3. Erste Begegnung
Immer noch benommen öffnete Harry seine Augen. Er setzte sich auf und schaute sich um. Erst nach ein paar Sekunden fiel es ihm wieder ein.
Die Weasleys hatten ihn gestern zurück in den Fuchsbau gebracht und er würde einen ganzen Monat
lang hier wohnen. Sirius und Remus würden zwar nur eine Woche bleiben, aber das reichte ihm voll und ganz. Harry sah auf die Liege neben ihm und bemerkte, dass Hermione nicht mehr darauf lag. Vermutlich ist sie wieder am Lernen, schoss es ihm sofort durch den Kopf. Ron jedoch lag noch im Bett und hatte sich wie eine Mumie in seine Sommerbettdecke eingewickelt. Harry stand vorsichtig auf und versuchte sachte, seinen Freund zu wecken.
"Ron! Ron, wach endlich auf! Wenn ich deine Uhr mit den sechs Zeigern an der Wand richtig lesen kann, ist es schon fast Mittag!"
Harry erschrak, als Ron sich zu ihm umdrehte. Der rothaarige Junge hatte ganz dunkle Augenringe
und mit seinem blassen Gesicht hätte er sogar eine Wasserleiche übertrumpft.
"Was ist denn mit dir passiert?", schrie Harry fast.
Ron schwieg erst ein paar Sekunden.
"Ich konnte nicht schlafen."
"Das sehe ich, aber warum?"
"WIE HÄTT ICH DENN BITTE SCHLAFEN KÖNNEN,WENN HERMIONE SO FREIZÜGIG NEBEN MIR LIEGT !", brüllte Ron mit roten Wangen.
Harry konnte es nicht fassen. Hatte er mit seinen früheren Vermutungen doch Recht gehabt, dass Ron in Hermione verliebt war? Gut, er selbst hatte letzte Nacht auch kaum seinen Blick von seiner besten Freundin abwenden können, doch es war nur ihr Körper, einfach nur ihr Körper. Er war sich sehr sicher, nur Freundschaft für sie zu empfinden.
"Ron, bitte sag mir jetzt die Wahrheit! Liebst du Hermione?", fragte Harry und schaute Ron direkt in die übermüdeten Augen.
Nichtmal die Londoner Busse könnte man je so rot, wie Ron es soeben wurde, streichen.
"WAS? Wie kommst du denn auf solchen Blödsinn? Nur weil sie mal ein fast durchsichtiges Nachthemd getragen hat, muss ich doch nicht gleich in sie verknallt sein!", meckerte Ron empört. Doch Harry gab nicht nach.
"Ich rede nicht nur von letzter Nacht, ich meine das ganze letzte Schuljahr. Du warst unheimlich wütend, weil sie mit Viktor Krum zum Weihnachtsball gegangen ist. Du hast behauptet, das wärst du nur, weil er für mich ein Gegner im Trimagischem Turnier war, aber ich weiß es besser. Du warst einfach nur krankhaft eifersüchtig!"
Rons Gesicht zeigte daraufhin nur drei Dinge: Schock, Überraschung und das unerträgliche Gefühl bei irgendwas ertappt worden zu sein.
Harry sah ihm immer noch ins Gesicht und kam zu dem Schluss, dass er Ron soeben die Augen geöffnet hatte.
"Ich geh mich jetzt waschen", murmelte der schwarzhaarige Junge schließlich. Er kramte ohne jede Eile ein paar Sachen aus seinem Koffer und machte Anstalten aus dem Zimmer zu gehen.
Noch einmal drehte er sich zu seinem Freund um.
"Ich an deiner Stelle würde es ihr bald sagen, bevor es ein anderer tut."
Dann ging er und schloss die Zimmertür hinter sich.
Ron starrte noch minutenlang auf die Tür, als ob Harry immer noch da stehen würde.
"Wie soll ich bei ihr noch eine Chance haben, wenn sie sich schon längst für dich entschieden hat,
Harry?"
So nahmen die Sommerferien ihren Lauf und Harry erlebte mit seinen Freunden eine wirklich
schöne Zeit. Er und die Weasleybrüder spielten sehr oft Quidditch und Ron erwies sich als ein wirklich begabter Hüter. Vielleicht kann er diesmal in der Gryffindor-Mannschaft mitspielen, überlegte Harry. Fred und George erinnerten ihn auch nochmal daran, dass sie in diesem Jahr nicht nur einen neuen Hüter, sondern auch einen neuen Mannschaftskapitän bräuchten, der am Schuljahresanfang vom Team gewählt werden sollte. Insgeheim hoffte Harry den Kapitänsposten zu bekommen. Hermione und Ginny hatten ihren Frieden immer noch nicht geschlossen, was zur Folge hatte, dass Hermione jede Nacht bei den Jungs schlief. Für Ron war dies die reinste Folter, denn er konnte in den nächsten Wochen nicht eine Nacht durchschlafen und musste den Mittagsschlaf einhalten, um den Schlafmangel auszugleichen. Auch die anderen machten sich Sorgen um ihn, weswegen er als Ausrede nahm, er würde nur wegen der Schule so aufgeregt sein. Da man in letzter Zeit wirklich Grund hatte so nervös zu sein, glaubten sie ihm auch. Wenn sie wieder in Hogwarts wären, würden sie wenigstens in getrennten Schlafräumen schlafen, dachte Harry, der wegen dieser Sache mit seinem besten Freund nur den Kopf schütteln konnte.
Sirius und Remus erzählten ihm stundenlang von seinen Eltern und natürlich von der Zeit, als Voldemort die Zaubererwelt tyrannisiert hatte. Es fiel den beiden sehr schwer wieder zu gehen. Sirius flüsterte Harry beim Abschied noch schnell zu, dass er als Remus' Hund nach Hogwarts mitkommen würde. Harry freute sich riesig und stellte sich schon das Gesicht von Snape vor, wenn er Remus und Sirius in der Eingangshalle sehen würde.
