur, dass ich für einige Todesfälle verantwortlich gemacht werden kann. Er hat bereits eine Reihe von Zaubertränken bei mir bestellt. Ich muss sie brauen und alle können nicht fehlerhaft sein."

„Du wirst dich beweisen müssen. Das ist ein übler Job, Severus," sagt Remus und ich stimme ihm aus vollem Herzen zu. Es ist Dreckarbeit und ich habe eine hübsche Portion Hochachtung vor Snape, dass er sich in diese Gefahr begibt. Er ist härter im Nehmen und eine Menge mutiger als viele andere Slytherins.

„Ihr habt sicher im Moment den einfacheren Job. – Was ich noch wissen wollte ist, wann du wieder Wolfsbanntrank brauchst, Lupin."

„Wahrscheinlich nicht mehr, Sirius arbeitet dran. Bis dahin habe ich noch genug."

„Gut. – Ich muss gehen."

„Wann bringst du Blaise und Justin her?"

„Minerva wird das machen. Ich weiss nicht, wann. Sicherheit, damit ich auch unter Folter nichts verraten könnte."

„Auch gut. Wir werden es so organisieren, dass Harry für eine Weile zu Ron umzieht. Es wird ein paar Wochen dauern, bis auch der hintere Teil des Hauses umgebaut ist."

„Das werden die wohl überleben."

Severus verschwindet. Wir versorgen das Material.

Die Bauarbeiten beginnen am nächsten Tag. Alles, was noch in der Scheune war, wird von uns am Abend ausgeräumt, danach haben wir die ganze Scheune gründlich sauber gemacht, damit die gleich anfangen können.

Zunächst kommen die Zimmerleute, um die Holzrahmen für die Glaswände, Fenster und Türen zu bauen.

Dann wird ein zusätzlicher Kellerraum ausgegraben, der mit dem bestehenden Keller verbunden wird, damit wir einen Platz für die neue Heizung bekommen, eine Erdwärmepumpe neuester Bauart. Leider können wir nur im neu renovierten Teil die Bodenheizung einrichten, aber wir können die beiden Systeme verbinden und die Radiatoren im vorderen Teil des Hauses an das System anschliessen, somit werden wir kein Heizöl mehr benötigen. Der Boden wird mit einer dünnen Zementschicht versehen, dann kommen die Heizschlangen für die Bodenheizung, der Heizungsmonteur kommt, um im neuen Keller eine grössere Heizung einzubauen, die danach für das ganze Haus reichen wird. Die Heizschlangen werden einzementiert. In die hintere Mauer wird eine neue Tür eingebaut, die bereits bestehende wird für den Durchgang zum hinteren Teil des Hauses erweitert.

Das Haus ist zum Glück bereits an die lokale Kanalisation angeschlossen. Im hinteren Teil des Hauses besteht bereits ein Wasseranschluss. Nun braucht es nur noch Leitungen zum Badezimmer unten und in die oberen Stockwerke. Drei grosse Boiler werden in den drei Badezimmer später angebracht. Eine Abwasserleitung für die Badezimmer und die Toiletten ist zusammen mit der Wasserleitung entstanden.

Nachdem der Boden und die Wände gemacht sind, kommen die Zimmerleute wieder. Sie haben viel zu tun, um aus der alten Heubühne den Boden für die Bibliothek zu bauen und eine Treppe hochzuziehen. Zunächst stellen sie vier solide Säulen aus altem Eichenholz auf. Dann kommt der Rahmen für den neuen Boden, der sich an die hintere Mauer anlehnt. Die Grundfläche der Bibliothek ist etwa zwei Drittel des Klassenzimmers. Die Treppe wird eingefügt.

Nun kommen die nächsten Säulen, die dann den Boden des zukünftigen Gemeinschaftsraumes tragen. Eine weitere Treppe führt dann hinauf in das oberste Zimmer, noch einmal ebenso breit wie die Bibliothek. Es soll ein grösserer Gemeinschaftsraum werden, damit wir uns nicht alle in den kleineren Wohnzimmern auf den Füssen herumstehen.

Die Architekten kommen und zeigen uns die Pläne und Zeichnungen für die zusätzlichen Schlafzimmer. Die sehen tiptop aus und wir genehmigen die Sache fast unbesehen. Remus nimmt die Mädchen mit zum Küchenbauer, um die Badezimmereinrichtungen auszusuchen. Die Architekten bestellen sofort die Einrichtungen für die Badezimmer, nachdem sie von Remus die Angaben erhalten haben.

Alle neuen Zimmer, welche an der Front des Hauses liegen werden, bekommen die gleichen Fenster mit Fensterläden wie auf der vorderen Frontseite. Die inneren Zimmer werden im ersten und zweiten Stock mit je zwei normalen, beziehungsweise Dachfenstern ausgerüstet. Das einzige Zimmer, das im zweiten Stock zur Seite hinausgeht, bekommt zwei Dachfenster. Und alle drei Stockwerke werden ihr eigenes Bad erhalten.

Die Arbeiten werden bis ungefähr Ende Oktober dauern.

