Bulgarischer Sommer

+ Tag 4 +

Hatte er jemals so viel Glück empfunden, wie an diesem Morgen? Viktor wagte dies zu bezweifeln. Wie schön sie ist, dachte er und strich ihr behutsam eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Seit dem er sie vor vier Jahren zum ersten Mal sah hatte sie sich – äußerlich - sehr verändert. Ihre ansonst sehr buschigen Haare fielen ihr nun in sanften Locken über Schulter und Rücken. Und nicht nur das, auch hatte ihre Figur sanfte Rundungen erhalten.

Unwillkürlich dachte er an den Weihnachtsball in Hogwarts. Es war so schwer sie zu fragen, ob sie mit ihm zum Ball gehen wollte. Stundenlang saß er in der Bibliothek und wartete auf einen günstigen Moment, sie zu fragen. Aber entweder waren ihre Freunde bei ihr oder gackernde Mädchen versteckten sich hinter Regalen um ihm aufzulauern. Nein, er wollte keine Zuschauer, wenn er eine Abfuhr bekam. Und dessen war er sich damals ziemlich sicher. Dennoch wollte er sie wenigstens gefragt haben. Während sich alle Welt für ihn interessierte, schien sie die Einzige zu sein, dessen Ruhm für sie keine Bedeutung hatte. Hermine nahm seine Einladung dankend an und er konnte sein Glück kaum fassen. Genau wie jetzt. Was hatte er nur getan, dass Fortuna ihn so liebte?

Hermine regte sich. Sie lächelte im Schlaf. Hatte sie einen schönen Traum? Vielleicht träumte sie ja gerade von ihm? Doch so viel wollte er sich dann doch nicht anmaßen. Es reichte ihm vollkommen zu wissen, dass es ihr gut ging. Nach dem Vorfall von gestern abend war er sehr besorgt um Hermine. So aufgelöst und verzweifelt hatte er sie noch nie gesehen. Es hatte ihn schockiert, zu sehen, was ihr gerade angetan wurde und am liebsten hätte er diesem Fremden einen Fluch auf den Hals gejagt, den er nicht so schnell vergessen hätte.

Viktor hätte Ewigkeiten damit verbringen können, sie in seinen Armen zu halten und einfach nur anzuschauen.

Hermine wachte langsam auf. Ihre Augenlider flackerten kurz, bevor sie sie öffnete. Für den ersten Moment wusste sie nicht wo sie war. Aber es war egal, denn sie fühlte sich einfach glücklich. Woran lag das nur? Ihre Augen suchten den Raum ab und fanden andere. Sie waren ebenso braun wie ihre und doch ganz anders. Viktor. Er war immer noch da und hielt sie in seinen Armen. Alle schlechten Gedanken und Gefühle von gestern waren vergessen.

„Hast du gut geschlafe?" flüsterte er in die Stille hinein.

„Ich habe nie besser geschlafen", antwortete sie ehrlich und ließ ihren Blick über seinen Oberkörper schweifen. Doch blieb er letztendlich an seinen Lippen hängen.

„Keine böse Träume?" fragte er um sicher zu gehen. Sie verneinte.

Und dann schien es Ewigkeiten zu dauern, bis etwas passierte. Viktor drehte sie sanft auf den Rücken und legte sich halb über sie. Wie sollte er es nur anstellen? Sein Herz schlug so wild in seiner Brust, dass er dachte, es wolle hinaus hüpfen und der ganzen Welt mitteilen, was er für dieses Mädchen empfand. Würde sie ihn ablehnen, wenn er jetzt versuchte, sie zu küssen? Das würde er nur auf einen Weg herausfinden…

Hermine wartete angespannt. Was überlegte er denn noch? Sollte vielleicht sie die Initiative ergreifen? Aber wie? Fragen über Fragen, auf die Hermine keine Antwort wusste.

Viktor schien sich allerdings entschieden zu haben. Er hob eine Hand zu ihrem Gesicht und streichelte sanft ihre Wange. Dann sah er ihr noch einmal prüfend in die Augen und als er keine Anzeichen von Abneigung darin fand, beugte er sich zu ihr hinab und küsste sie endlich. Warme zarte Lippen empfingen ihn und erwiderten seinen Kuss. Hermine dachte, sie müsse zerspringen vor Glück; in ihren Ohren hörte sie ihr eigenes Blut rauschen. Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und zog ihn noch enger an sich. Hermine wusste gar nicht, wie sehr sich nach diesen Moment gesehnt hatte. Schon einmal hatten sie sich geküsst, doch das war vor vier Jahren und mehr ein flüchtiger Abschiedskuss. Nicht vergleichbar mit diesem hier.