Seine heftigen Kopfschmerzen wurden auch nicht besser und er unterließ es seinen Freunden davon zu erzählen, weil sie dann sicher in Panik verfallen würden. Wenn er wieder in der Schule war, würde er zuerst mit Dumbledore darüber sprechen.
Doch bald waren die Ferien vorbei und wie jedes Jahr war es nun wieder Zeit in die Winkelgasse zu gehen, um sich die neuen Schulsachen zu kaufen. Während sie mit Flohpulver zum Tropfenden Kessel reisten, musste sich Harry daran erinnern, wie er damals im zweiten Schuljahr aus Versehen in der Nocturngasse gelandet war. Doch diesmal lief alles glatt und er, Hermione und die Weasleys kamen alle zusammen an ihr Ziel an.
Nachdem sie sich alle etwas Geld aus Gringotts geholt hatten, teilten sie sich in zwei Gruppen auf. Die eine Gruppe bestand aus Harry, Ron, Hermione und Mr Weasley und die zweite aus Ginny, Fred, George und Mrs Weasley. Percy ging wieder ins Ministerium.
Während Harrys Gruppe durch die Einkaufsstraße ging, schaute sich Mr Weasley andauernd um wie ein Adler und ließ die drei nicht aus den Augen. Das nervte die Freunde ein wenig, vor allem, da sie ihn mindestens dreimal ansprechen mussten, damit er endlich auf sie aufmerksam wurde. Gute Voraussetzung für einen Aufpasser!
Zuerst ging die Gruppe zu Madam Malkins Anzüge für alle Gelegenheiten. Harry fing gerade an seine Liste zum ersten Mal zu lesen.
"Schaut mal, es wird dieses Jahr wohl wieder einen Weihnachtsball geben, denn wir brauchen schon
wieder einen Festumhang", sagte Harry leicht überrascht.
"Na toll, dann geht diese ganze blöde Tanzpartnersuche wieder los", sagte Ron genervt und schaute kaum erkennbar zu Hermione. Die schien sich jedoch sehr zu freuen, denn sie war schon dabei, sich ein neues Kleid auszusuchen. Harry und Ron zuckten die Schultern und fingen auch an etwas Passendes zu suchen. Nach einer halben Stunde hatte jeder etwas gefunden. Hermione fand ein himmelblaues, enges, schulterfreies Kleid und nahm noch einen türkisblauen, Ron einen dunkelblauen und Harry einen dunkelgrünen Festumhang. Da jeder von ihnen über die Ferien sehr gewachsen war, kauften sie sich noch ein paar neue Schulumhänge und Schuluniformen. Als sie auch die anderen Läden betraten, trafen sie auf ein paar Freunde wie Neville Longbottom und Dean Thomas, der erstmal schön damit angab, dass er jetzt Vertrauensschüler war.
Nachdem sie alle Schulsachen besorgt hatten, bat Harry die anderen, mit ihm noch in den Quidditchladen zu gehen, denn Fred und George hatten ihn gebeten, einen neuen Quaffel für die Schule zu kaufen. Außerdem wollte er sich noch einen neuen Quidditchumhang besorgen. Die anderen warteten draußen, während er alleine in den Laden ging.
Er sah sich gerade die nagelneuen Quaffel an, als plötzlich jemand gegen ihn prallte. Leider fiel er
mit dieser Person direkt gegen das Gestell mit den Quaffeln und brachte dieses zu Fall. Auch Harry und die fremde Gestalt fielen zu Boden.
"Entschuldigung! Ich bin über meinem Umhang gestolpert und konnte mich nicht mehr halten!", sagte die fremde Person und zog die Kapuze ihres roten Umhanges nach hinten.
Harry schaute auf und sah in das schönste Gesicht, das er jemals gesehen hatte. Vor ihm war ein zirka vierzehn- bis fünfzehnjähriges Mädchen mit langen, gewellten, karamellbraunen Haaren, die ganz leicht goldrot glänzten. Mit seinen Augen sah er in die ihren, die seltsam grau und klar waren.
"Könnten Sie bitte das Gestell mit den Quaffeln wieder hinstellen!", rief der etwas verärgerte Verkäufer von der Ladentheke aus. Harry wurde dadurch aus seinem Trancezustand gerissen, stand auf und half dem Mädchen hoch. Sie bedankte sich und half ihm beim Aufsammeln der Quaffel. Nachdem sie beide das kleine Chaos beseitigt hatten, entschuldigte sich das Mädchen noch einmal für ihre Tollpatschigkeit und reichte ihm die Hand.
"Ich bin übrigens Mariah McKay und du bist bestimmt Harry Potter."
Harry gab ihr die Hand und schaute sie überrascht an.
"Sehr erfreut, aber woher weißt du ...?", fing er an, verstummte aber gleich wieder, als sie auf seine blitzförmige Narbe zeigte. Er fand es sehr seltsam, dass Mariah wegen seiner Identität nicht so überreagierte wie andere Leute.
"Sag mal, in welchem Haus bist du denn?", fragte er sie, da er ihr Gesicht nicht einschätzen konnte.
"Noch in gar keinem. Ich komme erst in diesem Jahr nach Hogwarts", antwortete Mariah.
"Du siehst mir aber nicht wie eine Elfjährige aus."
"Nein, das verstehst du falsch! Ich bin erst vor kurzem von Amerika, wo ich auf eine andere Zaubererschule ging, hierhergezogen und werde bei euch in die fünfte Klasse versetzt."
Dieses Mädchen interessierte Harry von Sekunde zu Sekunde mehr und er hoffte innerlich, dass sie nach Gryffindor kommen würde.
