Es war spät als die kleine Versammlung sich auflöste. Hanson und Valens hatten am nächsten Tag ziemlich früh für eine andere Vorlesung an der Uni zu sein, worauf sich Tom überhaupt nicht freute. Doug, der natürlich schadenfroh auf der Tatsache herumreiten musste, dass er den morgigen Tag nicht an der Uni verbringen musste (dass er stattdessen den Professor aufsuchen, ihn ausfragen und ihm somit zuhören musste was Doug nicht ausstehen konnte und Tom nur zu gut nachvollziehen konnte behielt Tom für sich), machte sich auf seinem Motorrad gerade auf den Weg nach Hause, womit Tom mit Luna alleine am kleinen Parkplatz waren.

Valens ging gerade eiligen Schrittes zu ihrem Auto – geradewegs so als wolle sie vor Hanson flüchten. Was sie vermutlich auch tat. Dennoch konnte Tom sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. „Warte mal!" rief er ihr nach.

„Wenn es nicht den Fall betrifft, interessiert es mich nicht, Hanson!" meinte Valens während sie ihre Hosen- und Jackentaschen nach dem Autoschlüssel durchsuchte.

Tom stellte sich neben sie und lehnte sich gegen ihr Auto. „Können wir reden?" fragte er sie vorsichtig. Sie schien keineswegs in der Stimmung dafür zu sein. Aber er musste es wenigstens versuchen!

Luna lachte humorlos und gab die Suche nach dem Schlüssel auf. Sie drehte sich zu Hanson. „Du willst reden. Dass ich nicht lache", meinte sie. Hanson zog eine Augenbraue nach oben; sie hatte zwar gerade gelacht, aber diese Tatsache behielt er vorerst lieber für sich, ansonsten würde sie noch die Decke hochgehen. „Fein. Ich gebe dir solange Zeit bis ich meine verdammten Schlüssel gefunden hab." Damit nahm sie ihren Rucksack, den sie locker auf einer Schulter getragen hatte und ging in die Hocke um ihn gründlich zu durchsuchen.

Hanson seufzte. Wo anfangen? „Okay", schindete er Zeit und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ähm, damals sind wir nicht gerade in Freundschaft auseinander-" Ihr wütender Blick zeigte ihm, dass er den falschen Anfang gewählt hatte. „Ich meine, du weißt schon, wenn man so drüber nachdenkt… unsere Beziehung damals war eigentlich das totale Desaster!"

„Hanson, du solltest dich von solchen Arten von Ansprachen fernhalten. Die bekommen dir ganz und gar nicht!" sagte Valens wütend.

Tom seufzte, verzweifelt nach Worten suchend. „Ich wollte doch nur sagen, dass wir als Freunde viel besser ausgekommen sind. Bevor wir zusammen gekommen sind?" Sie erinnerte sich doch bestimmt noch daran. Oder? „Wieso gehst du mir aus dem Weg?"

„Die Frage hast du dir doch gerade eben selbst beantwortet!" Die junge Polizistin widmete sich wieder der Suche nach den Schlüsseln. Hanson hoffte, dass sie noch für lange Zeit unauffindbar wären – das hier würde doch länger dauern als er angenommen hatte.

„Es ist ja nicht so, als wäre ich alleine daran schuld oder?" entgegnete er während er den Blondschopf beobachtete, welcher gerade den gesamten Inhalt des Rucksacks auskippte um im spärlichen Licht der Straßenlaterne besser suchen zu können. Nach Hansons Worten hielt sie in ihren Bewegungen inne, dann stand sie auf und starrte ihn zornig an. Hanson mochte im Moment wirklich nicht mit dem Schlüssel in ihrer fest geballten Faust Plätze tauschen.

„Willst du damit sagen, ICH hätte Schuld? DU warst doch, der mit MIR Schluss gemacht hat! Glaubst du, so eine Abfuhr vergisst man so leicht!"

