Kapitel 16
Die Tage wurden wärmer und Evelyn und Hermine machten eine Spatziergang über die Länderein des Schlosses.
„Evi, sag mal hattest du wieder solche Träume?"
Eve sah ihre Freundin fragend an. „Was für Träume?"
„Du hattest doch diesen Traum, oder diese Vision mit dem Mann in dem Kerker."
Evelyn nickte, sie traf diesen Mann jetzt schon jede Nacht und obwohl sie sich zuerst schwach gefühlt hatte nachdem sie mit ihm gesprochen hatte, nun fühlte sie sich immer stärker. Jede Nacht ging sie in den Raum der Wünsche und trainierte Draco hatte es bis jetzt nicht mehr bemerkt. Sie wusste selbst nicht warum sie es ihm nicht erzählte und auch wenn sie das Gefühl hatte sie sollte es tun, sie tat es nicht.
„Nein, nicht wirklich.", das war eine Lüge. Aber warum sollte sie ihr gegenüber ehrlich sein.
„Dann ist es ja gut."
Draco hatte lange darüber nachgedacht, aber immerhin waren sie nicht mehr seine Feinde, er musste mit ihnen sprechen. Eve war im Krankenflügel und besuchte Neville, der von einem Unfall im Zaubertränkeunterricht Schlangenhaut und ein Horn auf der Stirn hatte.
Also hatte er Zeit mit ihnen zu sprechen ohne dass Evi sie überraschte. Er betrat die Bibliothek und hoffte inständig dass sie da waren und er nicht in den Gemeinschaftsraum gehen musste. Seine Gebete wurden erhört und er ging zu dem Tisch wo die drei saßen.
„Ich muss mit euch reden", sagte er und setzte sich zu ihnen.
Alle drei sahen verwundert von ihrer Arbeit auf. Sie waren es gewohnt mit ihm zu scherzen wenn Evi dabei war, aber sie hatten noch nie alleine mit ihm gesprochen.
„Worum geht's denn?", fragte Ron neugierig.
„Um Eve...sie ist...in letzter Zeit ziemlich merkwürdig, findet ihr nicht?"
Hermine nickte. „Ich habe sie schon darauf angesprochen aber sie hat abgeblockt."
„Ich denke dass es mit ihren Träumen zu tun hat.", sagte Draco nun so leise dass nur die drei ihn hören konnten, „sie hatte vor ein paar Wochen einen Traum und als ich sie aufgeweckt habe hatte sie das dunkle Mal auf der Stirn und auf den Handflächen."
Harry erinnerte sich nur ungern an das dunkle Mal.
„Wir sollten zu Dumbledore gehen, er wird wissen was zu tun ist.", sagte Hermine nachdenklich.
„Eve hat gesagt er weiß von den Träumen."
Die vier waren ratlos, sie machten sich Sorgen um ihre Freundin dennoch konnten sie kaum etwas tun.
„Hi, was macht ihr denn hier?"
Evelyns Stimme hatte die drei so erschreckt dass sie ihre schuldbewussten Minen nicht so schnell verstecken konnten. Eve wusste sofort dass die vier über sie gesprochen hatten. Draco hatte sich am schnellsten wieder unter Kontrolle.
„Ich dachte mir ich warte hier auf dich und da hab ich die drei getroffen."
Die drei nickten zustimmend und setzten eine Unschuldsmine auf. Eve hakte nicht nach, sollten sie doch über sie sprechen.
„Ich geh ein wenig spazieren.", sagte sie und wandte sich zum gehen.
„Ich komm mit ich hab gleich Quidditchtraining.", sagte Malfoy und begleitete Eve bis zum Quidditchfeld.
Eve schlenderte um den See herum. Sie brauchte Ruhe um ihre Gedanken zu ordnen. Ihre Gedanken kreisten um den Mann aus ihren Träumen. Sie hatte schon so viel über ihre Eltern erfahren.