"Harry, bist du bald fertig?", rief Ron vom Eingang her aus.
Plötzlich fiel Harry wieder ein, weshalb er überhaupt hier war.
"Dauert noch ein bisschen!", rief er zurück, schnappte sich schnell einen der Quaffel und ließ sich fix einen roten Quidditchumhang zurecht nähen. Mariah betrachtete ihn dabei interessiert.
"Bist du in einer Quidditchmannschaft?", wollte sie nur zu gern wissen.
"Ja, im Gryffindorteam unserer Schule", antwortete Harry, während eine Frau die Länge seiner Ärmel abmesste. "Und du? Gab es in deiner Schule auch eine Quiddichmannschaft?"
"Äh ... nein, aber ich habe schon mal versucht, zu spielen. Es fiel mir eigentlich sehr leicht und hat mir riesigen Spaß gemacht!"
Mariah war in ihrem Leben nur sehr selten auf einem Besen gewesen. Lauras Mutter hatte sie ein paar Male auf einem alten Besen fliegen lassen, was ihr wirklich gefallen hatte. Damals hatte Laura immer Stinkbomben nach ihr geworfen, da sie es nicht gewollt hatte, dass Mariah lieber Besen flog, als mit ihrer Freundin zu spielen. Doch Mariah hatte sie immer aufgefangen.
"Welchen Spieler spielst du denn am liebsten?", fragte Harry.
"Hüter", antwortete Mariah mit einem Grinsen. "Wen spielst du denn?"
"Sucher."
"Ist ja cool! Mir wäre es viel zu anstrengend die ganze Zeit einem kleinen Ball hinterherzujagen."
Nun grinste Harry. Er mochte dieses Mädchen, das musste er zugeben. Doch zu seinem Pech, war sein Quidditchumhang schon bald fertig.
Er bezahlte schnell alles und bevor er den Laden verließ, drehte er sich noch einmal zu Mariah um.
"Ich muss jetzt leider gehen, aber ich hoffe, dass wir uns im Hogwarts-Express wiedersehen. Dann können wir in einem Abteil sitzen, wenn du willst", sagte er und gab ihr die Hand zum Abschied.
"Das würde ich sehr gerne, Harry", gab Mariah zurück, schüttelte seine Hand und verschwand in eine Ecke des Ladens.
"Hast du eine Weltreise gemacht!", fragte Hermione, als Harry endlich wieder rauskam.
Er erzählte seinen Freunden von dem kleinen Unfall und von der Begegnung mit Mariah.
Die hörten ihm, ohne ihn zu unterbrechen, aufmerksam zu.
"Wenn wir diese Mariah im Zug wiedersehen, dann muss ich sie unbedingt über diese amerikanische Zaubererschule ausfragen", sagte Hermione begeistert. Harry und Ron stöhnten genervt auf.
Mariah kaufte sich noch etwas Besenpolitur für ihren Feuerblitz, bevor auch sie den Laden verließ und zurück zum Tropfenden Kessel ging. Dort lief sie sofort in das Zimmer, in dem sie und Laura seit einem Monat wohnten. Sie klopfte vorsichtig an und öffnete die Zimmertür. Laura lag friedlich auf ihrem Bett am Fenster und las das Schulbuch Tödliche und heilende Tränke. Sie sah auf, als sie bemerkte, dass Mariah zurück war.
"Und, war heute irgendwas Aufregendes in der Winkelgasse?", fragte Laura und klappte das Buch zu. Mariah schloss die Tür hinter sich und zog ihren Umhang aus.
"Och nö, ich bin heute nur mit Harry Potter gegen ein Quaffelgestell geprallt", antwortete sie ohne Bedeutung. Laura bekam große Augen und fiel beinahe vom Bett.
"Wie bitte?"
Mariah durchlebte erstmal einen Kicheranfall, bevor sie anfing ihrer besten Freundin von dem Vorfall im Quidditchladen zu erzählen.
Endlich war es soweit, der erste September war angebrochen. Harry, Hermione und die Weasleys waren schon um sieben Uhr früh aufgestanden, um rechtzeitig am Bahnhof Kings' Cross zu sein. Durch das ewige Anstehen vor dem Bad und dem Einpacken auf dem letzten Drücker war es ein sehr stressiger Morgen im Fuchsbau. Mr Weasley hatte vor ein paar Tagen ein magisches Auto besorgt, in dem acht Personen locker reinpassten. In einer Stunde kamen sie am Bahnhof an und machten sich zum magischen Bahngleis neundreiviertel auf. Als sie schon fast zwischen dem neunten und dem zehnten Gleis waren, erblickte Harry zwei Mädchen, die schon die Hogwartsroben trugen. Die eine erkannte er als Mariah.
"Hey, Mariah!", rief er begeistert.
Mariah drehte sich irritiert um und erkannte Harry. Hinter ihm sah sie sechs Rotschöpfe, die wohl die Weasleys sein mussten und ein Mädchen mit braunen, buschigen Haaren.
"Hi, Harry, toll dich wiederzusehen. Das hier ist meine beste Freundin Elisha Blaine. Sie kommt ebenfalls mit nach Hogwarts", erzählte Mariah und zeigte auf Laura, die Harry mit einem Händedruck begrüßte.
"Du bist also Mariah McKay. Harry hat uns schon von dir erzählt. Ich bin Hermione Granger und bin mit ihm in Gryffindor in einer Klasse", erzählte Hermione und gab Mariah die Hand. Bei Laura stellte sie sich ebenfalls vor.
"Und ich bin Ron Weasley, schön euch beide kennen zu lernen", sagte Ron und begrüßte die beiden
Mädchen ebenfalls. Auch die anderen Weasleys machten mit ihnen Bekanntschaft. Mariah musterte
sie alle aufmerksam.