Als sie sich voneinander lösen konnten sahen sie sich lächelnd an. Keiner brauchte etwas zu sagen, jeder wusste, was der andere dachte und glücklich umarmten sie sich. Endlich hatten sie zueinander gefunden, auch wenn ihre Herzen den Weg schon lange gekannt hatten. Voller Zuneigung fuhr Hermines Hand über seinen Rücken, was Viktor einen kleinen Seufzer entlockte. Ihre Lippen fanden erneut den Weg zueinander und trafen sich zu einem zweiten innigen Kuss. Seine Zunge schob sich dabei sanft und doch fordernd zwischen ihre Lippen. Hermine genoss das folgende Zungenspiel und obwohl sie zuerst darüber erschrak, fand sie doch bald Gefallen daran.

Viktors Hand schlich sich unter Hermines Shirt und fuhr sanft über ihren Bauch hoch bis unter ihre Brüste. Es hätte ewig so weiter gehen können und Hermine war sich nicht sicher, wie weit sie tatsächlich gegangen wäre, hätte es nicht gerade in diesem Augenblick an der Tür geklopft.
"Viktor? Bist du wach? Unten wartet Besuch auf dich", hörten sie seine Mutter sagen. Beide ließen vor Schreck voneinander ab und rückten ein Stück auseinander.

„Ich komme gleich" rief Viktor mit etwas heiserer Stimme. Stille trat ein bis sie Viktors Mutter die Treppe hinunter gehen hörten.

„Du kannst noch liege bleibe, wenn du möchtest", sagte er leise und küsste sie erneut. Dann stand er auf und zog sich etwas an. Hermine beobachtete ihn verlegen und schalt sich nachher selbst als Kind.

„Bis nachher", verabschiedete er sich und ging nach unten.

Als die Tür sich schloss begann Hermines Herz wie verrückt zu klopfen. Sie spürte noch immer seine Hände auf ihrer Haut, als hätten diese Spuren auf ihr hinterlassen. Das Rauschen in ihren Ohren nahm zu und ihr wurde ganz schwummrig. Aber es war schön. War das Liebe?

Viktor fragte sich, wer ihn wohl besuchte.

Als er die Treppe hinunter kam, hörte er bereits eine vertraute Stimme. Allerdings löste diese Stimme unbehagen aus und er ahnte, was gleich auf ihn zu kommen würde.

„Viktor!" rief Maria schrill und wollte schon wieder auf ihn zu stürmen. Mit Mühe konnte er sie davon abhalten, sich ihm an den Hals zu werfen.

„Ich hatte mich gefragt, wo du gestern Abend so plötzlich hin warst. Ging es dir nicht gut? Ich meine… nach unserem Streit. Ich wusste nicht, dass es dich so hart treffen würde. Es tut mir leid", begann Maria auch gleich und stürzte sich in die Vorstellung, Viktor habe wegen ihr allein Liebeskummer bekommen. Sie war sich nun sicher, dass er Hermine nur benutzen wollte, um sie eifersüchtig zu machen. Aber das wäre doch gar nicht nötig gewesen…

„Bist du deswegen gekommen?" wunderte sich Viktor. Er sah sich im Wohnzimmer um. Wo war seine Mutter, wenn man sie mal brauchte?

„Ja", hauchte sie und sah ihn mit glasigen Augen an.

„Ich weiß zwar nicht, was du vorhast, aber in Ordnung. Ich nehme deine Entschuldigung an. Und jetzt raus hier. Du weißt ja, wo die Tür ist", zischte er grimmig.

„Du brauchst dich nicht zu verstellen. Ich weiß, was du für mich empfindest."

„So? Dann weißt du hoffentlich auch, dass diese Empfindungen nie über eine Freundschaft hinausgehen werden!" Viktor warf ihr einen zornigen Blick zu. „Lass mich und Hermine in Ruhe, ja?"

Maria kaute heftig auf ihrer Unterlippe. Wie konnte er es wagen?

