Im selben Augenblick musste sich Harry Potter erneut vor Schmerz gegen die Stirn schlagen. Seine blitzförmige Narbe brannte wie Feuer und pochte genauso stark wie sein Herz. Vor genau zehn Minuten war Harry mit genau denselben Schmerzen aus dem Schlaf geschreckt und hatte geschrien. Leider waren dadurch die Dursleys geweckt worden und Onkel Vernon war wutentbrannt in Harrys Zimmer geprescht. Ohne jede Gefühlsregung hatte dieser dem Jungen eine kräftige Ohrfeige und eine gehörige Standpauke gegeben, denn es war nicht das erste Mal gewesen, dass Harry mitten in der Nacht schreiend aufwachte. Um ihn wieder loszuwerden, hatte Harry seine Geheimwaffe eingesetzt.
"Am besten werde ich meinem Patenonkel Sirius schreiben. Vielleicht kann er mir ein besseres Mittel gegen meine Alpträume raten als du", hatte er mit zusammengebissenen Zähnen genuschelt. Die ganze Farbe war aus Onkel Vernons Gesicht verschwunden und ohne ein weiteres Wort hatte er endlich das Zimmer verlassen. Bei der darauf folgenden Schmerzattacke hatte Harry es sich nur schwer verkneifen können, wieder loszuschreien. Als er sich gerade erheben wollte, fiel sein Blick auf den Wecker: Es war fünf Minuten nach Mitternacht. Ohne es wegen der ganzen Aufregung bemerkt zu haben, war Harry Potter, der Junge, der lebte, vor fünf Minuten fünfzehn Jahre alt geworden. Harry sackte auf sein Bett zurück und musste an die Ereignisse vor einem Monat denken.
Vor genau einem Monat war sein Todfeind Lord Voldemort in seinem eigenen Körper zurückgekehrt. Vor genau einem Monat war sein Freund Cedric Diggory gestorben, getötet von Wurmschwanz, dem Verräter. Vor genau einem Monat hätte er nie gedacht, noch seinen fünfzehnten Geburtstag zu erleben.
Tock, tock!
Plötzlich wurde Harry durch dieses Geräusch aus seinen Gedanken gerissen. Er schaute verwirrt zum Fenster und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Seine weiße Schneeeule Hedwig, Rons Eule Pigwidgeon und eine weitere große Eule waren vor dem Fenster. Darauf achtend, nicht wieder irgendwelchen Lärm zu fabrizieren, öffnete Harry das Fenster und ließ die gefiederten Besucher herein. Er wandte sich sofort Hedwig zu, die einen Brief und ein großes Paket bei sich trug. Der Brief war von Hermione. Harry setzte sich erneut auf sein Bett und las:
Lieber Harry,
ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag!
Ich hoffe inständig, dass du wenigstens in dieser Nacht gut schlafen konntest, denn, als du mir geschrieben hast, du hättest Alpträume, hatte ich schon so meine Bedenken. Jedenfalls scheint Du-weißt-schon-wer ziemlich sauer über deine Flucht vor einem Monat zu sein. Ich habe vor kurzem im 'Tagespropheten' gelesen, dass es in den letzten Tagen sehr viele Todesfälle bei den Muggeln gab. Man berichtete, dass sie alle durch den Todesfluch ihr Leben ließen. Zwar hat das Ministerium nichts dazu erwähnt, aber ich bin mir absolut sicher, dass Du-weißt-schon-wer dahinter steckt.
Ich hatte so große Angst um meine Eltern, so dass ich Dumbledore geschrieben und um Hilfe gebeten habe. Daraufhin hat er den Fidelius-Zauber über unser Haus gelegt und ist selbst der Geheimniswahrer. Ist das nicht großzügig von ihm?
Am fünften August fahre ich zu Ron und bleibe bis zum Schulbeginn im Fuchsbau. Du kannst auch kommen, wenn du willst. Ron wird dir sicher mehr darüber schreiben. Ich hoffe, dir gefällt mein Geschenk und deine Verwandten quälen dich nicht so.
Alles Liebe,
Hermione
PS: Ich bin zur Vertrauensschülerin ernannt worden und Dean wurde auch gewählt.
