Kapitel 17
Harry, Ron und Hermine waren in den Stühlen, in die sie sich vor Stunden gesetzt hatte eingeschlafen. Sie hatten auf Eve gewartet, diese war aber nicht gekommen. Ginny kam in den Gemeinschaftsraum und weckte die drei.
„Hey, ihr Schlafmützen aufstehen, es gibt Frühstück."
„Ginny, hau ab, es ist noch viel zu früh", maulte Ron.
„In einer halben Stunde beginnt der Unterricht, ich habe euch geweckt, noch mal komme ich aber nicht.", Ginny verließ den Gemeinschaftsraum.
Hermine fuhr hoch. Sie warf sofort einen Blick auf ihre Armbanduhr. Dann rüttelte sie Ron und Harry, als die beiden einigermaßen munter waren lief sie immer zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe zu den Mädchenschlafsälen hinauf. Sie klopfte an die Tür zu Evelyns Zimmer, aber niemand antwortete. Vorsichtig trat Hermine ein, das Bett war unberührt und das Zimmer leer.
„Eve ist diese Nacht nicht zurück gekommen.", sagte Hermine als sie wieder bei den Jungs war.
„Scheiße!"
„Ron! Hör auf zu Fluchen."
„Ist doch wahr. Irgendetwas ist mit unserer Freundin los und anscheinend weiß nicht mal Dumbledore was da zu machen ist."
Die drei fühlten sich so hilflos, bis jetzt hatten sie immer gewusst gegen wen sie kämpften, aber wie sollten sie gegen etwas vorgehen, dass sie weder sehen noch begreifen konnten.
„Vielleicht ist sie schon unten beim Essen.", versuchte Harry den anderen und sich selbst Mut zu machen.
Aber er hatte unrecht, denn ihre Freundin lag noch immer auf dem höchsten Turm Hogwarts und focht einen Kampf aus den auch sie nicht gewinnen konnte.
Ein Schrei durchdrang das Kerkergewölbe, brach sich an den Mauern und hallte überall in einer schaurigen Vielzahl lebloser Stimmen wieder.
„Es reicht, hör auf in meine Träume einzudringen, hör auf mir mein Leben zu stehlen, hör auf mich zu verändern!"
Evelyn schrie sich die Seele aus dem Hals. Ihr Blut kochte und ihr Herz schien bald aus ihrer Brust zu springen. Aber der Mann unter der Kapuze lachte nur leise, was eine neue Welle von Wut Evelyns Körper zum beben brachte.
„Du bist wütend. Auf wen?", fragte der Namenlose.
„Auf dich, weil du mir mein Leben stiehlst. Alles war so einfach bevor du in meinen Träumen aufgetaucht bist."
„Nein", sagte er langsam und gelassen, „deine Wut kann sich nicht gegen mich richten, ich bin nur eine Gestalt in deinen Träumen, du brauchst einen echten Gegner. Einen wirklichen Feind."
Evelyn keuchte vor Schmerz. Denn die Wut schien ihr Blut wirklich zum kochen zu bringen. Sie fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und bemerkte wie sehr sie glühte. Dann blickte sie auf die Innenflächen ihrer Hand.
„Nein", würgte Eve hervor, „das kann nicht wahr sein." Das Zeichen brannte auf ihnen und sie spürte es auch auf ihrer Stirn.
„Ich gebe dir ein Ziel für deine Wut."
Plötzlich trat ein Mann aus dem Schatten, er hatte blondes Haar und wirkte irgendwie alt. Aber obwohl Evelyn ihn noch nie persönlich getroffen hatte wusste sie wer es war.
Gregory Enedwaith, der Mörder ihrer Eltern. Die Wut steigerte sich ins unermessliche, Evelyn wollte sich auf ihn stürzen, sein Gesicht zerkratzen, ihm einfach nur Schmerzen zufügen bis er sie um seinen Tod anflehte.
„Beherrsche deinen Zorn, lass die Wut für dich arbeiten. Warte ab und lass sie dich stark machen. Atme tief ein.", die Stimme des Unbekannten drang nur langsam in ihr Bewusstsein vor, aber Evelyn tat was er sagte.
