Kapitel 8
Cilia streifte sich den blauen Quidditch-Umhang über und band ihre Haare mit einem Haargummi zusammen. Sie warf einen kurzen Blick in den Spiegel, und verließ die Umkleide, um vor dem Spiel noch ein wenig frische Luft zu schnappen.
Sie dachte, wie schon die letzten Tage, darüber nach, mit wem sie sich für den Weihnachtsball verabreden könnte. Sie wusste, dass Lily sich mit Travis Grant, dem Quidditch Kapitän ihres Teams, verabreden wollte. Bei dem Gedanken daran musste Cilia unwillkürlich grinsen. James würde ausrasten, da war sie sich sicher. Doch mit wem sollte sie selbst gehen?
Sie hatte daran gedacht, Remus zu fragen, doch sie wollte ihm keine Probleme mit seinen Freunden machen. Außerdem hatte sie das Gefühl, das hinter den versteckten Blicken und Lächeln zwischen ihm und Theresy mehr steckte, als bloße Sympathie.
Sie musste daran denken, dass sie ja nun gleich gegen Sirius und James spielen musste. Leider konnte sie ihre Fähigkeiten gar nicht einschätzen, da sie keinen von beiden bisher hatte spielen sehen. Travis hatte ihr zwar gesagt, das James ein ausgezeichneter Sucher sei, der Beste, den er bisher gesehen hatte, doch er war der Meinung, Cilia könnte seiner Erfolgsserie ein Ende bereiten. Sirius war Treiber, das wusste sie. Auch er hatte einen durchaus nicht zu missachtenden Ruf. Sie fragte sich, ob sie eine Chance hatte, die durchgehenden Siege Gryffindors heute zu beenden?
In diesem Moment hörte sie Travis Ruf: „Hey Cilia, komm her, wir fangen gleich an! Ist alles in Ordnung mit dir?" Cilia lief auf ihn zu und nickte. „Alles klar, du machst das schon, wir glauben an dich!"
Lächelnd blickte er auf sie herab und gab ihr einen leichten Klaps auf den Rücken. Zusammen mit dem Rest des Teams liefen sie auf das Quidditch Feld und erhoben sich in die Lüfte, als Madam Ulsters Pfiff ertönte.
Sirius schoss auf seinem Besen in James Richtung und fing einen Klatscher ab, bevor dieser seinen Freund traf. Geschickt lenkte er ihn auf Travis Grant, der dadurch den Quaffel verlor. Sirius lachte triumphierend und flog wieder auf die andere Seite des Spielfeldes, dem anderen Klatscher hinterher.
Cilia beobachtete diese Szene von weiter oben, wo sie ihre Kreise zog. Sie runzelte die Stirn, als sie den Ballverlust mitbekam. Es stand 40:80 für die Gryffindors. Es musste langsam mal etwas geschehen. In diesem Moment sah sie das goldene Funkeln in der Nähe des zweiten Torringes der Ravenclaws. Ohne zu zögern lehnte sie sich auf ihrem Besen nach vorne und flog so schnell er es zuließ auf den Schnatz zu.
Im selben Moment hatte auch James das begehrte Objekt gesichtet und war ebenfalls schon mit hohem Tempo hinter dem Schnatz her.
Cilia hatte etwas Vorsprung vor James und es war klar, wer die Stangen wohl zu erst erreichen würde, doch in diesem Moment nahm sie eine rasche Bewegung links von ihr wahr und sah einen Klatscher auf sich zu fliegen. Doch schon einen Moment später hatte dieser seine Richtung geändert und flog in die Entgegengesetzte Richtung weiter. Überrascht blickte sie für eine Sekunde in intensiv leuchtende dunkelbraune Augen, sodass sie nicht bemerkte, dass sie einen Schlenker mit dem Besen gemacht hatte, wodurch James, der dicht hinter ihr war ausweichen musste und jetzt schräg unter ihr versetzt flog. Den Schnatz hatten beide aus den Augen verloren. Ein Raunen ging durch die Menge.
Sirius verstand sich selbst nicht mehr. Ohne sein Eingreifen hätte James den Schnatz sicher gefangen. Cilia wäre außer Gefecht gesetzt und das Spiel zu seinen Gunsten gewonnen.