Irgendwie musste Harry anfangen zu grinsen, denn er hatte sich schon gedacht, dass Hermione Vertrauensschülerin werden würde. Nun band er auch das Paket von Hedwigs Bein los und öffnete es. Innendrin war ein Schokoladenkuchen mit einer Geburtstagsaufschrift aus Zuckerguss drauf und ein Buch mit dem Titel: 'So werde ich zum größten Quidditchspieler'. Harry nahm es begeistert in die Hand. Das war bestimmt eine Neuauflage, denn sonst wäre ihm dieses Buch schon bei 'Flourish & Blotts' aufgefallen. Hermione fand eben immer das passende Geschenk für ihn. Plötzlich musste er sich wieder an den Tag erinnern, an dem er sich von seinen Freunden am Bahnhof King's Cross verabschiedet hatte. Damals hatte Hermione ihm zum Abschied einen Kuss auf die Wange gegeben. Dieses Verhalten hatte ihn schon etwas verwirrt. "Autsch"
Gerade hatte Pigwidgeon ihm mit voller Ungeduld ins Ohr gebissen, denn die winzige Eule konnte das große Paket an ihren Beinen kaum noch halten. Etwas gekränkt, nahm Harry ihr endlich das Paket ab. Auch ein Brief von Ron war dabei. Nun vergaß er den Schmerz in seinem rechten Ohr und fing an zu lesen.
Lieber Harry, ich und meine Familie gratulieren dir herzlich zum fünfzehnten Geburtstag!
Ich hoffe, deine Verwandten haben dich in Ruhe gelassen und erlauben dir vielleicht, für den Rest der Ferien zu uns zu kommen. Auch Hermione kommt am fünften August hierher, also wäre es toll, wenn du an diesem Tag auch könntest. Dad hat inzwischen versucht, Leute des Ministeriums von Du-weißt-schon-wessen Rückkehr zu überzeugen, doch die sind genauso uneinsichtig wie Fudge. Also meiner Meinung nach können wir die Unterstützung des Ministeriums vergessen. Hermione hat dir bestimmt schon geschrieben, dass sie Vertrauensschülerin wird. Der einzige Vorteil daran, finde ich, ist, dass sie jetzt Hauspunkte abziehen darf. Dann können wir den Slytherins endlich mal wieder einen Denkzettel verpassen, das wird ein Spaß! Falls du nun zu uns kommen kannst, schick mir Pig bitte mit einer Antwort.
Ron
PS: Im Fuchsbau werden zwei gute Freunde auf dich warten, freu dich schon mal!
Harry runzelte die Stirn. Was meinte Ron mit 'zwei gute Freunden'? Er überlegte sich erstmal tausende von Namen, bis er sich dem Paket zuwandte. Ron hatte ihm eine Erdbeertorte und verschiedene Süßigkeiten geschickt. Als Harry nach dem Geschenk suchte, fand er auf dem Boden des Paketes einen Umschlag, den er auch sofort öffnete. Er zog ein Stück Papier heraus auf dem 'GUTSCHEIN FÜR WEASLEYS ZAUBERHAFTE SCHERZARTIKEL' stand. Harry schaute so verdutzt auf sein Geschenk, dass er den Umschlag sehr schräg hielt und dadurch ein kleiner Zettel rausfiel. Er bemerkte dies und fing an, die Nachricht zu lesen.
Nochmal hallo Harry,
du weißt doch, dass Fred und George vorhaben, nach ihrem Schulabschluss einen Scherzartikelladen zu eröffnen und hier ist der erste Gutschein! Du darfst dir damit fünfzehn verschiedene Scherzartikel aussuchen. Den ganzen Sommer lang haben sie mindestens hundert Sachen hergestellt, Mum wurde fast wahnsinnig. Einmal habe ich George gefragt, wo die beiden das Geld für ihren Laden herbekommen wollen, doch der hat nur schelmisch gegrinst und gesagt, es wäre alles geregelt. Sonst nichts!
Falls du was darüber weißt, erzähl es mir bitte am erhofften fünften August. Nochmal schöne Grüße von allen, besonders von Ginny!