Sie wartete, sah ihr Gegenüber an und atmete tief ein. Dann wieder aus und wieder ein. Sie spürte wie die Wut sie durchströmte und der blanke Hass aus ihrem Kopf in ihre Adern floss, er pulsierte immer stärker und war nur durch das langsame ein und ausatmen auszuhalten.
„Und jetzt töte ihn!", schrie er.
Evelyn ballte die Hände zu Fäusten und steckte sie ihrem Feind entgegen, ein grüner Feuerball bildete sich und stürzte auf Gregory zu, als sie ihre Fäuste öffnete. Die Flammen umfingen ihn und fraßen an seinem Körper, er schrie und versuchte sich am Boden zu wälzen aber es half ihm nichts. Die Flammen schienen seinem Körper unendliche Qualen zuzufügen jedoch töteten sie ihn nicht.
„Mach dem ein Ende und töte ihn.", die kalte Stimme des Mannes schien den Raum einzunehmen und die Schreie des anderen wurden leiser.
Evelyn zog ihren Zauberstab, sie wollte einen der verboten Zaubersprüche anwenden. Doch der Unbekannte hielt sie zurück.
„Du kannst es auch ohne dieses Stück Holz. Hauche sein Leben aus."
Evelyn wollte fragen wie, aber tief in ihrem Inneren wusste sie es. Es war immer schon da gewesen, nur hatte sie es vorher nie bemerkt und jetzt setzte sie es ein. Sie streckte nur ihre rechte Hand aus und Gregory blieb leblos am Boden liegen, die Augen vor Schreck geweitet. Dann verpuffte seine Gestalt.
„Was war das für ein Gefühl?", fragte die Gestalt und kam näher.
Über Evelyns Wangen rannen heiße Tränen.
„Du fühlst dich jetzt gut, du fühlst dich stark, aber ein Teil von dir ist schockiert über das was eben geschehen ist.", drang die Stimme des Unbekannten in Evelyns Bewusstsein.
„Nein!", schrie sie und sträubte sich gegen alles. Wider begann sich der Raum zu drehen und nur die Worte des Gesichtslosen drangen noch in Evelyns Kopf: „Du kannst mir nicht entkommen, denn es ist dein Schicksal!"
Dann fuhr sie hoch. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und Evelyn hatte schon sicher ein paar Unterrichtsstunden verpasst. In ihrem Kopf herrschte völliges Chaos und nur vereinzelte Bilder und Gefühle drangen in ihr hoch. Gregorys totes Gesicht. Das Gefühl als sie gewusst hatte, dass sie den Tod ihrer Eltern gerächt hatte. Evelyn stand auf und drängte alle Gedanken und Gefühle beiseite, denn es war alles nur in ihrem Kopf passiert. Nichts davon war real und sie wollte auch nicht dass es Wirklichkeit wurde.
Sie fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und verließ den Turm. Evelyn wollte nie wieder in den Kerker zurückkehren.
Draco stand an diesem Abend vor dem Spiegel. Er blickte in ein Gesicht, welches nicht das seine sein konnte. Seine Haare hatten ihren Glanz verloren und hingen ihm wirr um den Kopf, seine Augen waren eingefallen und wirkten müde, sein Ganzes Gesicht wirkte viel blasser als sonst und beinahe hässlich.
Und es gab nur einen Grund für all das. Evelyn Enedwaith. Sie war seine größtes Verlangen und sein schlimmster Fluch. Er liebte sie mit jeder Faser seines Körpers und früher hatte sie seine Liebe auch erwidert, aber jetzt. Jetzt schien sie so verändert, so traurig, abweisend und anders. Sie hatte ihre Fröhlichkeit und Unbeschwertheit verloren.
Draco konnte nicht mehr schlafen, jede Nacht wachte er mit einem Schrei auf. Er rief ihren Namen. Schon vor Wochen war er aus dem Schlafsaal in den Gemeinschaftsraum übersiedelt und schlief jetzt dort Nacht für Nacht.
Jetzt wo er so verzweifelt dastand fasste Draco einen Entschluss, er würde um sie kämpfen. Um ihre Liebe egal was er anstellen musst um sie wieder für sich zu bekommen, er würde nicht eher aufgeben, bis sie nicht wieder so war wie sie früher gewesen ist. Er war ein Malfoy und auch wenn ihm sein Name nun mehr wenig bedeutete so wusste er doch, dass ein Malfoy nie aufgeben würde zu kämpfen, und das hatte auch er nicht vor.
