„Und Sie sind sich sicher, dass es die ehemalige Assistentin war?" Captain Fuller, Penhall, Hanson und Valens saßen wieder am Tisch in der mittlerweile menschenleeren Zentrale und hatten die junge Studentin mit Fragen durchlöchert. Die offensichtlichste Frage: Wo war sie die ganze Zeit gewesen? Ihre Antwort war, dass sie eine Zeit lang einfach nur alleine sein wollte, um überlegen zu können, ob Kunst wirklich das war, was sie machen wollten. Nach dem Überfall hatten Zweifel sie gepackt und ohne ein Sterbenswörtchen war sie für einige Tage einfach mal verschwunden. Die Konsequenzen daraus machte sie nun wett, denn sie hatte sich kooperationsbereit gezeigt und den Undercover Cops, zwar etwas schüchtern und nervös, vom Überfall berichtet.

Ms. Demoir nickte. Sie schien schon sehr erschöpft von der Fragerei, ließ es aber dennoch über sich ergehen. Nicht wenig verantwortlich für diese Tatsache schien Penhall zu sein, der der zierlichen jungen Frau immer wieder ein aufmunterndes Lächeln schenkte und dafür sorgte, dass ihre Kaffeetasse niemals leer war. Gab es da etwas, das Hanson wissen sollte? wunderte sich dieser als er Dougs freundliches Verhalten dem Mädchen gegenüber bemerkt hatte. „Janis Dryton, ja. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es war", sagte die Studentin. „Bei mir zumindest."

„Bei der Berichterstattung haben Sie behauptet Sie könnten sich an nichts erinnern. Wegen der Kopfverletzung", beharrte Fuller.

„Ich konnte mich damals auch nicht erinnern. Alles schien so… verschwommen." Ms. Demoir seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die blonden Haare, dann zog sie scharf Luft zwischen den Zähnen hindurch ein. „Au", murmelte sie leise.

„Alles in Ordnung?" fragte Doug sofort. Hanson hob eine Augenbraue und musterte seinen Partner.

Das Mädchen nickte. „Es geht schon wieder. Der Schlag auf den Kopf hat eine ziemlich lästige Beule hinterlassen. Sie schmerzt immer noch ein wenig…" erklärte sie, schüchtern lächelnd.

„Noch Mal zum Mitschreiben: Das Büro des Professors schließt direkt an den Hörsaal an, in dem seine Vorlesungen stattfinden", fasste Valens zusammen. „Sie waren auf einer Besprechung ihrer Arbeit bei Dr. Hojo und haben keine Änderung in seinem Verhalten festgestellt."

Ms. Demoir nickte. „Er war nicht paranoider als sonst auch", meinte sie mit einem gutmütigen Lächeln. Für Doug war es zum Dahinschmelzen.

„Gut möglich, dass der Professor also gar nichts mit den Überfällen zu tun hat – sofern er nicht ein hervorragender Schauspieler ist", meinte Hanson.

„Bei der Besprechung ist auch sonst nichts Seltsames passiert?" wollte Valens wissen. Die Studentin verneinte. „Danach haben Sie das Büro verlassen und wollten durch den Hörsaal zurück ins Studentenheim. Als Sie die Tür zum Gang aufmachen wollten haben Sie ein Geräusch gehört und sich umgedreht, weil Sie glaubten, der Professor wollte noch etwas zu Ihnen sagen." Ms. Demoir nickte. „Nachdem wir alle wissen dass es NICHT Dr. Hojo war, weil er zu dieser Zeit gerade ein Telefonat mit einem Kunstmuseum führte, behaupten Sie also, dass es seine ehemalige Assistentin war."

„Ich behaupte es nicht, ich WEIß es!" entgegnete Ms. Demoir gereizt. Valens hob beschwichtigend die Hände.

Fuller räusperte sich und gab seiner neuen Mitarbeiterin einen verärgerten Blick. „Wieso sind Sie sich so sicher?"

„Ich habe sie an den Narben am Handgelenk erkannt. Mrs. Dryton ist eine dieser Extremkünstlerinnen, die mit ihrem eigenen Blut Bilder zeichnen. Nicht gerade meine Stilrichtung." Stille. Hanson glaubte, dass wohl jeder ein ziemlich unappetitliches (blutiges) Bild vor seinen Augen hatte.