Das Klassenzimmer wird gut ausgestattet werden. Wir werden ein Whiteboard aufhängen, das wir verschwinden lassen können, wenn es nicht gebraucht wird, ich werde zwei Tischreihen und einen Lehrertisch aufstellen, ausserdem werde ich spezielle Tische für die Zaubertränkestunden aufstellen, mit soliden Granitabdeckungen, damit wenig Schaden am Mobiliar entstehen kann, wenn mal ein Zaubertrank schief geht. Da dieser Teil des Hauses ziemlich gross ist, werden wir eine Menge Platz haben. Den Boden werden wir zum grössten Teil mit Spannteppich belegen, nur in der Zaubertränkeabteilung werde ich wohl Steinboden hinzaubern. In den Galerien werden wir die Holzböden mit Spannteppichen belegen. In der ersten Etage werden eine Menge Regale an den Wänden und in der Mitte für die Bibliothek aufgestellt, dazu werden Sitzgruppen und Tische mit Stühlen kommen. Und oben drauf werden wir dann ein gemütliches Wohnzimmer als Gemeinschaftsraum für alle einrichten.

Remus

Drei Tage nach Snapes Besuch steht plötzlich Minerva mit Blaise Zabini, Justin Finch-Fletchley und den Patil-Zwillingen vor dem Haus. Sirius und ich heissen sie willkommen und führen sie hinein, weil es regnet.

„Hallo zusammen! Kommt rein, es ist garstig draussen und drinnen gibt's gleich Tee. Noch zwei, eh?" sagt Sirius.

„Leider. Sieht ganz so aus, als wollten die Todesser die Hälfte unserer Fünftklässler eliminieren. Erinnert ihr euch an Shannah und Vaidyanathan Patil?" fragt Minerva, nachdem sie uns beide begrüsst hat.

„Ja, natürlich. Vaidyanathan war was, drei oder vier Jahre vor uns? Shannah war in unserem Jahr und in Ravenclaw," sage ich.

„Genau die. Wurden auch angegriffen, konnten sich aber zum Glück retten. Danach haben sie Albus gefragt, ob Parvati und Padma vielleicht in Hogwarts unterkommen könnten und Albus hat ihnen das geschützte Haus hier vorgeschlagen. Sie waren beide sehr froh über das Angebot. Wie steht's mit dem Platz hier?"

„Geht in Ordnung. Wir lassen ja das Haus gerade umbauen, hinten gibt's jede Menge Zimmer. So etwa dreizehn... aber bis dahin werden sie ein bisschen zusammenrücken müssen. Ginny kann zu Hermione ziehen, dann habt ihr beiden euer Zimmer zusammen, bis der Ausbau fertig ist," erkläre ich den Mädchen.

„Danke, Professor Lupin," sagt Padma.

Alle vier Teenager starren Sirius ziemlich entsetzt an. Natürlich sieht er jetzt viel besser aus als auf den Fahndungsbildern, aber die Kinder erkennen ihn natürlich dennoch. Minerva bemerkt ihre Blicke und erklärt:

„Ihr werdet alles über Professor Blacks Abenteuer und Schicksal erfahren, aber lasst mich euch zuerst versichern, dass wir euch keineswegs in die Hände eines Mörders und Verräters geben. Habt ihr alle euer Gepäck?"

Die Kinder holen alle ihre verkleinerten Gepäckstücke hervor und Minerva macht alles wieder gross. Dann bringt sie noch ein kleines Paket, das sie vergrössert und den Zwillingen reicht.

„Hier sind alle eure Schulbücher drin. Diejenigen für euch zwei sind bereits hier im Haus," wendet sie sich an die Jungen.

Harry, Hermione, Ron und Ginny sind mittlerweile neugierig aus dem Wohnzimmer und ihren Zimmern in die Küche gekommen. Ich schaue alle an und bemerke zu Minerva:

„Wir werden ja eine richtige kleine Hogwarts-Filiale!"

„Es sieht sehr danach aus."

„Harry, Ron, Hermione, Ginny, wärt ihr bereit, euren Schulkameraden den Weg zu zeigen und ihnen mit ihrem Gepäck zu helfen? Ich bin sicher, dass Professor McGonagall sich noch mit uns über Schulangelegenheiten unterhalten will," frage ich.

„Klar, machen wir!"

Harry

Wir levitieren Justins und Blaises Gepäck nach oben, wahrscheinlich sehr zu Professor McGonagalls Erstaunen. Wir bringen die beiden zu Rons Zimmer, das dieser gestern für sie geräumt hat.

„Hier, das ist Rons Zimmer, das könnt ihr benützen, bis eure eigenen fertig sind. Wird etwa zwei oder drei Monate dauern, habe ich gehört. Das Badezimmer, das ihr benutzen könnt, ist unten in der Küche. Das da drüben ist für die Mädchen," erkläre ich.

„Danke! Sorry, dass wir dich aus deinem Zimmer schmeissen, Ron," sagt Blaise.

„Ach, ist ja nur für eine Weile. Macht mir nichts aus. Ich hoffe, dass es euch hier auch so gut gefällt wie uns. Bisher hatten wir nur Spass, nicht wahr, Harry?"

„Total! Es war total Spitze, seit wir hier eingezogen sind."

„Echt? Ehrlich gesagt, war ich total geschockt, als ich Black erkannt habe," gibt Blaise zu.

„Warte nur, bis du ihn kennen lernst, er ist ein wirklich cooler Typ. Ihr werdet sicher heute Abend die ganze Geschichte zu hören bekommen, dann werdet ihr ihn bald genauso mögen wie wir. Ist es überhaupt okay, euch zusammen hier ins Zimmer zu pferchen?"

„Mir ist es egal, wie steht's mit dir, Finch-Fletchley?"

„Kein Problem. Ich werd's bestimmt überleben."

„Dann lassen wir euch mal Zeit, damit ihr euch einrichten könnt," sage ich und verlasse das Zimmer mit Ron.