Tom starrte sie schockiert an. Dann war die ganze Ignoranz ihm gegenüber wirklich nur wegen der Tatsache, dass er die Beziehung mit ihr beendet hatte! Jetzt glaubte er mehr denn je, dass Frauen für ihr eigenes Wohlwollen viel zu nachtragend waren! „Deswegen weichst du mir aus! Frauen!" entfuhr es ihm ungläubig.

„Oh, komm mir nicht mit dem Nachtragend-Schwachsinn! Du hast mir fast mein Leben zerstört, du Idiot!"

„Und wie soll ich das deiner Meinung nach angestellt haben?" fragte Hanson gereizt.

Luna atmete tief durch, wohl ein verzweifelter Versuch, sich unter Kontrolle zu bekommen. Dann schloss sie die Augen und grinste humorlos. Sie öffnete sie wieder – und ihr Blick kalt. „Weißt du das nicht mehr? Ich werde dir mal auf die Sprünge helfen: Abschlussjahrgang auf der High School, Kunstausstellung, MEINE Bilder wurden gerade von der Juri bewertet, DU bist reingeplatzt und hast mit mir auf eine Weise Schluss gemacht, so dass die Jurimitglieder offenbar geglaubt haben, ich sei geisteskrank oder was weiß ich, meine Bilder bekamen eine schlechte Wertung, die Kunstakademie konnte ich mir abschminken! Zufrieden mit dir selbst!"

Hanson konnte für eine Weile nichts anderes tun als Luna anzustarren. Das hatte ja vollkommen vergessen! Die Trennung war in einem ziemlich heftigen Streit ausgeartet. Aber dass er solche Auswirkungen auf Valens' Leben haben sollte… „Oh", brachte er schließlich raus.

„Ja, ‚oh'!" sagte Luna. Sie bückte sich und packte ihre Sachen wieder in den Rucksack. Sie schloss das Auto auf und stieß Hanson grob mit der Tür zur Seite. „Man sieht sich", sagte sie und stieg ein.

Hanson seufzte und sah niedergeschlagen mit an, wie Valens nach Hause fuhr.

Der nächste Tag brachte Penhall ein wenig Erholung vom langweiligen Geschwafel des Professors. Auch wenn diese Erholung nicht lange währte, denn schon am Nachmittag sollte er DR. Hojo bei der Vorbereitung zur nächsten Vorlesung behilflich sein. Doch bis dahin erfreute sich Doug am Faulenzen in seiner Wohnung. Vor dem Fernseher liegen, nachdem er lange geschlafen hatte zum Beispiel. Schadenfroh dachte er daran, dass Hanson und Valens gerade durch eine andere Vorlesung sitzen mussten. Er hätte Hanson niemals für jemanden gehalten, der auf Frauen wie Valens abfuhr. Aber es war unterhaltsam den beiden zuzusehen, wenn sie ‚nicht' miteinander redeten – sie warfen sich gegenseitig immer Blicke zu, wenn sie glaubten, der andere würde es nicht bemerken. Doug war schon gespannt wie es bei den beiden weitergehen würde; ewig konnten sie sich nicht ‚anschweigen'.

Am Nachmittag stand Penhall das Unvermeidliche bevor – der Besuch beim Professor ‚Mega-Langweiler'. „Ah, Doug, Sie sind es!" begrüßte Dr. Hojo, als dieser die Tür nur einen Spalt weit geöffnet hatte um durchzusehen wer geklopft hatte. ‚Paranoid bis ins Letzte', dachte sich Doug als er vom Professor in sein Büro gelassen wurde.

„Tag, Professor! Alles klar bei Ihnen?"

Der Professor lächelte nervös, dann nickte er. „Natürlich ist alles in Ordnung, wieso sollte etwas nicht in Ordnung sein?" Er bedeutete Doug auf einem der Sessel Platz zu nehmen. Das Büro war eigentlich kein Büro im üblichen Sinn. Vielmehr war es ein kleines Atelier, in dem ein Tisch mit mehreren Stühlen und einem Wandschrank gerade noch Platz fanden.

