Disclaimer: Alle Figuren, die aus dem "Herrn der Ringe" bekannt sind, sind ausnahmslos Eigentum von J.R.R. Tolkien.

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Fallen

Wir sind bald da. Legolas zeigte auf die schmale Schlucht, die sich vor ihnen auftat. Das ist Imlad Lhain. Wenn wir sie passiert haben, gelangen wir zum Wohnsitz des Fürsten Faramir.
Gimli nickte. Und dann? Hast du schon einen Plan, was wir dann unternehmen?
sagte der Elb optimistisch, wir werden zu ihm gehen und ihn fragen, wo Aragorn ist.
Ach, und du meinst, er wird es uns sagen?
Warum sollte er nicht?
Der Zwerg verzog mißmutig das Gesicht. Weil ich das Gefühl habe, daß er uns nicht die Wahrheit sagen wird. Ich weiß nicht, ob dir das bei all deinen eigenen Problemen aufgefallen ist, aber er scheint derjenige zu sein, der hinter den Unruhen steckt!
Legolas zog überrascht die Augenbrauen hoch. Dann trügte ihn sein Gefühl also nicht. Er verlagerte leicht sein Gewicht und wies sein Pferd auf diese Weise zum Halt an. Danach drehte er sich zu seinem Freund um. Bist du dir sicher? fragte er eindringlich, denn es fiel ihm schwer, diese Anschuldigung zu glauben. Er hatte den Fürsten Faramir als loyalen, ehrlichen Menschen kennengelernt, und er konnte sich noch immer nicht vorstellen, daß jemand wie er einen solchen Plan verfolgen würde. Andererseits wäre es nicht das erste Mal, daß er sich in einem Menschen täuschte...

Ich bin mir sicher. antwortete Gimli entrüstet. Denn ich weiß, daß Aragorn aus genau diesem Grund zu Faramir wollte. Seit er wußte, daß das Volk gegen ihn aufbegehrt, hatte er den Fürsten im Verdacht. Und nun scheint er sich einen Schritt zu weit vorgewagt zu haben.
Legolas nickte. Wenn das wahr ist, dann sollten wir einen anderen Weg einschlagen. sagte er bedächtig.
fragte Gimli verständnislos. Ich denke, das ist der richtige Weg?
Ist es auch. Nur werden wir in dieser Schlucht erwartet. Er zeigte auf eine erhabene Stelle am Hang der Felsen. Dort oben sind Menschen. erklärte er. Und sie werden uns bemerken, sobald wir die Schlucht betreten. Wollen wir ungesehen zu Faramir gelangen, müssen wir sie umgehen.
Gimli warf ihm einen skeptischen Blick zu. Ich kann da zwar niemanden sehen, aber einmal mehr vertraue ich deinen scharfen Elbenaugen, mein Freund. Wenn du sagst, daß wir hier nicht entlangreiten können, dann werde auch ich den steinigen Weg über die Felsen gehen.
Legolas lächelte. Er wußte, daß der Zwerg kein noch so großes Hindernis scheuen würde, um Aragorn zu helfen. Sofern der König überhaupt Hilfe benötigte. Doch je länger er darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher schien es ihm, daß sich sein Freund in Gefahr befand.

Wir werden sie umgehen. erklärte er. Es gibt einen weiteren Weg, der ein wenig steil ist, uns aber dennoch ans Ziel bringt. Da müssen wir laufen, aber es ist jetzt nicht mehr weit.
Nicht mehr weit... grummelte Gimli, das sagtest du schon vor Stunden.
Legolas warf ihm einen verständnisvollen Blick zu. Nun, mein Freund, du solltest froh sein, daß du endlich wieder festen Boden unter den Füßen hast! Er deutete auf einen schmalen Trampelpfad, der auf der rechten Hangseite emporführte. Dort entlang. Das ist unser Weg.

***

Schade, daß Ihr uns schon wieder verlaßt, Lady Arwen. Die Stimme der Dienerin war traurig, und auch Arwen verspürte leichte Wehmut darüber, daß sie ihre alte Heimat nun wieder hinter sich lassen mußte. Doch es half nichts - sie mußte zurück nach Minas Tirith, um zu sehen, was dort in der Zwischenzeit vor sich gegangen war.

Ihre Aufgabe in Imladris war erledigt. Sie hatte die Elben nicht aufhalten können, so sehr sie es auch versucht hatte. Elladan und Elrohir hatten sie auf den Weg zu den Weißen Türmen begleitet, und sicher waren sie in diesem Moment bereits in der Nähe des Auenlandes.
Das Auenland. Arwen seufzte. Sie hatte gehofft, die Heimat der Hobbits einmal besuchen zu können, doch nun verband sie damit lediglich eine Station auf dem weiten Weg nach Valinor.
Sie würde ihre Brüder vermissen; sie vermißte sie schon jetzt. Doch die einzige Möglichkeit, Hilfe anzufordern war, den Valar eine Nachricht zu überbringen. Ihnen mitzuteilen, was Molari dabei war zu tun, und daß es ihnen scheinbar nicht gelingen würde, sie aufzuhalten. Sie benötigten die Macht der Valar. Sie hatten den Elben schon einmal geholfen, gegen Melkor, und Arwen hoffte inständig, daß sie bereit waren es noch einmal zu tun. Denn sonst wäre der Verlust ihrer Brüder umsonst gewesen.