Ginny

Hermione und ich helfen Padma und Parvati, ihre Sachen hinaufzubringen und dann mache ich mich gleich daran, alle meine Sachen zu Hermione hinüber zu bringen. Zum Glück ist Platz genug dafür. Ich habe ja nicht so viel. Padma und Parvati helfen mir noch dabei, dann spediere ich das ganze Zeug hinüber zu Hermione. Wir räumen alle ein, dann gehen wir noch mal zu den Zwillingen zurück, um ihnen zu sagen, dass sie herunterkommen sollen, wenn sie bereit sind. Aber Padma hält uns zurück.

„Hermione, ich bin so erschrocken, als ich diesen Mann sah! Und ihr lebt mit ihm, als ob er nicht all die Muggel umgebracht hätte..."

„Er hat sie nicht umgebracht, Padma. Es sah bloss so aus, aber er wurde hereingelegt. Ihr hört bestimmt gleich heute Abend die ganze Geschichte. Und dann werdet ihr bald mal merken, dass Sirius der netteste Typ ist, den ihr euch vorstellen könnt. Er ist auch ziemlich komisch und macht 'ne Menge irrer Sachen. Ich kann euch versprechen, dass wir mit ihm als Lehrer jede Menge Spass haben werden, mit Remus sicher auch," sagt Hermione.

„Ich mochte Professor Lupin. Einer der wenigen wirklich normalen Lehrer, die wir bisher hatten. Stimmt es, dass er ein Werwolf ist?"

„Ja, das stimmt. Nur ein bisschen Geduld, dann diskutieren wir das alles. Wir werden ja nicht drum herumkommen, jetzt, wo ihr vier zu uns gestossen seid."

„Okay, dann kommen wir nachher runter. Das ist hier übrigens wirklich hübsch."

„Wartet nur, bis ihr es bei schönem Wetter seht! Bis nachher!"

Remus

Eine Stunde später sind alle unten in der Küche, wo Sirius und ich unser Abendessen kochen. Wir haben kurz und bündig sämtliches Geschirr kopiert und damit den Bestand verdoppelt. Selbst diese Menge füllt noch nicht alle vorhandenen Schränke, was es leichter macht, alles wieder verstauen zu können. Schliesslich hat sich unser Haushalt ja auch quasi von einem Moment auf den nächsten fast verdoppelt. Ich bitte die Teens, den Tisch zu decken, dann setzen wir uns, Ginny rückt nach hinten, Justin setzt sich neben Ron, die Zwillinge setzen sich auf der linken Tischhälfte neben Sirius und Blaise sitzt neben mir.

Während des Essens sprechen wir über alles mögliche und die Überfälle, deren Opfer die Kinder geworden sind. Als wir mit Essen fertig sind, heisse ich alle, am Tisch zu bleiben, spediere das Geschirr zum Spülen und Sirius macht Kaffee für alle, die Lust dazu haben. Dann setze ich mich in meinem Stuhl zurück und schaue alle an.

„Nun, ich denke, wir bringen die Erklärungen am besten gleich hinter uns. Zunächst einmal, wie es in diesem Haushalt so zugehen soll. Es gelten die selben Regeln wie in Hogwarts. Da wir hier alle anfallenden Hausarbeiten selber erledigen müssen, werden Sirius und ich einen Verteiler für die Aufgaben machen, so dass jede und jeder nicht immer die selben Arbeiten erledigen muss. Da ihr hier auch in den Ferien zaubern dürft, erleichtert das die Sache schon ziemlich, nicht wahr?"

Hier unterbrechen mich die Neuankömmlinge mit einem kurzen ‚Hurra!' Ich grinse.

„Dachte ich mir's, dass euch das gefällt. Was immer ihr an Hausaufgaben über die Ferien weg bekommen habt, erledigt ihr und gebt es Sirius und mir ab, wir werden die Arbeiten ansehen und korrigieren. Sirius wird euch in Zaubertränke, Transfiguration und Arithmantik unterrichten, bei mir werdet ihr Verteidigung, Zauberkunst, Geschichte und Alte Runen lernen. Beide zusammen werden wir abwechslungsweise Astronomie, Theorie in Kräuterkunde und Pflege Magischer Geschöpfe lehren und schliesslich machen wir jeden Tag auf irgendeine Art auch Muggelkunde. Das letztere wird euch vor allem dadurch nahe gebracht, dass wir hier in einem Muggelhaus leben und dass wir uns oft unter den Muggeln bewegen werden, daher könnt ihr euch beruhigt auch auf dieses Examen vorbereiten, ich bin sicher, dass ihr dort mit fliegenden Fahnen einen OWL holen werdet."

Ich mache eine kurze Pause. Dann:

„Nun. Ich sehe, dass ihr Sirius nicht mehr wie ein Monster anstarrt. Wahrscheinlich habt ihr alle schon gemerkt, dass er kein übler Kerl, sondern im Gegenteil sehr nett ist. Ich weiss nicht, wie gut ihr über die Geschichte Bescheid wisst, die ihn nach Azkaban gebracht hat, aber wir sind bereit, sie euch zu erzählen, wenn ihr sie hören wollt."

„Oh ja, Professor Lupin, bitte erzählen Sie sie uns, wir möchten es verstehen," sagt Padma. Sie ist eindeutig das Sprachrohr der Zwillinge. Wenn sie da ist, sagt Parvati nicht allzu viel. Interessant, denn es ist Parvati, welche in Gryffindor ist...

