6. Kapitel: Rache

„Also, das rote Puder führt zu Würgekrämpfen, das Gelbe zu übermäßiger Ohrschmalzproduktion und das Grüne verschafft dir einen garantiert stundenlangen Schluckauf. Bitte sehr!" Bertie reichte James die kleinen Tüten mit dem Pulverinhalt und grinste.

„Du bist klasse, Mann. Woher kannst du das bloß alles?" fragte Sirius.

Bertie Bott winkte ab. „Ein bisschen Interesse für Zaubetränke und Kräutekunde, gepaart mit dem Schulalltag, und dir fallen hunderte Kombinationen ein."

James stopfte die Beutel in seine Tasche, dann verabschiedeten sie sich von Bertie und eilten die Treppe hinunter.

Sirius und James hatten Muskelkater, ihre aufgekratzten Arme schmerzten und sie wussten genau, wem sie das zu verdanken hatten.

Eine flammende Wut war in Sirius' Brust gewachsen: Snape hatte sie nicht nur verpetzt, er war auch noch ein verdammter Slytherin, ein erbärmlicher Besenflieger und ein Schleimer. Niemand mochte ihn, nicht mal die Slyhterins selbst, glaubte er.

Er war der perfekte Sündenbock.

Nach dem Frühstück machten sie sich auf den Weg in die Kerker von Hogwarts, wo Professor Slughorn seine Zaubertrankstunde abhielt.

Tief unter dem Erdboden war es kalt, die Mauersteine glänzten vor Feuchtigkeit und Fackeln warfen flackerndes Licht an die Wand.

Sirius teilte sich mit James und Remus einen Tisch, die Slytherins, darunter Narcissa und Snape, arbeiteten an einem Tisch in der anderen Raumseite.

„Heute", unterbrach Slughorn das Getuschel der Schüler, „werden wir einen Trank zur Stärkung der Konzentrationsfähigkeit brauen. Kein kompliziertes Rezept, möchte man meinen, doch man braucht intuitive Reaktionsschnelle und Gespür. Bitte schlagen sie ihr Zaubertrankbuch auf Seite 16 auf, die Zutaten finden sie im Schrank", er öffnete die Schranktüren mit einem Winken seines Zauberstabs, „und am Ende der Stunde werden wir die besten Tränke prüfen. Viel Erfolg!"

Sirius' Resultat entsprach nicht ganz der Beschreibung im Buch, die den Trank als eine hellblaue, geruchslose Flüssigkeit beschrieb. In seinem Kessel befand sich eine schwarze, zähe Masse, die erbärmlich nach faulen Eiern stank, und auch James' Ergebnis sah nicht viel besser aus.

Der Trank von Remus dagegen hatte die vorgeschriebene Färbung, doch er erstarrte ab und an zu Eis, nur um Sekunden danach wieder kochend heiß zu brodeln.

Mit schweißverschmierten Haaren warf Lupin verschiedene Kräuter und Wurzeln in seinen Kessel, die der überforderte Trank teilweise wieder ausspuckte.

Slughorn schlenderte an den Tischen vorbei, würdigte James Trank keines Blickes und eilte mit verzogener Miene an Sirius stinkendem Ergebnis vorbei.

„Mir scheint, Sie haben die Kamillenblätter vergessen!" rügte er Remus. „Sie verhindern den ständigen Wechsel des Aggregatzustandes – Ihren Trank jetzt zu sich zu nehmen, wäre höchst gefährlich, mein Lieber!"

Der Lehrer watschelte weiter, und Sirius stach enttäuscht mit dem Zauberstab auf das etwas in seinem Kessel ein. „Zaubertränke scheinen nicht so ganz mein Gebiet zu sein", flüsterte er. „Wenn man eine Zutat vergisst, zu oft umrührt oder ihn nicht ziehen lässt, ist er ganz hin oder bringt dich am Ende noch um."

„Pssscht!" unterbrach James ihn, und deutete mit dem Kinn zu Slughorn. Der hatte gerade Lily Evans' hervorragenden Trank gelobt und forderte sie jetzt auf, einen Schluck zu sich zu nehmen.

Das Mädchen füllte eine Kelle der Flüssigkeit in einen Becher, den Slughorn aus dem Nichts heraufbeschworen hatte, dann nahm sie einen tiefen Schluck.

Die Reaktion erfolgte sofort: Lilys Körper wurde in blaues Licht getaucht, eine Aura der Konzentration schien um sie zu entstehen, ernst und ausgeglichen blickte sie zu Slughorn, der jubelte und rief: „Zehn Punkte für Gryffindor, die haben sie sich wahrlich verdient!"