Von den Todessern wusste sie, dass die Weasleys Muggelliebhaber und sehr arm waren. Über Hermione Granger hatte sie gehört, sie sei eine Muggelgeborene, oder auch in der Todessersprache: ein Schlammblut. Doch für Mariah hatten Blut oder Abstammung überhaupt keine Bedeutung.
"Harry? Könntest du uns bitte erklären, wie wir zum Gleis neundreiviertel kommen?", fragte Mariah
freundlich.
"Ja klar. Also, ihr müsst durch die Absperrung zwischen Gleis neun und zehn laufen und ihr dürft keine Angst haben dagegen zu prallen, sonst klappt es nicht. Bleibt einfach ganz locker", erklärte Harry und drückte Mariah leicht nach vorn, um sie anzuspornen, es zu versuchen.
Daraufhin stellten sich Mariah und Laura nebeneinander auf, hielten krampfhaft ihre Gepäckwagen fest und liefen auf die Absperrung zu. Sie versuchten, mit aller Kraft den Gedanken, sie würden
dagegen preschen, abzuschütteln und im nächsten Augenblick waren sie auf dem Bahngleis neundreiviertel. Harry und die anderen kamen ihnen schon ein paar Sekunden später hinterher.
Da war er nun, der scharlachrote Hogwarts-Express. Überall auf dem Bahnhof liefen Kinder und Jugendliche herum, die sich von ihren Eltern verabschiedeten.
"Kommt, beeilt euch, damit ihr noch ein freies Abteil ergattert!", rief Mrs Weasley und trieb sie zur Eile an. Bevor sie in den Zug stiegen, mussten sich Harry, Ron und Hermione noch eine Belehrung von Mr Weasley anhören.
"Ihr wisst ja, was ich von euch erwarte. Keine nächtlichen Ausflüge, kein Herumstromern im Verbotenen Wald, kein Verkehren mit Leuten, die ihr nicht kennt und keine Einzelbesuche nach Hogsmeade! Hab ich mich deutlich ausgedrückt und werdet ihr diese Regeln einhalten?"
"Ja", murmelte das Trio gleichzeitig. Jeder bekam noch eine Umarmung und einen Abschiedskuss von Mrs Weasley, bevor sie einstiegen. Pünktlich um elf Uhr fuhr der Zug los und die Reise nach Hogwarts konnte beginnen.
Die Gruppe hatte das Glück noch ein leeres Abteil zu finden. Fred und George suchten in der Zwischenzeit nach ihrem Freund Lee Jordan. Die anderen hievten ihre Koffer in die Ablage und setzten sich zufrieden hin. Neben Mariahs Sitzplatz war Hedwig in ihrem Käfig. Sie konnte ihre Augen lange nicht von dieser schönen Eule lassen.
"Du hast wirklich eine schöne Eule, Harry. Wie heißt sie denn?", fragte Mariah interessiert.
"Hedwig. Habt ihr beide eigentlich keine Eule?"
"Nein, aber dafür einen großen Falken. Er heißt Silence und gehört mir", erzählte Laura.
Harry schaute sich suchend im Abteil um.
"Habt ihr den Falken denn nicht bei euch?", fragte er schließlich.
"Ach, der ist schon längst in Hogwarts. Er ist nämlich sehr selbstständig und mag keine Käfige", erzählte Laura voller Stolz über ihren treuen Falken.
In den nächsten Stunden wurde über sich und über die Schule gesprochen. Hermione machte ihre
'Drohung' wahr und fragte Mariah und Laura ausgiebig über die angebliche amerikanische Zaubererschule aus. Die mussten sich ganz schön viele Lügengeschichten aus den Fingern saugen, um Hermiones Wissensdurst zu besänftigen. Die einzig wahre Geschichte, die sie erzählten, war, dass sie ohne Zauberstab zaubern konnten. Daraufhin zeigten sie ihren neuen Freunden auch gleich ein paar leichte Zauber mit der Hand, worüber alle sehr beeindruckt waren. Mariah unterhielt sich vor allem mit Harry und Ron über Quidditch. Harry freute sich endlich mal eine Freundin gefunden zu haben, die sich auch für so was interessierte. Da sie immer noch nicht mit Ginny sprach und Laura gerade nicht auf ein Gespräch aus war, fing Hermione an noch ein paar Kapitel aus Das Lehrbuch der Zaubersprüche, Band 5 zu pauken. Auch Laura nahm ihr Zaubertrankbuch erneut zur Hand und las. Ron sah auf, als er den Buchtitel erkannte.
"Glaub mir, wenn du erstmal unseren Zaubertranklehrer kennen gelernt hast, wirst du dieses Buch nicht mehr lesen wollen", sagte er mit verbitterter Stimme.
"Ach ja? Wie ist er denn?", fragte Laura mit großem Interesse. Auch Mariah unterbrach ihr Gespräch mit Harry, um Ron zuzuhören.
"Er heißt Severus Snape und ist der schlimmste Lehrer an unserer Schule. Er ist der Hauslehrer von
Slytherin und bevorzugt immer dieses Pack dort. Uns und den anderen Häusern versucht er immer, Punkte abzuluchsen und außerdem war er früher ein Anhänger von Du-weißt-schon-wem. Doch jetzt arbeitet er für unsere Seite als Spion. Ich jedenfalls traue ihm trotzdem nicht über den Weg", erzählte Ron. Laura schaute nach dieser Erzählung aus dem Fenster und sah so aus, als ob ihre Seele gerade einiges verdauen musste.