Ron
Harry strich langsam mit seinem Daumen über den bunten Gutschein und grinste wieder in sich hinein. Natürlich wusste er den Grund für die Reaktion der Zwillinge, denn er hatte den beiden vor den Sommerferien sein Preisgeld vom Trimagischen Turnier geschenkt. Mit mindestens tausend Galleonen konnte man einen Scherzartikelladen bestimmt gut finanzieren. Doch Harry machte sich mehr Sorgen darum, dass das Ministerium ihnen nicht beistehen würde. Warum musste der Zaubereiminister Cornelius Fudge nur so ein uneinsichtiger Dickkopf sein?
Nun nahm er auch der letzten Eule, die aus der Schule kam, den Brief ab. Der Hogwartsbrief war so wie immer:
Sehr geehrter Mr. Potter, bitte beachten Sie, dass das neue Schuljahr am ersten September beginnt. Der Hogwarts-Express fährt am Bahnhof King's Cross ab, elf Uhr, Gleis neundreiviertel. Anbei ist eine Liste der Bücher für das nächste Schuljahr.
Mit freundlichen Grüßen Professor M. McGonagall Stellvertretende Schulleiterin
Harry ging daraufhin zu seinem Bett und holte einen kleinen klimpernden Beutel unter dem losen Dielenbrett hervor und nahm ein paar Knuts heraus, die er auch gleich der Schuleule gab. Diese verließ dann mit einem gekonnten Start das Zimmer durch das Fenster und verschwand in die dunkle Nacht. Pig dagegen flog in Hedwigs Käfig und pickte ein paar Körner aus dem Futternapf. Hedwig setzte sich gleich auf ihre Sitzstange und schlief ein. Auch Pig setzte sich bald auf den weichen Vogelsand und schlief ebenfalls ein. Dieses Verhalten der Eulen veranlasste Harry nun auch schlafen zu gehen. Er legte sich flach auf sein Bett und starrte die Zimmerdecke an. Blasse Erinnerungen an seinen letzten Traum schossen ihm durch den Kopf. Er hatte von einem Todessertreffen geträumt und die Todesser hatten über jemanden gesprochen, den sie suchten. Ein letztes Gefühl vor dem Einschlafen verriet ihm, dass sie nicht ihn gemeint hatten.
Am nächsten Morgen wachte Harry mit leichten Kopfschmerzen um sieben Uhr früh auf, denn Voldemort hatte letzte Nacht noch mehr kleine Wutanfälle durchlebt. Nachdem sich der Junge geduscht und angezogen hatte, ging er nach unten in die Küche, um Frühstück zu machen. Nach einer halben Stunde standen Spiegeleier, Speck, Pfannkuchen und warme Brötchen auf dem Esstisch. Wie unfreiwillig bestellt, kamen auch die Dursleys kurz darauf in die Küche. 'Tja, der Geruch von Frühstück ist eben immer der zuverlässigste Wecker', dachte Harry. Dudley hatte sich kaum hingesetzt, da war auch schon das halbe Frühstück in seinem Schlund. Seine über Monate lange Diät war seit gestern als beendet erklärt worden, denn er hatte in der Zwischenzeit sehr viel Gewicht verloren und war jetzt um einiges schlanker. Für Harry war dieses Frühstück nichts besonderes, weil seine Freunde ihm während der Ferien mehrere Fresspakete geschickt hatten. Wie an jedem Morgen wurde am Esstisch nicht viel gesagt und natürlich fiel mal wieder kein Wort über Harrys Geburtstag. Als sie endlich mit dem Essen fertig waren, fielen Harry wieder die Briefe seiner Freunde ein.
Sie wollten ihn ja am fünften August zu sich holen.
Während er das Geschirr säuberte, schaute er sich um, Onkel Vernon saß noch am Esstisch und las Zeitung, Dudley hatte sich mal wieder vor dem Fernseher hingehauen und Tante Petunia war gerade zum Einkaufen losgegangen. Also, perfekte Situation. Harry trocknete seine vom Wasser verschrumpelten Hände ab und ging direkt zu seinem Onkel. "Ähm, Onkel Vernon?", fragte er unsicher.
Ein Schnauben seines Onkels verriet ihm, dass er zuhörte.
