Bruchtal

"Ach, und wo ist dieses sagenhafte Bruchtal, hä?"

Bilbo fragte Gandalf Löcher in seinen vom Pfeifenkraut aufgedunsenen Bauch. Seit Tagen nun versprach er eine Rast, doch zu sehen war nichts. Ausnahmsweise wünschte Bilbo sich aber nicht zurück in seine Höhle, denn das Wetter war der Wahnsinn schlechthin. Einfach wunderschön. Sie kamen zu einem Wegschild.

-Zurück Vorwärts - war darauf zu lesen.

"Ah, wusst ich´s doch!" freute sich Gandalf.

"Bald sind wir da, wir dürfen nur nicht zurück gehen!" Sie begannen den Abstieg ins Tal, und schon wurde die Landschaft brüchiger, um nicht zu sagen bäumiger. Aber es heißt ja nicht Baumtal. Je weiter sie nach unten kamen, umso schläfriger wurde Bilbo. Einmal schlief er ein und fiel vom Pony. Bombur, der in seiner Nähe ritt, machte sich die Mühe und hob ihn auf, fiel dann aber selber hin, auf den armen Bilbo. Der wurde davon natürlich wach und schrie. Dann hörten sie Gesang aus den Bäumen:

Dumm dumm dumm, die Zwerge gehn herum

wer sich über sie lustig macht, der wird von Bombur plattgemacht,

dumm dumm dumm, die Zwerge gehn herum

"Hm," murmelte Bombur, "meinen die jetzt mich?" Laut schrie er:

"He, ist das persönlich gemeint?"

Als Antwort kam nur Gekichere. Doch ein Elb trat hervor. "Nein, oh großer Bombur." Er konnte sich das Lachen kaum verkneifen. "Nein, wir meinten einen anderen."

"Achso." Trotzdem guckte er etwas misstrauisch. "Na ich hoffe, ihr verkauft mich nicht für dumm."

Um vom Thema abzulenken sagte der Elb: "Geht nur weiter, unten gibt es Abendbrot!"

Bombur rief: "He Bilbo, warte auf mich!" Aber sein Pony hatte nicht die Kraft ihn im selben Tempo wie Bilbos Pony ihn zum langerwartetem Essen zu befördern. Also musste er Wohl oder doch mehr Übel länger warten. Unten angekommen sah er aber schadenfroh, dass Bilbo nicht eingelassen wurde. Gandalf übernahm wie immer das Wort:

"Sei gegrüßt, Elrond, langjähriger Freund!"

"Sei gegrüßt, Gandalf, der Graue, lange Jahre kennen wir uns schon, das stimmt. Wie ich sehe bringst du Zwerge mit?"

Elronds Augenbraue verzog sich in Richtung Himmel. "Ja doch. Und auch der Halbling dort gehört zu mir." "Welcher..." Elrond blickte sich um und sagte überrascht:

"Ach ne, sag jetzt nicht, du meinst diese Schnecke hier, denn beinah wäre mein Fuß darauf ausgerutscht..."

Bilbo räusperte sich. "Ich glaube, Gandalf meint MICH. Wo gibt es denn jetzt das Essen? Git es auch Pilzragout? Das ist mein Leibgericht!"

Elronds Überraschung steigerte sich ins Unermeßliche: "Ach du bist aber süüüß! Nein, sowas aber auch! Gott wie niedlich! Glorfindel, heute gibt es Pilzragout! Und du kleiner Westenträger ohne Krawatte, du musst mir gleich alles über dich und dein Volk erzählen! Hach!"

In dieser seligen Stimmung von Elrond konnten auch die Zwerge ohne Probleme einen Unterschlupf mit Vollpension kriegen. Sie verbrachten zwei glückliche Wochen in Bruchtal, in denen Elrond viel über Hobbits erfuhr und Bilbo froh darüber war, dass ihm mal jemand mit ernst gemeintem Interesse zuhörte. Beinah änderte er sogar seine Meinung über diese Fahrt, jedenfalls für die Dauer ihres Aufenthaltes. Zum Schluss kramte Elrond viele alte Karten aus, und da viel Gandalf ein, dass er ja auch eine hatte. Die zeigt er Elrond und dieser sagte schlau:

"Seid am Durinstag vor Sonnenaufgang an der Geheimtür. Die Krähen müssen mähen."

"Hä, wie jetzt?" Bilbo wusste nicht, was er meinte. "Du wirst es merken, wenn du da bist."

Das war alles, was Elrond verraten wollte oder konnte. Dann gab er ihnen ihre ausgeruhten Ponies und musste sich die Tränen zurückhalten, weil Bilbo nicht bei ihm bleiben wollte. Das heißt, er wollte schon, aber die Zwerge bestanden darauf, dass sie ihn und seine Tätigkeit als Meisterdieb ja gebucht hätten.

Darauf sah Elrond ihn nur komisch an und war gar nicht mehr so gerührt. Vermutlich mochte er das Wort "Dieb" nicht. Aber Bilbo hatte nichts mitgehen lassen. Na ja, ein oder zwei Kleinigkeiten, aber abgesehen davon...

Wie auch immer, weiter ging die Fahrt. Nach mehreren Tagen wurde es wieder kühler, vorallem da sie nun einen Berg bestiegen. Bilbo dachte daran, dass der Sommer unten weiterging und das fröhliche Essen und Trinken und die lustigen Wasserspiele der kleinen Hobbitkinder und das angenehme Pfeifenrauchen im Vorgarten. Das erinnerte ihn wiederum daran, wie alles seinen Anfang genommen hatte und verstolen blickte er zu Gandalf.

Dieser ritt gemütlich und wie immer mit einer Pfeife im Mund auf seinem Pferd und hing seinen eigenen Gedanken nach. Welche das wohl sein mochten?

Plötzlich fing es an zu regnen und daraus wurde bald ein gewaltiges Gewitter, so dass sie Schutz suchen mussten. Ein überhängernder Felsen schien ihnen da gerade Recht zu kommen. Doch bald wurde klar, dass das nicht genügte.

Thorin wollte Bilbo losschicken, und dieser wollte es auf Gandalf abwälzen, als mächtiges Gezänke ertönte. Es waren mal wieder Kili und Fili, die sich um einen Stein für ihre Steinsammlung zuhause stritten. Kurzerhand wurden sie lossgeschickt. Bilbo war froh, nicht in diesen Hagel hinauszumüssen und dankte innerlich Kili und Fili. Aber innerlich wünschte er sich auch zurück in seine Höhle.