„Dann", zischte sie, „pass gut auf Hermine auf. Nicht dass ihr noch… etwas zustößt." Damit rauschte sie zur Tür hinaus. Viktor war schockiert und kreidebleich im Gesicht. War das eine Drohung? Sofort lief er hinauf in sein Zimmer und schaute nach, ob Hermine noch da war.

Sie schreckte hoch als sich die Tür ruckartig öffnete und Viktor hineinstürmte.

„Was ist?" fragte sie ihn. Er wirkte sehr angespannt. Als er sie sah atmete er jedoch erleichtert auf. Langsam näherte er sich dem Bett und ließ sich erleichtert auf die Bettkante nieder.

„Nicht so wichtig", murmelte er. Hermine glaubte ihm nicht.

„Wer hat dich denn besucht?"

„Erzähl ich dir später." Viktor rang sich ein Lächeln ab.

„Na gut."

„Hör mal, hast du Schwimmsache dabei? Wir könnte zum See gehe."

„Oh das hört sich gut an. Ich geh gleich rüber und pack ein paar Sachen ein."

„Gutt, und… pack ein paar Sache mehr ein."

„Warum?"

„Weil wir dort übernachte werde", grinste Viktor. Er hatte schon die ganze Zeit daran gedacht, mit Hermine am See zu zelten. Jetzt fand er die Gelegenheit am günstigsten.

„Ist es noch weit?" jammerte Hermine, die mit ihrem großen Rucksack ihre Müh und Not hatte.

„Nur noch ein paar Minute."

Hermine hätte nie gedacht, dass Viktor eine derartige Muggelaktivität wie zelten faszinierend fand. Sie selbst zeltete eigentlich ungern und wenn, dann nur im Garten. Aber auch das war schon lange her und seit dem sie in Hogwarts zur Schule ging, hatte sie dafür auch überhaupt keine Zeit. Zum letzten Mal zeltete sie… ach ja. Es war vor vier Jahren. Bei der Quidditch Weltmeisterschaft.

„So, Achtung. Es wird abschüssig", warnte Viktor die in ihren Gedanken verunkene Hermine. Doch es war zu spät. Hermine trat ins Leere und fiel prompt nach vorne, stieß dabei Viktor um und zusammen trudelten sie eher mäßig als schnell den Hang hinunter. Mit ihrem schweren Rucksack auf dem Rücken war sie zuerst unten, dann folgte Viktor, der neben ihr landete. Ungläubig starrten sie in den Himmel.

„Was war das denn?" fragte Hermine und musste unwillkürlich grinsen.

„Geht es dir gutt? Hast du dich verletzt?"

„Alles in Ordnung." Sie rappelte sich wieder hoch und sah sich um. Es verschlug ihr glatt die Sprache. Sie fand sich auf einer satten grünen Wiese wieder und vor ihr ragten einige Bäume auf. Dazwischen glitzerte bereits Wasser, also musste der See, von dem Viktor sprach inmitten dieses kleinen Wäldchens liegen.

„Gutt… also vergiss das mit den paar Minute. Wir sind da." Er schmunzelte, nahm Hermines Hand und zog sie hinter sich her.

„Das ist wunderschön!" sagte sie atemlos, als sie sich dem See näherten. Er lag vollkommen ruhig da und schien von innen her zu leuchten. Und trotz dem die Sonne so heiß auf die Erde schien war das Wasser sehr kühl. Hermine erschrak als sie wenig später mit hochgekrempelten Jeans in den See watete.

„Das ist ja eiskalt!"

„Keine Angst, du gewöhnst dich schnell daran."

Wie sie so still am Rand stand und das Wasser ihre Füße kühlte, spürte sie plötzlich etwas um ihre Fesseln gleiten. Hermine erschauderte und sprang regelrecht aus dem See heraus.

„Irgendwas ist da im Wasser!"

„Fische. Aber eigentlich sind die selten so dicht am Ufer. Hat sich wohl einer verirrt. Keine Sorge, die fühle sich weiter hinte viel wohler." Er zwinkerte ihr zu und sie sah ihn erleichtert an.

Viktor wurde das Herz schwer, wie er sie da so stehen sah. Er hatte keine Ahnung, was Maria vorhatte, aber er war sich sicher, dass ihre Drohung ernst gemeint war.