"Ei-ein Freund aus meiner Schule hat mich für die restlichen Ferien zu sich eingeladen und möchte mich am fünften August zu sich holen"
Onkel Vernon legte seine Zeitung auf den Tisch und schaute seinen Neffen mit schmalen Augen an.
"Ist das dieser rothaarige Abnormale, der letztes Jahr hier war?", fragte er mit bebender Stimme.
Harry wurde langsam nervös. Jetzt musste er sehr gut darauf achten, was er sagte. "Ja. Aber diesmal versuchen sie, auf normale Weise herzukommen und mein Pate würde es auch sehr bevorzugen, wenn ich zu meinem Freund könnte"
Ein ängstliches Schlucken von Onkel Vernon zeigte Harry, dass er es geschafft hatte. "Äh, na gut, ich erlaube es dir. Geh jetzt auf dein Zimmer und schreib deinem Paten, dass du darfst", kam es durch dem Schnauzbart des dicken Mannes hervor.
Harry ließ sich das nicht zweimal sagen und flitzte mit einem Höhlentempo in sein Zimmer. Zwar freute er sich darüber, die restlichen Ferien mit seinen Freunden verbringen zu können, aber der letzte Satz von Onkel Vernon ließ sein triumphales Grinsen schnell wieder verschwinden. Seinem Paten schreiben, wie sollte das denn gehen? Er hatte Hedwig schon über hundertmal losgeschickt, um Sirius zu finden, doch bis heute ohne Erfolg. Das letzte Mal hatten sich die beiden im Krankenflügel von Hogwarts, kurz nach Lord Voldemorts Rückkehr, gesehen. 'Wir werden uns sehr bald wiedersehen', dies waren die letzten Worte Sirius' gewesen.
Harry erinnerte sich, dass Sirius von Dumbledore den Auftrag erhalten hatte, die alten Kämpfer, Remus Lupin, Mundungus Fletcher und Arabella Figg zusammenzutrommeln. Plötzlich stutzte Harry. Arabella Figg? War damit etwa diese alte Frau gemeint, die gleich nebenan wohnte? Nein - Das konnte nicht sein.
Nach der ganzen Grübelei setzte er sich an seinen Schreibtisch und fing an, für Ron eine Nachricht zu schreiben.
Hi Ron,
danke für die tollen Geschenke, der Gutschein von deinen Brüdern hat mir sehr gefallen. Ich hab es geschafft! Ich darf den Rest der Ferien bei dir verbringen! Ich musste mal wieder Sirius erwähnen, um meinen Onkel zu überreden. Apropos, ich habe die ganzen Ferien lang überhaupt nichts von Sirius gehört. Hoffentlich wurde er nicht von Todessern oder Dementoren erwischt. Wenn ihr mich am fünften August abholt, könntet ihr vielleicht etwas unauffälliger hierher kommen? Bitte nicht wie letztes Jahr mit Flohpulver, denn das war auch eine Bedingung dafür, dass ich zu euch kann.
Harry
Harry las sich den Brief noch einmal durch und schickte ihn kurz darauf mit Pig los.
Am Abend kam die kleine, graue Eule mit einer Antwort zurück.
Hey Harry,
wir alle, vor allem Ginny, freuen uns, dass du zu uns kannst. Ich habe Hermione auch schon die erfreuliche Nachricht geschickt. Wir werden deiner Bitte folgen und dich mit einem Portschlüssel abholen. Keine Angst, wir werden ein paar Meter vor eurer Haustür landen. Du musst, wie schon
gesagt, am fünften August um vier Uhr nachmittags draußen stehen.
Bis bald, Ron
Zuerst schaute Harry etwas missmutig auf das Stück Pergament. Er mochte es nicht gerade mit Portschlüsseln zu reisen. Erstens, es war unbequem und zweitens hatte ihn ein Portschlüssel, in der Form eines Pokals, im letzten Schuljahr in große Schwierigkeiten gebracht. Aber wiedermal ließen die Vorfreuden auf die nächsten vier Wochen diese Gedanken verschwinden.
