3. Zarte Bande
Am nächsten Morgen erwachte Snape schon recht früh. Als er die Augen öffnete, hatte er Ginny im Arm und ihr Kopf lag auf seiner Brust. Erschrocken schloss er die Augen wieder und versuchte nachzudenken.
‚Oh Mann, ich verliere die Kontrolle. … Ich hasse es, die Kontrolle zu verlieren. Das darf mir einfach nicht gefallen. Es gefällt mir nicht. … Severus, mach dir nichts vor: du hast dich verliebt, du alter Esel!'
Ginny erwachte und kuschelte sich fester in einen Arm.
‚Moment, welcher Arm? Wo bin ich? Bei Merlins Bart, ich liege hier und habe mich an Snape geschmiegt…. Er sieht so harmlos und friedlich aus, wenn er schläft. Ohne seine Robe, nur mit Hemd und Shorts bekleidet, ist er lange nicht so Angst einflößend. Nur schade, dass man so seine schwarzen Augen nicht sehen kann. Diese Augen ... von denen ich jetzt schon die zweite Nacht träume.'
Snape öffnete jetzt genau diese schwarzen Augen und schaute Ginny an. „Morgen", sagte er leise. Sie hatte das Gefühl, sie müsse sich vor Scham augenblicklich in Luft auflösen. Ihre Wangen brannten und sie spürte tausend Ameisen in ihrem Bauch. Aber es half alles nichts: Schweigen war noch peinlicher als Reden.
„Gut geschlafen, Professor?"
„Hat man das nicht gehört? Für gewöhnlich schnarche ich", gab er offen zu, was Ginny erstaunte.
„Es hielt sich in Grenzen. Da bin ich von Lenny anderes gewohnt", lächelte sie ihn an, und allmählich verschwand ihre Angst vor ihm.
Sein Magen krampfte. „Wer ist Lenny?", platzte es aus ihm heraus. Augenblicklich hätte er sich dafür auf die Zunge beißen können. Das hatte er so nicht fragen sollen. Er machte sich noch vollkommen zum Narren.
„Mein Onkel Lennart, warum?", fragte Ginny lauernd. „Wenn er da ist, hört man ihn im ganzen Fuchsbau." Beide schwiegen. Langsam dämmerte ihr der Grund für seine Frage. Schon das zweite Mal hatte er sie nach einem Freund gefragt.
„Aber warum wollten sie das wissen?", bohrte sie weiter. (B/N: ggg )
„Nur so, hatte keinen besonderen Grund", sagte er schnell, zu schnell um glaubhaft zu klingen. (B/N: Klar, und die Erde ist ´ne Scheibe ...)
Ginny krabbelte grinsend aus dem Zelt ... also doch!
„Lügner!", sagte sie beim Hinausgehen gerade so laut, dass er es hören musste.
xXx
Einsam saß Ginny auf einem großen Stein mitten im Wald und rieb ihre schmerzenden Füße. Snape war verschwunden, um allein die Rinde zu ernten. Sie wollte gar nicht wissen, warum sie das nicht sehen sollte. Er hatte, seit ihrem Gespräch heute Morgen, den ganzen Tag noch kein Wort zu ihr gesagt. Er rannte die ganze Zeit mit einem angespannten Gesicht vor ihr her durchs Unterholz.
Ein Knacken im Gebüsch ließ sie herumfahren. Doch es war nicht Severus, der da auf sie zuging ... Es war ein Zwerg! Sie wusste, was Zwerge mit Hexen taten, wenn sie sie erwischten ... Da es keine Zwergenfrauen gab, entführten sie Mädchen oder junge Frauen und hielten sie so lange versteckt, bis sie ihnen ein Kind gebaren.
‚Nicht mit mir, du hässliche kleine Kröte! Bevor du deine Knubbelfinger an mich legst, bringe ich mich lieber selbst um.'
Ideen rasten durch ihren Kopf. Kannte sie einen Spruch, mit dem man etwas gegen einen Zwerg ausrichten konnte? Alles was ihr einfiel war zu schwach, um ein magisch so starkes Wesen anzugreifen. Er war schon fast bei ihr, als sie Snapes Stimme hörte.