Evelyn war ihren Freunden den ganzen Tag erfolgreich aus dem Weg gegangen und am Ende dieser Woche würde sie die drei für ein paar Wochen nicht mehr sehen, denn da begannen die Osterferien und sie würde heimfahren. Plötzlich war sie froh, dass Hermine sie dazu überredet hatte.
Evelyn hatte den Nachmittag im Raum der Wünsche verbracht, jetzt wollte sie in die Bibliothek gehen. Prof. Snape hatte ihnen irgendwann etwas über einen Zaubertrank erzählt mit dem man für Wochen ohne Schlaf auskommen konnte. Sie wusste auch noch dass das Buch mit der Anleitung für diesen Trank in der verbotenen Abteilung stand. Sie brauchte dieses Buch, denn sie wollte niemals wieder in diesen Kerker zurückkehren.
Plötzlich hörte sie Schritte hinter sich. Evelyn drehte sich nicht um sondern verschnellerte ihr Tempo.
„Evelyn warte!"
Genervt drehte sie sich um, also war sie doch nicht allen an dem heutigen Tag entkommen. Draco lächelte als er ihr Gesicht sah. Aber sie erwiderte sein Lächeln nicht. Evelyn hätte ihn gerne angelächelt. Sie hätte viel dafür gegeben ihn wieder lieben zu können. Aber sie war jetzt auf dem besten Weg dazu. Nämlich nicht mehr zu schlafen.
„Ich fahre in den Osterferien auch nach Hause. Dann kann ich dich besuchen. Ist das nicht toll?", fragte er strahlend.
„Ganz toll Draco.", sagte Evelyn und wandte sich zum gehen. Aber Draco hielt sie am Arm zurück.
„Eve was ist los mit dir?"
Evelyn riss sich wütend los. Sie wollte ihm alles erklären, ihm von ihren furchtbaren Träumen erzählen, sich von ihm in den Arm nehmen lassen und einfach wieder glücklich sein. Stattdessen erwiderte sie mit einer Kälte in ihrer Stimme die selbst einen Eskimo zum zittern gebracht hätte.
„Du willst mich besuchen? Dann tu das ich kann dich ja wohl kaum davon abhalten, aber lass mich jetzt in Ruhe. Ich habe noch zu tun.", dann schritt sie von dannen.
Evelyn hatte Glück denn die Bibliothek war leer bis auf Madame Pince, die gerade im hinteren Teil, Bücher einsortierte. Als wäre sie auf der Suche nach einem Buch schlenderte Evelyn zu ihr. Sie stellte sich hinter die Bibliothekarin und murmelte eine Zauberformel. Madame Pince sank gegen das Regal und schlief im stehen ein.
So schnell sie konnte lief Evelyn zur verbotenen Abteilung. Als sie die Tür öffnete schien es so als ob sich ein freudiges murmeln der Bücher erhob. Evelyn suchte die Reihen zielstrebig ab und fand das Buch sofort. Sie schlug es auf und begann mit rasender Geschwindigkeit die richtige Seite zu finden. Das Herz klopfte Evelyn bis zum Hals, denn jeden Augenblick konnte ein Lehrer oder ein anderer Schüler die Bibliothek betreten und sie erwischen. Aber genau dieser Nervenkitzel hatte sie veranlasst nicht bis zur Nacht zu warten.
Na ja, der Nervenkitzel und ihre Ungeduld. Sie hatte die Seite gefunden, zog ein Stück Pergament und ihre Feder hervor und verzauberte sie so dass sie die Seite in Windeseile abschrieb. Am Gang hörte Evelyn Schritte, ihre Feder war gerade beim letzten Absatz. Die Schritte kamen immer näher. Schweiß breitete sich auf Eves Stirn aus.
Die Feder war fertig und fiel um, Evelyn stopfte alles in ihre Tasche steckte das Buch wieder an seinen Platz zurück und lief hinter das Regal an dem Madame Pince lehnte und leise schnarchte. Die Schritte gingen an der Bibliothek vorbei just als Evi hinter dem Regal verschwunden war. Als sie sich immer weiter entfernten sprach Evelyn die Formel um Pince aufzuwecken. Diese schnarchte verwirrt auf und rieb sich die Augen.