„Bevor ich das mache, klären wir noch einen Punkt. Ron, Ginny, Harry und Hermione nennen Sirius und mich beim Vornamen und sagen du zu uns. Wir sind zwar offiziell eure Professoren, aber wir mögen nicht so gern so viel Distanz, daher schlage ich vor, dass ihr uns beide ebenso wie die anderen mit dem Vornamen ansprecht. Ich höre auf Remus oder meinen Übernamen Moony, und Sirius hat ebenfalls einen Übernamen, den er nicht ungern hört, Padfoot. Okay?"

Das scheint sie alle glücklich zu machen, also fahre ich weiter:

„Okay. Ich möchte auch, dass ihr euch alle ebenfalls beim Vornamen ansprecht, zu diesem Zweck haben wir sie nämlich. Nun denn, unsere Geschichte. Es fing alles damit an, als Sirius, Harrys Dad James, Peter Pettigrew und ich nach Hogwarts kamen und alle nach Gryffindor sortiert wurden. Wir wurden Freunde, etwas Neues für mich, denn ich hatte keine richtigen Freunde, bevor ich nach Hogwarts kam. Ich hatte schon gar nicht erst erwartet, überhaupt nach Hogwarts zu kommen. Das beste, was ich mir erwarten konnte, war eine Schule der Muggel zu besuchen. Denn als ich nicht ganz fünf Jahre alt war, wurde ich von einem Werwolf gebissen. Ich überlebte meine Verletzungen, aber ihr wisst ja, das bedeutete, dass ich von da an selber einer war. In Hogwarts versuchte ich, diese Tatsache geheim zu halten, wie meine Eltern und Professor Dumbledore es mir geraten hatten, aber nach einiger Zeit kamen meine Freunde dahinter. Da wir einen Schlafsaal teilten, bemerkten sie natürlich meine häufigen Abwesenheiten, was bald zu unangenehmen Fragen und etwas plumpen Lügen meinerseits führte. Sirius wird euch bestätigen, dass ich ein sehr schlechter Lügner bin. Mich plagte natürlich auch der Gewissensbiss deswegen, wer lügt schon gerne seine Freunde an? Ich sagte ihnen, ich sei krank gewesen oder aber, dass ich hätte heimkehren müssen, weil meine Mutter krank war und so. Die merkten natürlich bald, dass daran was faul war. In jenen Tagen waren meine Transformationen – na ja, sagen wir mal sehr unschön. Professor Dumbledore hatte mir die Chance gegeben, die Schule zu besuchen, aber bei Vollmond verliess ich das Schloss und begab mich in die Heulende Hütte. Madam Pomfrey brachte mich jeweils zur Peitschenden Weide, die lässt sich nämlich besänftigen und dann tut sich an ihrem Stamm ein Durchgang auf, ein geheimer Gang, der bis zum Keller der Heulenden Hütte reicht, in der ich mich dann einschloss..."

Ich erzähle ihnen die ganze Geschichte, bis zu Harrys Geburt. Ich lasse nicht einmal aus, dass Sirius und ich ein Paar geworden und dass wir nach der Schule zusammengezogen waren. Und dann komme ich zu den letzten Wochen vor der Ermordung der Potters.

„Man konnte niemandem mehr vertrauen. Aber wir waren doch die Rumtreiber, wir waren Freunde durch dick und dünn gewesen, und jetzt behauptete jemand, dass einer von uns ein Verräter sei und Voldemort Informationen über uns weitergab. Es konnte nicht James sein, denn Voldemort war am meisten hinter ihm her. Ich wusste, dass ich es nicht sein konnte, und ich hielt Peter für zu schwächlich, ein Todesser zu werden. Also verdächtigte ich automatisch Sirius. Ich war mir natürlich nicht wirklich sicher, aber es gab so viele Anzeichen, als ich mal darauf Acht zu geben begann, was er so machte. Es war mehr ein ungutes Gefühl in der Magengrube. Da waren die vielen Male, in denen er ohne mich wegging und mir nicht sagen wollte, wohin und mit wem. Keiner unserer Freunde hatte ihn dann jeweils gesehen, was ich sehr verdächtig fand. So ging das während Monaten. Zur gleichen Zeit hatte Sirius die gleichen Schlüsse gezogen wie ich, nur kam er auf mich. Leider haben wir uns beide nie getraut, unseren Verdacht auszusprechen. Hätten wir es getan, wären wir wohl rasch auf den richtigen Verräter gekommen. Dann kam der Tag, an dem Harrys Familie mit dem Fideliuszauber versteckt werden sollte. Alles, was ich darüber wusste war, dass Sirius ihr Geheimniswahrer war. Kaum eine Woche später waren James und Lily Potter tot und Voldemort beinahe tot von dem Avada Kedavra Fluch, der von Harry abgeprallt und auf Voldemort zurückgefallen war. Das war an Halloween 1981, Harry war gerade fünfzehn Monate alt. Sirius war am Abend zuhause gewesen, aber so gegen neun wurde er sehr rastlos und sagte schliesslich, dass er noch etwas zu erledigen habe. Er kehrte nie zurück und das nächste, was ich zu hören bekam war, dass Harrys Eltern tot waren und Sirius dafür verantwortlich gemacht wurde. Es kam noch schlimmer, denn Pettigrew war ihm gefolgt, hatte ihn gestellt und war dabei ums Leben gekommen, zusammen mit zwölf zufällig in der Nähe stehenden Muggeln. Während zwölf Jahren glaubte ich an diese Version der Geschichte, aber sie ist nicht richtig. Die Sache ist ganz anders als die offizielle Geschichtsschreibung sie vermerkt. Einige Tage, bevor der Fideliuszauber gesprochen werden sollte, hatte Sirius den Potters klar gemacht, dass es viel zu offensichtlich wäre, wenn er der Geheimniswahrer sein würde. Jeder würde gleich erraten, dass er es sei, er schlug daher vor, zu tauschen und Peter zu bitten, den Posten zu übernehmen. Peter wäre viel besser geeignet, denn niemand würde erwarten, dass er sich für so etwas hergab. Peter war einverstanden und so tauschten sie, ohne es mir zu sagen, denn Sirius dachte ja, ich wäre der Verräter. Das, was er an Halloween 1981 noch erledigen wollte war, zu checken, ob Peter noch in Ordnung war. Aber als er zu Peters Wohnung kam, war dieser nicht zuhause. Nichts in der Wohnung liess darauf schliessen, dass es irgend einen Kampf gegeben hatte, Peter konnte also auch nur einfach ausgegangen sein, aber Sirius hatte ein ungutes Gefühl in der Magengrube und fuhr voller Angst nach Godric's Hollow, wo die Potters wohnten..."