Inzwischen glaubte sie diesem Mann. Sie vertraute ihm sogar schon. Aber es machte ihr ein bisschen Angst wie sie sich veränderte je mehr sie über ihre Eltern wusste. Oder kam es ihr nur so vor als würde sie sich verändern? Sie genoss die Gegenwart ihrer Freunde nicht mehr so wie sie es früher tat. Diesen Gedanken schob sie schon bald beiseite.
Er hatte Eve erzählt dass ihre Mutter der Schwarm aller Männer war. Sie hatte so viel gemein mit ihrer Mutter, sie war eine ebenso gute Schülerin und begabte Hexe gewesen wie Eve es jetzt war.
Evelyn hasste Gregory Enedwaith, er hatte ihr ihre Mutter genommen. Sie war nicht mehr so versessen darauf Voldemort zu töten sie wollte Rache an Gregory nehmen und der Gedanke dass sich dieser Feigling selbst das Leben genommen hatte machte sie immer wütender.
Blaise stand lässig gegen einen Baum gelehnt. Er wartete auf sie. Vom Schloss aus hatte er gesehen wie Draco zum Quiddditchfeld ging und sie um den See spazierte. Blaise wusste dass sie hier lang kommen musste. Sein Meister beeinflusste sie schon ziemlich, dass sah er ihr an, besonders wenn sie mit ihren Freunden zusammen war. Schon bald würde sie ihre Freunde verachten, Blaise gefiel diese Vorstellung.
Evelyn war so in Gedanken versunken, dass sie ihn zuerst gar nicht bemerkte.
„Wohin des Weges schönes Fräulein?"
Eve fuhr herum. Sie sah ihn abschätzig an. Eigentlich mochte sie Blaise Zabini nicht, aber in letzter Zeit gefiel er ihr immer besser.
„Willst du mich schon wieder vor irgendetwas warnen? Oder warum lauerst du mir hier auf?"
„Ich war geblendet von deiner Schönheit und da wusste ich, dass ich dich wieder sehen muss."
„Falls du das noch nicht bemerkt hast Blaise, ich bin in festen Händen."
„Na ja, so fest können diese Hände ja nicht sein, sonst wären sie ja hier oder?"
Evelyn lächelte. Früher war Draco auch einmal so gewesen. Eine gewisse Aura hatte ihn umgeben. Er hatte sich genommen was er wollte, ohne Rücksicht auf Verluste.
„Er ist beim Quidditchtraining.", antwortete Eve kühl, „ich muss jetzt gehen."
Sie ließ ihn stehen, obwohl sie gerne noch länger geblieben wäre.
Eve ging weiter über die Schlossgründe. Noch immer in Gedanken versunken, blieb Eve vor einem riesigen Alten Baum stehen. Als Kind war sie immer auf solche Bäume geklettert. Sie hatte sich immer so frei auf einem Baum gefühlt und wenn sie traurig war hatte sie das Gefühl gehabt von dem Baum getröstet zu werden.
Eve sprang, und beim dritten Versuch erreichte sie den untersten Ast. Sie zog sich daran hoch und als sie auf ihm stand, griff sie zum nächst höheren. Sie verfing sich mit ihrer Kette in einem Ast und mit einem Ruck war sie wieder los. Eve hatte nicht bemerkt das die Kette an dem Ast hängen geblieben war. Sie fühlte sich plötzlich schwächer, dennoch griff sie nach dem nächsten Ast und zog sich hoch. Eve klettere immer höher und höher, bis die Äste zu dünn waren ihr Gewicht zu halten. Auf den obersten Ast setzte sie sich und ließ ihren Blick über Hogwarts schweifen.