Fröhlich ging er weiter zum Tisch der Slytherins.

„Etwas weniger Eisenkraut, dafür mehr Traubenzucker!" sagte er zu Narcissa und roch kritisch an der Arbeit ihres Nachbarn.

„Das ist die Gelegenheit!" zischte James, riss die kleinen Tüten aus seiner Tasche und hastete zum Zutatenschrank.

„Hab zuviel von der Würgewurzel genommen, ich leg sie lieber wieder zurück!" murmelte er als Antwort auf Slughorns fragenden Blick.

Sirius sah jedoch, wie James einen Augenblick lang offenbar interessiert neben Snapes Zaubertrank stehen blieb, und mit einer unauffälligen Handbewegung etwas Puder hineinwarf.

Snape bekam davon nichts mit, aufgeregt starrte er zu Slughorn.

James kehrte grinsend zurück und flüsterte: „Gleich wird's lustig!"

Slughorn bewegte sich jetzt auf Snape zu. „Hervorragende Arbeit, Severus, ganz hervorragend!" lobte er. „Und mal wieder haben sie allerhand hinzugefügt – oh, ein wenig Rotschneckenschleim, natürlich, natürlich, vertreibt zusätzlich die Müdigkeit, wie geschickt!" Stolz schob Snape die Brust nach vorne und nickte. „Und was ist das? Sagen sie nicht, sie haben auch noch zerriebenes Erdbeerpulver hinzugetan – da sieht man ja noch die Schlieren – wie wunderbar, für den besseren Geschmack, nicht wahr?"

„Ähm…" Severus blickte verwirrt in seinen Trank, kam dann zu dem Schluss, dass er diese hervorragende Idee sehr wohl gehabt, es nur wieder vergessen hatte. „Sicherlich, sicherlich."

James lachte prustend und wiederholte leise die Worte von Bertie: „Das rote Pulver führt zu Würgekrämpfen…"

„Nun, Mr. Snape, dann nehmen sie doch mal einen Schluck ihres Trankes, ich bin sicher, er ist perfekt…" forderte ihn Slughorn auf und erschuf aus dem Nichts den kleinen Kristallbecher. „Bittesehr."

Snape schöpfte etwas der hellblauen Flüssigkeit, grinste zufrieden und nahm einen tiefen Schluck. Einen Moment geschah nichts, dann rauschte ein blaues Licht von seinen Zehenspitzen bis in die Haare, er riss die Augen weit auf, seine Pupillen erweiterten sich und sein Gesicht wurde ruhig und konzentriert.

„Bravo, bravo!" Slughorn klatschte in die Hände. „Das haben Sie ganz wundervoll gemacht."

Einen Moment blieb Snape in seiner Verfassung, dann ging ein Schütteln durch seinen Bauch und er stieß ein krächzenden Geräusch hervor.

„Ähm…Severus? Was ist mit Ihnen?"

Der Schüler sank auf die Knie, warf einen wirren Blick zu Slughorn und begann schrecklich zu würgen.

„So eine Sauerei", sagte Remus, als sie die Kerker verließen. James und Sirius lachten immer noch aus vollem Halse und machten Snapes Verrenkungen nach.

„Das warst doch du, oder James?" hakte er nach. „Aber sicher!" grinste der.

„Woher wusstest du, dass das Puder kombiniert mit dem Trank nicht etwas völlig anderes ergeben würde?" „Das wusste ich nicht", entgegnete James schulterzuckend.

Remus sog erschrocken Luft ein. „Du wusstest es nicht? Es hätten so schlimme Sachen passieren können!"

James machte eine wegwerfende Handbewegung. „Reg dich nicht auf. Selbst wenn, wär auch nicht so schlimm gewesen, oder? Es ist Snape! Eine verdammte Drecksratte!"

„Ich kann das nicht glauben", murmelte Remus kopfschüttelnd und folgte ihnen die steilen Treppen hinauf.

Es war nicht das letzte mal, dass James und Sirius Pläne ausheckten, um Snape zu schaden, oder ihn auf den Gängen verhexten. Snape war schwächer, er war allein und oft langsamer als die Anderen.

Sie brauchten keinen wirklichen Grund mehr, um Snape Streiche zu spielen – seine pure Existenz war für sie ausreichend genug, seine Eigenschaften und die Tatsache, dass er ein Slytherin war, noch dazu.

Vielleicht hätten sie anders gehalten, wüssten sie, welchen Menschen sie aus Severus Snape durch ihre ständigen Demütigungen und Angriffe machten, wüssten sie, welchen generationsübergreifenden und gefährlichen Hass sie in die Seele des Jungen brannten.