ZEHN

Garron sprang aus der Öffnung. Der Sith kam gerade den Abhang herunter.

„Ein verfluchter Jedi", sagte Dravk grinsend und starrte auf Garron.

„Nur die Sith sind verfluchte Jedi", entgegnete dieser.

Dann riss ein paar Meter rechts von Garron die Erde auf und Steine schossen von dort in alle Richtungen. Zurück blieb ein Krater.

„Weißt du, Jedi…", begann Dravk. Ein Stalagmit wurde rissig und zersprang in hunderte von Bruchstücken, die explosionsartig weggeschleudert wurden. Die gesamte Landschaft schien zerstört zu werden. „Weißt du, was die drei Forscher hier gesucht haben, auf diesem Mond? Sith-Relikte! Und sie haben welche gefunden…"

Garron stand abwartend in Kampfhaltung vor der besessenen Navara. Er glaubte nicht, dass Ann und die beiden anderen deshalb hier gewesen waren, aber wenn sie bei ihren Forschungen zufällig auf…

„Holocrone, alte Aufzeichnungen,…", sagte der Sith. „Und natürlich Lichtschwerter… Zornesrote Lichtschwerter!" Mit diesen Worten hatte er plötzlich einen Lichtschwertgriff in der Hand, sprang auf Garron zu und zündete in der Bewegung die Klinge.

Garron machte einen Schritt zurück, um sich etwas mehr Zeit zu verschaffen, und blockte dann mit seinem Schwert den Angriff. Blitzschnell zog Dravk seine Klinge zurück, griff aus einer anderen Richtung an und dieses Mal konnte Garron nur knapp parieren. Er ist viel zu dicht! Garrons Gedanken rasten.

Dies war kein elegantes Lichtschwert Duell, bei dem ein in Meditation versunkener Jedi langsam aber sicher über einen vom Zorn besessenen Sith triumphierte.

Dies war ein Kampf.


Wie im Maul einer Bestie saß Ann in dem Cockpit des fremdartigen Schiffes. Ihr Grundwissen über die Raumschiffe, die in ihrer Galaxis gebaut worden waren, half ihr hier nicht im Geringsten weiter. Vermutlich waren sogar die Techniker der Zeit, in die der Mond sie gebracht zu haben schien, mit diesem Gefährt überfordert.

Trotzdem schöpfte Ann inmitten eines fremdes Raumschiffes auf einem sterbenden Mond ein wenig Hoffnung: Vielleicht brauchte es für ein lebendiges Raumschiff ja gar keinen Techniker.

Sondern vielmehr eine Biologin.

Verzweifelt versuchte Ann sich das Schiff als Lebensform vorzustellen. Es war ein Lebewesen, wurde aber durch ein Cockpit gesteuert. Das bedeutete...

Das fremde Raumschiff wurde erschüttert und Ann stürzte zu Boden. Entweder war Garron tot und der Sith bewarf das Schiff wieder mit Felsen, oder aber der Zustand des Mondes verschlechterte sich immer schneller.

Tödlich war beides.

Ann kam mühsam wieder auf die Beine und zwang sich, ihre vorherige Überlegung fortzusetzen. Vermutlich saß sie in einem Lebewesen, das Befehle von einem Piloten entgegennahm, ähnlich wie ein Reittier von einem Reiter. Demnach musste das Wesen doch einen Überlebensinstinkt besitzen, der es handeln ließ, selbst wenn der Pilot keine Anweisung gab.

Oder aber es war deutlich weniger hoch entwickelt und würde einfach sterben. Zusammen mit ihr und Garron.
Ann Rioun starrte auf das Gewirr von Nervenbahnen, das an den Wänden des Cockpits verlief. Zu komplex für eine nicht-denkende Lebensform. Und zu ruhig und langsam für eine denkende. Außer aber...


Verbissen blockte der Jedi Cliff Garron die Angriffe seines Gegners, musste aber mit jeder Sekunde zurückweichen. Als er sich dem Kampf gestellt hatte, hatte er gewusst, dass sein Gegner ein Sith Lord war, aber Cliff hatte keine Ahnung gehabt, was das bedeutete.

Ravvon Dravks Wissen um die Macht und den Lichtschwertkampf entstammte einer Zeit, in der die Sith auf dem Höhepunkt ihrer Macht waren. Die Jahrtausende, in denen es immer nur zwei Sith gab und stets ein Meister einen Schüler unterrichtet hatte, hatten das Wissen der Sith gewiss nicht vergrößert, eher waren viele tödliche Techniken in Vergessenheit geraten und Vader und der Imperator hatten sie nie erfahren.