Sie fühlte sich als ob sie von einer schweren Last befreit war. Sie ließ diesen Tag nochmals auf sich wirken. Ihr kam Blaise in den Sinn. Hatte sie sich wirklich von ihm angezogen gefühlt? Wie war das möglich? Sie mochte ihn doch nicht einmal und wenn sie jetzt an ihre heutige Begegnung zurück dachte fand sie ihn ganz und gar nicht anziehend. Warum dann vorher? Irgendetwas geschah mit ihr, das wusste sie.
Ihr kam der Gedanke dass sie vielleicht von irgendjemandem beeinflusst wurde. Nur von wem? Hatte dies alles vielleicht etwas mit dem Mann aus ihren Träumen zu tun? Plötzlich vermisste sie Draco wieder. Sie wollte von ihm in den Arm genommen werden, wollte ihn wieder spüren. Eve beschloss, ihn später vom Training abzuholen. Plötzlich war sie wieder glücklich.
Sie saß noch ein wenig da, dann kletterte sie wieder vom Baum. Als sie auf dem untersten Ast stand sah sie plötzlich etwas zwischen den Blättern glitzern. Es war ihre Kette. Das Gefühl von Unsicherheit und Nacktheit beschlich sie wieder. Sofort nahm sie ihre Kette und legte sie wieder um den Hals. Als sie am Boden stand, wollte sie Draco nicht mehr vom Quidditchtraining abholen. Sie wollte weder ihn noch ihre Freunde heute noch sehen.
Als am nächsten Morgen die Post kam, hatte sich Eve nur widerwillig zu ihren Freunden gesetzt. Am liebsten hätte sie alleine gefrühstückt. Eine wunderschöne Chaco-Eule ließ einen Brief auf Eves Teller fallen. Sie nahm ihn und drehte ihn um, in Winx zierlicher Handschrift stand ihr Name darauf geschrieben. An Winx hatte Eve schon lange nicht mehr gedacht. Eigentlich hatte sie ihr versprochen jeden Tag zu schreiben aber sie hatte dies schon seit Wochen nicht mehr getan. Unachtsam riss Evelyn den Brief auf und nahm das Blatt Papier heraus.
„Von wem ist der denn?", fragte Hermine neugierig.
„Winx", sagte Evelyn kurz angebunden.
„Was schreibt sie denn?", fragte Hermine. Evelyn legte den Brief beiseite.
„Sie will dass ich in den Osterferien nach Hause komme."
„Und fährst du hin?"
Eve zuckte nur die Schultern und nahm sich ein Stück Toast. Sie hatte ihr zuhause vermisst, aber im Grunde wollte sie gar nicht nach Hause. Was war eigentlich mit ihr los? Warum wollte sie nicht mehr nach Hause? Warum empfand sie ihre Freunde zunehmend als nervend? Und warum zum Teufel fühlte sie sich von Draco nicht mehr angezogen? Immer wenn sie in seinen Armen lag, wünschte sie sich, er würde sie ganz schnell wieder loslassen. Früher hatte sie sich dort immer so geborgen gefühlt. Warum war ihr Leben nur plötzlich so kompliziert geworden? Hermines Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
„Ich finde du solltest gehen. Du beherrscht den Stoff für die Schule ausgezeichnet und die Hausaufgaben hast du in Null Komma nichts erledigt."
„Du solltest dich nicht in Dinge mischen die dich nichts angehen Hermine", sagte Eve genervt.
„Ich weiß dass das Schmerzhaft für dich sein muss, aber irgendwann musst du dich alldem stellen."
Konnte Hermine nicht einfach die Klappe halten? Warum musste sie sich immer in Angelegenheiten mischen die sie überhaupt nichts angingen? Miss Oberschlau dachte wieder mal dass sie alles wusste. Dieses nervige dreckige Schlammblut. Eve hielt bei diesem Gedanken inne, hatte sie das wirklich gerade gedacht? Sie war angeekelt von ihren eigenen Gedanken.