Doch als er den Klatscher auf sie zufliegen sah, schossen ihm Bilder in den Kopf: Cilia getroffen vom Besen rutschend, in die Tiefe fallend, bewusstlos am Boden liegend…
Er wusste selbst nicht was er tat, als er auf sie zu flog und den Klatscher in die andere Richtung trieb. Für einen kurzen Moment hatte sie ihm in die Augen gesehen. Und er hatte geglaubt nicht nur Überraschung darin zu sehen, sondern auch… Dankbarkeit.
„Tatze, du hirnloser Trottel! Was sollte das bitteschön? Hast du sie noch alle? Wenn du nicht wärst hätten wir schon gewonnen!" James flog zu ihm und schrie ihn unaufhörlich an. „Warum hast du das getan?" Mit einer Mischung zwischen Unglaube und Wut blickte James Sirius an. Sirius wandte seinen Blick, der Cilia unentwegt gefolgt war, James zu. „Hm? Was?"
James sah in fassungslos an. „Warum du so was unglaublich dummes getan hast! Wir hätten fast gewonnen!"
„Aber, … sie wäre vom Besen gefallen." Sirius runzelte die Stirn. Konnte sein Freund nicht verstehen, dass das eine völlig inakzeptable Konsequenz war?
James Mund klappte auf und er sah Sirius immer noch verständnislos an.
„Hey ihr Zwei! Hört auf da rumzulabern. Falls ihr nicht mitbekommen habt, das Spiel geht weiter!" Kathleen, Hüterin des Gryffindor Teams musste schreien, um die Aufmerksamkeit der beiden Rumtreiber wieder auf das Spiel zu lenken. Mittlerweile stand es 70:90, wobei immer noch die Gryffindors führten.
James warf Sirius noch einen letzten nachdenklichen Blick zu und flog dann wieder gen Himmel, um eine gute Aussicht auf das Geschehen unter sich zu bekommen. Auch Sirius flog wieder davon, dem nächsten Klatscher hinterher.
Cilia sah, dass James Sirius anschrie und konnte es sogar nachvollziehen. Ohne Zweifel hätte sie diesem Klatscher nicht mehr ausweichen können, wäre von ihm getroffen vom Besen gefallen, oder zumindest nicht mehr fähig gewesen weiter zu spielen. James hätte den Schnatz gefangen. Sirius hatte das ganze verhindert.
Aber warum?
Sie beobachtete ihn, wie er unter ihr hin und her flitzte, immer den Klatschern hinterher und diese in Richtung der gegnerischen Jäger und Treiber spielend. Seien Haare wehten ihm wild ins Gesicht und sie musste zugeben, dass er wirklich keine schlechte Figur auf dem Besen machte.
Ein paar Sekunden zu spät nahm sie wahr, wie sich James erneut in die tiefe stürzte. Mit einem Fluch auf den Lippen folgte sie ihm um ein paar Sekunden verzögert, doch sie wusste, dass es sehr wahrscheinlich die Entscheidenden Sekunden waren.
Mittlerweile war sie ihm jedoch so nah, dass sie nur den Arm hätte ausstrecken müssen, um ihn am Umhang zu packen. Sie waren nur noch einige wenige Meter über dem Boden und noch mitten im Sturzflug, als James plötzlich seinen Besen nach oben riss und den Schnatz in Händen hielt. Jubelrufe erklangen aus den Rängen der Gryffindors.
Cilia fluchte und versuchte sich selbst noch aus dem Sturzflug zu retten, ohne auf dem Boden aufzuschlagen, der unaufhörlich näher kam. Sie spürte, wie die Borsten ihres Besens unter ihr den Boden streiften, als sie parallel zum Boden flog um dann langsamer zu werden und abzusteigen. Sie hatte Schweißperlen auf der Stirn. Das war knapp gewesen.
Nach ihr landeten schließlich auch alle anderen Spieler. Die Gryffindors enthusiastisch begleitet vom Jubelgeschrei ihrer Fans, die Ravenclaws eher niedergeschlagen.
Travis kam zu ihr und klopfte ihr auf den Rücken. „Du warst sehr gut. Es war knapp. Das nächste Mal schlagen wir sie." Er klang zwar sehr betrübt, lächelte sie aber aufrichtig an. „Danke Travis, aber es war mein Fehler, ich habe mich ablenken lassen." Travis nickte und ging wieder zu den Gryffindors um jedem die Hand zu geben und für das Spiel zu danken.