Mariah war bei der Erwähnung von Voldemort leicht zusammengezuckt. Sie bekam immer eine Gänsehaut, wenn es um ihn ging. Panik machte sich in ihr breit. Was wäre, wenn Harry und seine Freunde erfahren würden, wer sie in Wirklichkeit ist? Das war doch eindeutig! Sie würden sie fürchten, sie hassen. Sie würden sie und Laura ans Ministerium verraten und dann war ihnen der Kuss der Dementoren schon sicher. Um nicht aufzufliegen, dürften sie nur langärmelige Sachen tragen. Da sie dies leider nicht immer machen konnten, zerschlitzten sie sich ihr Dunkles Mal so
sehr, dass es vor lauter Narben gar nicht mehr zu sehen war. Sie würden sich schon irgendeine Ausrede für diese Verletzungen einfallen lassen.
"In welches Haus würdet ihr den gerne kommen?", wollte Ginny wissen.
"Also ich würde gerne zu euch, nach Gryffindor kommen", antwortete Mariah wahrheitsgemäß.
"Mir ist das eigentlich egal", gab Laura als Antwort, obwohl sie wusste, dass sie gerne wie ihre Mutter und ihr Vater nach Slytherin kommen wollte, doch das konnte sie ja wohl kaum sagen. Mit Mariah hatte sie ausgemacht, dass eine von ihnen nach Slytherin, um die Todessersprösslinge zu bespitzeln und die andere nach Gryffindor, um Harry zu beschützen, kommen sollte.
Plötzlich wurde die Abteiltür ruckartig aufgerissen und Draco Malfoy stand mit seinen zwei Bodyguards Crabbe und Goyle im Abteil.
"Dass du dich noch in die Schule traust und dich nicht bei deinen Muggeln versteckst, Potter!", sagte Draco mit einem hämischen Grinsen und ließ seinen Blick durch das Abteil gleiten. Als er Laura entdeckte, wurde sein Grinsen breiter.
"Ach, hallo, Elisha, schön dich wiederzusehen. Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber wieso sitzt du hier bei diesen nutzlosen Verlierern?"
"Erstens, du bist mir zu nahe getreten und zweitens, was geht es dich an, bei wem ich sitze!", kam es drohend von Laura. Draco war etwas überrascht. Das sollte das sympathische Mädchen sein, das er in der Winkelgasse kennen gelernt hatte?
"Und jetzt verschwinde, Malfoy, bevor ich mich vergesse!", fügte Laura noch hinzu.
Zur Überraschung aller verschwanden er und seine Kumpanen nach diesen Worten genau so schnell wie sie gekommen waren.
Ein paar Sekunden lang schauten alle, außer Mariah, Laura mit großer Achtung an.
"Boah, wie hast du das denn hingekriegt? Der war noch nie so handzahm! Und woher kennt ihr euch überhaupt?", fragte Ron anerkennend.
Laura sah ihn überrascht an.
"Wieso? Ich hab ihm einfach nur meine Meinung gesagt, denn ich kann Leute nicht leiden, die andere nur wegen ihrem Blut oder wegen ihrem Geld beurteilen. Ich hab ihn vor einem Monat unfreiwillig in der Winkelgasse kennen gelernt."
"Ist euch übrigens aufgefallen, dass er ein Vertrauensschülerabzeichen getragen hat?"
Hermione fiel bei dieser Frage fast von ihrem Sitz.
"Was? Dieser Schleimbeutel soll Vertrauensschüler geworden sein? Nie im Leben! Bist dir dir auch wirklich darüber bewusst, was du gesehen hast, Ginny?", fragte sie aufgebracht.
"Wenn Percy seins immer so poliert hat, dass es mich beinahe geblendet hat, werde ich so ein Abzeichen wohl wiedererkennen."
"Snape muss den anderen Lehrern irgendwas in den Kürbissaft geschüttet haben, damit auch die Malfoy zum Vertrauensschüler wählen", murmelte Harry verärgert.
Erneut wurde die Abteiltür aufgerissen. Es war die Dame mit dem Imbisswagen.
"Sagte gerade jemand, er will Kürbissaft?", fragte sie freundlich.
"Eigentlich nicht. Aber Durst und Hunger hab ich schon. Von jedem eine große Portion, bitte! Ich bezahle natürlich alles", sagte Harry nun mit besserer Laune.
Die anderen bedankten sich bei ihm für diese nette Geste und fielen sofort über die Riesenladung von Süßigkeiten her. Laura mochte vor allem die Schokofrösche. Zu Rons großer Begeisterung hatte sie die Karte von Agrippa, die sie ihm auch sogleich schenkte. Mariah hatte ihre kurzzeitige Schwäche für Bertie Botts Bohnen in sämtlichen Geschmacksrichtungen gleich wieder verloren, als sie eine erwischte, die nach Zwiebelsaft schmeckte.
Nach der großen Spachtelei wurde ein hoher Anteil der Gruppe müde. Laura hatte jedoch noch genug Energie, um ihr Buch über Zaubertränke weiterzulesen. Ginny und Hermione waren inzwischen eingeschlafen und jede von ihnen lehnte an eine von Rons Schultern. Ron bekam einen sichtlich nervösen Gesichtsausdruck und versuchte, seine Aufmerksamkeit allem anderen als Hermione zu widmen. Mariah beobachtete dies schmunzelnd und beugte sich zu Harry rüber, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern.
"Sag mal, ist Ron vielleicht in Hermione verschossen?", versuchte sie ihn so leise wie möglich zu fragen.
"Keine Ahnung!", log er mit einem schelmischen Grinsen.
Mariah konnte einfach nicht anders als zurück zu grinsen.
"Du hast mir doch erzählt, dass du als Hüterin sehr gut bist. Du kannst in diesem Jahr versuchen, in unser Team zu gelangen, wenn du nach Gryffindor kommst."
"Danke! Wie heißt eigentlich eurer Mannschaftskapitän?"