„Was muss Eve sich stellen?", fragte eine Stimme hinter ihr. Evelyn wurde wieder einmal aus ihrem Gedankenstrudel gerissen. Draco beugte sich hinunter legte den Arm um sie und küsste sie sanft auf die Wange. Evelyn musste das Bedürfnis sich die Wange abzuwischen unterdrücken und biss sich auf die Unterlippe.
„Ich hab gemeint das Eve über die Osterferien nach Hause fahren sollte, je länger sie nicht dorthin zurückkehrt desto schwerer wird all das für sie."
„Ich denke auch das du gehen solltest.", sagte Draco liebevoll.
Eve sprang auf. Sie funkelte ihre Freunde wütend an.
„Ihr habt gewonnen, ich fahre in den Ferien heim. Dann seid ihr mich endlich los! Wenn ihr mich jetzt entschuldigt, ich gehe in die Bibliothek." Mit diesen Worten verließ Eve die Große Halle und ließ ihre verwirrten Freunde zurück.
„So hab ich das nicht gemeint", sagte Hermine traurig. Draco nickte.
„Ich weiß, und ich glaube sie weiß es auch."
Die vier sahen sich verwirrt und traurig zugleich an. Jedem stand eine Frage im Gesicht geschrieben. Was ist mit ihr los? Doch es sollte noch eine Zeit dauern bis sie es erfuhren.
Eve ging schnellen Schrittes zur Bibliothek. Eigentlich wollte sie dort nicht hin, aber sie wusste nicht wohin sie sonst hätte gehen sollen. Ihre Gedanken kamen nicht mehr zur Ruhe. Ihre Gedankenwelt glich schon seit Wochen einem Schlachtfeld. Eve verlangsamte ihre Schritte. Plötzlich wurde sie von einer Hand in eine Kammer gezogen. Sie war so erschrocken, dass sie nicht einmal geschrieen hatte. Es musste eine Besenkammer sein, denn es war stockdunkel hier drinnen.
Die Hand die Eve in die Kammer gezogen hatte hielt noch immer die ihre. Eve wurde näher gezogen und sie roch den Körper eines Mannes. Eine zweite Hand tauchte aus dem nichts auf, legte sich um ihre Hüfte und zog ihren Körper gegen den des anderen. Evelyns Protest wurde von einem leidenschaftlichen Kuss erstickt. Ohne es eigentlich wirklich zu wollen legte sie die Hände in den Nacken des Unbekannten und zog ihn noch etwas näher an sich.
Eve wusste nicht von wem sie da gerade geküsst wurde, aber eins war ihr klar, es war nicht Draco. Die Hände des Unbekannten wanderten ihren Rücken hinunter, legten sich um ihren Po und zogen ihre Hüften an seine Lenden. Eve spürte die härte des anderen und in ihrer Mitte entbrannte auch plötzlich ein Feuer. Die Zunge des Unbekannten wurde immer frecher. Er biss Eve in die Lippe was sie nur mit einem erstickten stöhnen kommentierte. Seine Hände wanderten zu ihrem Rock und zogen ihn hoch. Sie spürte eine Hand an ihrem Schenkel. Langsam quälend wanderte sie höher, zog ihren Slip ein wenig zur Seite und tauchten in sie ein.
Evelyn hatte ihre Vernunft, die in letzter Zeit sowieso nicht ganz vorhanden war, über Board geworfen und konzentrierte sich nur mehr auf ihre Empfindungen, welche durch die Dunkelheit erregend geschärft waren. Der Unbekannte hatte nun begonnen ihren Hals zu küssen und ihr Hemd aufzuknöpfen. Eves Herzschlag hatte sich verschnellert, genauso wie ihre Atmung. Die Hitze in ihrem Körper breitete sich aus und als der Unbekannte mit seinen Händen über ihren Oberkörper fuhr, breiteten sich Wellen der Erregung von ihrer Mitte her aus.
