14.
Unruhig drehte sich Seiya von einer Seite auf die andere. Sie konnte einfach nicht schlafen. Ihre Sinne waren derart auf Aklm ausgerichtet, dass sie auch jede andere Dämonenaura sofort wahrnahm und wusste, wo sie war.
Aber Taiki und Yaten hatte ihr ja verboten, auf Dämonenjagd zu gehen.
„Scheiß drauf!"
Leise stand sie auf, bedacht, Kaiji nicht zu wecken, und griff nach ihrer Brosche. Sie verwandelte sich und stellte erneut frustriert fest, dass ihre Uniform nicht mehr so passte, wie sie es gewohnt war. Fighter öffnete das Fenster und sprang auf das Fensterbrett. Kalte Nachtluft schlug ihr entgegen. Sie überprüfte, ob Nintairyoku auch wirklich gut an den Bändern, die um ihre Tailli geschlungen waren, befestigt war und sprang dann ab. Sicher landete sie auf dem nächsten Hausdach und folgte von dort ihrem Gespürt.
Was Fighter nicht registriert hatte, war, dass Kaiji alles mitbekommen hatte.
Als sie weg war, öffnete er die Augen und starrte an die Decke.
„Pass auf dich auf, Seiya", bat er leise.
Zwei Stunden später kletterte Fighter über das Fensterbrett wieder hinein, verwandelte sich zurück und fiel erschöpft ins Bett. Sie schlief augenblicklich ein.
So ging das die nächsten Wochen und niemand schien etwas mitzubekommen- mit Ausnahme von Kaiji, der jeden ihrer Streifzüge bemerkte- doch er verlor nie ein Wort darüber.
Nur durch die nächtlichen Dämonenjagdten konnte es Seiya halbwegs über sich ergehen lassen, tagsüber nicht mit den anderen Senshi zu kämpfen.
Sie wusste, dass ihr Verhalten verantwortungslos war, aber sie brauchte die Kämpfe- sie war schließlich eine Senshi und wenn sie keine Dämonen vernichten durfte, dann kam sie sich vor wie eine wilde Raubkatze, die man in einen kleinen Käfig gesperrt hatte.
„Sie hat sich erstaunlich schnell damit abgefunden, nicht mehr zu kämpfen", meinte Yaten eines Tages zu Taiki und Kaiji.
Es war inzwischen ein Monat vergangen, seit Aklm Rache geschworen hatte, doch bisher hatte er nicht mehr angegriffen. Yaten und Taiki genossen die freie Zeit die sie hatten, dennoch waren sie stets aufmerksam. Glücklicherweise schienen auch die anderen Dämonen zu dieser Zeit nicht allzu viel von einem Angriff zu halten.
Das es vielleicht daran lag, dass sich Fighter jede Nacht mit den Dämonen um die Ohren schlug, dass wusste nur Kaiji.
Es war wieder einmal eine Nacht, in der er wach lag und darauf wartete, dass sie von ihren Streifzügen zurückkam. Doch irgendwann war er eingeschlafen. So bekam er nicht mit, wie eine Person schwerfällig durch das Fenster hineingeklettert kam. Ihr Atem ging unregelmäßig. Blut tropfte von zahlreichen Verwundungen auf den Parkettboden. Ihr ganzer Körper schmerzte furchtbar. Sie hoffte nur, dass keine Knochen gebrochen waren.
Schmerzerfüllt stöhnte sie auf, als sie sich langsam vom Fensterbrett hinunterließ. Leise ging sie durch das Zimmer, verließ es und ging ins Bad. Sie bemerkte nicht die Blutspur, die sie durch das ganze Appartement zog.
Fighter betrachtete sich im Spiegel und fragte sich, wie sie diese ganzen Verletzungen verbergen sollte. Sie beugte sich zum Waschbecken hinunter und wusch ihr Gesicht. Jede Bewegung schickte hunderte von kleinen Schmerzeswellen durch ihren Körper.
Unterdessen war Kaiji aufgewacht. Er hatte geglaubt, Seiya zu hören und schaltete das Licht ein. Sofort sah er die Blutspur und folgte dieser ins Badezimmer.
„Fighter!" Bestürzt sah all das Blut, das ihren Körper hinablief.