Nach einer ganzen Ewigkeit, so schien es zumindest Harry, stand endlich der fünfte August auf dem Kalender. Es war zehn vor vier und Harry hatte seinen Koffer und Hedwig in ihrem Käfig schon draußen vor der Haustür hingestellt. Er ging nochmal schnell in die Küche, um noch ein Aspirin zu schlucken, denn auch in den letzten Tagen hatten die regelmäßigen Wutanfälle vom Dunklen Lord nicht nachgelassen. Seine Verwandten, die im Wohnzimmer saßen, schenkten ihm keine Beachtung. So tat Harry es ihnen gleich und verließ das Haus, ohne sich zu verabschieden.
Pünktlich um vier Uhr saß er wieder bei seinen Koffern und ein paar Sekunden später standen Ron, die Zwillinge Fred und George und Mr. Weasley vor ihm. Sie hielten zusammen einen Holzlöffel in der Hand, der wohl der Portschlüssel war.
"Hi, Harry! Schön, dich wiederzusehen", rief Ron begeistert und umarmte seinen besten Freund kurz. Auf einmal fiel Harry auf, dass Ron viel kleiner war als vor ihrem Abschied an Bahnhof. Entweder war er geschrumpft oder der junge Potter war gehörig gewachsen. Letzteres war wohl eher der Fall. Fred und George klopften ihm freundschaftlich auf die Schulter und Mr. Weasley reichte ihm die Hand.
"Ich freue mich, dich gesund wiederzusehen, Harry", sagte dieser lächelnd. Harry nickte zufrieden und schaute jetzt schon unheilverkündend auf den Holzlöffel. "Keine Sorge", sagte Ron, der diesen Blick bemerkt hatte. "Der ist hundertprozentig sicher"
Harry wurde etwas rot. Er hasste es, wenn er Gefühle wie Angst oder Neugier zu sehr zeigte. Nun stellten sich alle wieder zu einem Kreis um den Holzlöffel. Die Zwillinge hielten Harrys Gepäck und nach kurzer Zeit waren die fünf Personen verschwunden. Dass sie die ganze Zeit von jemanden beobachtet worden waren, hatte keiner von ihnen bemerkt...
Als sie im Vorgarten des Fuchsbaues ankamen, war Harry sehr schwindelig von dieser unbequemen Reise und diese schrecklichen Kopfschmerzen bringten ihn fast um.
Gerade gingen sie auf das Haus zu, da bemerkte er einen Mann mit einem hellblauen Umhang auf der Gartenmauer sitzen, der ihnen mit einem Blick voller Misstrauen zusah. Schon bevor Harry fragen konnte wer das sei, wurde er von Ron geradezu ins Haus reingeschoben. Die Zwillinge und Mr. Weasley hatten es auch auf einmal sehr eilig reinzugehen. "Wer ist dieser Mann dort auf eurer Mauer?", fragte Harry neugierig, nachdem sie drin waren.
Die vier Rotschöpfe sahen ihn missmutig an, bis Ron vortrat.
"Das ist ein Beamter des Ministeriums. Seit dem Ferienbeginn schleichen sich verschiedene von denen hierher und beobachten das Haus. Wir vermuten, dass Fudge sie persönlich geschickt hat. Der denkt wahrscheinlich, dass wir einen Aufstand gegen ihn planen", erzählte dieser mit betretender Stimme. Harrys Kinnlade fiel nach diesen Worten herunter. Fudge hatte sie doch wirklich nicht mehr alle. Wenn diese Beamtenfuzzis jemanden suchen sollten, dem sie hinterher schnüffeln müssen, dann wären das diese dreckigen Todesser und Voldemort. "Tut mir Leid", murmelte Harry entschuldigend. Immerhin war er zum Teil Mitschuld daran, dass der Dunkle Lord wieder mächtiger wurde und nur deswegen mussten seine Freunde jetzt mit so viel Angst leben. Fred war zuerst überrascht, ging dann aber auf Harry zu und legte die Hand auf dessen Schulter. "Hey, du brauchst dich für gar nichts zu entschuldigen. Selbst ohne dein Blut wäre Du-weißt-schon-wer sicher irgendwann wieder zu Kräften gekommen", sagte er mit einem beruhigenden Lächeln. Die Blicke der anderen verrieten Harry die gleichen Aufmunterungen und er sammelte sich langsam wieder.