Während Eve seine Hände an ihrem BH spürte begannen ihre Gedanken plötzlich wieder zu arbeiten. Nein! Sie wollte das doch eigentlich nicht. Oder? Eve ging einen Schritt zurück, sie zog ihren Zauberstab und erhellte mit einem "Lumos" den kleinen Raum. Zuerst war sie von dem hellen Licht geblendet aber ihre Augen gewöhnten sich schnell an die Helligkeit und der Unbekannte bekam ein Gesicht. Eve musste einen Aufschrei unterdrücken. Blaise Zabini grinste ihr entgegen.
„Wie kannst du es wagen...?", begann Eve, wurde aber von ihm unterbrochen.
„Schieb die Schuld jetzt nicht auf mich. Du wolltest es doch auch. Oder?" Blaise machte wieder einen Schritt auf sie zu. Die letzten Worte hatte er nur mehr geflüstert. Er sah ihr tief in die Augen und Evelyn konnte sein Verlangen sehen. Sie bekam eine Gänsehaut und plötzlich wurde ihr die Tatsache bewusst, dass sie hier mit offenem Hemd stand. Schnell griff sie nach ihrem Umhang und schlang ihn um sich.
Blaise Gesicht kam ihr immer näher aber sie konnte sich einfach nicht von seinem Blick losreißen. Er wollte wieder ihre Hände nehmen aber Eve stieß ihn beiseite und stürzte aus der Besenkammer. Ihr Gesicht war hochrot und ihr Herz klopfte noch immer wie verrückt. Mit schnellen Schritten lief sie den Gang zum Mädchenklo entlang. Als sie die Tür aufstieß schwebte die Maulende Myrthe über einem Waschbecken und verursachte wie so oft eine Überschwemmung.
Als sie Eve sah verschwand sie mit einem lauten Seufzten durch die Wand. Aus irgendeinem Grund hatte Myrthe Angst vor ihr. Evelyn kannte den Grund nicht, denn sie hatte ihr noch nie etwas getan.
Sie stellte sich vor ein Waschbecken, drehte kaltes Wasser auf und ließ es über ihr Gesicht laufen. Sie trocknete sich in ihren Umhang und knöpfte ihr Hemd wieder zu. Als sie in den Spiegel sah kam sie sich merkwürdig fremd vor. Es war ihr Gesicht, ihre Haare, ihr Mund, ihre Augen und dennoch war es nicht wirklich sie.
Eves Gedanken wanderten wieder in die Besenkammer. Aber seltsamer Weise sehnte sich ihr Körper nicht nach Blaise, wenn sie Draco so nah war sehnte sich ihr Körper dann immer nach ihm, obwohl ihre Gedanken ihn derzeit verabscheuten. Bei Blaise war das genau umgekehrt. Eve fühlte sich so verloren, so zwiegespalten. Die Glocke läutete zum Unterricht aber als Eve die Toilette verließ steuerte sie nicht auf McGonnagals Klassenzimmer zu, ihre Füße trugen sie zum Raum der Wünsche.
Eve trainierte dort den ganzen Tag, während ihre Freunde sie, blind vor Sorge, suchten. Völlig erschöpft und verschwitzt kehrte Eve in der Nacht in den Gemeinschaftsraum zurück. Es war 1 Uhr früh.
„Evelyn!", Hermine war aufgesprungen und eilte zu ihr. Der Gemeinschaftsraum war bis auf die drei völlig leer.
„Wo bist du den ganzen Tag gewesen? Wir haben dich überall gesucht und keiner hat gewusst wo du bist."
Die drei Freunde wirkten sichtlich erleichtert. Sie sahen Eve fragend an.
„Also wo warst du?", fragte Ron ein zweites Mal.
„Das geht euch nichts an!", fuhr Eve sie an.