„Huch, jetzt bin ich wohl eingeschlafen.", sagte diese und drehte sich zu Evelyn um, „Brauchst du etwas mein Kind?"
Evelyn lächelte, „Nein, nein. Ich habe schon was ich brauche vielen Dank."
Der Trank war komplizierter als sie es sich gedacht hatte und Evelyn hatte weiß Gott nicht alle Zutaten. Sie musste sich den Rest besorgen, aber nachdem sie die restlichen Zutaten hier kaum kaufen konnte musste Evelyn sie stehlen und zwar in Snapes Büro. Dazu musste sie ihn aber erst herauslocken.
Evelyn machte sich unsichtbar und ging mit schnellen Schritten durch das Schloss. Sie suchte jemanden der ihr dabei eine wichtige Hilfe sein konnte, vorausgesetzt er tat was sie ihm sagte. Evelyn hatte noch nie Probleme mit Peeves gehabt, er hatte ihr noch keine Streiche gespielt und wenn er ihr in die Quere kam, war er bis jetzt immer schnell abgetaucht. Aber es war natürlich etwas ganz anderes ihn um Hilfe zu bitten.
Im zweiten Stock fand Eve ihn schließlich. Er war gerade dabei auf einen Wandteppich mit grüner Farbe wüste Beschimpfungen zu schreiben.
„Peeves!", rief Evelyn. Der Poltergeist fuhr hoch und machte sich drauf und dran abzuhauen. „Warte, ich brauche deine Hilfe."
Abschätzig, fast ängstlich sah er sie an. „Meine Hilfe?", fragte er misstrauisch nachdem er sie von oben bis unten gemustert hatte.
„Ja, du sollst etwas anstellen.", sagte Evelyn ruhig.
„Aber ich stelle ständig etwas an. Unfug ist mein zweiter Vorname.", erwiderte Peeves und hüpfte erfreut in der Luft herum.
„Es muss schon etwas schlimmer sein als ein bisschen Farbe auf einem alten Teppich.", bemerkte sie mit einem deut auf den Teppich von dem mittlerweile die Farbe auf den Boden tropfte. „Es ist mir völlig egal was du anstellst, aber es muss wirklich, wirklich schlimm sein."
Peeves nickte eifrig und hüpfte weg. Evelyn hatte sich das schwieriger vorgestellt. Sie lief hinunter in den Kerker in Richtung von Snapes Büro. Im Gang drückte sie sich in den Schatten, machte sich unsichtbar und wartete. Die Minuten vergingen nur langsam. Und als sie bereits eine halbe Stunde wartete, war sie sich sicher dass Peeves sie verraten hatte und nur so getan hat als würde er ihr helfen.
Evelyn wollte gerade wieder gehen als sie schnell Schritte näher kommen hörte. Es war Filch. Er eilte ihr entgegen und stürmte ohne zu klopfen in Snapes Büro.
„Prof. Sanpe, diesmal ist er wirklich zu weit gegangen!", rief Filch aufgeregt.
„Können Sie nicht anklopfen?", fauchte Snape.
„Entschuldigen Sie Professor. Aber Peeves hat alle Toiletten geflutet. Überall ist Wasser, es steht sogar schon in der großen Halle, bald werden die Kerker überflutet werden."
„Mein Gott", Evelyn hörte wie Snape aufgesprungen war, „drehen sie das Wasser ab!"
„Das wollte ich, aber er hat die Armaturen herausgerissen.", verteidigte sich Filch.
Snape und Filch eilten aus dem Büro und Evelyn war sich sicher dass sie eine Zeit lang beschäftig sein würden.
Evelyn saß in ihrem Zimmer auf dem Boden, vor ihr brodelte ihr Kessel vor sich hin. Es war schon weit nach Mitternacht und die Müdigkeit schien immer hartnäckiger zu versuchen sie zu einem kurzen Schläfchen zu überreden. Noch fünf Minuten köcheln und der Trank war fertig.