"Harry"
Der Angesprochene drehte sich um und wurde im gleichen Moment von einem Mädchen mit langen, braunen Haarlocken umarmt. "Hermione, lange nicht gesehen", sagte Harry und erwiderte die Umarmung. Als sie sich wieder lösten, bemerkte er, dass auch schon Mrs. Weasley und Ginny, die im Gesicht mal wieder röter war als ihr Haar, vor ihm standen und ihn ebenfalls freundlich begrüßten.
Plötzlich fiel Harry etwas ein.
"Ron, du hast mir irgendwas über 'zwei gute Freunde' geschrieben, weißt du noch?", fragte er.
Ron schaute zuerst irritiert, haute sich aber dann plötzlich gegen die Stirn.
"Stimmt ja! Gut, dass du mich daran erinnerst, Harry! Warte mit den anderen hier unten, ich bin gleich wieder da!", sagte Ron mit aufgeregter Stimme und rannte die schiefe Treppe hinauf. Mr. Weasley hob auf einmal seinen Zauberstab und rief:"Extracaecus"
Da anscheinend nichts passiert war, fragte Harry, was dieser Zauber soeben bewirkt hatte.
"Dieser Zauber bewirkt, dass von außen keiner sehen kann, was hier drin passiert", sagte Hermione.
Plötzlich schaute sie interessiert über seine Schulter.
"Äh, Harry, dreh dich mal um"
Dies tat Harry, der daraufhin beinahe erstarrte vor Überraschung. Ron stand am Ende der Treppe und neben ihm Sirius Black und Remus Lupin.
"Si-Sirius? Pro-Professor Lupin?", konnte Harry nur hervorbringen.
Mehr hätte er in diesem Moment auch nicht sagen können, denn Sirius stürmte auf ihn zu und nahm ihn in die Arme.
"Alles Gute nachträglich zum fünfzehnten Geburtstag, Harry!", sagte Sirius glücklich.
Harry fühlte, wie sich Tränen in seinen Augen bildeten und krallte sich in der Kleidung seines Paten fest, während Sirius ihm über das wuschelige Haar strich. Wie hatten sich die beiden vermisst.
Nach ungefähr einer Minute ließen sie sich wieder los und Harry wandte sich Remus Lupin zu. Der Junge überlegte kurz, ob er seinen alten Lehrer ebenfalls so begrüßen sollte. Doch diese Entscheidung nahm Remus ihm ab. Harry wurde von dem früheren Freund seines Vaters umarmt, als würden sie sich schon ihr Leben lang kennen. Auch Remus gratulierte ihm nachträglich. Doch die Umarmung wurde schneller beendet als die erste.
"Wie seid ihr trotz der Überwachung hierher gekommen? Und was macht ihr hier?", fragte Harry neugierig. "Ich glaube, wir setzen uns erstmal, bevor hier irgendwas erklärt wird", schlug Mrs. Weasley vor und zeigte mit der linken Hand zu den Esstisch. Die anderen nickten und jeder setzte sich auf einen der wackeligen Stühle. Remus störte es irgendwie sehr, dass sein Stuhl ganz besonders kippelte und zog seinen Zauberstab heraus, um den Fehler zu beheben. Doch zu seiner Verwunderung passierte nichts. "Versuch es erst gar nicht, Remus. George hat diesen Stuhl vor einigen Jahren so verzaubert, dass man damit wie auf einer Schaukel kippeln kann ohne umzufallen und dieser Zauber ist nicht aufhebbar", erzählte Mr. Weasley und grinste in sich hinein. George versuchte währenddessen, unschuldig auszusehen und die anderen hatten Mühe und Not, sich das Lachen zu verbeißen. Besonders Sirius sah so aus, als ob er im nächsten Moment gleich losprusten müsste.
"Das hast du gewusst, nicht wahr, Tatze?", fragte Remus herausfordernd. Doch Sirius setzte einen Dackelblick auf, der so viel sagte wie: 'Traust du mir so was Gemeines wirklich zu'
'Kein Wunder, dass seine Animagusform ein Hund ist', dachte Harry schmunzelnd. Nachdem sich alle wieder eingekriegt hatten und Remus mit George den Platz getauscht hatte, fing Sirius an, Harry alles zu erklären.