Warum war sie plötzlich so zornig auf ihre Freunde? Sie hatten sich doch nur Sorgen um sie gemacht. Evelyn wollte sich entschuldigen, sie wollte ihren Freunden sagen wie leid es ihr tat, wie sie sich in den letzten Wochen verhalten hatte. Stattdessen sagte sie: „Wenn dieses Verhör jetzt endlich vorbei ist kann ich ja, jetzt schlafen gehen."
In ihren Gedanken hörte sie den Aufschrei der Vernunft, der ihr sagte sie solle jetzt endlich wieder normal werden aber die Stimme wurde immer leiser. Sie drehte sich um und ging auf die Treppen zu als ihre Knie einknickten und sie zu Boden fiel. Ihre Haare verdeckten ihr Gesicht wie ein Vorhang und die Stimme in ihrem Kopf durfte nur ein kurzes, keuchendes „Hilfe" aus ihrem Mund schicken.
Ihre Freunde waren zu ihr geeilt und halfen ihr auf. Sie brachten sie zu einem Sessel und setzten sie hinein. Eve rannen heiße Tränen über ihre Wangen.
„Evelyn, was ist mit dir?"
Hermines Stimme drang nur sehr leise in Eves Bewusstsein ein, denn der Schlaf hatte sie schon fast eingeholt. Alles begann sich zu drehen und Eve ließ ihren Körper im Gemeinschaftsraum zurück, während ihre Gedanken eine weite Reise antraten.
Hermine ging im Zimmer auf und ab. Sie war nervös. Harry kaute auf seinen Fingern herum und Ron sah besorgt zu Eve hinüber die mit feuchten Wangen in einem Ledersessel saß und schlief.
„Was ist los mit ihr?", fragte Harry müde.
Hermine zuckte mit den Schultern und ging weiterhin im Zimmer auf und ab.
„Das war doch gerade eindeutig ein Hilferuf.", sagte Harry.
Hermine nickte.
„Könntest du dich bitte hinsetzen, du machst mich völlig nervös mit deinem auf und ab Gelaufe.", sagte Ron zornig.
„Entschuldige", erwiderte Hermine und setzte sich.
„Wisst ihr wie sie mir vorkommt? Als ob sie besessen wäre."
Ron sah Harry fragend an.
„Besessen? Wovon?"
„Die richtige Frage wäre von wem?", Hermine sah die beiden wissend an, „Voldemort."
Ron zog die Luft ein, er hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt dass seine Freunde seinen Namen so ohne weiteres aussprachen.
„Du denkst dass er in Eves Geist eindringt und sie manipuliert?"
„Wir wissen doch alle dass er das kann. Du bist im letzten Jahr ja auch irgendwie unter seinem Bann gestanden. Du warst immer sehr schnell gereizt und ich denke dies trifft auch auf Evi zu."
„Aber warum gerade sie?"
Hermine war aufgesprungen und ging wieder im Zimmer auf und ab.
„Sie ist eine sehr begabte Hexe."
„Ich meine wir sollten zu Dumbledore gehen."
Hermine nickte: „Ja Harry, du hast recht. Bringen wir sie zu ihm."
„Und wie sollen wir in sein Büro kommen? Mitten in der Nacht?"
Harry und Hermine lächelten. „Wozu haben wir eigentlich die Karte des Herumtreibers?"
Evelyn stand wieder in diesem Kerkerartigen Gewölbe, sie war wütend, denn sie fühlte sich von dem Mann der vor ihr stand betrogen.
„Ich habe dich schon erwartet, du bist sehr spät dran. Komm setz dich.", begrüßte er sie freundlich.
„Ich will antworten! Wer bist du und warum verändere ich mich so? Hast du etwas damit zu tun?"
Evelyn wollte sich nicht setzten. Sie wollte endlich die Wahrheit erfahren.
„Ich bin ein Freund. Du veränderst dich nicht, du entdeckst nur gerade einen neuen Teil von dir. Einen Teil der vorher im Verborgenen geschlummert hatte. Alles ist komplizierter weil Dumbledore dich nach Griffindore geschickt hat. Du hättest eine Slytherin werden sollen."