„...wie konnte er denn wissen, wo er hin musste, wenn die Potters mit diesem Zauber verborgen waren?" fragt Padma schlau.

„Gute Frage, Padma. Der Fideliuszauber verhindert nicht, dass man ‚weiss', wo die versteckte Person sich aufhält, man kann sie nur nicht sehen. Eine weitere Eigenschaft des Zaubers ist, dass die Beteiligten nach wie vor Kontakt miteinander haben können, der Geheimniswahrer muss nur die Leute, welche noch in Berührung mit seinen Schützlingen kommen sollen, darüber informieren, wo sich die Versteckten befinden. Jeder ausser dem Geheimniswahrer kann ohne Probleme anderen erzählen, wo die Versteckten sind, aber es nützt der Drittperson nichts, wenn die dann selber hingehen, so sehen sie die Versteckten trotzdem nicht. Nur dann, wenn der Geheimniswahrer eigenhändig jemandem Auskunft gibt, können sie mit den Schützlingen zusammenkommen. Sirius war sehr wohl von Peter unterrichtet, wo James, Lily und Harry waren."

„Ach so."

„Sirius flog also sein verrücktes Motorrad so schnell er konnte nach Godric's Hollow. Er war zu spät. Hagrid war jedoch bereits da und hatte Harry aus den Trümmern geholt. Sie stritten sich eine Weile lang, denn Sirius ist Harrys Pate, er wollte sich des Jungen annehmen, aber Hagrid beharrte darauf, dass er von Dumbledore den Auftrag hatte, das Kind zu ihm zu bringen. Darauf gab Sirius Hagrid sein Motorrad. Und dann beging Sirius den grössten Fehler seines Lebens, der ihn seine Freiheit kosten sollte. Er stellte Peter Pettigrew, unterschätzte diesen, denn der war darauf vorbereitet. Ihr erinnert euch: seine Animagusform ist die Ratte. Im Augenblick, in dem er Sirius vor sich erkannte, rief er laut den berühmten Spruch, dass Sirius Lily und James verraten hätte, schnitt sich den Zeigefinger seiner rechten Hand ab, sprengte den Gehsteig hinter sich mit dem im Rücken gehaltenen Zauberstab in die Luft und transformierte im selben Augenblick in die Ratte, die dann unauffällig mit einem Haufen anderer Ratten die Stätte des Geschehens verlassen konnte."

Die Teens halten den Atem an, als ich an diesem Punkt der Geschichte ankomme.

„Jeder wäre in diesem Moment ausser sich gewesen. Sirius, völlig verrückt vor Trauer über James und Lily, schnappte beinahe über und brach in hysterisches Gelächter aus. Er war gerade klassisch aufs Kreuz gelegt worden und was immer Fudge auch behauptet, wie schwierig es gewesen war, ihn festzunehmen, er wäre in dieser Gemütslage jedem gefolgt. Er hatte ja erwartet, dass bei einer Gerichtsverhandlung alles an den Tag kommen würde. Aber er bekam keine. Er wurde des Mordes an Peter Pettigrew und zwölf Muggeln für schuldig befunden, Bartemius Crouch, der damalige Chef der Abteilung für magischen Strafvollzug und Hauptankläger dieser Zeit, behauptete ohne jede Veranlassung, dass Sirius die rechte Hand Voldemorts sei und man verfrachtete ihn direkt nach Azkaban. Sirius wurde nicht erlaubt, auch nur ein Wort zu seiner eigenen Verteidigung zu sagen, wahrscheinlich hätte er es in dem Moment nicht einmal gekonnt. Es wurden aber einige Zeugen befragt, die kaum nennenswerte Auskunft geben konnten, nur Dumbledore und ich sagten aus, was wir damals wussten, nämlich, dass Sirius der Geheimniswahrer gewesen war. Ihr könnt euch in etwa ausrechnen, dass das für die Herren Crouch und Fudge mehr als ausreichend war. Die Sache wurde abgeschlossen, man begann, Sirius in Azkaban zu vergessen."

„Oh mein Gott, das klingt freilich sehr viel anders als die offizielle Version," haucht Parvati.

„Das würde ich auch sagen, Parvati."

„Und wie bist du dann aus Azkaban rausgekommen, Sirius? Ich meine, das ist vor dir ja noch nie jemandem geglückt?" fragt Padma.