Evelyn dachte an ihre Freunde. Sie war in der letzten Zeit unausstehlich zu ihnen gewesen und es würde sie nicht wundern wenn sie nie wieder auch nur ein Wort mit ihr sprachen. Dann schweiften ihre Gedanken zu Malfoy. Was hatte sie eigentlich in der letzten Zeit so an ihm gestört? Er war immer nett zu ihr gewesen. Draco hatte seinen Ruf seine Familie einfach alles für sie gegeben und wie hatte sie sich dafür bedankt? Sie hatte ihn mit Füßen getreten. Irgendetwas musste sie einfach unternehmen.
Sie nahm den Kessel vorsichtig von dem Feuer das sie heraufbeschworen hatte und goss sich einen Becher voll ein. Langsam trank sie die heiße Flüssigkeit. Sie schmeckte scheußlich. In Eves Körper breitete sich eine rasante Wärme aus, aber sie wurde keineswegs wacher davon. Ganz im Gegenteil, sie spürte die Müdigkeit in sich aufsteigen. Evelyn lehnte sich zurück sie wollte nicht, aber schließlich schloss sie die Augen. Als sie gerade beim einschlafen war spürte sie wie sich die Hitze in ihrem Körper wie ein Feuer ausbreitete. Die Energie schoss durch ihren Körper und Evelyn musste aufspringen. Sie konnte nicht mehr sitzen und lief unruhig im Zimmer auf und ab. Dieser Effekt gab sich nach ein paar Minuten und Evelyn war so wach als hätte sie die ganze Nacht geschlafen.
Die Stunden bis zur Morgendämmerung verbrachte Evelyn mit lesen und als die Sonne schließlich endlich über dem Horizont aufgetaucht war, zog sie sich frische Sachen an und ging in den Gemeinschaftsraum. Unten stand Prof. McGonnagal und ca. die Hälfte der Griffindore Schüler. Als schließlich alle da waren erhob sie die Stimme:
„Nachdem gestern, durch Peeves, an der Schule gehöriger Schaden entstanden ist hat der Schulleiter beschlossen ihre Ferien schon früher beginnen zu lassen.", ein Jubeln breitete sich im Raum aus. „Allerdings müssen alle Schüler über die Ferien Hogwarts verlassen und nach Hause zurückkehren. Bitte schicken sie Eulen an ihre Familien, denn heute Abend werden sie alle Heimfahren."
Evelyn machte sofort am Absatz kehrt und lief wieder hinauf in ihr Zimmer um alle Sachen zu packen.
Hermine sah wie sie hinaufeilte. Sie machte sich Sorgen um ihre Freundin, aber das war eigentlich schon fast Hermines Normalzustand. Immer wieder fragte sie sich was in ihr vorging und warum Dumbledore nichts dagegen unternahm.
„Na, toll die Dursleys werden sich freuen wenn sie meine Eule kriegen.", riss Harrys Stimme sie aus den Gedanken.
„Ach, was. Ich werde Mam fragen ob du bei uns die Ferien verbringen darfst. Ich denke aber sie hat nichts dagegen", erwiderte Ron, „Hermine du kannst uns sicher auch besuchen."
Hermine nickte nachdenklich. „Ja das wäre toll", sagte sie in Gedanken versunken „vielleicht sollten wir alle auch Evelyn besuchen."
„Das ist eine gute Idee."
Ron und Hermine gingen in die Eulerei um an ihre Eltern Briefe zu schicken während Harry nach oben ging um seine Sachen zu packen.
Die Schüler Hogwarts durften den Rest des Tages ihre Häuser nicht verlassen. Das Essen war ihnen gebracht worden und so liefen alle Schüler umher und packten, um auch nichts Wichtiges zu vergessen.
Nur Harry, Ron und Hermine saßen in einem Stuhl am Feuer und spielten Zauberschach. Besser gesagt verloren Hermine und Harry gegen Ron beim Zauberschach. Hermine hatte mit einem Zauberspruch alle ihre Sachen innerhalb von Minuten zusammengepackt und dann ihren Freunden geholfen, so waren sie schon jetzt fertig und beobachteten die anderen wie sie gestresst die Treppen rauf und runter liefen.