„Was hast du?" fragte Hermine unsicher, als sie seinen versteinerten Gesichtsausdruck sah.

„Oh… ich… ich habe nur gerade überlegt, wo wir das Zelt aufbaue", log Viktor und sah sich nach einer geeigneten Stelle um. Er schwang den Zauberstab und das Zelt baute sich von alleine auf. Hermine fragte sich, ob es so ein Zelt wie das der Weasleys war und trat kurze Zeit später hinein. Fehlanzeige. Stink normales Zelt. Sehr ungewöhnlich für eine Zaubererfamilie.

„Bist du enttäuscht?" fragte Viktor vorsichtig als er ihr Gesicht sah.

„Nein… natürlich nicht."

„Ich könnte auch noch das Zelt von meinem Dad hole, das ist sicherlich komfortabler…"

„Nein. Wirklich, es ist so in Ordnung." Sie lächelte und Viktor erkannte, dass sie es ernst meinte.

„Gutt, dann würde ich sage, lass uns schwimme gehe."

Die beiden legten ihre Rucksäcke ins Zelt und während Hermine drinnen blieb und sich die Sachen auszog, unter denen ihr Bikini zum Vorschein kam, zog sich Viktor draußen um. Kurz darauf sprang er auch schon ins Wasser. Hermine trat äußerst vorsichtig aus dem Zelt.

Sie entdeckte Viktor im See, der schon weit zur Mitte geschwommen war. Sie hoffte, er wolle nicht, dass sie dort auch hinschwamm – sie dachte dabei an die Fische, die ihr dann um die Beine schwimmen würden.

„Komm rein, es ist herrlich", rief er ihr zu und schwamm wieder Richtung Ufer.

Langsam watete sie wieder ins Wasser und schmiss sich schließlich hinein um ihm entgegen zu schwimmen. Hermine keuchte, als ihr die Kälte bewusst wurde.

„Du musst dich warm schwimme", lachte Viktor und tauchte vor ihr unter.

„Was? Viktor?" Sie schaute sich um, doch er war nirgends zu sehen. Weiter hinten tauchte er dann wieder auf. Hermine schwamm zu ihm und eigentlich wollte sie mit ihm schimpfen. Doch als sie bei ihm ankam hatte sie keine Puste mehr und warm war ihr auch. Stattdessen bespritzte sie ihn mit einer Ladung Wasser. Lachend revanchierte er sich bei Hermine.

Sie tobten noch eine Weile herum, bespritzten sich gegenseitig mit Wasser und lagen sich lachend in den Armen.

Hermine wunderte es, dass die beiden hier ganz alleine waren. An so einen schönen Ort mussten doch mehrere Leute herkommen.

Als Viktor und Hermine wieder ans Ufer schwammen und sich schließlich auf eine riesige Decke legten, fragte sie ihn danach.

„Ich weiß auch nicht. Bin eher durch Zufall hierhergekomme. Seitdem bin ich jede Sommer hier. Um nachzudenke. Zu schwimme. Briefe zu schreibe…" Dabei sah er Hermine vielsagend an. Viktor hatte sich auf einen Arm abgestützt und ließ seinen Blick unbewusst über Hermines Körper schweifen. Diese lag der Länge nach auf der Decke, auf dem Bauch, den Kopf zur Seite um Viktor besser ansehen zu können.

„Also", sprach Hermine, „Wer hat dich denn nun heute morgen besucht?" Bei dieser Frage wurde Viktor kreidebleich im Gesicht. Er wollte nicht darüber reden, nicht jetzt.

„Nun rück endlich mit der Sprache raus!" nörgelte Hermine.

„Es… ist nicht so einfach…"

„Oh, es ist doch nicht etwas Schlimmes passiert?" fragte sie und hielt sich erschrocken die Hand vor dem Mund. Warum nur musste sie immer alles genau wissen wollen?

„Nein… Maria war heute Morge mein Besuch." Jetzt war es an Hermine, kreidebleich zu werden. Ich wusste es, dachte sie. Jetzt will er mir sicherlich sagen, dass er Maria liebt und sie eigentlich nächste Woche heiraten wollen. Na gut, vielleicht nicht gerade das, aber so ähnlich.

