Besuch bei einem Drachen

„Na bitte, ich weiß gar nicht, was ihr habt! Da ist eure Tür, dann braucht ihr mich ja nicht mehr!" sagte Bilbo und wollte sich gerade auf die Socken machen, aber Thorin kam ihm zuvor, indem er genau seine Socken klaute.

„Stopp! Wir haben euch gebucht, für unbestimmte Zeit, also geht vor, damit ihr von einem eventuellem Drachen zuerst verspeist werdet!" „Was? Habt ihr jetzt völlig den Verstand verloren?" rief Bilbo entsetzt, obwohl er sich so was in der Art schon gedacht hatte. „Na, ok, immerhin krieg ich dafür eine beträchtliche Belohnung! Wer kommt mit?"

Niemand meldete sich, was Bilbo gehörig auf den Keks ging. Erst feige einen vorschicken und dann einfach nicht hinterher kommen. „Also, einen Champignon, äh, Kompanion brauche ich aber doch!" Er schnappte sich einen Zwerg, der in seiner Nähe stand und ging schnell in den Gang. Bevor sie in die Dunkelheit tauchten sah er noch, dass dieser Zwerg Balin war.
Sobald sie im Gang waren, fing Balin an, Protest zu erheben.

„Lieber Bilbo, wirklich, ich habe dich ja sehr lieb, aber bitte, kann ich nicht hier stehen bleiben und die Tür beobachten? Falls ein Windstoß kommt und sie zuwirft, renn ich schnell hin und halte sie auf!"

Normalerweise hätte Bilbo jetzt einen seiner klugen und ironischen Sprüche abgegeben, aber als er sah, wie Balin zitterte, entschied er sich doch dafür, nur im Geiste zu fluchen.

„Hm, na fein." sagte er deshalb nur und machte sich alleine auf den weiteren Weg. In Gedanken dachte er natürlich noch ein paar andere Sachen über die netten Zwerge, die hier nicht wiedergegeben werden können.

Während er so vor sich hin gestolpert ist, ohne daran zu denken, was ihn vielleicht erwartet, hatte er sich einer Öffnung genähert. Die sah er jetzt, und auch, dass dadurch rötlicher Lichtschein kam, wie von einem Feuer. Er blieb stehen und machte sich vor Angst in die Hosen. Als er damit fertig war, ging er doch noch ein bisschen weiter, ganz vorsichtig, jemand könnte ja in dem Raum hinter der kleinen Öffnung sein. Er erreichte die Öffnung und guckte hindurch. Was er da sah, erschreckte ihn sogar noch mehr, als Gandalf das gekonnt hätte. In dem riesigen Raum, mitten auf einem Schatzhaufen, lag ein Drache und schlief.

Schnell zog Bilbo seinen Kopf zurück, rannte zurück und knallte gegen Balin, der immer noch in Sichtweite der Tür stand. „Immer langsam mit den jungen Hobbits!" war sein Kommentar, und als er Bilbo nach draußen beförderte murmelte er noch in seinen Bart:

„Auch wenn ihr nicht mehr ganz so jung seid."

Draußen waren die Zwerge natürlich ganz begeistert von Bilbos heldenhafter Tat, einmal den Kopf in eine Drachenhöhle zu stecken, auf dem Rückweg einen Zwerg umzurennen und dann kurz wegzutreten. Immer wieder betonte Thorin, dass es seine Idee war, den grandiosen Meisterdieb zu buchen.

Doch ganz unbemerkt blieb Bilbos wenn auch sehr kurzer Besuch nicht. Da Smaug ein kluger und wachsamer Drache war, witterte er sofort einen fremden Geruch in seiner Höhle. Das lag nicht zuletzt daran, dass die Zwerge, die sowieso schon von Natur aus einen strengen Geruch haben, sich schon seit Tagen nicht mehr gewaschen haben und drei Meilen gegen den Wind stanken. Auf jeden Fall roch er etwas, was ihm nicht passte, und das machte ihn wütend.

Er flitzte durch den Vordereingang und erhob sich in die Lüfte. Zum Glück machte er dabei so einen großen Lärm, dass die Zwerge und Bilbo noch rechtzeitig reagieren konnten. Schnell rannten sie in den Gang und schlossen die Tür hinter sich. Gerade noch früh genug, um Smaugs Blick zu entkommen.