„Bokkar (B/N: Öhm ... ist das nicht der Zwergenkönig aus dem Legaten? ;) ) (A/N: Ja, der Name hat mir einfach zu gut gefallen und ein wenig Schleichwerbung …), lass´ sie in Ruhe! Sie ist mit mir hier. Sie ist meine Schülerin, ich werde nicht zulassen, dass du ihr etwas antust."
„Und wie kommst du auf den Gedanken, dass du das könntest?" Ginny erschrak, sie wusste, es gab nicht viele Zauberer, die einen Zwerg aufhalten konnten. Sie hoffte nur, Snape wäre schnell genug.
„Stell dich nicht so an, du halbe Portion", sagte Snape. Ob es gut war, den Zwerg so zu reizen, wusste Ginny nicht. „Ich bekomme mächtig Ärger, wenn ich sie nicht mit zurückbringe."
„Das ist der einzige Grund", fragte der Zwerg und zog die Augenbrauen hoch, „mein schmalbrüstiger Freund?"
Beide fingen an zu lachen. Ginny blickte verdutzt von einem zum anderen.
„Wir haben uns lange nicht gesehen, mein Freund. Was treibst du hier?", fragte das magische Wesen.
„Ich habe Rinde vom Baldunbaum geholt. Sie wirkt nur, wenn er blüht, was aber nur alle zehn Jahre vorkommt."
Der Zauberer und der Zwerg machten sich, in eine Unterhaltung vertieft, zurück auf den Weg zum Schloss.
‚Hätte ich mir denken können, dass er mit so etwas befreundet ist. Passt irgendwie zu ihm, und ich kann jetzt wie eine Blöde hinterher tigern.'
Sie folgte den Beiden, doch innerlich kochte sie vor Wut. Wie konnte er sie so narren? Nicht nur das, jetzt unterhielt er sich mit diesem Zwerg und beachtete sie gar nicht mehr. Sie musste zugeben, ihr wäre lieber gewesen, er hätte sich um sie gekümmert. (BN: Ach nee ... ;)
xXx
Nach einer Weile verabschiedete sich der Zwerg.
„Leben sie wohl, junge Miss", sagte er charmant zu Ginny.
„Leb wohl, mein Freund." Er lächelte Snape an. „Bringe sie wieder mit, wenn du das nächste Mal kommst. Über eine Einladung zur Hochzeit würde ich mich freuen."
Mit diesen Worten verschwand er im Wald. Ginny wusste, dass Zwerge Gefühle anderer Geschöpfe spüren konnten. Doch warum redete er von Hochzeit? Nun ja, sie hatte sich schon ein wenig in Snape verliebt. Aber das war doch mehr eine Schwärmerei, oder? Außerdem wollte er bestimmt nichts von ihr. Seine Bemerkungen sollten sie nur ärgern. Bestimmt. (B/N: Klar, und die Erde ... )
„Scherzkeks", zischte Snape und wurde rot. Dann sah er das wütende Gesicht seiner Begleiterin.
„Hast du was? Ist es wegen seiner Bemerkung?"
„Nein." Sie wollte nicht schon wieder streiten. Sie mochte ihn inzwischen wirklich, nachdem sie wusste, dass er doch nur ein ganz – oder besser fast - normaler Mensch war. Doch brachte er sie mit seinen Spitzen immer noch spielend leicht zur Weißglut.
„Warum machst du dann so ein Gesicht?"
„Schön, dass du merkst, dass ich auch noch da bin", schnauzte sie.
‚Uups, jetzt habe ich ihn geduzt. Mensch, Ginny, reiß dich zusammen. Jetzt wird er gleich wieder wütend werden.'
In seinem Gesicht stand jedoch nur Überraschung.
„Ich wusste ja nicht, dass dir an meiner Aufmerksamkeit was liegt."
Sie wurde rot.
‚Sie mag mich', schoss es ihm durch den Kopf. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Wenn sie wüsste, dass er sie auch mochte. Doch das konnte er schlecht zu einer Schülerin sagen.