„Ach so. U-und… was hat sie gesagt?" Nein, eigentlich wollte sie das gar nicht wissen. Es würde ihr nur weh tun.

„Sie wollte wisse, warum ich gestern plötzlich weg war. Maria dachte, nachdem wir uns heftig gestritte hatte, wäre ich aus Liebeskummer weggegange. Was völlig absurd ist. Als ob ich wege ihr jemals Liebeskummer bekomme würde. Die soll sich mal bitte jemand andere suche, an den sie sich ranhänge kann. Aber bitte nicht mich." Viktor redete sich in Rage.

„Und dann, als ich ihr zeigte wo die Tür ist, droht sie mir auch noch."

„Sie hat dir gedroht? Weswegen?" In Hermines Kopf schossen tausend Gedanken kreuz und quer.

„Nicht so wichtig." Viktor konnte sich noch rechtzeitig bremsen. Er wollte Hermine einfach nicht damit belasten.

„Ich jag dir einen Fluch auf wenn du es mir nicht sagst!"

„Glaub mir, du willst es nicht wissen."

„Und ob ich will! Jetzt sag's einfach, dann geht's dir vielleicht auch besser."

„Ach, ich weiß schon gar nicht mehr die richtigen Worte, die sie benutzt hatte…"

„Keine Ausreden! Ich warne dich..." Hermine zückte ihren Zauberstab hervor. Er seufzte tief und erzählte ihr schließlich alles.

„Das ist alles?" Hermine schaute ihn ungläubig an. Sie konnte nicht fassen, dass er sich damit den halben Tag lang rumgeschlagen hatte.

„Nimm das bitte nicht auf die leichte Schulter, Her-minne. Maria ist hinterlistiger als du glaubst. Mich würde nicht wundern, wenn sie dir hat glaube mache, ich hätte mal etwas mit ihr gehabt oder hätte es immer noch." Das ließ Hermine nun doch stutzig machen. Denn das war genau das, was sie gedacht hatte.

„Ach… hattest du nicht?"

„Siehst du! Sie hat dir auch irgendwelche Mist erzählt."

„Aber ich dachte tatsächlich, dass du…"

„Warum hast mich nicht einfach gefragt?"

„Ich… ich… dachte, das würde mich nichts angehen und hab mich nicht getraut", sagte Hermine nun sehr leise und fast beschämend.

„Du kannst mich alles frage, ja? Alles", sagte Viktor mit Nachdruck. Hermine nickte nur. Beide lagen noch eine ganze Weile am Ufer und sonnten sich, redeten über dies und das und genossen einfach die Zeit, die die hier zusammen verbrachten. Eigentlich hörte Viktor schon lange nicht mehr richtig zu, denn er fragte sich ständig, warum es schon wieder so schwierig war, sie einfach zu küssen. Wenn er das vor jedem Kuss durchmachen musste…

Hermine bemerkte gar nicht, wie sich der Himmel plötzlich verzog. Dunkle Regenwolken schoben sich vor die Sonne und ohne Vorwarnung begann es zu Regnen. Erst ganz langsam, und dann immer heftiger.

Erschrocken standen beide auf, gingen aber langsam und lachend zum Zelt.

„Passiert das hier öfter?" fragte Hermine und sah zweifelnd aus der Zeltöffnung.

„Eigentlich nicht, aber Ausnahme bestätige die Regel, oder?" sagte Viktor lachend und reichte ihr ein Handtuch. Beide waren nach dem Regenguss schon wieder klitschnass. Schwere Regentropfen trommelten nun aufs Zelt. Hermine setzte sich und legte sich das Handtuch um die Schulter.

„Ob das noch mal aufhört?", fragte sie mit einem Blick zur Seite, wo sich Viktor nun hinsetzte.

„Kannst du vergesse. Wenn es hier erst einmal angefange hat, dann dauert es ne Weile, bis es wieder schön ist." Er machte eine Pause und sprach dann weiter. „Du solltest dir deine Haare trocknen. Es wird heute Nacht kalt."

„Mir wird sicherlich nicht kalt", sagte sie und ihr wurde wieder diese knisternde Nähe zu Viktor bewusst.