„Dryton hat Sie dann K.O. geschlagen und Ihre Unterlagen geklaut. Lucy Carlson hat Sie schließlich bewusstlos gefunden als sie zu ihrem eigenen Termin unterwegs war", fuhr Valens fort. Ms. Demoir nickte stumm.

„Ich schätze, wir holen uns dann mal ein paar Infos zu Janis Dryton", sagte Tom schließlich.

Fuller stimmte dem zu. „Damit werde ich Ioki und Hoffs beauftragen. Ms. Demoir, wie war die Beziehung zwischen Dr. Hojo und seiner Assistentin?"

Ms. Demoir seufzte und schüttelte den Kopf. Offenbar wusste sie nicht, wo sie anfangen sollte. „Nun ja, sie schienen sich nicht wirklich verstanden zu haben. In der Vorlesung kam es des Öfteren auch zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden. Sie haben ziemlich unterschiedliche Geschmäcker, dem Professor hat es nicht gefallen, dass seine Assistentin ihm in vielen Dingen widersprach. Ich weiß gar nicht ob er Ersatz für sie gefunden hat. In den letzten paar Vorlesungen war er alleine."

Doug spuckte unfreiwillig den Schluck Kaffee aus, den er gerade eben genommen hatte. Dann räusperte er sich, grinste verlegen und nahm sich eine Serviette, mit der er den Kaffee beseitigte. Corey kicherte leise.

„Das hat er", sagte Valens und grinste schief. Auch sie schien Dougs Benehmen wahrgenommen zu haben. Es überraschte Hanson, dass sie ihm einen viel sagenden Blick zuwarf ehe sie sich wieder dem Fall widmete. ‚Vielleicht gibt es doch noch Hoffnung…' ging es ihm durch den Kopf.

„Was wissen Sie über Jerry Brucks, Taylor Matthews und Lucy Carlson?" wollte Hanson wissen.

Ms. Demoir wandte sich zu Tom und runzelte die Stirn. „Nicht viel, ehrlich gesagt." Sie seufzte. „Von den dreien war mir Lucy am sympathischsten. Sie hat ein wahres Talent für abstrakte Malerei. Hatte, wohl eher…" fügte sie traurig hinzu. „Wenn ich daran denke, dass ICH jetzt tot sein könnte und nicht sie…?" Die Polizisten starrten sie entgeistert und verwirrt an. „Wir haben die Termine beim Professor getauscht, weil sie erst später Zeit hatte und mir Tausch nichts ausmachte", erklärte die Studentin.

„Jedenfalls", fuhr Ms. Demoir fort. „Von den beiden Jungs weiß ich kaum was, außer dass Jerry und Taylor sich vom Charakter her ziemlich ähnlich sind. Sie haben beide eine große Klappe und keine Ahnung von Kunst. Mich wundert es, dass sie ihre Diplomarbeit bei Dr. Hojo verfassen. Lucy, ja. Aber die beiden?"

„Sie schreiben Ihr Diplom ebenfalls bei Dr. Hojo?" fragte Fuller nach. Das Mädchen nickte. „Gibt es noch andere Studenten?"

Ms. Demoir überlegte kurz. „Ein paar wenige machen bei ihm noch den Abschluss. Seine Vorlesungen sind nicht jedermanns Sache, wissen Sie?"

Plötzlich sprang Doug auf und lief zurück in das Büro des Captains (der deswegen etwas verärgert schien). „Penhall?" schrie Fuller ihm hinterher. Doch als dieser mit dem Kunstbuch des Professors in Händen wieder zurückkam, verflüchtigte sich sein Ärger zusehends.

„Ms. Demoir, könnten Sie uns einen Gefallen tun und mal einen Blick da rein werfen?" bat der junge Polizist die Studentin. Diese nickte und nahm das Buch entgegen. Verwirrt blätterte sie die Seiten um und las hier und da ein paar Stellen. „Der gute Professor scheint ein bisschen mehr als paranoid zu sein. Wir glauben, dass es etwas mit diesen Unterlagen zu tun haben könnte", erzählte Doug von den Vermutungen der Polizei.

„Das ist einfach unglaublich", sagte Ms. Demoir schließlich. Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe immer wieder gehört, dass es Leute geben soll, die ihre bevorzugte Kunstrichtung aufs Extremste vertreten, aber eine Verschwörung? Und Professor Hojo soll daran glauben?"