Sirius beantwortet ihre Frage zunächst mit einer Gegenfrage: „Weisst du, wie Dementoren funktionieren, Padma?"

Sie schüttelt ihr hübsches Köpfchen und sagt:

„Nein, nicht genau. Aber ich erinnere mich dran, als die den Hogwarts Express durchsucht haben, als wir zu unserem dritten Jahr unterwegs waren. Es war ein scheussliches Gefühl und ich erinnerte mich ganz deutlich an den Tag, als ich mich mit etwa vier Jahren im Wald verirrt hatte und nicht einmal Parvati mehr bei mir war. Und ich fühlte die exakt gleiche Verzweiflung wie damals..."

„Genau. Das ist so, weil die Dementoren sich quasi von den guten Gefühlen derer ernähren in deren Nähe sie gelangen. Sie ziehen alles Glück, alles Liebe aus dir heraus und lassen dich mit deinen schlimmsten Erfahrungen, Erinnerungen und Gefühlen zurück. Alle deine erlittene Pein, was immer dir Übles widerfahren ist in deinem Leben, kommt immer und immer wieder in deinen Kopf zurück. In Azkaban bist du dem jeden Tag ausgesetzt. In den meisten Teilen des Gefängnisses passieren die Dementoren ein- oder zweimal am Tag, aber mich hatten sie in den Hochsicherheitstrakt gesteckt, wo eines dieser Monstren immer vor meiner Tür stand. Die einzige Möglichkeit, die sich mir bot, mich ihnen zu entziehen, war das einzige Stück Magie, das mir noch geblieben war, meine Animagusform. Dementoren sind blind, wisst ihr, sie orientieren sich an den menschlichen Emotionen, aber sie sind keine Gefahr für Tiere, deren Emotionen sie nicht aufnehmen können. Wenn alles zu unerträglich wurde, dann zog ich mich zu Padfoot zurück. Padfoot hat mich gerettet und bei Verstand behalten, so dass ich nie vergass, wer ich war. Dazu kam auch noch die Tatsache, dass ich unschuldig dort festsass und das ist in einer solchen Umgebung alles andere als ein glücklicher Gedanke, es war nichts, was die Dementoren aus mir herausziehen konnten und so wusste ich auch nach Jahren immer noch, wer ich war, hatte meine magischen Kräfte bewahrt. Aber ich war sehr schwach geworden und ohne Zauberstab war es mir natürlich unmöglich, mir die Dementoren vom Leib zu halten. Dann kam eines Tages Fudge zu einer seiner Inspektionen durch den Hochsicherheitstrakt und sprach mit mir. Als er gehen wollte, bat ich ihn um die Zeitung, die er bei sich hatte, weil ich gern das Kreuzworträtsel lösen wollte. Er gab sie mir und ging. Ich sah auf das Titelblatt und erstarrte. Auf der Titelseite war ein grosses Foto der Weasley-Familie, und mitten drin stand Ron mit einer Ratte auf seiner Schulter."

„Ich erinnere mich an die. Wie nanntest du ihn noch, Ron? Scabbers, nicht wahr?" sagt Parvati.

Ron nickt unglücklich.

„Aber diese Ratte war keine wirkliche Ratte. Es war Peter Pettigrew in seiner Animagusform."

Sirius erzählt den Kindern die Story seines Ausbruchs, von seinen Versuchen, Harry zu sehen und an die Ratte heranzukommen, und schliesslich davon, wie er Hermione, Ron, Harry und mir in der Heulenden Hütte begegnet ist. Und dann auch noch von seinen Abenteuern, seit es ihm gelungen war, aus Hogwarts zu entfliehen.

„Was für eine Geschichte. Die ist es ja wert, als Roman aufgeschrieben zu werden," meint Justin am Ende.

„Klingt fantastischer als jeder Roman, Justin," meint Parvati trocken.

„Remus, wie kommt es, dass wir nie auch nur auf den Verdacht kamen, dass du ein Werwolf bist, damals als du in Hogwarts Lehrer warst?" fragt Blaise plötzlich.

„Es gibt seit ein paar Jahren einen neuen Zaubertrank, den Wolfsbanntrank. Wenn ich den in der Woche vor dem Vollmond einnehme, dann verwandle ich mich zwar immer noch in den Wolf, aber ich behalte einen klaren Kopf dabei. Das Hauptproblem bei der Werwolftransformation ist, dass man dabei den Verstand verliert und so lange man sich in der Wolfsform befindet, verliert man völlig die Kontrolle über sich selber. Das ist auch der Grund dafür, dass die meisten Menschen mich als einen übermässig kontrollierten Menschen erfahren. Der unfreiwillige Verlust meiner selbst führt dazu, dass ich mich ansonsten immer sehr in der Hand habe. Der Wolfsbanntrank hilft mir, bei Verstand zu bleiben, das heisst, ich bin nicht gefährlicher als Sirius in seiner Animagusform. Natürlich, wenn ich jemanden so beisse, dass Blut hervorkommt, dann wird der immer noch zum Werwolf, aber die Lust zum Beissen, die Aggression, die Rage und der Blutdurst, die jeder Werwolf kennt, die sind weg."

„Alle Bücher sagen, dass Werwölfe das wollen. Aggressiv sein, meine ich... aber du bist immer so nett gewesen, ich hätte nie gedacht, dass grade du einer bist," sagt Blaise.