Ich werde bald wiederkommen. sagte sie lächelnd. Wenn die dunkle Gefahr gebannt und die alte Ordnung wiederhergestellt ist. Dann werde ich zurückkommen.
Und Ihr meint, es ist möglich, die Weiße Frau aufzuhalten? fragte Celiath unsicher. Ich habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen... sie ist unheimlich.
Ja, das ist sie. pflichtete Arwen ihr bei. Und sie vermag jeden mit ihrer Stimme allein zu beeinflussen. Nur nicht die, die gewarnt sind und stark genug, sich dagegen zu wehren. Sie seufzte. Ich kam zu spät, um Schlimmes zu verhindern.
Die Dienerin ging einen Schritt auf die Elbin zu und nahm ihre Hand. Ihr kamt rechtzeitig, um Euch verabschieden zu können. sagte sie leise.
Arwen nickte. Du hast recht. Aber nun muß ich fort, um zu sehen, ob meine Vorahnung wahr ist. Sie warf Celiath einen besorgten Blick zu, dann wandte sie sich ab und ging zurück in ihr Gemach, um die restlichen Sachen zu packen und sich reisefertig zu machen.

Sie wollte Imladris noch an diesem Tag verlassen. Denn seit der vergangenen Nacht war sie sicher, daß es in Gondor Schwierigkeiten gab. Sie hatte einen merkwürdigen Traum gehabt, in dem Gondor verlassen war, und niemand mehr dort wohnte, bis auf sie selbst. Auch Aragorn war nicht da, und der Gedanke daran, daß er eines Tages nicht mehr an ihrer Seite sein würde, machte ihr Angst. Und schenkte sie ihrem Gefühl Glauben, dann war dieser Tag nicht mehr weit. Sie mußte sich beeilen.

***

Bist du bereit, Pip?
Merry warf seinem Freund einen prüfenden Blick zu und grinste, als er sein bestätigendes Nicken sah. Dann war es also soweit. Das Spiel konnte beginnen.

Der Hobbit atmete noch einmal tief durch, bevor er auf die Menschen zuging, die sich mit energischen Schritten dem letzten Tor zur Veste näherten. Es waren seiner Schätzung nach etwa zwei Dutzend Männer, die den weiten Weg aus ihren Dörfern zurückgelegt hatten, um den König zu sehen. Und nun lag es an ihm und Pippin, sie davon abzuhalten zu erfahren, daß Aragorn nicht in Minas Tirith war und sein Amt demnach nicht ausführen konnte.
Ihr kommt gerade recht. sagte er grinsend, während er sich vor den offensichtlichen Anführer stellte. Und es verwunderte ihn nicht im Geringsten, daß es sich dabei um den Mann handelte, mit dem er sich wenige Tage zuvor in dem kleinen Dorf Selnak das Wortgefecht geliefert hatte.
Ich kenne Euch, kleiner Mann. sagte dieser nun stirnrunzelnd, nachdem er ihn von oben bis unten gemustert hatte. Ihr seid ein Freund des Königs.
Das ist wohl wahr. erwiderte Merry nickend. Mein Name ist Meriadoc Brandybuck. Und Ihr seid...?
Der dunkelhaarige Mann ließ keinen Zweifel daran, daß er nicht gedachte, sich lange mit dem Hobbit zu unterhalten. Im Gegenteil, er war schon wieder dabei, sich abzuwenden.
Odron. Gut! nickte Merry eifrig und richtete sich auf, um nicht aus dem Blickfeld des Menschen zu verschwinden. Es wird Euch interessieren, daß der König Euch sehen möchte. sagte er betont wichtig.
Odron verharrte in seiner Bewegung. Ist das so?
Merry nickte.
Wo ist er?
Der König? Merry warf Pippin einen auffordernden Blick zu.
Der König! stammelte dieser aufgeregt. Ja... richtig. Er wandte sich an Odron. Wenn Ihr mir folgen würdet...?
Nun war es der kleine Hobbit, den der Mann skeptisch betrachtete. Und auch bei Pippin machte er keinen Hehl daraus, daß er jeden Wortwechsel mit ihm als überflüssig ansah. Trotzdem folgte er ihm nach kurzem Zögern den Weg durch die enge Gasse In Richtung der Grüfte.