"Zur Zeit haben wir keinen, aber unser früherer, der vorletztes Jahr die Schule abgeschlossen hat, heißt Oliver Wood."
"Aha. Hey, du könntest doch der neue Kapitän werden. Du würdest deine Sache bestimmt gutmachen."
"Tja, würde ich ja gerne, aber so einfach ist das nicht. Die anderen Mannschaftsmitglieder müssten schon einstimmig für mich sein."
"Och, da mach dir mal keine Sorgen", sagte sie aufmunternd.
In den den nächsten zwei Stunden erzählte Harry ihr von all dem, was er in seinen vier Jahren in Hogwarts erlebt hatte. Obwohl er sie eigentlich überhaupt nicht wirklich kannte, hatte er das Gefühl, ihr fast alles erzählen zu können. Laura, die immer noch angeblich interessiert in ihr Buch vertieft war, hörte die ganze Zeit aufmerksam zu. Mariah hörte besonders bei den Erzählungen über ihren Vater, Lord Voldemort, zu und versuchte, ihr leichtes Zittern zu unterdrücken. Bald ging sie nach vorne zum Zugführer, um zu fragen, wann sie nun da sein würden. Währenddessen weckten Harry, Ron und Laura die anderen, damit sie sich ihre Schulroben anziehen konnten. Nach kurzer Zeit kam Mariah zurück und verkündete, dass sie in zehn Minuten den Bahnhof von Hogsmeade erreichen würden. Sie beeilten sich die vielen Koffer von der Ablage runterzunehmen und marschierten in den Gang hinaus. Nach genau zehn Minuten kam der Zug langsam zum Stillstand und die sechs Freunde stiegen aus.
"Die Erstklässler sowie Miss McKay und Miss Blaine zu mir!", dröhnte eine laute Stimme auf dem Bahnhof. Es war Hagrid, der Wildhüter.
"Damit sind wohl wir gemeint, Mariah", sagte Laura und musterte den Riesen, der die Erstklässler um sich sammelte, misstrauisch.
"Habt keine Angst, ihr könnt Hagrid vertrauen. Er wird euch mit den Erstklässlern zum Schloss bringen", versicherte Hermione.
Mariah und Laura nickten und gingen mit Hagrid und den jungen Zauberern zum See. Kurz darauf kamen auch die pferdelosen Kutschen, um die anderen Schüler abzuholen. Harry, Ron, Hermione und Ginny fuhren zusammen mit einer von denen zum Schlossgelände. Als sie an ihrem Ziel angekommen waren, machten sie sich sofort auf den Weg in die Große Halle. Diese war mal wieder wie in jedem Jahr prunkvoll geschmückt. Als sie sich an den Gryffindortisch gesetzt hatten, ließ Harry seinen Blick zum Lehrertisch gleiten. Er entdeckte sofort Remus Lupin, der Sirius, der in seiner Hundeform war, den Kopf kraulte. Ein paar Plätze weiter saß Snape, der so aussah, als ob er sich sehr beherrschen musste, keinen Fluch auf Remus oder Sirius zu schleudern.
Kein Wunder, denn Snape hatte den Posten des Lehrers für Verteidigung gegen die dunklen Künste schon wieder an diesen Werwolf verloren und er und Sirius waren nicht gerade das, was man gute alte Schulfreunde nannte. Nachdem sich jeder auf seinen Platz gesetzt hatte, wurde es ganz still. Kurz darauf öffnete sich die riesige Tür und herein kamen, in der Begleitung von Professor McGonagall, die Erstklässer, Mariah und Laura.
Viele Jungen von den verschiedenen vier Haustischen verrenkten sich beinahe die Hälse, als sie den beiden Mädchen hinterher starrten. Das konnte man ihnen aber nicht übel nehmen , denn die zwei Freundinnen waren wirklich sehr schön. Ihre Gesichter wirkten kindlich und erwachsen zugleich, ihre Figuren waren schlank und sportlich und ihre Augen klar und undefinierbar. Besonders Mariah fiel durch ihre schönen, langen Wellenhaare auf und Laura durch ihren schneeweißen Teint. Hinter ihnen kam Hausmeister Filch und trug einen dreibeinigen hohen Stuhl und einen alten verschlissenen Zaubererhut. Beides wurde vorne vor dem Lehrertisch aufgestellt und nach wenigen
Sekunden fing der Hut an zu singen:
Ah die Neuen sind nun da!
Das finde ich ja wunderbar!
Denn tun konnt ich lange nichts, jedem war es egal,
wie lang ich dort stand auf dem Regal.
Nun kommt her ihr Wuschelköpfe, habt doch keine Furcht,
bevor ich mich noch ärgere, und es aus mir murrt.
Jeder kann mir vertrauen, ich weiß wohin ihr sollt,
natürlich bring ich euch auch wohin ihr wollt.
Wirst du zu 'nem Gryffindor, dann hast du es gut,
dein Herz besteht dann nämlich aus Tapferkeit und Mut.
Bist du klug und weise, so geb ich dir den Rat,
geh geschwind nach Ravenclaw, dort erblüht deine Saat.
Auch das Hause Hufflepuff ist doch gar nicht schlecht,
mit deiner harten Arbeit machst du es jedem recht.
Das letzte Haus Slytherin ist kein blöder Witz,
um dort zu landen brauchst du viel Tücke und List.
Doch jetzt ist genug mit dem Quatsch,
zieht mich auf eure Schöpfe rasch!
Nun viel Glück mit meiner Wahl,
hoffentlich wird's nicht zur Qual!
Als der Hut verstummte, fingen alle in der Halle an zu klatschen.
Professor McGonagall stellte sich neben den Stuhl und entrollte die Namensliste.
"Ich werde euch einzeln aufrufen, dann setzt ihr euch auf diesen Stuhl und setzt euch den Sprechenden Hut auf. Wenn er eurer Haus aufgerufen hat, geht ihr zu euren Klassenkameraden", erklärte sie.