„Nein, wirklich", meinte er und nahm ein weiteres Handtuch, legte es ihr auf den Kopf und rubbelte ihre Haare damit behutsam ab, so dass wenigstens die Grobe Nässe daraus verschwand. Hermine sah ihn fasziniert an. Ein Kribbeln erfüllte sie und beflügelte ihre Gedanken. Es schien ihr eine Ewigkeit her zu sein, als sie sich geküsst hatten. Warum eigentlich hatten sie es seitdem nicht wieder getan?

„Ehm… Viktor? Warum siehst du mich nicht an?" Es war ihr gerade eben aufgefallen. Schon eine ganze Weile vermied Viktor es, Hermine anzusehen. Stattdessen schaute er an ihr vorbei oder auf seine Hände.

„Was?" Viktor schreckte auf, er war gerade tief in Gedanken versunken und trocknete immer noch ihre Haare.

„Du weißt was ich meine." Dabei rückte sie noch ein Stück näher an ihn heran. Ihr Herz schlug schneller und eigentlich konnte sie kaum glauben, was sie hier tat. Viktor legte endlich das Handtuch zur Seite und betrachtete Hermine nun eingehend. Warum nur musste es immer so schwer sein? Es war ja nicht so, dass es ihm an Selbstvertrauen mangelte. Doch fragte er sich ständig, ob es tatsächlich das war, was Hermine wollte. Er würde es sich nie verzeihen, wenn sie sich in irgendeiner Weise von ihm überrumelt fühlen würde.

„Viktor, jetzt sei kein so verdammter Gentleman und küss mich einfach!" platzte es aus Hermine heraus, die es nun einfach nicht mehr länger aushielt. Ihr blieb keine Zeit mehr, über das Gesagte nachzudenken, denn Viktor nahm sie beim Wort.

Voll unterdrückter Leidenschaft küsste er sie nun. Hermine wurde ganz schwindlig. Aber das war egal, denn starke Arme hielten sie fest. Und nach einer Weile lagen sie auf der dicken Decke, die über dem Zeltboden ausgebreitet war. Viktor ließ von ihren Lippen ab und küsste stattdessen ihren Hals. Seine Hände glitten langsam und äußerst behutsam über ihre Brust, ihren Bauch, strichen über ihre Oberschenkel und machten sich wieder auf den Weg zurück.

Das Kribbeln in Hermine wurde stärker und schien sich in ihrer Mitte zu sammeln, wo es sich in einem süßen Ziehen äußerte.

Für einen Moment hörte Viktor auf und sah Hermine an.

„Du weißt, ich würde nichts mache, was du nicht auch willst" sagte er leise mit belegter Stimme und wartete ihre Antwort ab.

Sie kam in unerwarteter Form, denn Hermine nahm seine Hand und legte sie sich klopfenden Herzens auf ihre Brust. Überrascht sah er sie an. Er wusste, was das zu bedeuten hatte und seufzend legte er sich zurück, zog Hermine halb über sich. Sie küssten sich erneut, doch war es diesmal nicht das gleiche. Vorfreude und Verlangen schwangen in diesem Kuss mit.

Viktors Hände strichen zärtlich über ihren Rücken und machten sich schließlich an den Schnüren ihres Bikinis zu schaffen. Es folgte weiteres und es dauerte nicht mehr lange, als sich Viktor immer noch mit größter Beherrschung zwischen ihre Beine legte…

Hermine schloss die Augen. Wie konnte Schmerz gleichzeitig so schön sein?

Immer noch schwer atmend lagen die zwei nun engumschlungen unter einer Decke. Es war jetzt beträchtlich dunkler geworden und sie fühlten sich etwas schläfrig. Die Stille wurde nur von dem lauten Regen unterbrochen. Hermine bettete ihren Kopf an seine Brust, lauschte dem schnellen Herzschlag. Es klang wie Musik in ihren Ohren.

„Viktor?"

„Hmm?"

„Egal was passiert: Lass mich nicht mehr los!" Hermine war sich sicher, dass sie sich nirgends so wohl fühlen würde, wie in seinen Armen.

Er zog sie noch enger an sich, küsste ihre Stirn und schließlich ihre Lippen. Jetzt nicht mehr mit dieser Leideschaft von vorhin, sondern sanft und fast schüchtern. Viktor müsste bescheuert sein, wenn er sie loslassen würde. Kein Ruhm dieser Welt konnte ihm Hermines Zuneigung geben.

Und darüber war er froh.