Was soll das? hörte Merry ihn noch fragen, bevor er sich selbst wieder den restlichen Menschen widmete, die etwas unentschlossen stehengeblieben waren. Pippin wird das schon machen,' redete er sich ein, denn das war der heikle Teil seines Planes, doch er hatte volles Vertrauen in seinen Freund.
sagte er gedehnt, während sich Pippin mit Odron immer weiter aus ihrer Hörweite entfernte. Für euch habe ich auch eine gute Nachricht. Er deutete auf den Palast, dessen Turmspitzen über die letzte der sieben Mauern ragten. Es wird heute ein Fest stattfinden. Zu Ehren des Königs und mit all denen, die ihn so tatkräftig unterstützen, in dem, was er tut.
Er macht eine Pause und sah in die Runde. Die Gesichter der Männer spiegelten ihre Verwirrung nur allzu deutlich wider. Damit seid ihr gemeint. fuhr Merry grinsend fort. Denn ihr seid doch das Volk; die wichtigen Bürger, die den Fortbestand Gondor's sichern...!
Ein unsicheres Getuschel wurde hörbar, das Merry erneut mit fester Stimme unterbrach.
Kommt mit mir, Leute! Vergeßt Eure Sorgen für einen Tag und laßt uns feiern!
Feiern... ja. kam es vereinzelt aus der Menge, und Merry war sichtlich erleichtert, daß sein Plan offenbar aufzugehen schien. Dann folgt mir. sagte er fröhlich und ging auf das letzte Tor zur Veste zu. Wir werden feiern!

***

Was soll ich denn hier? fragte Odron verwirrt, als Pippin sich weiter den Häusern näherte, die seitens der Stillen Straße standen. Das sind doch die Grüfte, oder?
Pippin nickte. Da befindet sich der König im Augenblick. erklärte er. Er bespricht sich mit seinen Altvorderen.
Odron nickte langsam. Ah. Und warum will er mich ausgerechnet hier treffen?
Das war die Frage, die Pippin befürchtet hatte. Denn darauf hatte er keine Antwort. Jedenfalls keine, die der Mensch ihm glauben würde. begann er, in der Hoffnung, daß sie ihr Ziel erreicht hatten, bevor er mit einer Erklärung aufwarten mußte, das ist eine interessante Frage. Doch darauf kann ich gewiß nicht ausreichend Auskunft geben. sagte er gedehnt, während er sich weiter dem vereinbarten Punkt näherte.
Warum nicht? wollte Odron gereizt wissen. Ihr kleines Volk scheint doch über alles hier informiert zu sein!
Nun ja... Pippin fühlte, wie ihm sein Herz mehr und mehr in die Hose rutschte. Es waren nur noch wenige Schritte, doch langsam zweifelte er daran, daß Merry's Plan aufgehen würde. Was, wenn der Mensch die Falle ahnte und rechtzeitig den Rückweg antrat? Was, wenn er sich als hartnäckigerer Gegner erweisen würde als sie gedacht hatten? Was, wenn... Er wagte es nicht, sich weitere Miseren auszumalen und biß sich besorgt auf die Unterlippe. Dann blieb er stehen.

Sie waren da. sagte er recht laut und zeigte auf die geschlossene Tür direkt vor ihnen. Hinter dieser Tür erwartet Euch der König. Jetzt ist Eure Gelegenheit, alles mit ihm zu besprechen, was Euer Herz begehrt. Er lächelte, denn Odron schien seinen Worten Glauben zu schenken. Aber beeilt Euch, fügte der Hobbit ermutigt hinzu, denn sicher wollte Ihr nicht das Fest am Abend versäumen.
Odron warf ihm einen verwunderten Blick zu, doch seine Haltung zeigte deutlich, daß er keinen Verdacht hegte. Nein, sicher nicht. sagte er kopfschüttelnd und wandte sich zur Tür. Doch wird es länger dauern, alles mit dem König zu besprechen. Ich hoffe, er hat Zeit.

nickte Pippin und mußte sich ein Lächeln verkneifen, denn das, was Odron hinter dieser Tür erwartete, erforderte in der Tat Zeit. Mehr Zeit, als dem Menschen lieb war.
Er beobachtete gespannt, wie der stämmige Mann die Klinke herunterdrückte und die Holztür öffnete. Jedoch tat er es nicht, ohne sich noch einmal zu dem Hobbit umzudrehen. Pippin nickte ihm noch einmal auffordernd zu, dann verschwand der Mensch und die Tür fiel hinter ihm in's Schloss.

Gut.' dachte Pippin erleichtert. Der Teil wäre geschafft.' Jetzt würden sich die Wachen seiner annehmen und ihm ein kleines Privatfest bereiten, das er so schnell nicht vergessen würde.
Er wartete noch ein wenig, um sicherzugehen, daß Odron nicht wieder herauskommen würde, dann drehte er sich um und ging zurück zu den anderen.