"Abdulla, Magret."
Ein kleines Mädchen mit lockigen, blonden Haaren ging zitternd nach vorne und setzte sich den alten Hut auf den Kopf. Nach ein paar Sekunden rief er laut:"RAVENCLAW!"
Sofort jubelte der Tisch der Ravenclaws und hieß die kleine Magret herzlich willkommen.
Während Harry dies beobachtete, blieb sein Blick an Cho Chang hängen. Sie sah wirklich sehr mitleidig aus, so blass und dünn wie sie geworden war. Als Cedrics ehemalige feste Freundin musste ihr sein Tod besonders nah gegangen sein. Bei den nächsten Erstklässlern war nichts Besonderes zu sehen, bis ein Name aufgerufen wurde, bei dem Harry, Ron und Hermione zusammenzuckten.
"Fudge, Daniel."
Der Aufgerufene war ein kleiner Junge mit lockigen, hellbraunen Haaren und einer kleinen,
knubbeligen Nase.
"Ist der etwa mit Cornelius Fudge verwandt?", fragte Hermione mit einer riesigen Überraschung in der Stimme.
"Vielleicht ist er sein Sohn", schlug Harry vor, als er seine Sprache wiederfand.
"Nein, ist er nicht", meinte Ron, "Fudge hat Gerüchten nach keine Kinder, aber ich habe gehört, dass er eine Schwester haben soll, die auch nicht besser ist als er. Wahrscheinlich ist sie die Mutter von diesem Daniel."
Gespannt warteten die drei auf die Entscheidung des Hutes.
"HUFFLEPUFF!", rief dieser nach kurzer Zeit. Ron schaute nicht sehr überrascht.
"Das wundert mich gar nicht. Man sagt, dass nach Hufflepuff immer die Tratschtanten hinkommen.
Cornelius Fudge war übrigens auch da", sagte er.
Nach diesen Worten fiel Harry etwas ein. Damals in seinem zweiten Jahr, wo alle geglaubt hatten,
er sei der Erbe Slytherins, waren es vor allem die Hufflepuffs gewesen, die die meisten Gerüchte verbreitet hatten. Schon nach zirka zwanzig Minuten waren alle Erstklässler auf ihre neuen Häuser verteilt. Nun standen nur noch Mariah und Laura vor dem Hut und wurden von Professor McGonagall nach vorne gewunken. Sie stellten sich so hin, dass sie nun jedem Schüler von Hogwarts ins Gesicht sehen konnten und Professor Dumbledore erhob sich.
"Wie ihr alle schon mitbekommen habt, haben wir ab heute zwei neue Fünfklässler unter uns. Diese
beiden jungen Damen hier heißen Mariah McKay und Elisha Blaine und kommen beide aus Amerika. Dort haben sie eine Schule besucht, auf der man das Zaubern ohne Zauberstab erlernt. Da sie schon etwas weiter als unsere neuen Fünfklässler sind, werden sie euch bestimmt an ihrem Wissen teilhaben lassen. Ich hoffe, dass ihr sie schon bald als gute Mitglieder unserer Schule ansehen werdet, egal in welches Haus sie kommen. Dankeschön!"
Während dieser Rede passierte etwas, was wohl sicher keiner bemerkte. Laura hatte nämlich bemerkt, dass sie von jemanden sehr genau beobachtet wurde. Sie wusste sofort, wer das war und drehte ihren Kopf wie in Trance zur Seite. Ja, nun sah sie ihn. Sie sah direkt in die Augen ihres Vaters. In die Augen von Severus Snape.
Dieser war so überrascht von ihrem kalten Blick, dass er zusammenzuckte und sie ihren Kopf sofort wieder nach vorn drehte.
"Blaine, Elisha."
Als Laura ihren Decknamen hörte setzte sie sich auf den Stuhl und zog den Hut über ihren Kopf. Sofort rutschte dieser ihr über die Augen. Sie erschrak leicht, als sie eine fremde Stimme wahrnahm.
'Hmm, deine Vorfahren waren alle im selben Haus, aber sie haben verschiedene Wege gewählt.
Du aber scheinst genau zu wissen, was du willst. List und Tücke sind eindeutig dein Fachgebiet. Ich
denke, ich schicke dich nach ... SLYTHERIN!'
Das letzte Wort wurde regelrecht geschrien und am Slytherintisch brach eine Horde von Beifall- und Jubelrufen aus. Laura konnte sich ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen und setzte sich zu ihren neuen Klassenkameraden. Leider war der einzige Platz, der noch frei war, neben Malfoy. Sofort verging Laura das Grinsen und sie setzte sich widerwillig hin. Sicher hätte es blöd ausgesehen, wenn sie auf dem Boden gesessen hätte, obwohl sie das viel lieber getan hätte.
"Herzlich Willkommen bei uns!", sagte Draco schleimig und reichte ihr wieder wie bei ihrer ersten Begegnung die Hand.
Auch wieder kam dieser Brechreiz in ihr hoch, aber diesmal unterließ sie es ihm die Hand zu geben und drehte sich nach vorn zum Lehrertisch.
Draco zog verärgert seine Hand zurück und schaute ebenfalls nach vorn.
"McKay, Mariah."
Nun war es soweit. Jetzt musste Mariah versuchen, diese Hürde zu überwinden. Mit zitternden Knien ging sie zum Stuhl, setzte sich hin und streifte sich ebenfalls den Sprechenden Hut über den Kopf. Laura schaute gebannt nach vorne und drückte unter dem Tisch die Daumen.
Mariah hätte beinahe vor Schreck aufgeschrien, als auch sie diese fremde Stimme hörte.
'Warum denn so nervös, junge Riddle?'