Ravvon Dravk konnte der Schöpfer vieler dieser Techniken sein.

Cliff Garrons Wissen dagegen beschränkte sich auf einen kleinen Teil von dem, was Luke Skywalker gelernt hatte. Und Skywalker hatte nie eine wirkliche Jedi Ausbildung durchlaufen.

Wilder und wilder stach Dravk zu und Garron wurde immer schwächer.

Die Erde riss mit einem gewaltigen Beben auf und die letzten Minuten von Korribans größtem Mond begannen.

Und dann verlor die helle Seite der Macht gegen die Dunkelheit des Sturms und des Mondes.


Ann Rioun fühlte, wie sie zusammen mit dem fremden Lebewesen in die Tiefe gezogen wurde. Immer wieder wurde das Schiff umher geworfen, als ob es irgendwo gegen prallte und dann weiter nach unten stürzte.

Die Biologin hatte keine Chance zu stehen und verfing sich im Chaos in der organischen Wand des Raumschiffes. Überall schlangen sich Fäden, die Schlingpflanzen ähnelten, um sie.

Weil Ann wegen des rasend schnellen Sturzes und den Erschütterungen nicht mehr klar denken konnte, wurde ihr gar nicht bewusst, dass das lebende Schiff sie schützte.

Und erst jetzt merkte sie, dass das Schiff zwar immer noch durchgeschüttelt wurde, ihre Orientierungslosigkeit aber nachgelassen hatte.
Das Schiff baute eine Gravitation auf.

Es war aufgewacht.


Er stürzte dem dunkelsten Abgrund entgegen, den er in seinem gesamten Leben gesehen hatte. Er konnte nichts mehr für Ann tun. Die Dunkle Seite hatte gewonnen. Der Sturm hatte den Mond vollständig erobert und die helle Seite war nirgendwo präsent. Hier war nur Dunkelheit.

Cliff Garron prallte hart auf.

Und dann war gar nichts mehr zu spüren.

Die Macht war verschwunden.

Der Mond war übersät von tiefen und riesigen Erdspalten. Der Regen prasselte immer noch, aber er fiel kaum noch auf in all den Blitzen und durch die Luft geschleuderten Felsbrocken. Die Basis, die die republikanischen Forscher vor über zwei Jahren errichtet hatten, war in die Tiefe gestürzt. Sie nahm den toten Techniker Trevor Zan und den deaktivierten Astromech Droiden X1 mit in die Abgründe.

In einem weiteren dieser unzähligen Erdrisse schwebte jetzt ein kleines Raumschiff in der Luft, das nicht nur organisch war. Nein, es verdrängte die Macht. Und zwar nicht nur in seinem Inneren, sondern auch ein wenig um die gepanzerte Haut herum. Und auf dieser Außenhaut lag jetzt der Jedi Cliff Garron, der gerade rechtzeitig die Augen aufschlug, um zu sehen, wie der Sithlord Ravvon Dravk auf dem Schiff landete.

Cliff zündete sein Laserschwert und erhob es. Zwei Meter von ihm entfernt stand Ravvon Dravk in einer fremdartigen, furchteinfößenden Kampfstellung mit ebenfalls aktivierter Klinge. Im Herzen der dunklen Seite und doch völlig abgeschnitten von der Macht begann der letzte Abschnitt des Kampfes.

Cliff stieß vor und führte einen vertikalen Schlag aus, den Dravk blockte. Es fiel dem Sith schwer, auf einem fliegenden Schiff das Gleichgewicht zu halten, ohne sich mit der Macht perfekt ausbalancieren zu können.

Aber dasselbe galt für Cliff. Dravk stieß ihn weg und verwandelte die Abwehr in einen Angriff. Während sein Gegner noch versuchte, das Lichtschwert wieder vor den Körper zu reißen, schlug Dravk nach Cliff und er verfehlte ihn, da dieser schwankte. Cliff verlor das Gleichgewicht und stürzte.
Flieg hier weg, wollte er Ann durch die Macht zurufen. Aber die Macht existierte nicht. Er konnte nicht kämpfen und er konnte Ann nicht warnen. Wenn Dravk die Hülle des Schiffs zerschneidet, ist das auch ihr Ende!

Ravvon Dravk holte gerade zum finalen Schlag aus, als der Blitz einschlug. Irgendetwas, und es war nicht die Macht, ließ Cliff Garron im Moment des Einschlags reagieren und sein Lichtschwert in Dravks Bauch stoßen. Dann war er geblendet und sah nichts mehr. Aus Kraftlosigkeit musste er sein Lichtschwert fallen lassen.