Hermine schaute ihnen kurz zu und schüttelte den Kopf: „Würden sie ein bisschen mehr lesen, dann hätten sie schon gepackt und würden nicht wie ein paar aufgeschreckte Hühner umherlaufen."
Ron sah kurz vom Schachbrett auf und erwiderte: „Ja, Hermine wir wissen alle das du ganz toll bist." Sie funkelte ihn böse an.
Evelyn war den ganzen Tag nicht einmal aus ihrem Zimmer gekommen. Hermine war schon mehrmals hinaufgegangen und hatte geklopft aber Eve hatte nie geantwortet.
„Ich wüsste gerne warum Peeves das gemacht hat", sagte Ron und starrte wieder konzentriert auf das Schachbrett.
„Was meinst du damit? Peeves ist ein Poltergeist, er macht immer irgendwelchen Blödsinn. Läufer F6", sagte Harry und warf mit seiner Figur Rons Dame.
„Ja, aber ich weiß was Ron meint.", schaltete sich Hermine ein, „normalerweise macht er kleinere Sachen, wie die Türschlösser verkleben oder Filch mit Kreide bewerfen. Aber so etwas Extremes hat er noch nie gemacht."
„Es ist fast so als hätte ihn jemand dazu angestiftet. Wenn Fred und George noch hier wären hätte ich gesagt sie waren es Turm F6.", Ron schlug mit seiner Figur wiederum Harrys.
„Es ist meine Schuld." Die Köpfe der drei fuhren hoch. Evelyn setzte sich auf einen Stuhl neben Harry. Sie warf einen Blick auf das Schachbrett. „Harry dein Läufer auf E5. Schach matt Ron." Harrys Figur ging auf dieses Feld und Rons König legte seine Krone nieder und verließ das Spielfeld.
„Danke", sagte Harry und grinste.
„Was meinst du mit das warst du?", fragte Hermine die Eve die ganze Zeit über angestarrt hatte.
Evelyn senkte die Stimme, damit niemand ihr Gespräch belauschte: „Ich hab Peeves gesagt er soll etwas anstellen, damit ich in Snapes Büro einbrechen kann.", dann lächelte sie und sah in die erstaunten Gesichter ihrer Freunde.
Hermine klappte dreimal den Mund auf und zu bis sie etwas sagte: „Warum?", war das einzige Wort das sie über die Lippen brachte.
„Ich brauchte ein paar Zutaten aus seinem Büro", blieb Eve kurz angebunden.
„Jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen. Wofür brauchst du all diese Zutaten.", fragte Ron neugierig.
Evelyns Kopf begann sich plötzlich zu drehen, sie spürte die Übelkeit in sich aufsteigen. Und plötzlich war er wieder da. Der Hass. Wie konnte sie nur mit solch unwürdigen Zauberern sprechen. Man durfte sie eigentlich auch gar nicht Zauberer nennen, denn das war eine Beleidigung für all die Reinblütigen von ihnen. Es war wie eine leise Stimme die ihr das zuflüsterte und die Wut und den Hass hochkochen ließ.
„Das geht euch überhaupt nichts an", zischte Evelyn wütend und lief die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf.
Ron sah die anderen beiden verwundert an. „Die hat sie doch nicht mehr alle. Oder?"
„Nein, das ist es nicht", sagte Hermine, wie immer nachdenklich, „sie will es uns ja sagen, aber irgendetwas hält sie davon ab. Oder irgendjemand."
„Voldemort?", flüsterte Harry so leise dass nur Ron zusammenzuckte.
Hermine nickte. „Vielleicht.", dann zuckte sie mit den Schultern und begann die Figuren wieder neu aufzustellen. Diese Ungewissheit machte ihr nicht nur Sorgen, sie machte ihr Angst.
Evelyn hatte sich nicht in dasselbe Abteil wie ihre Freunde gesetzt, sie saß alleine in einem. Die Vorhänge hatte sie zugezogen, denn sie wollte nicht dass sie jemand sah. Tränen liefen ihr über die Wangen und befeuchteten ihren Umhang. Wann hörte all das endlich auf?
Ein paar Waggone weiter saßen Harry, Ron und Hermine. Sie scherzten nicht, wie sonst immer, sie saßen nur da und starrten zum Fenster hinaus. Draußen begann es zu Regnen und so passte auch das Wetter sich an ihre Stimmung an.