Entsetzt sah sie ihn an- unfähig etwas zu sagen. Sie taumelte und Kaiji fing sie auf. Blut beschmierte seinen nackten Oberkörper. Während er sie festhielt, griff er nach einem großen Handtuch, in das er sie einwickelte. Anschließend hob er sie hoch und trug sie ins nächstgelegene Wohnzimmer, wo er sie auf die Couch legte.
Unsicher sahen in zwei blaue Augen an.
„Yaten! Taiki!", rief Kaiji.
„Nein", flüsterte Fighter.
Mit zerzausten Haaren und mehr im Schlaf, als wach, kam Taiki aus ihrem Zimmer.
„Was schreist du denn so rum?"
Im nächsten Moment erblickte sie Fighter.
„Oh mein Gott!"
„Halt die Klappe, Kaiji", kam es von einer sich im Halbschlaf befindenden Yaten.
„Wie ist denn das passiert?", fragte Taiki und war bei Fighter niedergekniet, um sich die Verletzungen genauer anzusehen.
Erst jetzt bemerkte auch Yaten Fighters Zustand.
„Was hast du denn gemacht?"
Bisher hatte es Fighter vorgezogen zu schweigen. Es passte ihr überhaupt nicht, dass nun alle Bescheid wussten.
„Bist du angegriffen worden oder warst du auf Dämonenjagd?", fragte Taiki, während sie Yaten per Handzeichen zu verstehen gab, den Verbandskasten zu holen.
„Nachdem du schweigst, nehme ich an, dass du auf Dämonenjagd warst", meinte die Brünette schließlich.
„Verwandel dich zurück", befahl Yaten, als sie wieder zurückkam. Fighter tat wie ihr gesagt wurde.
„Kaiji, hol bitte eine Schüssel mit warmen Wasser und ein Tuch", bat Yaten.
„Hast du Schmerzen?", fragte Taiki.
„Nein", log Seiya.
Die beiden anderen wechselten einen skeptischen Blick und schließlich begann Yaten Seiya abzutasten. Sie war in ihrer Ausbildung zur Senshi nicht zu unrecht die Beste in dem Fach gewesen, das Menschen wahrscheinlich als „Erste Hilfe Kurs" bezeichnen würden.
Nicht gerade zimperlich tastete sie Seiya ab. Yaten sah auch gar nicht ein, warum sie dies tun sollte- Seiya war schließlich selbst Schuld an den ganzen Verletzungen.
Bisher hatte sie alles stumm über sich ergehen lassen. Lediglich an ihrer Mimik konnte man erkennen, dass sie Schmerzen hatte.
Als Yaten am Bauchbereich angekommen war, drückte sie mit Absicht fester zu. Und diesmal schrie Seiya vor Schmerzen auf.
„Hart wie Beton", kommentierte Yaten.
„Hast du einen Tritt in den Magen einkassiert?"
„Drei", antwortete Seiya. Im nächsten Moment knallte es und ihre Wange glühte. Yaten hatte ihr eine geohrfeigt!
„Sei froh, dass die Magie dein Baby halbwegs vor physischen Attacken schützt!
Du willst es wohl um jeden Preis verlieren!", schrie Yaten sie an.
Danach nahm sie eines der feuchten Tücher und begann mit Taiki und Kaiji das Blut wegzuwischen, die Wunden zu säubern und zu verbinden.
„Deine Kräfte sollte dafür gesorgt haben, dass die Verletzungen in spätestens drei Tagen abgeklungen sind", sagte Yaten kalt, als Seiya verarztet war und die Sachen wieder aufgeräumt. Ohne ein weiteres Wort ging sie zurück in ihr Zimmer und knallte die Tür zu.
„Bis die Wunden verheilt sind, wirst du im Bett bleiben. Sollte es dir nicht besser gehen, holen wir einen Arzt", erklärte Taiki kühl und ging ebenfalls wieder zu Bett. Es war schließlich drei Uhr in der Früh.
Letztendlich trug Kaiji Seiya in ihr Bett. Als er sich neben sie legte, kuschelte sie sich an ihn, doch er befreite sich von ihr.
„Kaiji …"
„Ich hielt nur deswegen einen Monat lang meinen Mund, weil ich davon ausging, dass du vernünftig genug wärst und größeren Kämpfen aus dem Weg gingest. Aber anscheinend habe ich mich vollkommen in dir getäuscht", entgegnete Kaiji und Seiya glaubte Traurigkeit in seiner Stimme zu hören.