„Wer bist du? Und versuch dich nicht wieder rauszureden. Ich will deinen Namen."
„Aber den werde ich dir nicht nennen."
„Dann werde ich auch nicht wieder hier her zurückkommen."
„Doch das wirst du!"
„Warum bist du dir da so sicher?"
„Weil ich dir Antworten gebe. Nur ich kann dir alles über deine Mutter und deinen Vater erzählen."
Er hatte Recht. Eve würde sich in ihren Träumen immer wieder hier her führen lassen, weil er ihr zeigte wo sie her kam. Er wusste so viel über ihre Eltern. Dennoch beschlich sie ein immer stärker werdendes Gefühl dass diese Träume nicht gut für sie waren.
Dumbledore ging in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Evelyn saß in einem Stuhl gegenüber seinem Schreibtisch und schlief. Was sollte er tun? War es zu früh ihr jetzt die Wahrheit zu sagen? Hätte er es schon viel früher tun müssen?
Eigentlich wollte Daniel ihr alles sagen. In seinen letzten Briefen hatte er betont, dass er es ihr selbst sagen würde. Prof. Defoe hatte Dumbledore bedrängt es ihr unter keinen Umständen zu erzählen. Daniel hatte immer schon ein paar Schritte im Voraus gedacht. Auch wenn man sein Handeln nicht immer gleich verstand, sobald man alle Zusammenhänge kannte wurde alles klar und sein Handeln wurde logisch.
Es musste also einen Grund gegeben haben warum Daniel so strikt dagegen war. Aber Dumbledore hatte Angst bei Eve den gleichen Fehler zu machen wie bei Harry. Hätte er ihm von der Prophezeiung rechtzeitig erzählt könnte Sirius jetzt noch leben.
Plötzlich fuhr Evelyn von dem Sessel hoch. Sie saß aufrecht da, mit großen Augen und schneller Atmung, wie ein gejagtes Beutetier.
„Schlechte Träume?", fragte Dumbledore und setzte sich ihr gegenüber.
„Was...Wo...Prof. Dumbledore?" Evelyn schien mehr als nur verwirrt.
„Deine Freunde haben sich Sorgen um dich gemacht und dich deshalb zu mir gebracht. Du hast dich in letzter Zeit eigenartig verhalten und sie hatte irgendwie das Gefühl, dass du...nicht ganz du selbst warst."
„Ohh.", sagte Eve matt.
„Du warst heute den ganzen Tag wie vom Erdboden verschwunden. Wo warst du."
Evelyn schwieg. Sie wusste nicht was sie sagen sollte, denn sie wollte auf keinen Fall den Raum der Wünsche verraten. Dieser Raum sollte ihr Geheimnis bleiben.
„Ich hab mich im Verbotenen Wald verlaufen.", dies war zwar, wie der Namen schon sagte verboten, aber es war ihr immer noch lieber als ihr Geheimnis zu verraten.
Dumbledore nickte. Er wusste dass sie ihn angelogen hatte.
„Möchtest du mir noch irgendetwas erzählen?"
Evelyn schüttelte den Kopf.
„Aber ich hätte eine Frage an Sie."
„Nur zu, frag was immer du möchtest."
Evelyn schluckte: „Der sprechende Hut hat mich nach Griffindore geschickt. Aber er hat gesagt, dass ich eigentlich nach Slytherin gehören würde. Wollten sie das ich nach Griffindore komme?"
Dumbledore faltete seine Hände und sah Eve wachsam über seine Halbmondgläser hinweg an.
„Du wolltest eigentlich fragen, ob ich den sprechenden Hut soweit manipuliert habe dass er dich nach Griffindore schickt. Oder?"
Evelyn nickte verlegen. So direkt hatte sie sich nicht getraut den Schulleiter zu fragen.