„Nach dem, was Sie uns über Drytons bevorzugte Kunstrichtung erzählt haben: Kann es sein, dass seine Assistentin ebenfalls zu einer extremen Meinungsvertretung tendiert?" wollte Valens wissen. „Schließlich verstand sie sich offenbar mit dem Professor nicht sonderlich, da sie oft stritten."

„Es würde zumindest erklären, warum wir bis jetzt noch nichts von dieser Assistentin erfahren haben", meinte Penhall nachdenklich. „Der Professor hat kein Sterbenswörtchen von ihr gesagt."

„Würde mich auch wundern", meinte Ms. Demoir. „Der Professor ist ihr derart abgeneigt, dass er uns ihre Kündigung nur mit knappen Worten mitgeteilt hat. Hat ja eh jeder gewusst, warum sie gefeuert wurde. Gott sei Dank, denn als Assistentin war sie wirklich grottenschlecht."

„Ich würde sagen, wir haben eine Hauptverdächtige", sagte Hanson.

Fuller nickte, offenbar schien er auf ähnlichen Gedankenwegen unterwegs zu sein. „Fehlen uns nur noch die handfesten Beweise. Eine Aussage alleine reicht leider nicht, um sie Dingfest zu machen." Der Captain räusperte sich und sah durch die Runde. „Hanson, Valens, nehmen Sie Brucks und Matthews aus wie eine Weihnachtsgans. Ich will die beiden singen hören. Werft ein besonders wachsames Auge auf die Studenten, die bei Dr. Hojo ihre Diplomarbeit schreiben. Penhall, Sie achten weiterhin auf den Professor. Wer weiß, ob Dryton nicht plötzlich von Rachegelüsten heimgesucht wird. Wir haben's hier mit einer potentiellen Mörderin zu tun."

‚Wieso bekam Hanson eigentlich immer die interessanten Sachen?' überlegte Doug. Er hatte den langweiligen Professor am Hals und Hanson durfte auf die niedliche Studentin aufpassen. Mann, hatte der vielleicht ein Glück! Wieso war die Welt nur so unfair! Nun ja, wenigstens konnte Doug sich sicher sein, dass Tom Ms. Demoir keine schönen Augen machen würde – diese waren nämlich die meiste Zeit nur auf Valens gerichtet. Schade nur, dass sie ihm die kalte Schulter zeigte. Irgendwie passten sie ja zusammen, auch wenn Hanson ihm von ihrer Vergangenheit erzählt hatte und es damals anscheinend alles andere als glanzvoll gewesen war.

Doug seufzte als er versuchte, dem Professor zuzuhören. Ernsthaft, wer hielt diese Vorlesung aus? Okay, Corey schien jedes Wort des Professors aufzusaugen. Schrieb fleißig mit und sah so aus als wollte sie, dass die Vorlesung nie zu Ende ging! Verstand einer diese Begeisterung?

Ein Glück für Jump Street, dass Ms. Demoir endlich wieder aufgetaucht war. Ohne ihre Aussage wären sie wahrscheinlich immer noch da, wo sie angefangen hatten. Jetzt hatten sie eine weitere Spur, die mehr als heiß war. Fehlten eben nur noch die Beweise.

Ioki und Hoffs hatten sich gleich am nächsten Tag Mrs. Dryton vorgenommen. Aber diese schien ein handfestes Alibi zu haben. Zumindest hatte man sie zur Zeit des Überfalls auf Brucks im Einkaufszentrum gesehen – also kam sie zumindest als Täterin für einen Fall nicht in Frage. Coreys Aussage bestätigte sich in der Hinsicht, als dass Mrs. Drytons Ansichten, Kunst betreffend, tatsächlich das komplette Gegenteil von Dr. Hojo zu sein schienen. Ein weiterer Hinweis, dass das Team auf der richtigen Fährte war.

„Wie läuft's bei dir?" wollte Hanson wissen, als er Valens nach der Vorlesung heimlich in ein leer stehendes Zimmer gezogen hatte.

Luna seufzte schwermütig und fuhr sich mit der Hand durch die blonde Haartracht. „Brucks ist ein Wichser", sagte sie schließlich mit humorlosem Gesichtsausdruck. „Der Typ macht auf unnahbar – mal ehrlich, welcher noch halbwegs normal tickende Mensch würde sich die Mühe antun und ihm auf die Pelle rücken!"

„Du", erwiderte Tom grinsend. „Schließlich ist das dein Job."

Luna lachte leise. „Ich bin Polizistin, und kein Undercover Agent alla FBI. Wie haltest du das aus?"