"Also, Harry, du weißt doch, dass Dumbledore mir den Auftrag erteilt hat, die alten Kämpfer zu finden und um Hilfe zu bitten." Harry nickte und sah seinen Patenonkel mit wissbegierigen Blick an.
"Ich hatte nach drei Wochen alles erledigt und nistete mich bei Remus ein. Wir hatten heimlich Kontakt mit Arthur, damit er uns alles Neue aus dem Ministerium berichten konnte. Eine Woche später teilte uns Ron mit, dass er von Dumbledore die Erlaubnis bekommen hat, dich zu den Weasleys zu nehmen. Da haben wir uns gedacht, dich mit unserem Besuch zu überraschen, weshalb ich dir in den letzten Wochen auch nicht geschrieben habe. Leider hat das Ministerium es irgendwie geschafft, das Flohnetzwerk von diesem Haus zu kappen und jetzt kann man damit nur noch ins Ministerium oder in die Winkelgasse reisen. Also haben wir uns alle in der Winkelgasse getroffen und sind hierher gekommen. Wahrscheinlich wird das Ministerium jetzt noch misstrauischer, da du nun auch hier bist", beendete Sirius mit einem Seufzer.
"Da hast du leider Recht, Sirius", sagte eine Stimme vom Kamin her.
Alle drehten sich erschrocken um, entspannten sich aber gleich wieder, als sie erkannten, dass es Percy Weasley war.
"Was meinst du damit, Percy?", fragte Mrs. Weasley besorgt.
"Gerade ist der heutige Beobachter zurück ins Ministerium und hat Fudge von Harrys Ankunft berichtet. Der hat getobt, sag ich euch", antwortete Percy und klopfte sich den Ruß vom Umhang. "Na toll, das Ministerium wird für uns dieses Jahr ein richtiger Klotz am Bein sein", grummelte Ron mit verschränkten Armen und die anderen stimmten ihm mit einem Nicken zu. In der nächsten halben Stunde aßen sie noch etwas Kuchen und tranken Kaffee. Percy ging daraufhin in sein Zimmer, um zu arbeiten, denn, da Barty Crouch Senior nicht mehr am Leben war, hatte er dessen Posten übernommen. Sirius verwandelte sich wieder in einen schwarzen Hund und ging mit Fred und George in den Garten, um den Gnomen ein bisschen Angst einzujagen. Harry, Ron und Hermione wären auch gern rausgegangen, wenn es Ron nicht herausgerutscht wäre, dass er seine Zaubertrankhausaufgaben noch nicht erledigt hatte. Natürlich wurde er sofort in sein Zimmer verdonnert und Harry, der seine Hausaufgaben für sein 'Lieblingsfach' auch noch nicht geschrieben hatte, folgte ihm. Hermione blieb in der Küche, um Mrs. Weasley und Ginny beim Abwasch zu helfen und Remus unterhielt sich mit Mr. Weasley.
Oben angekommen, fingen die beiden Gryffindors sofort an zu pauken.
"Hast du gesehen, wie mich Hermione wieder mit diesem Du-darfst-deine-Hausaufgaben-nicht- vernachlässigen-Blick angeschaut hat?", fragte Ron nach einer Weile der Ruhe.
"Jaah, das ist eben unsere Hermione. Rate mal, was sie mir zum Geburtstag geschickt hat"
"Hmm, schwierig, schwierig. Vielleicht ein ... Buch?", sagte Ron mit einem Lacher.
"Ein Quidditchbuch, um genau zu sein", antwortete Harry und ließ sich durch das Lachen anstecken. Nach zirka fünfundzwanzig Minuten waren sie fertig und unterhielten sich noch lange, bis es Abendbrot gab. Es gab einen leckeren Eintopf mit Gemüse und Hühnchenfleisch. Zum Nachtisch gab es Wackelpudding in allen möglichen Farben. "Wusstest du, dass ich dieses Jahr wieder Verteidigung gegen die dunklen Künste bei euch unterrichten werde, Harry?", fragte Remus, als er satt war.
Harry ließ seinen Löffel vor positiver Überraschung fallen.
"Echt? Das ist ja super, Professor!", sagte er. "Harry, du kannst Moony ruhig beim Vornamen nennen. Immerhin kennt ihr euch schon ein Jahr lang", sagte Sirius und hob Harrys Löffel auf.