Überrascht musste sie sich eingestehen, dass ihr viel an seiner Aufmerksamkeit lag. Aber das konnte sie ja ihrem Lehrer nicht sagen. (B/N:D)
Beide saßen am Lagerfeuer, das Snape inzwischen entfacht hatte. Wortlos aßen sie und gingen dann in ihr Zelt.
Nach einer Weile fragte Ginny überraschend:
„Wieso wollten sie heute Morgen wissen, wer Lenny ist?"
„Ich dachte, es wäre vielleicht dein Freund."
„Und was wäre wenn?"
„Nichts, gar nichts."
„Lügner", sagte Ginny leise
„Das ist heute schon das zweite Mal, dass du mich so nennst. Was soll das?"
Ginny beugte sich über ihn.
„Weil es die Wahrheit ist."
„Ach, ja?"
„Ach, ja!"
„Woher willst du das denn wissen?" Dieses Spielchen fing langsam an, ihm Spaß zu machen.
„Nennen wir es ... weibliche Intuition."
„Ach, so etwas hast du?"
„Ja, so etwas habe ich."
„Und woher willst du das wissen?"
„Weil …."
Ihr Gesicht war jetzt direkt über seinem. Sein Herz drohte seine Brust zu sprengen. Ihre Haare hingen ihm in die Stirn und auf den Hals. Ihr Parfum stieg ihm wieder in die Nase. Seine Sinne schwanden.
‚Severus, höre auf, solange es noch geht. Das kann ich nicht tun! Sie ist meine Schülerin. … sie ist noch zu jung … das geht nicht!'
Er atmete schwer. Ginny war mit ihrem Gesicht noch dichter über ihm.
„Weil ich weiß, dass du dich nicht wehren wirst", sagte sie und drückte ihre Lippen auf seine. Er lag starr auf dem Rücken. Es war mindestens fünfzehn Jahre her, seit er das letzte Mal geküsst worden war. Ein warmes, fast vergessenes Gefühl durchströmte seinen Körper. Er gab seinen Widerstand auf und erwiderte ihren Kuss. Doch Ginny zog ihren Kopf nach oben.
„Siehst du: Lügner."
‚Was tue ich hier eigentlich? Ich bin dabei, meinen Zaubertränkelehrer zu verführen. Bei Merlins Bart, das ist Snape. Wir hassen ihn alle, weil er ein Ekel ist. Snape! Doch ich kann nicht weg, nein, ich will nicht weg. Ich möchte näher zu ihm. Das ist verrückt, ich bin verrückt, … oder er? Mum wird mich umbringen! Dad wird ihn umbringen!'
Seine Hand fasste ihren Hinterkopf und er zog sie zu sich hinunter.
„Ich glaube, ich liebe dich, Ginny Weasley." Er lächelte sie an, und es war ihm egal, ob er sich zum Idioten machte ... er musste es ihr sagen.
Fassungslos starrte sie ihn an. Das hatte sie nicht so schnell zu hören erwartet. Doch dann drückte sie ihm einen langen Kuss auf die Lippen. Wie sollte sie das jemals jemandem erklären? Sie verstand es ja selbst nicht. Aneinandergekuschelt schliefen sie ein.
xXx
Auf dem Heimweg zurück zum Schloss gingen sie schweigend nebeneinander her. Ab und an warfen sie sich einen verliebten Blick zu. Am Rande des Waldes - noch hinter den Bäumen - blieb Ginny stehen.
„Was machen wir jetzt? Wie können wir uns sehen? Oder möchtest du mich gar nicht mehr sehen?"
„Dummerchen, natürlich möchte ich dich sehen. Sooft es geht. Aber wir müssen vorsichtig sein, keiner darf etwas merken. Sonst verliere ich meinen Job!"
Langsam zog er sie an sich und küsste sie zärtlich auf die Stirn. Dann setzte er sein fieses Grinsen wieder auf und sie gingen in Richtung Schloss. Er sah schlagartig wieder aus wie der meistgehasste Lehrer Hogwarts. Nichts mehr war zu sehen von seinem freundlichen Wesen oder seiner gezeigten Schwäche. Doch Ginny wusste, wie es tief hinter diesen schwarzen Augen wirklich aussah.
tbc
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