„Hach, das hat uns gerade noch gefehlt!" seufzte Bilbo, als er in dem Gang mit den Zwergen hockte. „Das müsst ihr gerade sagen!" rief Thorin, der davon überzeugt war, dass Bilbo an Smaugs Zornausbruch Schuld war.

„Jetzt können wir unseren Schatz, ja, vielleicht sogar unser Leben vergessen!" Er brüllte noch weiter rum, doch Bilbo hatte keine Lust, ihn mal wieder in die Schranken zu weisen.

Aber er hatte auch keine Lust, sich das noch weiter anzuhören. Er setzte den Ring auf und ging tiefer in den Gang. Lieber in der Nähe einer Drachenhöhle als noch eine Sekunde länger bei diesen Zwergen. Abgehärtet wie er nun mal war, riskierte er einen Blick in die Höhle, und siehe da, Smaug war zurück und schlief wieder. „Junge, hat der Nerven. Vielleicht liegt es aber auch an seinem Aspirin." Dachte sich Bilbo bei sich.

Was er nicht wissen konnte, war, dass Smaug in Wirklichkeit unter der Schlafkrankheit litt, deswegen ist er auch in dieser stinkenden Höhle geblieben und nicht weitergezogen, wie es die Art der Drachen war. Doch trotz seiner andauernden Müdigkeit schlief sein scharfer Verstand nicht. Und auch diesmal wachte er auf, von einem unerklärlichem Gefühl des Beobachtet -werdens.

„Wer da? Komm raus, komm raus, wer und wo immer du bist!" rief er. Bilbo erschrak. „Ach, ich bin niemand und doch wieder der Wichtigste!" sagte er, nachdem er sich gefasst hat. „Ich komme von ganz nah und doch wieder von weit weg!" Den Drachen in die Irre zu führen gefiel Bilbo. Und rätseln konnte er spätestens seit seinem Besuch bei Gollum gut. „Was soll das? Bist du vielleicht ein Seemensch?"

„Ja und nein. Eine klare Antwort gibt es nicht." kicherte Bilbo. „Lass diese Spielchen. Da du auch noch mit Zwergen hier bist (wie ich natürlich an dem Geschmack der Ponys erkannte habe), kann ich dir nicht verzeihen. Ich werde jetzt deine Stadt angreifen. Lebe wohl!" Smaug wollte sich gerade auf den Weg machen, als Bilbo etwas wichtiges einfiel. „Warte, oh größter Drache von allen (die ich kenne)!"

„Was ist denn jetzt noch? Ich will mich beeilen, damit ich rechtzeitig zu meiner Lieblings-Talkshow wieder hier bin!"

„Kann ich mal einen Blick auf deinen Bauch werfen, damit ich einen wunden Punkt entdecken kann? Kann dir ja egal sein, bis zur Stadt schaffe ich es nicht mehr!"

Das ließ ein so eitler Drache wie Smaug sich natürlich nicht zweimal bitten und drehte sich um. Nach einer Weile hat Bilbo tatsächlich einen leeren Fleck entdeckt, der noch nicht mit dem Schatz, auf dem er lag, abgedeckt war, und war zufrieden. „Vielen Dank!", schrie er schnell und lief zurück in den Gang. Am Ende angekommen sah er, dass die Zwerge wieder draußen waren. „Ich glaub, mich knutscht ein Elch, was soll das denn, bitte schön?", murmelte er zu sich und schnauzte dann die Zwerge an.

„Habt ihr noch alle Tassen im Schrank? Smaug fliegt hier jeden Moment her und wird euch entdecken! Schnell, wieder in den Stollen zurück!"

Während die Zwerge eiligst Bilbos Befehl ausführten (was ihn sehr wunderte) lief er schnell zur Drossel, die wieder auf dem Stein hockte und erzählte ihr von dem wunden Fleck. Sie flog sofort weg und Bilbo hatte starke Zweifel daran, ob sie ihn überhaupt verstanden hatte. Aber einen Versuch war es sicherlich wert.

Dann hockte er sich zu den Zwergen in den Gang und blieb still. Die Tür haben sie hinter sich geschlossen, und Bilbo hoffte, dass sie auch wieder aufgehen wird. Aber seine Vermutung war richtig, schon hörte er Smaug draußen Brüllen und Fauchen, und nie war er mehr froh, in einer Höhle zu sitzen, selbst wenn neben ihm die stinkigsten Zwerge saßen.