"Jaah, aber ich kenne Snape schon seit vier Jahren und werde ihn bestimmt nicht mit Severus ansprechen", gab Harry grinsend zurück. Bei diesem Gedanken prusteten fast alle in ihren Eintopf und schon bald war davon mehr auf der Kleidung als in den Schüsseln.
"Keine Tischmanieren", murmelte Mrs. Weasley empört und mit einem Wink ihres Zauberstabes war die Sauerei verschwunden und jeder hatte seine saubere und trockene Kleidung wieder. Nach dem Essen sprachen sie noch über fast jedes Thema. Besonders Remus und Sirius hatten viel von ihrer Schulzeit zu erzählen und da war wirklich alles drin: Mädchen, Nachsitzen, schlechte Noten, heimliche Nachtwanderungen, Ärger mit dem Hausmeister Filch, Training zum Animagus, siegreiche Quidditchspiele und natürlich Streiche gegen Snape. Bei manchen Erlebnissen mussten Harry und seine zwei besten Freunde grinsen, da sie schon Ähnliches erlebt hatten. Während der ganzen Gespräche fiel Harry jedoch etwas auf, was ihn sehr stutzig machte. Die Einzigen, die sich heute noch nicht unterhalten hatten, waren Hermione und Ginny. 'Wahrscheinlich haben sich die beiden verkracht', überlegte sich Harry und dachte nicht weiter darüber nach. Als alle müde von der Quatscherei waren, zeigte die Uhr schon fast Mitternacht. Daraufhin ging jeder zu Bett. Remus und Sirius schliefen in einem Gästezimmer, Harrys Bett wurde in Rons Zimmer eingerichtet und Hermione sollte bei Ginny schlafen. Na das konnte ja was werden, wenn sie nicht mal mehr miteinander sprachen. Vor dem Einschlafen redeten Ron und Harry noch eine Weile, bis plötzlich jemand gegen die Tür klopfte. Es war niemand anderes als Hermione. "Was ist, kannst du nicht schlafen?", fragte Ron besorgt.
"Tja, wie ihr bestimmt schon gemerkt habt, ist zwischen mir und Ginny gerade dicke Luft. Kann ich bei euch schlafen?", fragte sie schüchtern ohne das Zimmer zu betreten. "Äh ja, na-natürlich darfst du", nuschelte Ron und wurde leicht rot. Durch diese Antwort betrat Hermione das Zimmer und schloss die Tür. Was Harry und Ron dann sahen, ließ beinahe ihre Augen aus dem Kopf fallen. Ihre beste Freundin trug ein kurzes, weißes und fast durchsichtiges Nachthemd. Ihr Körper war viel weiblicher geworden und sie hatte auch sehr betonte Rundungen. Außerdem waren ihre Beine schön lang und schlank. Ron, dessen Gesicht in der Zwischenzeit ziegelrot geworden war, stellte eine zweite Liege für sie zwischen ihm und Harrys Schlafplatz. Harry wunderte sich, wie zwei Liegen in einem so engen Zimmer stehen konnten. Tja, Magie, dachte er nur.
Nach ein paar Minuten lag jeder auf seinem Bett und es fiel auch kein Wort mehr, denn Harry und Ron waren immer noch sehr angetan von Hermiones Anblick. Da diese wohl auch keine Lust mehr hatte zum Reden, schlief sie auch bald ein. Bevor auch Harry einschlief, drehte er sich noch einmal um und schaute in Hermiones schlafendes Gesicht, das sehr glücklich lächelte.
'Ob sie wohl gerade vom Arithmantikunterricht träumt?', dachte Harry und musste leise auflachen.
Wenn er wüsste, wovon sie gerade träumte ... Wenn er wüsste...
That was number TWO, hihi. Tja, Hermione scheint wohl nicht vom Arithmantikunterricht zu träumen, oder?
Mir persönlich hat die Szene gefallen, wo Harry sagte, er würde Snape nie beim Vornamen nennen. Auch die Stuhlszene, finde ich, war nicht ganz ohne. Bald ist das dritte Kapitel fertig, freut euch schon mal!
Kuss, eure Mehlsuppe-°!