Hanson zuckte mit den Schultern. „Man gewöhnt sich dran." Valens schien für den Augenblick vergessen zu haben, dass sie eigentlich nicht mit ihm redete. Tom wollte die Situation ausnützen, also fragte er beiläufig: „Von der Kunst zur Polizei – wie ist es eigentlich dazu gekommen?"

Valens Kopf schnellte in seine Richtung. Sie hatte aus dem kleinen Fenster in der Tür gespäht und kontrolliert ob sie belauscht wurden. Jetzt waren ihre Augen weit aufgerissen, als hätte er sie bei etwas erwischt, das sie eigentlich nicht tun sollte. „Ähm…" sagte sie, und sah verlegen zu Boden. Dann hob sie eine Schulter und meinte: „Einfach so. Ich meine, nur weil DU zur Polizei gegangen bist, darf ICH das nicht oder wie!"

Tom seufzte. Er konnte einfach nicht mehr zu ihr durchdringen wie sonst auch immer. Aber ihre Worte brachten ihn auf einen Gedanken. Er runzelte die Stirn und fragte vorsichtig: „Du bist wegen mir zur Polizei?"

Lunas Augen wurden noch größer, sofern das überhaupt möglich war. „Nein", sagte sie schnell. Zu schnell, als dass sie die Wahrheit gesagt hätte. Hanson grinste zufrieden. „Das tut jetzt überhaupt nichts zur Sache. Wir sind hier um unseren Job zu machen, schon vergessen?" versuchte sie abzulenken. „Wie sieht's mit Matthews aus?"

Tom hob eine Augenbraue, erwiderte jedoch nichts. Stattdessen antwortete er auf ihre Frage. „Taylor scheint sich an Brucks' Verhalten zu orientieren. Mich wundert's wirklich dass die zwei nicht in einer Gruppe sind. Von Dryton will er noch nichts gehört haben. Angeblich war er kaum in der Vorlesung."

„Zu dumm, dass man das bei Vorlesungen nicht nachkontrollieren kann", sagte Valens, wieder vollständig in Polizei-Modus.

„Zu dumm nur, dass er mit seinen blöden Sprüchen auffällt. Einige Studenten meinen, ihn regelmäßig in der Vorlesung gesehen zu haben."

„Was beweist, dass er lügt. Also hat er was zu verbergen", kombinierte die Polizistin. „Eine Verbindung zu Dryton vielleicht?"

Hanson runzelte die Stirn. „Unwahrscheinlich. Es sei denn er hat die Verletzungen freiwillig über sich ergehen lassen."

Die Tür schwang plötzlich auf und Brucks trat ein. „Woah, tut mir Leid, dass ich störe!" meinte er mit einem breiten Grinsen. „Hätte nicht gedacht, dass du so eine bist, Valcasas!" Valcasas war Lunas Deckname.

Die vermeintliche Studentin verdrehte die Augen genervt, spielte aber ihre Rolle ziemlich gut. „Du kennst mich halt nicht gut genug", flirtete sie mit ihm.

Irgendwas störte Hanson ihr flirtender Ton. Auch wenn es ihr Job war. ‚Wieso hat sie mit mir nie so geredet?' überlegte er. Dann schüttelte er den Kopf und meldete sich zu Wort. „Tja, danke dann für die Unterlagen von Hojo. Der Typ ist so langweilig, ich hab die Vorlesung heute verschlafen!" Aus den Augenwinkeln beobachtete er Brucks auf eine Reaktion. Die er auch gab. Er schien plötzlich ziemlich interessiert in Hanson zu sein und spähte auf den Rucksack auf Toms Schulter.

Luna sah ihren Partner zuerst verwirrt an, dann ging ihr das Licht auf und sie nickte energisch. „Kein Problem, ich kann ja nachvollziehen wie das ist!"

Tom lächelte. „Man sieht sich!" sagte er als er den Raum verließ und Valens ihren Teil der Arbeit erledigen ließ.

„Mann, Hojo ist wirklich langweilig!" begann diese. Sie lächelte Brucks unschuldig an.

„Schade, dass du erst jetzt die Vorlesung besuchst. Vorher hatte er eine wirklich gute Assistentin! DIE hatte was drauf!" meinte der junge Mann mit einem Grinsen. Valens sah ihn interessiert an und tat als wüsste sie von nichts.

„Wirklich? Ich verpass aber auch immer die interessanten Sachen! Wie war sie denn so?"