„Nein, das habe ich nicht. Manchmal trifft der sprechende Hut eigene Entscheidungen, wenn er denkt dass es für die Zaubererschaft von Bedeutung sein wir. So wie er im letzten Jahr die Schüler aufgefordert hat zusammen zu halten. Es hatte einen Grund warum er dich nach Griffindore geschickt hat."
„Danke für ihre Ehrlichkeit Professor."
„Gibt es sonst noch etwas was du mir sagen willst?"
Eve verneinte.
„Hattest du wieder solche Alpträume?"
Evelyn schüttelte den Kopf. Sie wollte es ihm eigentlich erzählen, aber irgendetwas hielt sie davor zurück.
„Es ist schon sehr spät, oder früh, je nach dem wie man es betrachten will. Geh jetzt zu Bett."
Als Evelyn den Raum verlassen hatte, ärgerte sich Dumbledore darüber, dass er es ihr nicht gesagt hatte. Er hoffte nur innständig dass Daniel Recht damit hatte, dass sie es noch nicht wissen sollte.
Evelyn ging langsam durch die leeren Gänge sie wollte nicht in den Gemeinschaftsraum zurückkehren. Dort warteten ihre Freunde auf sie und sie würden Antworten verlangen. Antworten die sie ihnen nicht geben konnte, die sie selbst nicht hatte. Irgendwo hörte sie das leise tapsen von Katzenpfoten. Mrs. Norris schlich im Schloss herum, bereit jeden an ihren Herren zu verraten der jetzt noch in den Gängen umher schlich. Evelyn zog ein kleines Buch aus ihrem Mantel und öffnete es. Sie schlug die Karte auf, die hinten eingeklebt und zum aufklappen war. Mit dem Finger fuhr sie den Weg entlang den sie gehen wollte.
Fünf Minuten später, ohne auch nur einer Menschenseele begegnet zu sein war sie an ihrem Ziel angekommen. Sie tippte mit dem Zauberstab gegen die Tür und diese schwang lautlos auf. Kalte klare Luft schlug ihr entgegen und Evelyn trat hinaus. Sie stand auf dem höchsten Turm Hogwarts der für den Astronomieunterricht oft benutzt wurde.
Heute war er leer. Langsam schloss sie die Tür hinter sich und trat zu der Mauer. Der Anblick war atemberaubend. Die Sonne sandte langsam ihre Strahlen über das erwachende Land. Alles lag noch ruhig unter ihr, nur der Rauch der aus Hagrids Hütte aufstieg ließ sie nicht vergessen dass sie ganz alleine auf der Welt war. Evelyn setzte sich auf die breite Mauer und ließ einen ihrer Füße ins leere baumeln, den anderen hatte sie angewinkelt und ihr Buch aufgestützt. Sie las es jetzt wohl schon zum dritten Mal, aber es hielt sie immer noch in seinem Bann. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, würde sie sagen sie habe es geschrieben. Es war ihr wortlaut. Selbst die feine Handschrift ähnelte der ihren.
Evelyn las bis die Sonne schon über dem Horizont aufgetaucht war und den See wie tausend Diamanten glitzern ließ. Am liebsten hätte sie ihre Sachen gepackt und wäre weggelaufen. Irgendwohin wo sie niemand kannte. Um alles hinter sich zu lassen. Dieser Impuls war so stark dass sich Eves Brustkorb anfühlte als würde er in einem Schraubstock stecken, der unerbittlich zugedreht wurde. Tränen liefen über ihr Gesicht und fielen auf ihre Hand. Lautlos schluchzte sie. Evelyn weinte um ihr Leben, um ihre Freunde und um ihre Eltern. Noch nie war sie so traurig und wütend im selben Moment gewesen aber auch noch nie so unglaublich müde.
Der Schlaf hüllte sie ein und führte sie wieder an einen altbekannten Ort. Einen Ort der ihr Schicksal aber auch ihr Verhängnis war.