„Ich werde nicht abstreiten, dass es solche Werwölfe gibt, Blaise, Werwölfe, die diese Rage und diesen Blutdurst begrüssen und denken, dass sie die ultimative Freiheit haben. Aber die meisten von uns hassen sich selber dafür und versuchen nur, ein möglichst normales Leben zu führen und nicht aufzufallen.

Es gab einen Moment, in dem die gesunden Zauberer entschieden, dass keinem Werwolf zu trauen sei und das war der Moment, in dem Gesetze erlassen wurden, die Werwölfe zu Zauberern zweiter Klasse stempelten. Man schloss sie in etwa so aus, wie man in der Nazizeit die Juden ausschloss und es gab immer wieder Versuche, sie einfach auszurotten.

Heute leben die meisten meiner Art völlig von der Gesellschaft ausgestossen. Es ist kein Wunder, dass sie in den Vollmondnächten ihre Gegend heimsuchen, denn man versagt ihnen die Möglichkeit, für sich selbst zu sorgen und damit die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass man die anderen vor sich schützt.

Nur, weil Sirius und James mich in Schach halten konnten, habe ich es zugelassen, dass wir damals während der Schulzeit die Heulende Hütte verliessen. Wir hielten uns meistens in den umliegenden Wäldern auf. Nachdem Sirius nach Azkaban gebracht worden war, gab's für mich nur noch den Weg in die Keller wenn der Mond voll wurde. Ich war aber auch viel im Ausland, in Gegenden, wo es kaum Menschen gab, aber auch keine Keller, so dass ich in solchen Nächten in den Wäldern herumlief.

Aber ich bin froh und dankbar zu wissen, dass ich selber nie einen anderen Menschen zu dem gemacht habe, was ich bin, Blaise. Es ist nämlich keineswegs so, dass alle Werwölfe Spass daran haben einer zu sein. Mit wenigen Ausnahmen finden es alle äusserst abstossend und die meisten hassen sich selber und die Mitwelt gründlich dafür. Dass ich nicht so geworden bin, verdanke ich zunächst meinen Eltern und dann meinen Freunden. Ohne sie wäre ich vermutlich längstens in Depressionen und selbstzerstörerischen Exzessen umgekommen. – Was im übrigen das Erkennen eines Werwolfs angeht, so kann ich nur sagen, dass fast alle Bücher riesengrossen Unsinn verzapfen. In dem Moment, in dem du einen echten von einem Werwolf unterscheiden kannst, wenn du ihn siehst, ist es mit Sicherheit längst zu spät. Und wenn ein Werwolf in seiner menschlichen Gestalt vor dir steht, so wirst du allenfalls sehen, dass er vermutlich einige Narben hat, etwas blasser ist als andere und meistens ziemlich müde. Du musst dich schon längere Zeit ununterbrochen in seiner Gesellschaft befinden, um drauf zu kommen."

Jetzt grinst Blaise. Und fragt nach:

„Du meinst, dass die meisten Werwölfe gar nicht erst erkannt werden?"

„Nicht unbedingt, aber es gibt tatsächlich eine Menge, die schlüpfen. Am Arbeitsplatz wird man ihnen in der Zaubererwelt ziemlich rasch auf die Schliche kommen, nämlich dann, wenn sie Monat für Monat immer wieder ein paar Tage wegen Krankheit ausfallen. Ohne Wolfsbanntrank ist man bestimmt einen bis drei Tage nach der Transformation ausser Dienst. Mit dem Wolfsbanntrank kann ich mich im Lauf des Morgens nach der Transformation erholen. Es ist ja nur diese eine Nacht und wenn ich dabei ruhig bin, dann schlafe ich während der Nacht. Die Transformation zurück zum Menschen ist allerdings fast so schlimm wie die in den Wolf, das nimmt dann schon noch immer sehr mit."

„Tut es weh?" fragt Parvati.

„Grade angenehm ist es nicht..." sage ich ausweichend.

Sirius schnaubt verächtlich.

„Grade angenehm ist es nicht, sagst du? Es zerreisst mich beinahe jedes Mal, wenn ich es miterlebe. Natürlich tut es weh, Parvati, stell es dir so vor, dass du in Stücke zerrissen und neu zusammengesetzt wirst! Und es dauert alles immer mehrere Minuten. Remus schnipst nicht mit den Fingern und ist ein Wolf, so wie ich in Gedankenschnelle zum Hund werde, bei ihm ist das ein rein physischer Vorgang verbunden mit Magie. Es tut nicht nur einfach weh, es muss zum Verrücktwerden weh tun. Nimm jetzt noch all die Jahre dazu, in denen er keinen Wolfsbanntrank hatte. Er musste sich einschliessen und weil der Wolf niemanden fand, den er anknabbern konnte, hat er seine ganze Wut auf sich selber gerichtet. Wenn Remus in der Schule nach einer Transformation in den Krankenflügel kam, dann sah er schrecklich aus. Über die ganze Brust, die Arme, die Hände, die Beine, überall hatte er Wunden, Bisse, Kratzwunden und meistens war er blutüberströmt. Bevor wir zu ihm hineinkonnten, haben wir immer morgens in Madam Pomfreys Büro auf ihn gewartet, um sicher zu gehen, dass er die Nacht überhaupt überlebt hatte. So war das damals," sagt er leidenschaftlich.

Alle acht Teens schauen mich mit grossen, runden Augen an, selbst die drei, die das schon einmal gehört haben. Ich zucke nur mit den Schultern.

„Ich verletze mich nicht mehr selber..." sage ich schwach.