Aber das war bedeutungslos, denn Ravvon Dravk war tot.

Cliff tastete auf der unregelmäßigen Oberfläche des Schiffes nach etwas mehr Halt und fand eine Stelle, an der er sich festhalten konnte. Es war sein Vorteil gewesen, dass er den Blitz geahnt und seine Wirkung bereits gekannt hatte. Das waren keine gewöhnlichen Blitze, schließlich entstanden sie ja auch nicht in einem gewöhnlichen Sturm. Es waren Machtblitze, ähnlich denen der alten Sith. Und so stark die dunkle Seite auch ist, in diesem winzigen Bereich auf einem verdorbenen Mond existierte sie nicht. Der Blitz hatte keinerlei Schaden angerichtet, er hatte lediglich beide kurzzeitig geblendet und Dravk mehr überrascht als Cliff.

Und dann ertönte ein ungeheurer Schrei in Cliffs Kopf. Augenblicklich erkannte er, was passiert war. Ravvon Dravk versuchte, Besitz von ihm zu ergreifen. Und schmerzhafte Sekunden später war es ihm gelungen.

Cliff hatte verloren und keine Kontrolle mehr.

Er konnte noch denken, aber nicht mehr handeln. Das tat Dravk jetzt. Und Dravks Gedanken waren wie Schreie. Das Lichtschwert!
Der Sith wollte die Hülle durchstechen. Dann würde er Ann töten und mit dem Schiff von hier fliehen.

Cliff Garron sah hilflos zu wie Dravk mit Garrons geblendeten Augen und nach wie vor ohne Machtsinne nach einem der beiden Lichtschwerter tastete. Er spürte, wie seine Hände plötzlich Navaras durchstochenen Leichnam fanden und hörte, dass Dravk triumphierte. Die Lichtschwerter lagen genau hier.


Ann Rioun war es soeben gelungen, sich von der Wand des Schiffes zu lösen, als ein schreckliches Geräusch von oben ertönte. Ein Blick auf die Nervenimpulse zeigte: Das Schiff wurde angegriffen. Schwer angegriffen.

Im nächsten Moment stieß ein leuchtend rotes Lichtschwert durch die organische Deckenhaut und verbranntes Fleisch fiel auf den Boden des Kommandoraumes. Unter grellem Licht wurde ein weiteres Stück aus der Haut herausgeschnitten und Cliff Garron sprang ins Schiff.

Ann schlug das Herz bis zum Hals, aber sie konnte immer noch klar denken. Und das machte es noch schlimmer: Garron wusste, wie man gewaltlos ins Schiff gelangte. Also hatte der Sith von Garron Besitz ergriffen!

Das war das Ende.

Der durchnässte Cliff erhob sein rotes Lichtschwert, auf dem immer wieder knisternd Regentropfen aufprallten, und ging auf Ann zu.
Der Sithlord setzte zum Schlag an, ließ das Schwert fallen und fiel auf die Knie. „Das ist nicht wahr…", keuchte er.

Der Sith schrie.

Dann verstummte er und Ann wusste, dass Garron aus unerklärlichen Gründen wieder die Kontrolle hatte.

„Er ist endgültig tot…", keuchte Cliff erschöpft.

„Wie…?" Ann kniete sich zu ihm.

„Er wollte wissen, wie man das Schiff hier fliegt… Damit er dich nicht brauchen würde, wollte er es aus mir herauszwingen." Cliff grinste hämisch. „Und ich hab mich mit aller Kraft auf etwas ganz anderes konzentriert."

Ann sah in fragend an.

„Weiß du Ann…", sagte der Jedi. „So dunkel deine Zeit auch gewesen sein mag, so dunkel die Zeit nach dir für unsere Vorfahren auch war und so aussichtslos der jetzige Krieg gegen die Yuuzhan Vong auch scheint… Die Sith sind vernichtet."

„Und das hat ihn…?"

„Dravk war sich sicher, sie würden inzwischen die Galaxis beherrschen. Jetzt musste er plötzliche erkennen, dass es keinen einzigen mehr gibt. Und dass niemand ihn zurück ins Leben holen würde."

Plötzlich fiel kein Regen mehr durch das Einschnittloch in der Decke. Ann sah hoch und staunte, dass es sich geschlossen hatte.
Sie würden den Planeten verlassen und die ungewisse Zukunft der Galaxis fliegen.

ENDE