Kapitel 13
Erklärungen

„Malfoy?"

Draco drehte sich um und sah Jeremy Doyle in der Tür zu seinem Büro stehen. „Ja, Mr Doyle?"

„Die Entlassungsfeier ist vorbei … Malfoy."

„Dessen bin ich mir sehr wohl bewußt."

„Wieso?" fragte Jeremy. „Wieso hast du das getan?"

„Wie bitte?" Draco öffnete eine Kiste, die auf seinem Tisch stand.

„Er ist immer noch am Leben", warnte Jeremy. „Unser Dunkler Lord ist noch am Leben. In dem Moment, als du ein nettes Wort zu ihr gesagt hast, hast du dich selbst zum Feind gemacht."

Draco grinste. „Ist das alles, was du zu sagen hast, Doyle?"

„Du warst mein Kollege, Malfoy."

„Ja, und wir waren so dicke Freunde, daß du mich unbedingt beim Dunklen Lord anschwärzen mußtet." Draco packte diversen Nippes von seinem Schreibtisch in seine Kiste. „Ich weiß, daß du es warst, der es ihm erzählt hat."

Jeremy wurde blaß, stieß aber ein Lachen aus. „Du ziehst voreilige Schlüsse. Ich war nicht der einzige Todesser in der Klasse."

„Aber du warst der einzige, der an dem Tag anwesend war, als ich meine Aufgabe erhalten habe." Draco schloß die Kiste.

„Ist eine Weasley es wirklich wert, alles aufzugeben? Du hast Glück, daß unsere Väter und unser Meister dem Kampf entkommen sind. Aber das wird sie nicht davon abhalten, dich zu ihrem nächsten Ziel zu machen", sagte Jeremy zu ihm.

Draco versiegelte die Kiste.

„Ich versteh dich nicht, Malfoy. Sie steht unter uns."

„Ich schlage vor, du gehst, Doyle. Bevor ich mich persönlich um dich kümmere."

„Aber …", protestierte Jeremy. „Das hier ist eine Schule – du bist ein Lehrer."

„Das wird mich nicht davon abhalten, dich zu meiner Zielscheibe zu machen." Draco grinste wie ein Fuchs. „Immerhin ist die Schule für dich vorbei. Ich bin nicht mehr dein Lehrer."

Jeremy schluckte und verließ rasch den Raum.

Draco wandte sich um und sah aus dem Fenster, wo er all die Familien auf dem Rasen von Hogwarts versammelt sah. Die Entlassungszeremonie war vor etwas einer Viertelstunde zu Ende gewesen. Schüler wie auch die Familien gratulierten den Siebtkläßlern, als sie sich auf den Weg zu einer „höheren Ebene" des Lebens machten. Viele waren bereit. Einige würden das Aurortraining aufnehmen wie Ron Weasley und Harry Potter vor ihnen. Einige gingen in die entgegengesetzte Richtung, um Vollzeit Todesser zu sein. Viele steuerten die Büros im Zaubereiministerium an. Etwa sechs Schüler, Virginia Weasley eingeschlossen, würden ein Praktikum beim Tagespropheten beginnen. Ihr war eine Stelle als Assistentin von Terry Lane angeboten worden, einem Schreiber der Abteilung Internationale Nachrichten.

Wo er gerade dabei war, da war eine Traube von Rotschöpfen, die sich lodernd gegen das Gras abhoben. Ihre Eltern, ihre sechs Brüder, Potter und seine zukünftige Brau … Jemand näherte sich Ginny und zog sie an sie Seite. Draco sah gespannt zu; er fragte sich, worüber dieser Colin Creevey mit ihr reden wollte. Er sagte etwas, und Ginny schüttelte den Kopf. Sie erklärte etwas, und Colin nickte nur mit gesenktem Kopf. Ginny umarmte ihn und ging Richtung Schloßeingang.

Draco hatte das Gefühl, daß Colin mit ihr ausgehen wollte oder so was in der Art … und sie hatte ihn abgewiesen. Gute Laune und Triumph ließen Dracos Brust schwellen. Ein ganzes Schuljahr war vorüber. Er hatte ein Händchen fürs Unterrichten. Er konnte von einem Raum Aufmerksamkeit fordern (insbesondere von den Mädchen), und ihm gefiel der Gedanke, Autorität zu haben. Und nachdem er Kinder im Alter von elf bis achtzehn Jahren unterricht hatte, erkannte er etwas: Er mochte Kinder. Er fragte sich tatschlich, wie es wäre, einen eigenen kleinen Draco zu haben. Urg, es fühlte sich komisch an, das zuzugeben, auch wenn es nur im Geiste war.

Er hörte ein Klopfen an seiner Tür. Draco drehte sich um.

Ginny trug ihre Hogwarts-Robe, aber sanfte Locken rahmten ihr Gesicht ein, und sie hatte Farbkleckse auf ihren Augenlidern und Lippen hinzugefügt. „Du wolltest mich sehen?"

Draco nickte und ging auf sie zu. „Ich hab was für dich." Er reichte ihr ein Päckchen in silberner Verpackung. „Ein Geschenk zum Schulabschluß, wenn du so willst."

„Das war nicht nötig."

„Ich weiß." Draco grinste selbstgefällig.

Ginny rollte mit den Augen.

„Na ja, es sind keine Rosen, davon hast du genug."

„Nicht wirklich, ich hab sie alle weggeworfen."

Draco zog die Augenbrauen zusammen. „Wieso? Ich hab sie mit einem Konservierungs-Zauber belegt, damit sie nicht verwelken."

„Leichtgläubiger, leichtgläubiger Draco." Ginny lächelte. „Also, wo wirst du den Sommer verbringen?"

„Dumbledore hat mir geholfen, einen Platz zu finden, wo ich bleiben kann, bis sich die Sache … abgekühlt hat", antwortete er.

„Und werde ich dich im Sommer sehen?"

Draco grinste. „Ein Malfoy, der Hausbesuche bei einer Weasley macht? Ist die Welt eine Scheibe geworden?"

Ginny knallte ihm das silberne Päckchen mit finsterem Blick an die Brust.

„Du weißt, daß das nur Spaß war. Mach es einfach auf", sagte Draco und gab es ihr zurück.

„Ehrlich", erwiderte Ginny verstimmt, „denkst du jemals nach, bevor du …" Sie riß die Verpackung ab und öffnete die Schachtel. „… redest?" Im Innern lag ein kleiner silberner, geflügelter Drache mit Jadeaugen. Sie zog ihn heraus und legte ihn auf ihre Hand, wobei sie die alte, aufwendige Handwerkskunst bewunderte. „Draco … was für eine schöne Kette." Sie schlang sofort ihre Arme um seinen Hals und umarmte ihn, während sie wieder und wieder „danke" flüsterte.

Er schlang seine Arme um sie, seine Finger verloren sich in ihren weichen, roten Locken. Diese Kette datierte zurück ins 15. Jahrhundert. Er hatte sie erst vor ein paar Tagen von seiner Mutter bekommen. Sie war ein Erbstück, eine Antiquität, die den Frauen der Malfoys gehörte. Er machte sich im Geiste eine Notiz, bald den Fuchsbau zu besuchen, mehr als je zuvor, um mit ihren Eltern zu sprechen. Draco Malfoy hatte eine Menge zu erklären.

… Und sie waren glücklich, bis ans Ende ihrer Tage.