Mariah war schockiert. Woher wusste er ihren richtigen Nachnamen und konnten gerade alle anderen mithören, was er sagte?
'Keine Angst. Keiner außer du kann mich gerade hören und ich weiß alles, was in deinem Kopf vorgeht, mein Kind. Tja, dann wollen wir mal ... Hmm, du hast eine sehr große Gabe, die in Slytherin gern gesehen wird ...'
Nein! Er dürfte sie auf keinen Fall nach Slytherin schicken! Sie wollte nicht im gleichen Haus wie ihr Vater landen! Sie wollte nach Gryffindor, dort wo ihre Mutter gewesen war! Bitte, flehte sie. Ich habe eine wichtige Mission zu erfüllen! Bitte schick mich nach Gryffindor, bitte, bitte schick mich nach Gryffindor!
'Na gut, unter diesen Umständen ... schick ich dich eben nach ... GRYFFINDOR!'
Mariah atmete auf vor Glück. Abgesehen von ihrer Flucht aus dem Riddle-Haus war sie noch nie so glücklich gewesen. Auch Laura hatte zufrieden aufgeatmet, als der Name von Mariahs Haus verkündet worden war.
Draco bemerkte dies und runzelte die Stirn, dachte aber nicht weiter darüber nach.
Als Mariah zum Gryffindortisch angerannt kam, gab Harry ihr die Hand.
"Herzlich Willkommen in Gryffindor!", sagte er fröhlich und grinste. Mariah lächelte und setzte sich neben ihm.
Nachdem es wieder ruhig war, erhob sich Dumbledore erneut.
"Bevor wir mit dem Festmahl beginnen, möchte ich noch einige Worte an euch richten. Der Verbotene Wald hat seinen Namen die Ferien über behalten, also ist er wie immer für jeden tabu. Nach Sonnenuntergang ist es verboten das Schloss zu verlassen. Unser Hausmeister Mr Filch hat mich auch noch gebeten, euch zu erinnern, dass in den Schulgängen nicht gezaubert werden darf. Die Besuche nach Hogsmeade an bestimmten Tagen sind nur für die Schüler ab der dritten Klasse gestattet. Wie ihr sicherlich bemerkt habt, ist Professor Remus Lupin wieder hier, um Verteidigung gegen die dunklen Künste zu unterrichten."
Sofort fingen die Schüler an zu jubeln. Die Einzige am Slytherintisch, die sich daran beteiligte, war Laura. Remus wurde leicht rot und lächelte übers ganze Gesicht. So sehr wie Snape gerade seinen Löffel vor Wut verbog, hätte man denken können, er hätte Psykräfte.
Dumbledore wartete geduldig auf die nächste Welle der Ruhe und fuhr fort.
"Da ihr in der nächsten Zeit doppelt so viel wie sonst in diesem Fach erlernen müsst, wird in den kommenden Wochen eine weitere Lehrkraft nach Hogwarts kommen, um Professor Lupin zu helfen. Und um diese Sache ein wenig spannend zu machen, werdet ihr ihren Namen erst erfahren, wenn diese Person hier eintrifft. Und nun wird endlich gegessen, guten Appetit!"
Nach diesen Worten erschienen auf den goldenen Tellern die köstlichsten Speisen. Mariah konnte sich kaum noch halten vor Hunger und nahm sich von jedem etwas. Auch Laura haute ordentlich rein. Nachdem das Festmahl beendet war, wurde noch schnell die Schulhymne gesungen. Fred und George sangen sie diesmal mit der Melodie einer veralteten Oper.
Danach gingen alle Schüler in ihre Gemeinschaftsräume. Leider konnten sich Mariah und Laura nicht einmal eine gute Nacht wünschen wegen dem ganzen Gedränge. Die Vertrauensschüler Dean Thomas und Hermione gingen voraus und zeigten den Erstklässlern den Weg. Nach verwirrendem Hin und Her waren sie endlich beim Porträt der fetten Dame in rosa.
"Passwort?", fragte das Bild.
"Lulatsch!", sagten Dean und Hermione gleichzeitig.
Daraufhin öffnete sich das Porträt und gab den Weg zum Gryffindorgemeinschaftsraum frei. Dieser Raum war einfach umwerfend mit seinen roten Sesseln und dem großen Kamin. Nachdem Mariah sich genügend umgesehen hatte, kam Hermione auf sie zu.
"So ich muss jetzt die kleinen Mädchen in ihre Schlafsäle bringen. Geh du schon mal die rechte Treppe hoch und suche das Zimmer, an dessen Tür 'Mädchenschlafsaal des fünften Jahres' steht. Du kannst es gar nicht verfehlen. Dein Bett steht am Ende des Raumes, mach es dir schon mal gemütlich", sagte sie.
Mariah bedankte sich, sagte Harry, Ron und Ginny noch gute Nacht und ging dann die Treppe hoch. Schon bald fand sie den Schlafsaal ihres Jahrganges und trat ein. Sie ging auf ihr großes, rotes Himmelbett zu und machte es sich gemütlich. Nach ein paar Minuten stand sie wieder auf, nahm sich ein langes, weißes Nachthemd mit langen Ärmeln aus ihrem kleinen Koffer und ging ins Bad zum Duschen.
Als sie nach einer halben Stunde zurückkam, lagen schon die meisten der Mädchen im Bett. Einige waren wohl so kaputt gewesen, dass sie gleich mit ihren Schulroben eingeschlafen waren. Mariah grinste und legte sich sachte auf ihr Bett, als ob es aus Glas wäre und deckte sich zu. Nach ein paar Sekunden kam auch Hermione in den Schlafsaal rein gestürmt. Mariah hörte noch irgendwas von 'nervigen Erstklässlern', bevor sie friedlich einschlief.