„War nur so ein Gedanke. Sie wissen schon", begann Doug, nachdem er den vielen abstrakten und impressionistischen Bildern (ein wenig hatte er ja gelernt in diesem Undercover Fall) einen flüchtigen Blick zugeworfen hatte. „Die ganzen Überfälle und so. Wer weiß wann der erste Professor heimgesucht wird." Das war wohl die falsche Wortwahl, denn Dr. Hojo zuckte unwillkürlich zusammen und spähte über seine Schulter aus dem hinter ihm befindlichen Fenster, als würde jeden Moment jemand von draußen herein springen. „Professor. Ich hab mir ein paar Gedanken gemacht…" fuhr Doug fort.

Dr. Hojo öffnete eine Lade aus dem Wandschrank und nahm einige Unterlagen daraus heraus. Interessant daran fand Penhall jedoch, dass diese Lade vom Professor erst aufgeschlossen werden musste. Suspekt… „Hier, Doug." Dr. Hojo streckte ihm eine besonders dicke Akte entgegen. „Das ist der Stoff für die nächste Vorlesung. Wir gehen die neuesten Kunstwerke am Markt durch, das muss jedes Semester neu gemacht werden."

Doug nickte und versuchte enthusiastisch dreinzuschauen. „Wie schon gesagt ich hab mir da ein paar Gedanken gemacht…"

Geschlagene sechs Stunden später hätte Doug so ziemlich alles dafür getan, endlich von diesem Elend befreit zu werden – zum Glück hatte der Professor einen Anruf erhalten, er möge heute Abend noch in der neuen Kunstausstellung vorbei sehen. Was die Arbeitszeit rapide verkürzte. Und Doug ein wenig Zeit zum Schnüffeln erlaubte…

„Der Kerl ist nicht ganz richtig im Kopf!" erklärte er kurz darauf in der Zentrale.

Fuller sah sich das Anschauungsmaterial entgeistert an, das Penhall mitgebracht hatte – ein Kunstbuch. „Und Dr. Hojo ist der Meinung, dass in der Branche eine Verschwörung vor sich geht? Alla Realismus gegen Impressionismus?"

Doug nickte und deutete auf das Kunstbuch. „Steht alles da drin. Das Teil ist schon mindestens so alt wie der Professor selbst. Jedenfalls war neben den Unterlagen zur Vorlesung in der abgeschlossenen Schublade in seinem Büro."

„Und was hat er über die Studenten gesagt?" wollte Fuller wissen. Der Captain schlug das Buch wieder zu und legte es sorgfältig auf seinen Schreibtisch. Der Schinken war wirklich schon alt – er viel schön langsam in seine Einzelteile. Dass Doug es mitgenommen hatte, hieß er ganz und gar nicht gut. Was er ihm auch gesagt hatte. Dennoch war es am Ende doch besser gewesen, da Fuller kaum glaubte, Doug hätte ihm die Grundidee dieser Verschwörung wiedergeben können, ohne dabei selbst ein halbes Dutzend Mal im Buch nachzulesen.

„Von Brucks scheint der liebe Doktor nicht viel zu halten. Kein Kunstgenießer, oder so. Brucks' bisherige Leistungen in seinem Studium lassen darauf schließen, dass er die Vorlesung bei Dr. Hojo lieber nicht besuchen würde. Ebenso wie es bei Hansons Mann der Fall war. Dann gehen die Geschmäcker weit auseinander, denn die beiden Mädchen hatten die Vorlesung sehr gerne besucht und sich auch gut mit dem Professor verstanden. Hojo hat besonders hoch von Corey Demoir gesprochen."

Fuller seufzte. „Von dem Mädchen ist immer noch keine Spur zu finden. Hoffs folgt gerade einer Fährte. Sie müsste ohnehin bald wieder da sein."

„Ich bin schon wieder da, Captain", sagte eine Stimme von der Tür aus. Penhall drehte sich zu ihr um und erkannte Officer Judy Hoffs, die mit einem Lächeln eine Handbewegung nach hinten machte, offenbar jemanden in das Büro winkte. „Und ich habe Ms. Demoir gefunden."