„Das ist das einzige, was mich damit versöhnt, Remus. Jeder, der dämliche Sprüche über Werwölfe reisst, sollte dich einmal gesehen haben, wie du aus deinem selbst gebauten Gefängnis zurückgekehrt bist damals. Vielleicht würden dann all die Leute, die sich vor Angst in die Hose machen, einmal merken, wie das ist, wenn man das Monat für Monat ertragen muss. Jedem Werwolf, der das so lange erträgt – geduldig erträgt – wie du – müsste man eigentlich ein Denkmal setzen."

Ich kann ihn nur verliebt ansehen. Es ist heute noch genau wie damals, Sirius redet sich in eine unglaubliche Aufregung hinein, wenn's um mich geht. Die Schüler schauen ihn ganz erstaunt an. Erstaunlicherweise ist es Parvati, die ihm sofort zustimmt.

„Mum und Dad haben uns immer von einem Werwolf erzählt, den sie kannten, und immer grossen Respekt dabei gezeigt. Ihr habt beide gesagt, dass ihr unsere Eltern gekannt habt, haben sie wohl von dir gesprochen, Remus? Einen Namen haben sie nie genannt. Sie haben uns beide immer eingehämmert, vorurteilsfrei auf die Leute zuzugehen, egal, wer oder was sie sind und erst ein Bild zu machen, wenn man die Leute kennen gelernt hat."

„Ich weiss nicht, ob sie ausser mir noch andere Werwölfe gekannt haben, Parvati. Es ist schon möglich, wir haben sie ziemlich gut gekannt, damals. Nachdem Sirius verhaftet wurde, habe ich mich ziemlich aus allen Kreisen zurückgezogen, in denen wir uns als Paar bewegt haben. Nicht alle, aber ziemlich viele, sind mir danach mit noch mehr Misstrauen begegnet, weil sie dachten, ich hätte wohl mit Sirius unter einer Decke gesteckt. Selbst noch, als ich als Lehrer nach Hogwarts kam. Severus Snape hat mich von Anfang an verdächtigt, Sirius zu helfen, in die Schule einzudringen. Was ich natürlich nicht getan habe, ich hielt ihn ja zu diesem Zeitpunkt noch genauso für schuldig wie die anderen."

„Wie hast du es eigentlich geschafft, da reinzukommen, Sirius? Wo doch angeblich keiner rein kann, der nicht rein soll..." fragt Justin.

Sirius grinst und gibt zu:

„Mit genau denselben Tricks, die wir benutzten, als wir zur Schule gingen, und diese heimlich verlassen wollten, Justin. Ich habe geheime Gänge benutzt, von denen möglicherweise nicht einmal Dumbledore etwas weiss. Oder höchstens der. An den Dementoren bin ich als Hund vorbeigetrottet. Die haben sich nicht mal umgedreht. In die Schule einzudringen, war kein Problem. Das hätte ich jederzeit auch noch geschafft, nachdem Flitwick den Haupteingang behext hat, mich zu erkennen."

Justin grinst jetzt auch. Nachdem er nun die ganze Geschichte kennt, schaut er Sirius mit ziemlich viel Hochachtung an.

„Es ist schon erstaunlich, dass du auch immer noch bereit bist, dich am Kampf gegen die Todesser zu beteiligen, um einer Gesellschaft beizustehen, die dich ohne die geringsten Skrupel und Nachfragen einfach hinrichten würde."

„Erst mal kämpfe ich an der Heimfront, indem ich euch Blagen was einzutrichtern versuche," sagt Sirius und grinst noch breiter.

Nach diesem langen Gespräch fangen die Kinder an, aufzustehen und sich zu verteilen. Harry schaut hinaus und fragt:

„Hey, der Regen hat aufgehört! Wer kommt mit noch ein bisschen fliegen?"

„Ich hab' meinen Besen da, ich komme," sagt Parvati sofort und Padma ist auch gleich dabei.

Justin hat auch einen, Ginny und Ron sind ebenfalls mit von der Partie, nur Blaise hat keinen. Er bleibt bei Hermione und die beiden fangen an, sich im vorderen Wohnzimmer zu unterhalten, während Hermione ein paar E-Mails abholt und liest. Sirius und ich gehen im Büro noch ein wenig unserer Arbeit an den Lehrplänen nach und bereiten Stunden vor. Wobei Sirius es einfacher hat als ich, denn Snape und Minerva haben ihm praktisch ihre kompletten Pläne zur Verfügung gestellt, aber er muss sie natürlich schon auch noch durcharbeiten. Sirius hat sich vorgenommen, alle Zaubertränke, die er mit den Schülern brauen muss, erst einmal selber herzustellen. Ich staune über seine Entschlossenheit, alles so gründlich vorzubereiten. Er will vorher wissen, worüber er zu sprechen hat. Noch immer ist er manchmal rastlos, aber jetzt konzentriert er sich auf eine Aufgabe, das gibt ihm Lebensinhalt und das tut ihm ausgezeichnet. Es hat ihm schon immer gut getan, wenn er gebraucht worden ist, wenn jemand ihn vor eine Aufgabe stellte. Wenn er das hat, ist er am machtvollsten, dann kann er sein wahres Können entfalten.

Um elf stehe ich auf und rufe die Kinder wieder herein. Ich schicke sie ins Bett und wünsche ihnen eine gute Nacht.

„Gute Nacht, Remus, gute Nacht, Sirius!" rufen sie alle, bevor sie nach oben verschwinden.

„Gute Nacht, miteinander!"