Als der Hogwartsexpress endlich angekommen war, war Evelyn eine der ersten die den Zug verließ. Sie wollte nur so schnell wie möglich weg von allen. Keiner war am Bahnhof um sie abzuholen und so ging sie zur nächsten U-Bahn Station. Sie fluchte als sie die schweren Koffer den Weg zu ihrem Haus trug.
Und dann stand sie davor. Es sah noch genauso aus wie sie es verlassen hatte. Vor der Gartentür war sie stehen geblieben. Evelyn hatte nicht den Mut hindurch zu gehen. Es war so vieles Geschehen, Dinge auf die sie nicht stolz war. Alles hatte sich verändert. Und dennoch konnte Dipps jeden Moment aus der Tür kommen und sie willkommen heißen. Minuten lang stand sie da unfähig sich zu bewegen. Dann griff sie nach der Klinke drückte sie runter und ging durch die Tür. Plötzlich machte sich ein warmes Gefühl in ihr breit. Glück durchströmte sie und alles wurde unwichtig.
Evelyn packte die Koffer und lief zur Haustür, sie läutete. Drinnen hörte sie eilige Schritte, dann öffnete sich die Tür und das lachende Gesicht von Winx strahlte ihr entgegen. Evelyn sank auf die Knie und umarmte sie. Jetzt war sie wirklich zu hause.
Als Evelyn die Tür hinter sich schloss und Winx alles erzählte, von ihren neuen Freunden und Hogwarts, war sie zum ersten Mal seit Monaten wieder richtig glücklich. Evelyn hatte nicht bemerkt wie ihr die Kette vom Hals gerutscht war. Sie lag vor dem Gartentor, denn der Weg zu Dipps Haus war ihr versperrt.
Die Sonne war schon untergegangen, Evelyn saß im Arbeitszimmer. Neben dem Schreibtisch lag ein Haufen zusammengeknüllter Pergamentkugeln. Eine weitere folgte. Evelyn lies den Stift aus ihrer Hand fallen und seufzte. Plötzlich klopfte es an der Tür. Normalerweise stand diese Tür immer offen, aber Evelyn wollte ein wenig Ruhe haben, denn diese Zeilen zu schreiben fiel ihr wirklich schwer.
Winx öffnete vorsichtig die Tür. „Komm rein.", sagte Evelyn.
Was machst du hier? fragte sie.
„Ich versuche einen Brief an meine Freunde zu schreiben."
Winx sah fragend auf den Haufen Pergament, der den Papierkorb mittlerweile so überhäuft hatte dass man ihn nicht mehr sehen konnte.
„Mir fehlt irgendwie der Anfang.", sagte Eve erklärend.
Warum es sind doch deine Freunde.
„Ja, ich weiß." Evelyn starrte vor sich hin. Waren die drei überhaupt noch ihre Freunde? Diese Frage hatte Evelyn die ganze Nacht nicht schlafen lassen. Und auch jetzt wollte sie einfach nicht mehr aus ihrem Kopf. Winx ging neben sie und setzte sich auf den Schreibtisch, sie streichelte Evelyn über die Wange.
Etwas anders betrübt dich auch. Stimmt's?
Evelyn nickte. Winx hatte schon immer gewusst wenn sie Sorgen hatte.
Ist es wegen Daniel? , fragte sie.
„Nicht nur. Er fehlt mir, das Haus ist irgendwie so leer ohne ihn. So ruhig."
Und was ist das andere?
„Es ist wegen meinen Freunden, ich habe mich in letzter Zeit nicht gerade nett ihnen gegenüber verhalten."
Winx lächelte. Wenn es deine wirklichen Freunde sind, dann verzeihen sie dir. Und wenn sie dir nicht verzeihen, haben sie dich nicht verdient.
Damit hüpfte Winx vom Schreibtisch. Ich backe jetzt Kekse, wenn sie fertig sind kannst du dir welche holen.
Plötzlich fiel es Evelyn leicht entschuldigende Zeilen an ihre Freunde zu schreiben. Und als die Kekse bereits herrlich dufteten schickte Evelyn gerade ihre Eule weg, mit dem tiefen Herzenswunsch einer zweiten Chance.