Auch Cilia trat zu ihnen und ergriff jede Hand. James lies sie nicht sofort los, sondern zog sie ein wenig zu sich. „Du bist verdammt gut McGrant. Wärst du keine Ravenclaw, würde ich dich fast für unser Team anwerben." Sie musste unwillkürlich grinsen. „Du bist aber auch nicht von schlechten Eltern, aber ich denke, das sagt man dir zu genüge." Ihr Blick wanderte zu der Horde Mädchen, die gerade auf das Spielfeld stürmten, um James zu gratulieren. James sah sich rasch um und musste lachen, als er sich wieder Cilia zuwandte. „Ja, da hast du recht, aber von jemandem, der selbst gut Quidditch spielt hört man so etwas noch mal so gerne." Verschmitzt grinsend drehte er sich um und wandte sich Kathleen zu, die ihn begeistert umarmte, weil er mal wieder geschafft hatte das Spiel zu ihren Gunsten zu entscheiden.
Cilia wandte sich ebenfalls ab und plötzlich stand Sirius vor ihr. „Kein schlechtes Spiel, McGrant." Grinste er sie schief an und streckte ihr seine Hand entgegen. Sie nahm sie und drückte sie kurz. „Danke, … Sirius." Er wusste, dass sie sich nicht für sein Lob bedankte und quittierte ihren Dank mit einem Lächeln. Zu seinem eigenen Erstaunen wurde ihm bewusste, dass es diesmal nicht auf Wirkung bedacht wahr, sondern er ihr zulächelte, weil er einfach wollte. Er wandte sich ab und machte sich auf den Weg in die Kabine.
Cilia blickte ihm nach. In ihrem Kopf schwirrten die Gedanken nur so umher.
Er hatte um sie gewettet!
Sie wäre vom Besen gefallen…
Er ist ein unverbesserlicher Weiberheld und kann nicht treu sein!
Wie er sie angesehen hatte…
Und überhaupt, warum dachte sie eigentlich über ihn nach?
Ihre Hand kribbelte seltsam. Sie ballte sie zur Faust und schüttelte den Kopf. Er kann sich nicht einfach so geändert haben. Und schließlich war ihr Bild von ihm doch auch nicht falsch. Die Wette bewies das.
Mit einem komischen Gefühl im Magen machte sie sich ebenfalls auf den Weg zur Kabine, um in Ruhe duschen zu können.
James schaute den beiden hinterher, wie sie in den jeweiligen Kabinen verschwanden. Zuerst war er unglaublich wütend auf Sirius gewesen, doch er hatte das Gefühl, dass hinter dessen Gefühlsduselei von wegen „Aber sie wäre vom Besen gefallen…" mehr steckte, als dieser vielleicht selbst zu geben wollte.
Sie hatten von Remus nicht mehr viel erfahren. Er ging ihnen soweit es ging aus dem Weg. Er meinte nur, er hätte mit den Mädchen geredet und sie hätten nachvollziehen können, was er ihnen erzählt hatte. Doch ihr Verhalten Sirius und James gegenüber hatte sich noch nicht wirklich geändert. Überhaupt, wo ist Lilly eigentlich? Er wusste, dass sie das Spiel verfolgt hatte, aber wo war sie jetzt?
Als er sie erblickte, runzelte er die Stirn. Sie stand da und unterhielt sich mit Travis Grant. Was zur Hölle wollte sie den von DEM? Hallo? Er hatte gerade das Spiel durch einen genialen Fang beendet und sie hatte nichts Besseres zu tun, als mit dem Kapitän der gegnerischen Mannschaft zu reden? Und sie schien sich auch noch prächtig zu amüsieren. Ihr helles Lachen klang bis zu ihm herüber. Er sah, wie sich die beiden voneinander verabschiedeten und Travis ihr strahlend hinterher sah, als sie sich umdrehte und auf das Schloss zu steuerte.
James hatte die Befürchtung, dass er mal ein ernstes Wörtchen mit Travis reden musste.
Aber erstmal wollte er Lilly fragen, ob sie nun doch mit ihm auf den Ball gehen wollte.
Er drehte sich um und eilte ihr hinterher. „Hey, Evans!"
